Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 02.09.2003, Az.: 6 B 3123/03
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 02.09.2003
- Aktenzeichen
- 6 B 3123/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 40711
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2003:0902.6B3123.03.0A
Tenor:
...
Tatbestand:
I.
Der Antragsteller - und Kläger des Verfahrens 6 A 2803/03 - wendet sich gegen die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Beförderung des Beigeladenen zum Hauptsekretär im Justizvollzugsdienst. Zugleich beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchsetzung seines Begehrens im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes.
Der 19.. geborene und seit Januar 1997 im Dienste des Landes Niedersachsen stehende Antragsteller, dessen Abschlusszeugnis für den mittleren allgemeinen Justizvollzugsdienst des Landes Niedersachsen (vom Dezember 1998) auf befriedigend (10,44) lautet, ist Obersekretär im Justizvollzugsdienst (Besoldungsgruppe A 7 Bundesbesoldungsordnung) und seit dem 2. Januar 2001 Beamter auf Lebenszeit. Seit Januar 1999 ist er als aufsichtsführender Beamter im Aufsichtsdienst eingesetzt, unter anderem vom 1. Januar 2001 bis 1. Januar 2002 ist er Stationsbeamter im Team 2 der Antragsgegnerin. Sein Aufgabengebiet umfasst vorwiegend die Betreuung und Beaufsichtigung der Untersuchungsgefangenen. Im Bedarfsfall wird er auch zum Vorführdienst eingeteilt und zum Wechselschichtdienst herangezogen. Wegen seiner Berechtigung zum Führen des großen Gefangenentransportbusses wurde er auch als Vertreter des hauptamtlichen Kraftfahrers eingesetzt. Die Beurteilung für den Beurteilungszeitraum Januar bis Dezember 1999 lautet auf: den Anforderungen "voll entsprechend" (4), ebenso die aus Anlass der Anstellung für den Beurteilungszeitraum Januar 2000 bis Dezember 2000 erteilte Beurteilung. Die ihm für den Zeitraum von einem Jahr, beginnend mit Januar 2001 und endend mit Januar 2002, erteilte Beurteilung vom 20. Dezember 2001 lautet auf "den Anforderungen entsprechend" (3). Folgende Einzelmerkmale wurden mit 4 (den Anforderungen voll entsprechend) bewertet: Auffassung, Einfallsreichtum, sprachlicher Ausdruck, schriftlicher Ausdruck, Fachkenntnisse, Einsatzbereitschaft, Initiative, Belastbarkeit, wirtschaftliches Verhalten sowie Umgang mit Besuchern; mit "den Anforderungen entsprechend" (3) wurden beurteilt: Beobachtungsfähigkeit/Wahrnehmung, Urteilsfähigkeit, Arbeitsschnelligkeit, Arbeitszuverlässigkeit, Planung/Organisationsfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit, Umgang mit Gefangenen, Kooperationsfähigkeit, Verhandlungsgeschick, Durchsetzungsfähigkeit. Beim Gesamturteil stellte der Beurteiler fest, im Umgang mit Gefangenen habe der Antragsteller zwar die notwendige Durchsetzungsfähigkeit, überschreite aber auch schon mal das einzusetzende Mittel. An seiner Kooperationsfähigkeit und am Verhandlungsgeschick solle er noch arbeiten, dies würde seine alltägliche Arbeit erleichtern.
Unter dem 9. Juli 2003 bewarb sich der Antragsteller auf die Stellenausschreibung vom 30. Mai 2003, mit der unter anderem 2 Stellen als Hauptsekretär/in im Justizvollzugsdienst bei der JVA ... und den angeschlossenen Abteilungen, Stellennummern: ... und ..., Funktion: ABiA (aufsichtsführender Beamter im Aufsichtsdienst) ausgeschrieben waren. Unter dem 23. Juli 2003 teilte ihm die Antragsgegnerin mit, dass beabsichtigt sei, die Stelle Nr. ... auf den Beigeladenen zu übertragen. Der Antragsteller hat dagegen unter dem 8. August 2003 Widerspruch erhoben, über den noch nicht entschieden ist.
