Landgericht Hildesheim
Urt. v. 22.06.2006, Az.: 4 O 450/05

Darlehensforderung; Darlehensverhältnis; Darlehensvertrag; Rückerstattungsforderung

Bibliographie

Gericht
LG Hildesheim
Datum
22.06.2006
Aktenzeichen
4 O 450/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 53263
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Celle - 15.03.2007 - AZ: 6 U 137/06
BGH - 10.03.2010 - AZ: IV ZR 78/07

Tenor:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 43.459,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.05.2006 zu zahlen. Wegen der weitergehenden Zinsforderung wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

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Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht der im Iran lebenden Frau XXX gegen den Beklagten einen Darlehensrückzahlungsanspruch geltend.

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Die Klägerin legt eine Überweisungsanordnung (Bl. 5 d. A.) vor, wonach ein Mr. XXX, Teheran Iran, am 26.12.2000 einen Betrag von 85.000,00 DM an den Beklagten auf dessen Konto bei der „Kasselerbank eG Volks Bank Raiffen Bank, Rudolf Schwander Straße 1, 34117 Kassel“ überwiesen hat. Sie behauptet, es handele sich hierbei um ein Darlehen der Zedentin an den Beklagten. Im Dezember 2000 sei der Beklagte an den Sohn der Zedentin, Herrn XXX, herangetreten, weil er kurzfristig einen Kredit über 85.000,00 DM gebraucht habe, um eine Wohnung im Wege der Zwangsversteigerung günstig erwerben zu können. Der Sohn der Zedentin, der selbst über diese Beträge nicht habe verfügen können, habe dem Beklagten zugesagt, er wolle mit seiner Mutter sprechen, ob diese dem Beklagten das Darlehen über 85.000,00 DM gewähren könne. Er habe sodann mit seiner Mutter telefoniert, die zugesagt habe, dem Beklagten mit einem Kredit für den Erwerb der Wohnung helfen zu wollen und sodann veranlasst habe, dass dem Beklagten der Kreditbetrag auf dessen Konto bei der Kasseler Volksbank eG überwiesen worden sei. Hierbei sei eine Zwischenschaltung des Kontos von Herrn XXX erforderlich gewesen, da dieser über ein spezielles Devisenkonto verfügt habe. Die Klägerin legt ferner ein Anwaltsschreiben vom 07.07.2004 (Bl. 6 f. d. A.) vor, durch welches der Beklagte aufgefordert wurde, den Darlehensbetrag in Höhe von 43.459,81 € nebst Zinsen bis zum 07.08.2004 zurückzuzahlen.

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Mit der am 15.02.2006 zugestellten Klage beantragt die Klägerin,

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den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 43.459,18 € zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 7. August 2004 zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er ist der Auffassung, vorliegend sei aufgrund des Wohnsitzes der Zedentin im Iran iranisches Recht anzuwenden. In der Sache hat er zunächst die Hingabe und den Empfang des geltend gemachten Geldbetrages bestritten und die Auffassung vertreten, die von der Klägerin vorgelegte Überweisungsanordnung sei kein Beleg für den Empfang des Geldes. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die von dem Beklagten bevollmächtigte Ehefrau den Eingang des Betrages auf dessen Privatkonto eingeräumt. Nachdem der Beklagte zunächst den Vortrag der Klägerin zum Zustandekommen einer Darlehensvereinbarung bestritten und für widersprüchlich gehalten hat, hat er - vertreten durch seine Ehefrau - im Termin behauptet, bei den an ihn überwiesenen 85.000,00 DM handele es sich um einen Teilbetrag aus im Rahmen des von ihm betriebenen Gaststättenbetriebs hinterzogenen Steuern. Unstreitig ist der Beklagte mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Hildesheim vom 05.01.2006 (14 Ls 22 Js 27750/04) wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten auf Bewährung verurteilt worden.

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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 18.05.2006 (Bl. 61 f. d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist aus § 607 Abs. 1 BGB a. F. begründet.

