Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 15.03.2007, Az.: 6 U 137/06
Darlehensforderung; Darlehensverhältnis; Darlehensvertrag; Rückerstattungsforderung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 15.03.2007
- Aktenzeichen
- 6 U 137/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 71767
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hildesheim - 22.06.2006 - AZ: 4 O 450/05
- nachfolgend
- BGH - 10.03.2010 - AZ: IV ZR 78/07
Rechtsgrundlagen
- § 607 Abs 1 BGB
- Art 28 Abs 1 S 1 BGBEG
- Art 28 Abs 5 BGBEG
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 22. Juni 2006 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 43.459,81 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt vom Beklagten Rückzahlung eines Darlehens aus abgetretenem Recht ihrer im Iran lebenden Schwiegermutter F. Sh., die mit Ahmad K., dem Bruder des Beklagten, verheiratet ist. Sie ist die Mutter von Arash K., der mit der Klägerin verheiratet ist und vom Beklagten, seinem Onkel, mit der Verwaltung dessen Restaurants in Kassel beauftragt war.
Aufgrund einer am 26. Dezember 2000 erfolgten Überweisung (Anlage K 2, Bl. 5 d. A.) vom iranischen Konto des Mostafa Sh. (Bl. 60 d. A.), dem Bruder der Zedentin (Bl. 164 d. A.), den die Zedentin hiermit beauftragt hatte, erhielt der Beklagte auf seinem Konto bei der Volksbank in Kassel eine Gutschrift über 85.000 DM (Anlage K 2, Bl. 5 d. A.).
Mit anwaltlichem Schreiben vom 7. Juli 2004 (Anlage K 3, Bl. 6 f d. A.) verlangten die Zedentin und ihr Ehemann vom Beklagten, das durch Überweisung vom 26. Dezember 2000 zur Verfügung gestellte Darlehen über 85.000 DM bis zum 7. August 2004 zurückzuzahlen. Mit „Abtretungsvertrag“ vom 15. Oktober 2005 (Anlage K 1, Bl. 4 d. A.) trat die Zedentin „ihre Darlehensansprüche gegen (den Beklagten) aus dem Darlehensverhältnis vom 26.12.2000 an die (Klägerin) ab, (die) auch berechtigt (ist), diese Darlehensforderungen gerichtlich geltend zu machen“.
Mit der Klage hat die Klägerin Rückzahlung von 85.000 DM (= 43.459,81 €) verlangt und dazu vorgetragen, der Beklagte sei im Dezember 2000 an ihren Sohn herangetreten, weil er dringend und kurzfristig einen Kredit über 85.000 DM gebraucht habe, um im Wege der Zwangsversteigerung eine Wohnung günstig erwerben zu können. Ihr Sohn, der nicht selbst über solche Beträge habe verfügen können, habe dem Beklagten zugesagt, er wolle mit ihr sprechen, ob sie dem Beklagten das Darlehen gewähren werde. Telefonisch habe sie ihrem Sohn zugesagt, dem Beklagten mit einem Kredit für den Erwerb der Wohnung helfen zu wollen und sodann veranlasst, dass dem Beklagten auf dessen Konto durch Mostafa Sh. der Kreditbetrag in Höhe von 85.000 DM überwiesen worden sei, wie von diesem am 5. April 2006 bestätigt (Anlage K 4, Bl. 48 d. A.).
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt und vorgetragen, in Hildesheim, Kassel, Berlin und Bielefeld Restaurants betrieben zu haben. Hierbei habe er Steuern hinterzogen und sei deshalb mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Hildesheim vom 5. Januar 2006 zu 14 Ls 22 Js 27750/04 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und 10 Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden sei. Der Gesamtbetrag der hinterzogenen Steuer habe etwa 250.000 € betragen. Bei den an ihn überwiesenen 85.000 DM habe es sich um einen Teilbetrag aus den hinterzogenen Geldern gehandelt. Denn zur Verschleierung der Steuerhinterziehung habe absprachegemäß sein Neffe Arash K. seinen, des Neffen, Eltern bei deren jährlichen Besuchen jedes Mal Bargeld aus den Einnahmen der Restaurants mitgegeben, woraus ihm, dem Beklagten, der Betrag von 85.000 DM überwiesen worden sei.
Mit dem angefochtenen Urteil, auf das zur weiteren Sachdarstellung verwiesen wird (Bl. 82 bis 87 d. A.), hat das Landgericht unter Abweisung der weitergehenden Zinsforderung den Beklagten verurteilt, an die Klägerin - wie vom Senat berichtigt (Bl. 140 d. A.) - 43.459,81 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Mai 2006 zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beklagte den behaupteten Darlehensvertrag nicht „erheblich“ bestritten habe.