Der 19.. geborene Beigeladene, der die Laufbahnprüfung für den mittleren allgemeinen Justizvollzugsdienst im Juni 2000 mit gut (11,54 Punkte) bestanden hat, trat am 1. Juli 1998 in den Justizvollzugsdienst des Landes Niedersachsen ein, wurde am 1. Januar 2001 zum Beamten auf Lebenszeit ernannt und ist seitdem als aufsichtsführender Beamter im Aufsichtsdienst tätig. Insbesondere von Januar 2002 bis Dezember 2002 war er im Stations- und Vorführdienst, dort Team 4, eingesetzt. Seit Juli 2000 wird er mit "den Anforderungen voll entsprechend" beurteilt. Unter dem 25. Februar 2003 wurde er für den Beurteilungszeitraum Januar 2002 bis Dezember 2002 mit "den Anforderungen voll entsprechend" (4) beurteilt. Mit "über den Anforderungen" (5) liegend wurden die Einzelmerkmale Auffassung und Fachkenntnisse beurteilt. Mit "den Anforderungen voll entsprechend" (4) wurden folgende siebzehn Einzelmerkmale beurteilt: Beobachtungsfähigkeit/Wahrnehmung, Urteilsfähigkeit, Einfallsreichtum, sprachlicher Ausdruck, schriftlicher Ausdruck, Arbeitsschnelligkeit, Arbeitszuverlässigkeit, Planung/Organisationsfähigkeit, Einsatzbereitschaft, Initiative, Entscheidungsfähigkeit, Belastbarkeit, Umgang mit Gefangenen, Kooperationsfähigkeit, Verhandlungsgeschick, Durchsetzungsfähigkeit und wirtschaftliches Verhalten. In dem Gesamturteil heißt es, der Beigeladene habe im zurückliegenden Beurteilungszeitraum konstante Arbeitsleistungen gezeigt. Sie entsprächen ausnahmslos voll den Anforderungen und seien in Teilbereichen überdurchschnittlich. Der Beigeladene arbeite lösungsorientiert und nach Absprache im Team eigeninitiativ. Dabei setze er sich nicht nur für die Belange des Teams ein, sondern engagiere sich zudem anstaltsübergreifend (z. B. in der Arbeitsgruppe Opferschutz). Seine Fähigkeiten lägen insbesondere im Umgang mit dem PC.
Der Antragsteller hat im Juli 2003 Klage erhoben, unter dem 25. August 2003 den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, die Entscheidung der Antragsgegnerin sei ermessensfehlerhaft. Bei der Bewerbung um ein Beförderungsamt sei es geboten, den Beamten zu beurteilen. Eine Beurteilung müsse im Hinblick auf das erstrebte Amt hinreichend aussagekräftig sein, was vorliegend nicht der Fall sei. Es sei eine Beurteilung von ihm zugrundegelegt worden, die vom Dezember 2001 stamme. Dies sei nicht zulässig. Beachte man schließlich, dass seine Beurteilung nicht mehr aktuell sei und er anlässlich der letzten Beurteilung unzulässig benachteiligt und herabgestuft worden sei, dann wäre möglicherweise bei gleicher Leistung auch auf Sekundärmerkmale und andere sachliche Gesichtspunkte abzustellen gewesen, sofern sich diese im Rahmen des Leistungsprinzips hielten und einen engen Bezug zum Eignungsprinzip hätten. Hier wäre denkbar, dass die Entscheidung unter Berücksichtigung des Dienst- und Lebensalters nach Maßgabe der Fürsorge- und Schutzpflicht zu seinen Gunsten ausfalle, zumal seine größere Lebens- und Berufserfahrung gerade auch im Umgang mit Gefangenen darauf schließen lasse, dass ihm im Rahmen der eignungs-, befähigungs- und leistungsbezogenen Auslese der Vorrang zu geben sei. Sein Dienstalter sei auch etwa eineinhalb Jahre höher als dasjenige der Mitbewerber. Auch wenn einzuräumen sei, dass der Beigeladene zeitgleich mit ihm zum Lebenszeitbeamten ernannt worden sei, so spreche der Gesichtspunkt des längeren Dienstalters doch für ihn. Die Beurteilungen seien auch schon deshalb nicht vergleichbar, weil sie sich nicht auf einen annähernd gleichen Zeitraum bezögen. Man hätte ihm die Chance einer aktuellen Beurteilung mit einem vergleichbaren Beurteilungszeitraum geben müssen. Wie sich aus dem Beurteilungsformular ergebe, solle eine Beurteilung unter anderem aus Anlass einer Beförderung/Höhergruppierung erfolgen. Hierzu bestehe vorliegend umso mehr Anlass, als die Beurteilungen nicht vergleichbar seien, weil seine Beurteilung - wie bereits betont - schon längere Zeit zurückliege. Seine Beurteilung sei gegenüber der vorher erfolgten Beurteilung auch deutlich schlechter ausgefallen. Bei 4 Noten sei er von der Note 4 auf die Note 3 herabgesetzt worden, was er darauf zurückführe, dass ein angeblicher Vorfall ihm zur Last gelegt werde, den es überhaupt nicht bzw. nicht so und nicht in einer für seine Beurteilung ungünstigen Art gegeben habe. Es gehe um den unberichtigten Hinweis in seiner Beurteilung "im Umgang mit Gefangenen hat er zwar die notwendige Durchsetzungsfähigkeit, überschreitet aber auch schon mal das einzusetzende Mittel". Vor seiner Dienstzeit in der Justizvollzugsanstalt habe er eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten absolviert und sich zum Sportübungsleiter ausbilden lassen, was für seine dienstliche Verwendbarkeit förderlich sei.
