Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 29.09.2003, Az.: 7 A 4831/02

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
29.09.2003
Aktenzeichen
7 A 4831/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 40763
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2003:0929.7A4831.02.0A

Amtlicher Leitsatz

Mitglieder der RDR haben grundsätzlich nur dann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung zu befürchten, wenn sie herausragende Führungspositionen inne haben. Darüber hinaus mussten Personen in leitenden Stellungen zu bestimmten Krisenzeiten (Oktober 2000 bis März 2001 und 19. September 2002 bis März 2003) mit politischer Verfolgung rechnen, so dass es bei ihrer Ausreise in diesen Zeiten zur Anwendung des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabes kommt.

Keine Gruppenverfolgung der Dioulas und ivorischer Staatsangehöriger moslemischen Glaubens.

Tenor:

  1. ...

Tatbestand

1

Der am ... 1974 geborene Kläger ist ivorischer Staatsangehöriger und beantragte am 22. Januar 2002 seine Anerkennung als Asylberechtigter. Vom ... Dezember 2001 bis ... Januar 2002 hat er sich in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Hannover befunden.

2

Am 28. Januar 2002 ist der Kläger vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu seinen Ausreisegründen angehört worden. Er legte zur Glaubhaftmachung einen Mitgliedsausweis der RDR aus dem Jahre 1995, eine Bescheinigung über den Bezug verbilligter Medikamente vom 25. Oktober 1999, sowie einen Armeeausweis vom 26. März 1996 vor. Der Kläger trug im Wesentlichen vor: Er gehöre zur Volksgruppe der Dioula und sei moslemischen Glaubens. Vom ... Mai 1995 bis zu seiner Ausreise sei er Soldat in der ivorischen Armee gewesen. Er habe bei der Marine gedient und den Rang eines Quartiermeisters der 1. Kategorie bekleidet. Er sei an Land stationiert gewesen.

