Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.12.1998, Az.: XI 183/96
Rabatte des Arbeitgebers an vom Arbeitnehmer benannte Dritte als Arbeitslohn; Ursächlichkeit der Rabatte für Einnahmen des Arbeitnehmers; Vermögensvermehrung als Voraussetzung für eine Einnahme; Vorliegen von Arbeitslohn bei objektiver Bereicherung eines Dritten
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 03.12.1998
- Aktenzeichen
- XI 183/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 30478
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1998:1203.XI183.96.0A
Rechtsgrundlagen
- § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG
- § 8 Abs. 1 EStG
Fundstelle
- NWB DokSt 1999, 1250
Verfahrensgegenstand
Lohnsteuer-Nachforderung
Amtlicher Leitsatz
Kein Arbeitslohn bei Rabatten des Arbeitgebers an vom Arbeitnehmer benannte Dritte, wenn die Rabatte nicht zu Einnahmen des Arbeitnehmers führen.
In dem Rechtsstreitverfahren hat
der XI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 3. Dezember 1998, an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter ... am Finanzgericht ...
Richterin am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin ...
ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Änderung des Lohnsteuer-Nachforderungsbescheids vom 10. Februar 1995 und des dazu ergangenen Einspruchsbescheids vom 29. April 1996 wird die Lohnsteuer auf 238.434,45 DM und der Solidaritätszuschlag auf 1.924,29 DM herabgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der an die Klägerin zu erstattenden Kosten abwenden, wenn nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Verfahrensgegenstand ist der Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid des Beklagten (Finanzamt - FA -) vom 10. Februar 1995 (Bl. 20 BP-Heftung) in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 29. April 1996 (Bl. 12 - 16 der Akte).
Streitig ist, ob von der Klägerin Lohnsteuer nachgefordert werdenkann, weil sie an Bekannte ihrer Arbeitnehmer zu vergünstigten Preisen Reiseleistungen erbracht hat.
Streitjahre sind 1987 bis 1989.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen als Reiseveranstalter. Nach Maßgabe einer firmeninternen Richtlinie "Urlaubsvergünstigungen für Mitarbeiter" (Bl. 35 - 43 der Akte) gewährt sie Preisvergünstigungen auch für Bekannte ihrer Arbeitnehmer, sofern diese von einem Arbeitnehmer benannt werden und gemeinsam mit diesem reisen. Die auf solche Dritte entfallenden Preisvorteile (hierzu Bl. 41 - 43 der Akte) wurden von der Klägerin, anders als bei mitreisenden Verwandten, nicht als Arbeitslohn erfasst.
Das FA setzte nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung wegen der an Dritte gewährten Preisvorteile für die Streitjahre Lohnsteuer in Höhe von 1.511.598,90 DM sowie Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer fest. Der hiergegen gerichtete Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.
Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin weiterhin gegen die Erfassung dieser Preisvorteile als Arbeitslohn. Sie ist der Meinung, Arbeitslohn sei nur anzunehmen, wenn für den Arbeitnehmer durch die Leistung des Arbeitgebers ein Vermögensvortel entstehe. Das sei aber bei den von ihr gewährten Preisvorteilen für Dritte nicht der Fall. Weder müsse der Arbeitnehmer in entsprechender Höhe auf eine eigene Begünstigung verzichten, noch könne von einer finanziellen Verpflichtung des Arbeitnehmers gegenüber dem Dritten ausgegangen werden, im Rahmen derer ihm in Höhe der Preisvergünstigung eigene Aufwendungen erspart blieben. Die Mitnahme eines Bekannten sei sicherlich ein ideeller Vorteil, den die Klägerin ihrem Arbeitnehmer auch zuwenden wolle; eine wirtschaftliche und damit steuerbare Bereicherung stelle sie jedoch nicht dar.
Die Klägerin beantragt,
unter Änderung des Lohnsteuernachforderungsbescheids vom 10. Februar 1995 sowie des dazu ergangenen Einspruchsbescheids vom 29. April 1996 die Lohnsteuer auf 238.434,45 DMund den Solidaritätszuschlag auf 1.924,29 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt
Klageabweisung.
Auf das Entstehen eines Vermögensvorteils für den Arbeitnehmer komme es für die Annahme von Arbeitslohn nicht an. Die Tatsache, dass die Empfänger der Preisvorteile von Arbeitnehmern benannt würden, führe aber sogar zur Entstehung eines geldwerten Vorteils. Denn dadurch hätten die Arbeitnehmer über einen ihnen wegen ihres Beschäftigungsverhältnisses zur Klägerin gewährten Vermögensvorteil verfügt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen im Einspruchs- und Klageverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Die von der Klägerin an mit Arbeitnehmern reisende Dritte gewährten Preisvorteile sind kein Arbeitslohn für die Arbeitnehmer, weil denen insoweit keine Einnahmen zufließen.
Zu den steuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeitgehören nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung in öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Diese Bezüge und Vorteile müssendurch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst sein. Nach § 2 Abs. 1 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) sind steuerpflichtige Einnahmen aus dem Dienstverhältnis alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen. Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um einmalige oder laufende Einnahmen handelt, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie gewährt werden (BFH-Urteil vom 9. März 1990 VI R 48/87, BFHE 160, 447, BStBl II 1990, 711).