Er beantragt,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, dem Beigeladenen das Amt eines Hauptsekretärs im Justizvollzugsdienst zu verleihen und die Anordnung zu befristen bis drei Tage nach Zugang der Entscheidung der Antragsgegnerin über sein Begehren, ihm das Amt des Hauptsekretärs im Justizvollzugsdienst zu verleihen.
Die Antragsgegnerin ist dem Rechtsschutzbegehren im Wesentlichen mit der Begründung entgegengetreten, in den Bereichen "Allgemeine geistige Eigenschaften" und "Fachkenntnisse" liege der Beigeladene nach der Beurteilungsskala "über den Anforderungen". In den übrigen Bereichen würden die vom Beigeladenen erbrachten Leistungen mit "den Anforderungen voll entsprechend" bewertet. Die leistungsstärksten Bereiche des Antragstellers lägen bei den "Fachkenntnissen" und bei den "weiteren Merkmalen" mit der Note 4. In allen Bereichen sei eine deutliche Leistungsabgrenzung zum Beigeladenen festzustellen. Die Gesamtwürdigung der Leistung führe beim Antragsteller zu einem den Anforderungen entsprechenden Gesamtergebnis mit 3,56 Punkten, beim Beigeladenen zu einem "über den Anforderungen" entsprechenden Gesamtergebnis mit 4,19 Punkten. Der Beigeladene arbeite lösungsorientiert und nach Absprache im Team eigeninitiativ. Er setze sich nicht nur für die Belange des Teams ein, sondern engagiere sich zudem anstaltsübergreifend. Seine Wortbeiträge seien sehr präzise, er verhalte sich in jeder Situation sehr beherrscht. Der Beigeladene verfüge über ausgezeichnete theoretische und praktische Fachkenntnisse und über ein vorbildliches Berufsethos. Er zeige großes Interesse an seinen Aufgaben und bewältige aufgrund seines außergewöhnlichen Arbeitseinsatzes laufend ein überdurchschnittliches Pensum. Er sei ein besonders aktiver und wertvoller Mitarbeiter. Er verfüge auch über besondere Kenntnisse im EDV-Anwendungsbereich. Es sei eine besondere Eigenschaft von ihm, diese Fähigkeiten auch anderen zu vermitteln. Er wirke u.a. in einer Arbeitsgruppe mit, die sich zum Ziel gesetzt habe, die von den einzelnen Teams verwendeten Vordrucke zu vereinheitlichen und für den elektronischen Anwenderbereich aufzubereiten. Daneben sei er in der Arbeitsgruppe Opferschutz tätig. Er verstehe es hervorragend, seine Kollegen zu aktivieren und mitzureißen. Er werde von allen sehr geschätzt und voll anerkannt. Gegenüber den Gefangenen könne er sich uneingeschränkt durchsetzen und er werde als Autorität nie in Frage gestellt. Es sei bemerkenswert, dass sich bis zum heutigen Tag kein Gefangener wegen einer vom Beigeladenen erteilten Anordnung beschwert habe. Das Gesamtverhalten des Beigeladenen sei höher zu bewerten als das Ergebnis der Laufbahnprüfung, die er mit der Note "gut" bestanden habe. Die Eignung für höherwertige Tätigkeiten habe sich bereits frühzeitig abgezeichnet, so dass er nur die Mindestprobezeit von sechs Monaten habe ableisten müssen. Die Einsatzbereitschaft des Antragstellers werde nicht in Abrede gestellt. Er setze sich für die Belange seines Teams ein. Stets sei er bemüht, konsequent gegen Fehlverhalten der Gefangenen vorzugehen. Die dabei von ihm eingesetzten Mittel überschritten allerdings manchmal schon die Grenze der Verhältnismäßigkeit. Die Kooperationsfähigkeit und das Verhandlungsgeschick seien mit Defiziten behaftet, an denen er noch erheblich arbeiten müsse. Er verfüge zwar über Fachkenntnisse, die über dem allgemeinen Durchschnitt lägen, gleichwohl seien diese nicht so breit gefächert wie die des Beigeladenen. Der Erwerb