Mit der Berufung wendet der Beklagte ein, das deutsche Recht sei auf den Darlehensvertrag, den er wirksam bestritten habe, nicht anwendbar. Die vermeintliche Darlehensgeberin habe ihren Wohnsitz im Iran.
Er beantragt,
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen, hilfsweise unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Verfahrens die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschriften verwiesen.
Die Akten 22 Js 27750/04 des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen Hannover lagen vor und waren informatorisch Gegenstand der Verhandlung.
Der Senat hat Beweis erhoben nach Maßgabe des Beweisbeschlusses vom 21. November 2006 (Bl. 141 f d. A.) durch Vernehmung des Zeugen Arash K. in der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2007 (Bl. 163 bis 168 d. A.).
II.
Die Berufung ist begründet.
Die Klägerin kann aus abgetretenem Recht ihrer Schwiegermutter keine Rückzahlung des an den Beklagten überwiesenen Betrages von 85.000 DM verlangen. Denn in der durchgeführten Beweisaufnahme ist der Klägerin, die als Anspruchstellerin das von ihr behauptete Darlehen zu beweisen hat, nicht der Nachweis gelungen, dass der Überweisung eine Darlehensvereinbarung mit dem Beklagten zugrunde lag.
1. Gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 5 EGBGB unterliegt der behauptete Darlehensvertrag dem Recht der Bundesrepublik Deutschland da sich aus der Gesamtheit der von der Klägerin vorgetragenen Umstände ergibt, dass der Vertrag engere Verbindungen mit der Bundesrepublik Deutschland, als mit dem Iran aufweist. Denn nach Darstellung der Klägerin wurde das Darlehen in Deutscher Mark gewährt und war für eine Eigentumswohnung in Deutschland bestimmt, wobei der Wohnsitz der Zedentin im Iran nur von untergeordneter Bedeutung war, da das Geschäft durch ihren Sohn vermittelt wurde, der gemeinsam mit dem Beklagten seinen Geschäften in Deutschland nachging, was durch das Darlehen gefördert werden sollte.
2. Die Gewährung eines Darlehens durch die Zedentin hat der Beklagte durch die Darstellung wirksam bestritten, dass er mit dem Zeugen Arash K., seinem Neffen, zu dem sein gutes Verhältnis, das fast so wie zu einem Sohn gewesen sei, sich erst verschlechtert habe, nachdem er, der Beklagte, seine jetzige Ehefrau kennen gelernt und mit ihr seinen inzwischen fünfjährigen Sohn bekommen habe (Bl. 141 d. A.), besprochen habe, dass die Eltern des Zeugen bei ihren Besuchen in Deutschland Erlöse des Beklagten aus seinen Betrieben mit in den Iran nehmen und von dort auf sein Konto in Deutschland überweisen sollten, um die Erlöse vor den Steuerbehörden in Deutschland zu verheimlichen (Bl. 163 d. A. i. V. m. Bl. 71 f d. A.).
3. Die Aussage des Zeugen Arash K. war demgegenüber nicht geeignet, den Senat von der Darstellung der Klägerin zu überzeugen, dass der Überweisung ein Darlehen der Mutter des Zeugen aus ihrem Vermögen an den Beklagten zugrunde lag.
Zwar hat der Zeuge bekundet, als Vertreter seiner Mutter („vermittelnde Person“) mit dem Beklagten auf dessen Nachfrage besprochen zu haben, dass die Mutter dem Beklagten bei dem unstreitig beabsichtigten Erwerb einer Wohnung in Deutschland durch ein Darlehen helfe, dessen Rückzahlung der Beklagte zugesagt habe, so dass die Überweisung erfolgt sei (Bl. 164 f d. A.).
Doch vermag der Senat der Aussage des Zeugen nicht mehr Glauben zu schenken als der Darstellung des Beklagten.
Zum einen ist schon die Darstellung wenig glaubhaft, dass der Zeuge bei Vereinbarung des Darlehens, das nach seiner Darstellung aus einem zu diesem Zeitpunkt erzielten Verkaufserlös seiner Mutter in Höhe von „ungefähr 95.000 DM“ stammte (Bl. 164 d. A.) und das „ganze Vermögen“ seiner Mutter darstellte (Bl. 166 d. A.), davon absah, das Darlehen schriftlich zu vereinbaren, einen konkreten Rückzahlungstermin und eine konkrete Verzinsung festzulegen sowie eine dingliche Sicherung zu verlangen, obwohl er die erforderliche Geschäftserfahrung besaß.