Im vorliegenden Fall ist zwar unstreitig, dass die Preisvorteile an mitreisende Dritte durch das Dienstverhältnis der Arbeitnehmer zur Klägerin veranlasst sind. Einnahmen erzielen die Arbeitnehmerin diesem Zusammenhang jedoch nicht.
Voraussetzung für das Vorliegen einer Einnahme (§ 8 Abs. 1 EStG) ist nämlich eine Vermögensvermehrung, d.h. eine objektive Bereicherung des Arbeitnehmers (BFH-Urteile vom 17. September 1982 VI R 75/79, BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39, und vom 7. Dezember 1984 VI r 164/79, BFHE 142, 483, BStBl II 1985, 164). Durch an mitreisende Dritte gewährte Preisvorteile werden die Arbeitnehmer der Klägerin jedoch nicht bereichert.
Zwar ist anerkannt, dass auch eine Zuwendung von Preisvorteilen eine wirtschaftliche Bereicherung auslösen kann, wenn durch sie entsprechende Ausgaben erspart werden (BFH-Urteil vom 9. März 1990 VI R 48/87, BFHE 160, 447, BStBl II 1990, 711 m.w.N.). Wird der Preisvorteil einem Dritten gewährt, liegt aber die Ersparnis von Aufwendungen beim Arbeitnehmer nur vor, wenn die Zuwendung an den Dritten dem Arbeitnehmer einen Vermögensvorteil, z.B. Schuldbefreiung, verschafft (Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach,§ 19 EStG Anm. 123). Es ist jedoch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, welcher Vermögensvorteil den Arbeitnehmern dadurch entstanden sein soll, dass den mit ihnen reisenden Dritten Preisvorteile gewährt wurden. Insbesondere eine Schuldbefreiung durch Ersparnis von Unterhaltsaufwendungen, auf die bei der Begründung der Lohnsteuerpflicht von Leistungen an Verwandte von Arbeitnehmern abgestellt wird (BFH-Urteil vom 23. Februar 1979 VI R 74/76, BFHE 127, 205, BStBl II 1979, 390), ist hier nicht gegeben.
Auch dem Vortrag des Beklagten, die Preisvorteile für Bekannte seien zunächst den Arbeitnehmern zugewandt worden, und diese hätten durch die Benennung der Mitreisenden über den Vorteil verfügt und deshalb eine Einnahme erzielt, kann nicht gefolgt werden.
Zwar ist eine Abtretung auch künftiger Forderungen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ohne Einfluss auf die bisherige Zurechnung der Einkünfte (BFH-Urteil vom 13. Mai1976 IV R 83/75, BFHE 119, 63, BStBl II 1976, 592). Eine solche Abtretung oder auch eine Anweisung an den Arbeitgeber, Arbeitslohn an einen Dritten zu zahlen, setzen aber zunächst das Bestehen einer entsprechenden Forderung voraus. Kann der Arbeitnehmer wie hier einen Lohnanspruch jedoch nicht selbst durch Vereinnahmung realisieren, ist auch die Verfügung über Arbeitslohn durch Benennung eines dritten Empfängers nicht möglich (Gily, in: Kirchhof/Söhn, EStG, § 19 Rdnr. B 729). Da die Preisvorteile für Dritte keinen Einfluss darauf haben, in welcher Höhe die Klägerin ihren Arbeitnehmern Preisvorteile gewährt, berühren die den Dritten gewährten Rabatte den Lohnanspruch der Arbeitnehmer nicht.
Auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrages zugunsten Dritter kann hier kein Zufluss von Arbeitslohn bei den betroffenen Arbeitnehmern angenommen werden. Denn anders als z.B. in den Fällen der Zukunftssicherung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 LStDV verpflichtetsich hier der mitreisende Dritte als Vertragspartner der Klägerin nicht zu einer Leistung an deren Arbeitnehmer.
Schließlich teilt der Senat auch nicht die Auffassung, dass eine objektive Bereicherung eines Dritten genügt, um Arbeitslohn bei einem Arbeitnehmer anzunehmen, wenn nur die Leistung an den Dritten durch das Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer veranlasst ist. Ein solches Ergebnis mag im Einzelfall einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise entsprechen, wenn z.B. der Arbeitnehmer und der Dritte eine Wirtschaftsgemeinschaft bilden (vgl. Urteil des FG Düsseldorf vom 23. Juni 1978 V 64/73, EFG 1979, 121). Fehlt es dagegen wie im vorliegenden Fall an einer solchen wirtschaftlichen Verknüpfung zwischen Arbeitnehmer und Leistungsempfänger, kann nicht von einer Einnahme des Arbeitnehmers ausgegangen werden. Dann aber liegt in der Leistung an den Dritten auch kein Arbeitslohn des Arbeitnehmers, denn hierfür ist die Veranlassung der Leistung durchdas Arbeitsverhältnis allein nicht ausreichend.
Da letztlich auch der Tatbestand des § 42 Abgabenordnung durch die Gewährung von Preisvorteilen durch die Klägerin an Dritte nicht erfüllt ist (vgl. Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O.), können diese Preisvorteile den Arbeitnehmern der Klägerin nicht als Arbeitslohn zugerechnet werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision waren nicht ersichtlich.