des Fahrgastbeförderungsscheines sei zwar unstreitig, könne aber auf die Stellenbesetzung keinerlei Einfluss haben, da die Stellenausschreibung irgendwelche zusätzlichen Qualifikationen nicht fordere. Das Gesamtverhalten des Antragstellers werde auf dem gleichen Niveau wie das Ergebnis der Laufbahnprüfung gesehen. Beförderungen seien entsprechend dem Grundsatz der Bestenauslese vorzunehmen, wobei den letzten Beurteilungen der Bewerber besondere Bedeutung zukomme. Bei der Auswahlentscheidung sei in erster Linie auf die bisher erbrachten Leistungen und auf die voraussichtlich zu erwartende Leistungssteigerung abzustellen. Unter Berücksichtigung aller Beur
teilungsmerkmale sei die Entscheidung zugunsten des Beigeladenen zu treffen gewesen. Die vom Antragsteller erhobenen Einwendungen hinsichtlich des höheren Dienstalters sei nicht geeignet, die Auswahlentscheidung in einem anderen Lichte erscheinen zu lassen, da dieses Sekundärkriterium nur bei im Wesentlichen gleicher Leistung von Bewerbern zum Tragen komme. Hiervon könne aber nicht ausgegangen werden, wenn sich - wie im vorliegenden Fall - die Beurteilungen in wesentlichen Bereichen deutlich unterscheiden würden. Der Beigeladene hat sich zum Verfahren nicht geäußert.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt dieser sowie der Gerichtsakte 6 A 2803/03 und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen; sie sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Gründe
II.
1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist begründet.
Voraussetzung für den Erlass der begehrten Sicherungsanordnung ist gemäß § 123 Abs. 1 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - (in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3987)) in Verbindung mit §§ 935, 936, 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung - ZPO - (in der Fassung vom 12. September 1950 (BGBl. I S. 533), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Juli 2002 (BGBl. I S. 2850)), dass die Dringlichkeit einer gerichtlichen Entscheidung (der Anordnungsgrund) und das gefährdete Recht (der Anordnungsanspruch) glaubhaft gemacht werden. Sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch liegen vor. a)
Ein Anordnungsgrund liegt vor, weil die Antragsgegnerin beabsichtigt, den Beigeladenen alsbald zu befördern. Nachdem das Gericht durch Urteil vom 26. März 2003 - 6 A 310/01 -vgl. www.verwaltungsgericht-oldenburg.niedersachsen.de, dort Link: aktuelle Entscheidungen unter Würdigung des tendenziell abweichenden obiter dictums des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. September 2001 - 2 C 39.00 -, BVerwGE 115, 89 = DÖV 2002, 299 = NordÖR 2002, 129, mit zustimmender Anmerkung von Hermann, NordÖR 2002, 108, und kritischer Anmerkung von Grundmann, a.a.O., S. 106, weiter kritisch: Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer, Kommentar zum BBG, Stand: Februar 2002, § 23 Rdn. 14) an seinem Rechtsstandpunkt festgehalten hat, wonach sich der Streit um die Ernennung/Beförderung mit Aushändigung der Ernennungsurkunde an den ausgewählten Bewerber erledigt, bestehen am Vorliegen eines Anordnungsgrundes keine Zweifel.
b)
Ein Anordnungsanspruch ist ebenfalls gegeben. Der Antragsteller hat mit der Beantragung einer potenziell befristet einstweiligen Anordnung auch dem personalwirtschaftlichen Ermessen der Antragsgegnerin hinreichend Rechnung getragen (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 13. September 2001, - 6 B 1776/00 -, DÖD 2001, S. 316 (317 f.)).
