Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.12.1998, Az.: XIV 92/97
Arbeitslohn bei vom Arbeitgeber getragenen Aufwendungen anläßlich des 70. Geburtstages seines Geschäftsführers; Arbeitslohn nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG)
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 17.12.1998
- Aktenzeichen
- XIV 92/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 31208
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1998:1217.XIV92.97.0A
Rechtsgrundlagen
- § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO
- § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG
Verfahrensgegenstand
Einkommensteuer 1993
Amtlicher Leitsatz
Vom Arbeitgeber getragene Aufwendungen anläßlich des 70. Geburtstages seines Geschäftsführers führen zu Arbeitslohn.
In dem Rechtsstreit
hat der XIV. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 17. Dezember 1998,
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter ... am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...Richterin am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtliche Richterin ..
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die vom Arbeitgeber getragenen Aufwendungen anlässlich des 70. Geburtstags des Klägers als Geschäftsführer Arbeitslohn darstellen.
Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger bezieht als Geschäftsführer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Anlässlich einer bei seinem Arbeitgeber, der Firma ... GmbH, ..., durchgeführten Außenprüfung wurde festgestellt, dass der Arbeitgeber anlässlich des 70. Geburtstags des Klägers Aufwendungen i.H.v. 3.862 DM getragen hat. Aufgrund einer entsprechenden Kontrollmitteilung änderte das beklagte Finanzamt den Einkommensteuerbescheid 1993 vom .02.1995 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) und erhöhte die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit des Klägers um den o. g. Betrag.
Der gegen den Änderungsbescheid vom .11.1996 eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Zur Begründung seiner ablehnenden Entscheidung führte das Finanzamt aus: Richte der Arbeitgeber für seinen Arbeitnehmer die Feier zu dessen herausragenden Geburtstag aus, führe dies zu Arbeitslohn, auch wenn Kunden bzw. Geschäftsfreunde des Arbeitgebers eingeladen werden. Das private Ereignis überlagere insoweit den eigenbetrieblichen Werbeeffekt. Der Geburtstag stelle ein persönliches Ereignis im Leben eines Menschen dar. Handele es sich um einen herausragenden Geburtstag, wie z. B. die Vollendung des 70. Lebensjahres, sei es Brauch, seine Bekannten zu einer besonderen Feier einzuladen. Diesem Personenkreis werde auf diese Weise Gelegenheit gegeben, den Jubilar zu beglückwünschen und seine Person in angemessener Weise zu ehren. Im Vordergrund der Feier habe die Ehrung des Klägers gestanden, nicht die Selbstdarstellung des Arbeitgebers. Die Aufwendungen könnten auch nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit berücksichtigt werden. Selbst wenn man unterstellte, der Kläger habe die Kosten getragen, handele es sich bei den Aufwendungen für die Bewirtungen von Kunden und Kollegen des Arbeitgebers anlässlich des Geburtstages um Kosten der privaten Lebensführung i.S.d. § 12 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG).
Hiergegen richtet sich die Klage, die die Kläger wie folgt begründen: Auf Veranlassung des Arbeitgebers des Klägers habe anlässlich seines 70. Geburtstages eine Zusammenkunft von Kunden, Geschäftsfreunden und - wie der Prozessbevollmächtigteder Kläger in der mündlichen Verhandlung ergänzte - weiteren Arbeitnehmern des Arbeitgebers des Klägers stattgefunden. Zwar stellten Aufwendungen für Geburtstagsfeiern in der Regel Kosten der persönlichen Lebensführung dar. Im vorliegenden Fall seienaber folgende Besonderheiten zu beachten, die eine Abweichung von der o. g. Regel rechtfertigten: Der Kläger sei weder Gewerbetreibender noch Gesellschafter. Er sei als Geschäftsführer in einem abhängigen Arbeitsverhältnis tätig. Hierbei unterliege er den Weisungen seines Arbeitgebers bzw. der Gesellschafterversammlung. Die streitigen Aufwendungen seien durch Anordnung des Arbeitgebers entstanden, so dass sich der Kläger gegen die Entstehung der Aufwendungen nicht habe wehren können. Der 70. Geburtstag des Klägers habe für den Betrieb des Arbeitgebers ein Ereignis dargestellt, welches feierlich zu begehen in herausragendem Interesse des Arbeitgebers gestanden habe. Die Einladungen des Arbeitgebers seien nicht dem Kläger zuliebe ausgesprochen worden, sondern um bestehende Geschäftsverbindungen zu pflegen und zu vertiefen, bzw. neue Kunden zu akquirieren, damit aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen zur Förderung des Betriebs des Arbeitgebers. Beim Kläger sei durch die von seinem Arbeitgeber veranstaltete Feier kein Vermögensvorteil entstanden. Auch seien ihm keine Aufwendungen erspart geblieben oder erstattet worden. Von sich aus hätte er die Geschäftsfreunde seines Arbeitgebers nicht eingeladen. Die üblicherweise anfallenden Aufwendungen für die Durchführung einer Geburtstagsfeier habe der Kläger selbst getragen. Diese Feier habe in den Abendstunden mit vom Kläger eingeladenen Gästen stattgefunden.
Unterstellte man den vom Finanzamt angenommenen Zufluss von Arbeitslohn, wären die Aufwendungen für die Geburtstagsfeier als Werbungskosten des Klägers bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anzuerkennen.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid 1993 in der Fassung des Einspruchsbescheides abzuändern und die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers um 3.862 DM auf 275.890 DM zu vermindern und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen,
hilfweise,
für den Fall des völligen oder teilweisen Unterliegens, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf die Ausführungen im Einspruchsbescheid.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Zu Recht hat das Finanzamt die vom Arbeitgeber des Klägers getragenen Aufwendungen anlässlich des 70. Geburtstages des Klägers den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit hinzugerechnet.