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Der vorliegende Rechtsstreit war nach deutschem Recht zu entscheiden. Nach Art. 33 Abs. 2 EGBGB ist im Rahmen der Geltendmachung einer abgetretenen Forderung diejenige Rechtsordnung ausschlaggebend, die für die abgetretene Forderung anzuwenden wäre. Für die hier streitige Darlehensforderung ist dies das deutsche Recht. Zwar trifft es zu, dass - wie überwiegend angenommen wird - die charakteristische Leistung im Sinne des Art. 28 Abs. 2 EGBGB beim Darlehensvertrag vom Darlehensgeber erbracht wird, wobei die Darlehensgeberin vorliegend zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt unstreitig im Iran hatte. Die sich hieraus ergebende Vermutung zu Gunsten der Anwendung iranischen Rechts gilt gemäß Art. 28 Abs. 5 EGBGB vorliegend allerdings nicht, weil der (behauptete) Darlehensvertrag nach der Gesamtheit der Umstände engere Verbindungen mit der Bundesrepublik Deutschland aufweist. So wurde der Vertragsschluss nach dem Vorbringen der Klägerin dergestalt angebahnt, dass der in der Bundesrepublik wohnhafte Beklagte den ebenfalls dort wohnhaften Sohn der Zedentin wegen der Gewährung eines Darlehens ansprach und die Zedentin sodann die Überweisung des Betrages in deutscher Währung auf ein in der Bundesrepublik Deutschland geführtes Konto des Beklagten veranlasste. In einer Gesamtschau aller Umstände weist der (behauptete) Darlehensvertrag mithin engere Verbindungen mit der Bundesrepublik Deutschland auf, zumal die im Iran lebende Zedentin nach dem Vortrag der Klägerin lediglich deshalb als Geldgeberin auftrat, weil ihrem in der Bundesrepublik wohnenden Sohn der gewünschte Betrag nicht zur Verfügung stand.

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In der Sache geht das Gericht von der klägerischen Schilderung zum Zustandekommen eines Darlehensvertrages zwischen der Zedentin und dem Beklagten aus; ein erhebliches Bestreiten des Beklagten ist insoweit nicht erfolgt. Nach dem substantiierten und unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin trat der Beklagte im Dezember 2000 an den Sohn der Zedentin heran und erklärte, er brauche dringend und kurzfristig einen Kredit über 85.000,00 DM zum Erwerb einer Wohnung in der Zwangsversteigerung. Da der Sohn der Zedentin selbst über diese Beträge nicht habe verfügen können, habe dieser dem Beklagten zugesagt, er wolle mit seiner Mutter sprechen, ob diese dem Beklagten ein Darlehen in dieser Höhe gewähren würde. In einem Telefonat mit ihrem Sohn habe die Zedentin sodann zugesagt, den Beklagten mit einem Kredit für den Erwerb der Wohnung helfen zu wollen und im Anschluss die Überweisung des Betrages unter Zwischenschaltung der Bankverbindung von Herrn Mostafa Shafiei veranlasst; der Beklagte habe den Betrag dann auch zum Erwerb der Eigentumswohnung verwendet.

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In diesem Vorgang ist eine Darlehensgewährung der Zedentin an den Beklagten zu sehen. Denn nachdem der von dem Beklagten auf die Gewährung eines Darlehens über 85.000,00 DM angesprochene Sohn der Zedentin dem Beklagten zugesagt hatte, mit seiner Mutter sprechen zu wollen, ob diese dem Beklagten ein solches Darlehen gewähren würde, und kurze Zeit später der gewünschte Betrag aus dem Iran von einem auf „Mr. Shafei“ lautenden Konto überwiesen wurde, war aus objektiver Sicht für den Beklagten deutlich, dass es sich hierbei um den über den Sohn der Zedentin erbetenen Kredit handeln musste. Im Übrigen hat die Klägerin insoweit auch ein Bestätigungsschreiben von Herrn Mostafa Shafiei vom 05.04.2006 vorgelegt (Bl. 48 d. A.), wonach er am 26.12.2000 von der Zedentin einen Betrag in Höhe von 85.000,00 DM mit der Anweisung erhalten habe, diesen Betrag „als Darlehen“ für den Beklagten auf dessen Bankkonto zu überweisen.

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Nachdem der Beklagte diesen Vortrag zunächst lediglich einfach bestritten hatte, hat das Gericht im Termin zur mündlichen Verhandlung die von dem Beklagten bevollmächtigte Ehefrau, Frau XXX, eingehend zur Sachaufklärung angehört, wobei im Rahmen der Erörterung darauf hingewiesen worden war, dass das einfache Bestreiten des Beklagten nicht ausreichend ist. Die Ehefrau des Beklagten hat erklärt, der Beklagte sei Inhaber eines Gaststättenbetriebes und habe in diesem Rahmen Steuern betreffend die Betriebseinnahmen in Höhe von insgesamt etwa 250.000,00 € hinterzogen. Herr XXX, der Sohn der Zedentin, habe ebenfalls an der Restaurantkette mitgewirkt. Bei den an den Beklagten überwiesenen 85.000,00 DM habe es sich um einen Teilbetrag aus den hinterzogenen Geldern gehandelt, den Herr XXX zunächst auf ihr, der Ehefrau, Konto überweisen habe wollen, was sie aber abgelehnt habe, weil sie gewusst habe, dass das Geld aus einer Steuerhinterziehung stamme.