aa) Nach § 14 Abs. 5 des Niedersächsischen Beamtengesetzes - NBG -(in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 2001 (Nds.GVBl. S. 33), geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 2001 (Nds.GVBl. S. 806)) besteht zwar kein Rechtsanspruch des Beamten auf Beförderung; davon unberührt bleibt indes sein Anspruch auf eine fehlerfreie Ausübung des Auswahlermessens (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. August 2001, - 2 A 3/00 -, NVwZ-RR 2002, S. 47 (48)), weil die beamtenrechtlichen Vorschriften auch das berechtigte Interesse des Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen berücksichtigen (BVerwG, Urteil vom 22. Juli 1999, - 2 C 14/98 -, NVwZ-RR 2000, S. 172 (173)). Dieser Anspruch ist jedoch wiederum im Lichte dessen zu würdigen, dass die der Beförderung vorangehende Auswahlentscheidung des Dienstherrn ein Akt wertender Erkenntnis ist, der nur in eingeschränktem Maße einer gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung beschränkt sich darauf, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Ungeachtet dessen hat sich die Ermessensausübung jedoch nach § 8 Abs. 1 NBG strikt am Leistungsgrundsatz zu orientieren, so dass der Dienstherr zur Ermittlung des Leistungsstandes auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen hat wie sie regelmäßig in dienstlichen Beurteilungen Ausdruck finden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Februar 2003 - 2 C 16/02 -; vgl. auch Nds.OVG, Beschluss vom 18. Mai 1995 - 5 M 1532/95, - Nds.Rpfl. 1995, S. 168 = Nds.VBl 1995, S. 212), die nicht allein deshalb unbeachtlich werden, weil der Beamte gegen sie Rechtsbehelf eingelegt hat (vgl. Nds.OVG, Beschluss vom 5. Juni 2003 - 2 ME 123/03 -; zum Maßstab im Rahmen des Konkurrentenstreitverfahrens: OVG Münster, Beschluss vom 13. September 2001, a.a.O., S. 316 317 f.).
Die zur Feststellung von Leistung und Eignung der Bewerber heranzuziehenden und vor einer Entscheidung im Auswahlverfahren abzuschließenden Beurteilungen (vgl. NdsOVG, Beschluss vom 26. August 2003 - 5 ME 162/03 -) müssen dabei zeitnah erfolgt sein, damit sie noch einen aktuellen Leistungsvergleich ermöglichen. Unter welchen Voraussetzungen Beurteilungen noch eine hinreichend verlässliche Grundlage für eine Auswahlentscheidung bilden, lässt sich allerdings nicht generalisieren, sondern kann nur unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände beurteilt werden. Dabei lässt sich eine starre zeitliche Grenze, bei der die erforderliche Aktualität einer Beurteilung verloren geht, nicht generell festlegen. Jedoch besteht, je länger der Beurteilungszeitraum zurück liegt und je kürzer er ist, die Gefahr, dass die betreffende Beurteilung keine hinreichende Aussagekraft mehr für den Vergleich der miteinander konkurrierenden Bewerber hat. Liegen Umstände vor, die eine erneute, aus Anlass der Bewerbung zu erstellende Beurteilung gebieten, vermögen auch Beurteilungsrichtlinien daran nichts zu ändern, die eine Anlassbeurteilung grundsätzlich nicht vorsehen. Verwaltungsvorschriften können das aus verfassungsrechtlichen Vorgaben zu entnehmende Gebot, unter bestimmten Voraussetzungen aktuelle Anlassbeurteilungen zu erstellen, nicht beeinflussen (Nds.OVG, Beschluss vom 18. März 1999 - 5 M 4824/98 -, NdsRpfl. 2000, S. 76 (77 f.); Nds.OVG vom 5. August 1999 - 2 M 2045/99 -, NdsVBl. 2000, S. 151 (152) = Nds.Rpfl. 2000, S. 183 (184)); Nds.OVG, Beschluss v. 26. August 1994 - 5 M 3781/94 -).