Zum anderen war die Aussage nicht überzeugend, da der Zeuge im Verlaufe seiner Aussage die Angaben zu Streitigkeiten mit dem Beklagten berichtigt hat und die Aussage auch andere Widersprüche aufweist. Denn auf Frage des Senatsvorsitzenden, „warum der Beklagte nicht selbst seine Schwägerin im Iran angerufen habe“, hat der Zeuge geantwortet, dass der Beklagte „mit jedem Streit (hat) und ... mit niemandem Gespräche“ führt, was er auf Vorhalt, „warum er dann seine Schwägerin um Geld gebeten hat“, dahin berichtigt hat, dass „damals ... kein Streit (war), da hatten wir alle noch ein gutes Verhältnis“ und er sei „immer zwischen dem Beklagten und (der) Mutter die vermittelnde Person“ gewesen (Bl. 165 d. A.). Seine Aussage, sie hätten „nie daran gedacht, dass was Schriftliches notwendig sei“, da dies „im Iran ... nicht üblich“ sei und „eine enge Familienbindung“ bestanden habe (Bl. 166 d. A.), hat er im weiteren Verlauf der Aussage dahin abgeändert, dass er für den Fall, dass dem Beklagten „was zustoße“ und er gegen dessen „Ehefrau vorgehen“ müsse, ein Schreiben „in diese Richtung“ vorbereitet habe, worauf ihm der Beklagte jedoch gesagt habe, dass ihm ein solches Schreiben nichts nütze, sondern dies notariell gemacht werden müsse (Bl. 167 d. A.).
Im Übrigen spricht gegen die Überzeugungskraft der klägerischen Darstellung, dass für die Zeit, bevor der Streit mit dem Beklagten entstand, keine objektiven Indizien für die Gewährung eines Darlehens vorliegen. So war bei der Überweisung kein Verwendungszweck im Sinne von „Darlehen“, „Kredit“ oder ähnlichem genannt. Auch war keine Verzinsung verlangt worden, obwohl schon mehrere Jahre vergangen waren. Vielmehr erscheint die Kündigung vom 7. Juli 2004 (Anlage K 3, Bl. 6 f d. A.), in dem nicht nur die Mutter des Zeugen, sondern seine, von ihm vertretenen Eltern als Darlehensgeber genannt wurden und mit dem erstmals und ohne weitere Begründung eine Verzinsung von 5 % seit dem 26. Dezember 2000 verlangt wurde, als Reaktion auf den Umstand, dass der Zeuge zuvor von der GmbH in Bielefeld, an der er mit dem Beklagten gemeinsam beteiligt war, in Anspruch genommen worden war (Bl. 167 d. A.), so dass er in der Kündigung unter Hinweis auf einen möglichen Widerruf der ausgesprochenen Bewährung Einwendungen zur Abrechnung erhoben und zum Ausdruck gebracht hat, „lediglich das ihm unterschlagene Geld zurück haben“ zu wollen.
Auf den Vorhalt des Senatsvorsitzenden, dass „der Beklagte gemessen an den Einkünften aus seinen Restaurants gemäß Seite 11 des Fahndungsberichts vom 19. Februar 2004 (Bl. 292 Bd. I der Ermittlungsakten) auf ein Darlehen in Höhe von 85.000 DM nicht angewiesen war, weil er fast 29.000 DM pro Monat im Durchschnitt übrig hatte“, hat der Zeuge eingeräumt, dass der Beklagte damals viel gekauft hat und auch große private Ausgaben hatte (Bl. 165 d. A.).
4. Nach alledem hat auch die von der Klägerin unter Beweis gestellte, zeitlich und örtlich aber nicht konkretisierte Behauptung, der Beklagte habe „nach Erhalt der Kündigung wiederholt geäußert, dass er sich bemühen werde, das Darlehen so schnell wie möglich zurückzuzahlen“ (Bl. 46 d. A.), keine Indizwirkung für die Behauptung, zwischen dem Beklagten und der Zedentin sei ein Darlehen vereinbart worden. Es bleibt die Möglichkeit, dass der Beklagte durch solche Äußerungen lediglich Ruhe haben wollte vor der wiederholten Belästigung wegen einer Rückzahlung, die er nicht schuldete.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 91 Abs. 1, § 708 Nr. 10 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO für die Zulassung nicht vorliegen.