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Das Gericht bewertet diese Angaben als nicht ausreichend für ein substantiiertes und damit erhebliches Bestreiten des klägerischen Vortrags. Auch wenn unstreitig ist, dass der Beklagte mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Hildesheim vom 05.01.2006 wegen Steuerhinterziehung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden ist, ist die bloße Erklärung, bei den 85.000,00 DM habe es sich um einen Teilbetrag aus den hinterzogenen Geldern gehandelt, zu pauschal gehalten, um als erhebliches Bestreiten angesehen werden zu können. Eine weitere Sachaufklärung etwa zu der Frage, warum gerade zu diesem Zeitpunkt ein Betrag in dieser Höhe an den Beklagten überwiesen sein soll, war im Termin nicht möglich, da die Ehefrau des Beklagten auch auf Nachfrage keine weiteren Fakten über die bereits dargestellten hinaus schilderte. Sofern der Beklagte mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 30.05.2006 seinen diesbezüglichen Vortrag weiter substantiiert, war sein Vorbringen gemäß § 296 a ZPO nicht zu berücksichtigen. Es stellt sich hier überdies die Frage, warum das Vorbringen des Beklagten erst zu diesem Zeitpunkt erfolgt ist und nicht bereits auf den Schriftsatz der Klägerin vom 05.04.2006 oder spätestens im Termin, wo die Sache unter Einbeziehung der Ehefrau des Beklagten umfassend erörtert worden ist. Nachteile in dem gegen den Beklagten gerichteten Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung wären insoweit nicht zu befürchten gewesen, weil das Strafurteil bereits seit dem 05.01.2006 rechtskräftig ist.

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Im Übrigen hegt das Gericht nicht unerhebliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Vorbringens des Beklagten, die sich auf die Wechselhaftigkeit seines Vortrages zum Erhalt der 85.000,00 DM gründen. Nachdem der Beklagte die Hingabe und den Empfang dieses Geldes nämlich zunächst ausdrücklich bestritten und sich im Einzelnen schriftsätzlich mit der Beweiskraft der von der Klägerin vorgelegten Überweisungsanordnung auseinandergesetzt hatte, hat die Ehefrau des Beklagten im Termin erklärt, es treffe zu, dass der Betrag von 85.000,00 DM auf dem Privatkonto des Beklagten eingegangen sei. Da demnach der anfängliche Vortrag des Beklagten zum Empfang des Geldes wahrheitswidrig gewesen sein muss, bestehen durchaus auch Zweifel hinsichtlich des Wahrheitsgehaltes seines übrigen Vortrags. Dementsprechend hat das Gericht im Termin darauf hingewiesen, dass der Vortrag des Beklagten insgesamt wenig zu überzeugen vermag.

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Die Rückzahlung des streitgegenständlichen Darlehens war am 15.05.2006 fällig, so dass der Klägerin erst seit dem 16.05.2006 Prozesszinsen in gesetzlicher Höhe zustehen (§ 288 Abs. 1, 291 S. 1 Hs. 2, S. 2 BGB). Eine Fälligkeit zum 07.08.2004 (aufgrund Anwaltsschreibens vom 07.07.2004 ohnehin nur möglich zum 08.08.2004 aufgrund Fristsetzung zum 07.08.2004) hat die Klägerin nicht zu belegen vermocht, nachdem der Beklagte den Zugang des genannten Schreibens - hier zulässigerweise pauschal - bestritten hat. Soweit die Klägerin behauptet, das Schreiben sei abgesandt und nicht als unzustellbar zurückgeschickt worden, vermag dies keinen Beweis für einen Zugang des Schreibens zu bilden, so dass dem entsprechenden Beweisantritt nicht nachzugehen war. Dasselbe gilt für die - unsubstantiierte - Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe nach Erhalt der Kündigung wiederholt geäußert, dass er sich bemühen werde, das Darlehen so schnell wie möglich zurückzuzahlen.

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Eine wirksame Kündigung des Darlehens liegt jedoch in der am 15.02.2006 erfolgten Zustellung der Klageschrift mit dem Rückzahlungsbegehren an den Beklagten; zur gerichtlichen Geltendmachung der Darlehensforderung ist die Klägerin ausweislich des vorgelegten Abtretungsvertrages (Bl. 4 d. A.) berechtigt. Bei einer Kündigungsfrist von 3 Monaten (§ 609 Abs. 2 BGB a. F.) war die Rückzahlung des Darlehens mithin am 15.05.2006, also noch vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung, fällig.

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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.