Entscheidend im Rahmen der Überprüfung des Auswahlermessens ist zunächst, ob die dem Antragsteller und dem Beigeladenen erteilten dienstlichen Beurteilungen wesentlich voneinander abweichen. Eine solche Abweichung ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Bewerber auf der jeweiligen Notenskala unterschiedliche Notenstufen erreicht haben. In einem solchen Fall ist grundsätzlich der Bewerber mit der besseren Gesamtnote auszuwählen (vgl. Nds.OVG, Beschluss vom 14. Februar 1997, - 5 M 278/97 -, V.n.b.; Beschluss vom 26. März 1998, - 5 M 1601/98 -, Nds.Rpfl 1998, S. 282 = RiA 1999, S. 143). Sind sie dagegen in den letzten Beurteilungen im Wesentlichen gleich beurteilt worden, so kann der Dienstherr zwischen mehreren möglichen und den Leistungsgrundsatz wahrenden Auswahlkriterien - wie z.B. Dienstalter (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 1988, - 2 C 51.86 -, BVerwG, Urteil vom 25. August 1988 - 2 C 51.86 -, BVerwGE 80, 123 (126)), Differenzen bei Eignung, Leistung und Befähigung, auch wenn sie geringfügig sind (Binnendifferenzierung), - wählen, sofern nur das Prinzip selbst nicht in Frage gestellt wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. November 1993 - 2 ER 301.93 -, DVBl. 1994, S. 118 (119)). Dabei hat der Dienstherr allerdings zum einen zu beachten, dass auch zurückliegende dienstliche Beurteilungen bedeutsam werden können und sie nicht zu den Hilfskriterien zählen, weil sie vor allem bei einem Vergleich von im wesentlichen gleich beurteilten Bewerbern bedeutsame Rückschlüsse und Prognosen über die künftige Bewährung in einem Beförderungsamt ermöglichen; ihre zusätzliche Berücksichtigung bei der Bewerberauswahl vor den Hilfskriterien ist deshalb mit Blick auf Art. 33 Abs. 2 GG geboten, wenn eine "Stichentscheidung" unter Bewerbern zu treffen ist, die als im Wesentlichen gleich geeignet beurteilt worden sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 2002 - 2 C 31/01 -, Buchholz 237.9 § 20 SaarLBG, Nr. 1, bestätigt durch Beschluss vom 27. Februar 2003 - 2 C 16/02 -). Dabei geht das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht davon aus, dass eine vorrangige Berücksichtigung früherer Beurteilungen nicht geboten ist, wenn mehrere Einzelmerkmale zugunsten des ausgewählten Bewerbers streiten und sie für den Beförderungsdienstposten auch bedeutsam sind (vgl. NdsOVG, Beschluss vom 5. Juni 2003 - 2 ME 123/03 -, NordÖR 2003, S. 311 (313)). Zum anderen hat der Dienstherr zu beachten, dass es gerade Sinn des statt verbaler Differenzierungen gewählten Punktsystems, das Abstufungen innerhalb des vergebenen Gesamturteils zum Zwecke eines Leistungsvergleichs ermöglichen soll, ist, Bewertungsunterschiede zum Ausdruck zu bringen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Februar 2003 - 2 C 16/02 -).
bb) Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat der Antragsteller eine Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruches glaubhaft gemacht. Die Aussichten, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, beurteilt die Kammer auch als offen, so dass antragsstattgebend zu beschließen war (vgl. BVerfG1. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 24. September 2002 - 2 BvR 857/02 -, NVwZ 2003, S. 200 (201)).
Der Antragsteller ist zwar um eine Bewertungsnote schlechter beurteilt worden als der Beigeladene, wodurch sich ausweislich der zuvor dargestellten Grundsätze grundsätzlich eine Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen gerechtfertigt hätte; dies im Übrigen selbst dann, wenn sich die Antragsgegnerin bei identischer Endnote der Bewerber und trotz einer fehlenden Zusatzqualifikation des Beigeladenen allein wegen seines arithmetischen Vorsprungs bei den Einzelmerkmalen für ihn entschieden hätte (vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 19. August 2003 - 6 B 2764/03 -www.verwaltungsgericht-oldenburg.niedersachsen.de, dort Link: aktuelle Entscheidungen). Die von der Antragsgegnerin für ihre Auswahlentscheidung zugrundegelegte Beurteilung des Antragstellers ist jedoch nicht aussagekräftig, weil die Einzelumstände dagegen sprechen, dass sie noch seinen aktuellen Leistungsstand wiedergibt; ungeachtet dessen fehlt jedenfalls eine Regelbeurteilung.