1.
Gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.
Im Streitfall ist dem Finanzamt nach Durchführung der Einkommensteuerveranlagung 1993, die zum Erlass des Einkommensteuerbescheides vom .02.1995 geführt hat, bekannt geworden, dass der Arbeitgeber des Klägers Aufwendungen i.H.v. 3.862 DM für eine Feier anlässlich des 70. Geburtstags des Klägers getragen hat. Zutreffend hat das Finanzamt diese Aufwendungen als Arbeitslohn des Klägers qualifiziert und die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Änderungsbescheid entsprechend erhöht.
2.
Zum Arbeitslohn gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG alle "Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden". Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Leistung besteht oder nicht. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat diese Vorschrift in inzwischen gefestigter Rechtsprechung dahin ausgelegt, dass Arbeitslohn jeder geldwerte Vorteil ist, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist (vgl. BFH-Urteil vom 05.07.1996 VI R 10/96, BStBl II 1996, 545 m.w.N.). Dem in § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG benutzten Tatbestandsmerkmal "für" eine Beschäftigung ist zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter haben muss. Demgegenüber sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen, d. h. ganz überwiegend im eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt werden (BFH-Urteil vom 05.05.1994 VI R 55-56/92, BStBl II 1994, 771). Dies ist aber nicht schon dann der Fall, wenn für eine Zuwendung betriebliche Gründe sprechen. Vielmehr muss sich aus den Begleitumständen, wie z. B. Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl des Begünstigten, Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergeben, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zuerlangen, deshalb vernachlässigt werden kann (BFH vom 05.05.1994 VI R 55 - 56/92, a.a.O.).
a)
Für die Frage, ob die Aufwendungen für die Geburtstagsfeier Arbeitslohn darstellen oder nahezu ausschließlich im betrieblichen Eigeninteresse des Arbeitgebers getätigt wurden, sind die Grundsätze, die der BFH in seinen Urteilen vom 28.11.1991 I R 13/90, BStBl II 1992, 359 und vom 24.09.1980 I R 88/77, BStBl II 1981, 108 aufgestellt hat, entsprechend anzuwenden (vgl. auch Schmidt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 19 Rdz. 50, Stichwort: "Geburtstag"; Kirchhoff/Söhn, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 19 Rdn. B 1000, Stichwort: "Geburtstag"). In diesen Entscheidungen hat der BFH Aufwendungen einer Kapitalgesellschaft anlässlich der Geburtstagsfeier ihres Gesellschafters als verdeckte Gewinnausschüttung angesehen, auch wenn an der Feier nahezu ausschließlich Geschäftsfreunde teilgenommen haben. Zur Begründung hat der BFH im Wesentlichenfolgendes ausgeführt: Es sei weitgehend üblich, einen Geburtstag, der ein persönliches Ereignis im Leben eines Menschen darstelle, zu feiern. Handele es sich um einen herausragenden Geburtstag, so sei es Brauch, die Bekannten, mit denen man im persönlichen Kontakt stehe, zu einer besonderen Feier einzuladen. Diesem Personenkreis werde auf diese Weise Gelegenheit gegeben, den Jubilar zu beglückwünschen und seine Person zu ehren. Der Anlass für die Bewirtung und für die damit zusammenhängenden Kosten liege in der privaten Sphäre des Jubilars. Der Zusammenhang mit dem betrieblichen Geschehen innerhalb der Gesellschaft sei dadurch gelöst.
b)
Nach diesen Grundsätzen sind die Aufwendungen für die Geburtstagsfeier des Klägers nicht überwiegend dem betrieblichen Eigeninteresse des Arbeitgebers zuzuordnen. Entscheidend ist der Anlass für die Feier, nämlich der 70. Geburtstag des Klägers, der zu seiner privaten Sphäre gehört. Zwar mag die Ausrichtungder Feier auch der allgemeinen Imagepflege des Arbeitgebers des Klägers dienen. Dies führt aber nicht dazu, dass diese Werbemaßnahme als eindeutig im Vordergrund stehend beurteilt werden kann. Wenn ein Arbeitgeber zur Feier des 70. Geburtstages seines Geschäftsführers einlädt, so zielt die Feier nicht auf die Selbstdarstellung des Arbeitgebers, sondern in erster Linie auf die Ehrung des Jubilars ab, der im Mittelpunkt der Veranstaltung steht. In diesem Fall überlagert die Feier des Geburtstages die Werbewirkung zugunsten des Arbeitgebers (vgl. BFH-Urteile vom 28.11.1991 I R 34 - 35/90, BFH-NV 1992, 560; vom 27.02.1997 IV R 60/96, BFH-NV 1997, 560). Die Übernahme der Kosten für die Feier hatte damit Entlohnungscharakter, so dass die Erhöhung der Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit des Klägers zutreffend ist.
3.
Ein Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit kommt nicht in Betracht. Unterstelltman, dass der Kläger diese Kosten getragen hätte, wären diese Kosten der privaten Lebensführung i.S.d. § 12 Abs. 1 EStG zuzuordnen, weil sie mit dem persönlichen Ereignis "Geburtstag" im Zusammenhang stehen (vgl. BFH-Urteile vom 04.12.1992 VI R 59/92, BStBl II 1993, 350; vom 27.04.1990 IV R 54/88, BFH-NV 1991, 85).
4.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
5.
Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.