Ein Vergleich der Beurteilungen belegt dies eindrücklich. Während die Beurteilung des Beigeladenen dessen Leistungsstand bis Ende Dezember 2002 erfasst, mithin über den Leistungsstand Aufschluss gibt, den er vor acht Monaten aufwies, erfasst die Beurteilung des Antragstellers einen Leistungsstand, der ein Jahr und acht Monate zurückliegt. Ob dieser Umstand allein dazu führt, die der Auswahlentscheidung zugrundegelegte Beurteilung des Antragstellers nicht mehr als aktuell anzusehen, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls folgt dies auch daraus, dass die der Auswahlentscheidung zugrunde gelegte Beurteilung des Antragstellers im Vergleich zur vorhergehenden Beurteilung eine Leistungszäsur darstellt. Die Beurteilung des Beigeladenen stellt sich angesichts der vorhergehenden Beurteilung als "Ausreißer" dar. Es besteht damit ein hinreichender Anlass, die Leistungsentwicklung des Antragstellers mit in den Blick zu nehmen (vgl. auch NdsOVG, Beschluss vom 26. August 2003 - 5 ME 162/03 -). Hinzu tritt schließlich, dass die zugrundegelegte Beurteilung des Antragstellers mit der Aufforderung an ihn verbunden ist, an seiner Kooperationsfähigkeit und an seinem Verhandlungsgeschick zu arbeiten. Auch dies hätte für die Antragsgegnerin ein weiterer Anlass sein müssen, zu überprüfen, ob insoweit eine Verbesserung eingetreten ist. Dass die von der Antragsgegnerin herangezogenen Beurteilungsrichtlinien Beurteilungen aus besonderem Anlass grundsätzlich nicht vorsehen (vgl. Ziffer 2.2. der Richtlinien für die dienstliche Beurteilung von Beamtinnen und Beamten in Justizvollzugseinrichtungen - AV des Nieders. Justizministeriums vom 19. Mai 1995, Nds.Rpfl. 1995, S. 192, geändert durch Erlass vom 14. Januar 1999, Nds.Rpfl. 1999 S. 100), ändert an der gerichtlichen Würdigung nichts, zumal auch sie zu erkennen geben, dass - etwa bei einer deutlich erkennbaren und begründbaren Leistungsveränderung - auch unabhängig von den in Ziffer 2.3 beschriebenen Anlässen eine Beurteilung zu fertigen ist. Ungeachtet dessen sieht Ziffer 2.1 der Beurteilungsrichtlinien vor, dass Beamte von der Anstellung (vgl. § 7 Abs. 3 NBG) an regelmäßig zu beurteilen sind und zwar in den ersten drei Jahren jährlich, danach bis zur Vollendung des 56. Lebensjahres alle drei Jahre. Da dem Antragsteller mit Wirkung vom 2. Januar 2001 nach festgestellter Bewährung in der Probezeit das Amt eines Obersekretärs im JVD übertragen wurde, war er zunächst drei Jahre lang jährlich zu beurteilen, so dass die Regelbeurteilung vom 20. Dezember 2001 im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung im Juli 2003 schon nach den Beurteilungsrichtlinien nicht mehr hinreichend aktuell war, um darauf eine Auswahlentscheidung stützen zu können.
Die Antragsgegnerin hat deshalb auf der Grundlage einer aktuellen Beurteilung des Antragstellers eine erneute Auswahlentscheidung zu treffen, wobei sie ihre Erwägungen jedenfalls schon aus Gründen der Zweckmäßigkeit in einem Besetzungsbericht dokumentieren (vgl. dazu NdsOVG, Beschluss vom 30. Januar 1995 - 5 M 6422/94 - n.v.; VG Wiesbaden, Beschluss vom 30. Januar 2003 - 8 G 1624/02 -, NVwZ-RR 2003, S. 582) und den Bewerbern gegenüber in den Bescheiden darlegen sollte (vgl. VG Hannover, Beschluss vom 18. Dezember 2000 - 13 B 5619/00 -, NST-N 2001, S. 56 (58); VG Frankfurt, Beschluss vom 6. September 2002 - 9 G 1524/02 -, PersV 2003, S. 307 (308)).
2.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren gem. § 162 Abs. 3 VwGO nicht für erstattungsfähig zu erklären, da er keinen Antrag gestellt und sich auch ansonsten am Verfahren nicht beteiligt hat.
3.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 4 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 a) des Gerichtskostengesetzes - GKG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Februar 2001 (BGBl. I S. 288, 299), wobei dem Umstand, dass nur eine vorläufige Entscheidung getroffen wurde, durch eine weitere Halbierung des Streitwertes Rechnung zu tragen war.
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