3

Er habe sein Heimatland am ... Dezember 2001 verlassen. Seine Probleme hätten im Jahre 1999 angefangen. Unter Präsident Bedie habe es Stammesdiskriminierungen gegeben. Deshalb hätten sie beschlossen, Weihnachten 1999 einen Putsch durchzuführen. Danach hätten sie General Guei als Präsidenten eingesetzt. Die Repressionen gegen die Dioula seien jedoch noch schlimmer geworden. Er habe sogar damit begonnen, auch die Militärangehörigen aus dem Volk der Dioula zu töten. Deshalb habe es einen weiteren Putsch gegeben, der aber gescheitert sei. Anschließend sei er von einer Einheit der FIR Pac (Force d`Intervention Rapide Para-Commando) festgenommen worden. Man habe ihn in ein Waffenarsenal eingesperrt. Der Tag oder der Monat der Festnahme seien ihm nicht bekannt. Am ersten Tag der Haft habe man ihn mit großen Hölzern und Eisenblöcken bewusstlos geschlagen. Als er wieder wach geworden sei, habe man ihn in den linken Oberschenkel gestochen. Dann habe man angefangen, ihm Fragen zu stellen. Weil man keine Beweise gegen ihn gehabt habe, sei er am dritten Tage wieder freigelassen worden. Danach sei er ins Krankenhaus gegangen, weil er Nierenschmerzen verspürt habe. Er habe auch aus Nase und Mund geblutet. Im Krankenhaus sei er behandelt worden und habe Medikamente erhalten. Dann sei er nach Hause gegangen, um seine Mutter zu besuchen. Diese sei aber nicht mehr da gewesen. Auch seine Schwestern und seine Tochter habe er nicht mehr vorfinden können. Er wisse über das Schicksal der Familie nichts. Als er in seine Wohnung nach Yopougon gekommen sei, habe er festgestellt, dass die Tür aufgebrochen gewesen sei. Seine Wohnung sei durchwühlt und durchsucht worden. Alle Wertgegenstände seien weg gewesen. Er habe sich dann einen Monat lang bei einer Frau aus dem Norden versteckt gehalten. Danach habe man ihn kontaktiert, um an einem weiteren Putsch teilzunehmen. Sie seien zum Haus von Guei gegangen. Es seien Schüsse von beiden Seiten gefallen. Sie hätten ihn aber nicht bekommen. Also habe er sich wieder bei der Dame verstecken müssen. Einige habe man auch verhaftet. Dann habe es einen dritten Putsch gegeben. Es sei ihm aber nicht möglich gewesen, an diesem teilzunehmen, weil man ihn nicht kontaktiert habe. Es sei auch eine schnelle Sache gewesen, weil Guei die Wahl verloren habe. Man habe ihn außer Landes gejagt und Laurent Gbagbo sei an die Macht gekommen. Die Militärs auf der Flucht seien gebeten worden, wieder in die Kasernen zurückzukehren. Diesem Aufruf sei er gefolgt. Wann dies gewesen sei, könne er nicht sagen. Er wisse nicht einmal den Monat. Es sei gewesen, als Guei gegangen sei. Der Kommandant seiner Einheit habe ihn auf dem Appell-Esplanade zu sich gerufen, als er gerade dabei gewesen sei, sich die Uniform anzuziehen. Er habe ihn aufgefordert, die Taschen zu lehren. Er habe ihn nach Waffen durchsucht. Dann habe er ihn mit einer Waffe bedroht und gerufen, dass er sich auf keinen Fall rühren solle, sonst werde er erschossen. Er habe gerufen, dass er, der Kläger, verhaftet sei. Er sei in einen Saal geführt worden, in dem sich auch andere Leute befunden hätten. Dann sei ein Offizier aus seiner Einheit gekommen. Er habe gesagt, entweder gelinge es ihm noch heute aus dem Stützpunkt zu fliehen, oder er sterbe. Er habe ihm zehn Minuten Zeit gegeben, um ihn an einer bestimmten Stelle zu treffen. Er, der Kläger, sei aus dem Saal gegangen, der nicht abgeschlossen gewesen sei. Er sei in die nahegelegene Lagune geflüchtet und davon geschwommen. Zwischenzeitlich sei bereits ein Boot ins Wasser gelassen worden. Er sei auch an Land weiterverfolgt worden. Man habe auf ihn geschossen. Er sei von einer Kugel an der linken Hand getroffen worden. Der Offizier habe ihn mit zu sich nach Hause genommen und medizinisch versorgt. Er wisse nicht, warum andere nicht aus dem Saal geflüchtet seien. Möglicherweise seien aber auch weitere Personen herausgekommen. Es seien Soldaten aus anderen Einheiten gewesen. Der Offizier habe ihm geholfen, weil er ebenfalls aus dem Norden sei. Er sei wegen seiner Funktion nicht behelligt worden. Aus der Presse habe er am nächsten Tage erfahren, dass alle Gefangenen im Saal getötet worden seien. Der genaue Tag der Flucht sei ihm nicht mehr bekannt. Er sei in Panik gewesen und habe einen leeren Kopf gehabt. Am nächsten Tag sei das Gemetzel in Yopougon gewesen.

4

Auch wenn das Ereignis schon längere Zeit her sei, würde er weiter gesucht. Er habe sich die ganze Zeit bei dem Offizier versteckt gehalten. Dieser habe ihm gesagt, dass er weiter auf der Liste, die Gbagbo von Guei übernommen habe, stehe. Der Ablauf der Karte für verbilligte Medikamente habe keine Bedeutung. Er wisse nicht, seit wann er Mitglied der RDR sei. Er sei einfaches Mitglied und habe keine Aufgaben oder Funktionen. Den Militär- und den Parteiausweis habe er bei Nachbarn zurückgelassen. Sie seien bei der Wohnungsdurchsuchung nicht mitgenommen worden. Man habe sich nur für Wertgegenstände interessiert. Er habe den Offizier zu dem Nachbarn geschickt, um die Dokumente abzuholen. Er habe auch andere Militärunterlagen dort abgegeben. Der Kläger reichte im Folgenden ein Attest von Dr. med. Hensel, Bockhorn, Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 5. Juni 2002 ein.

5

Mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 7. November 2002 ist der Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt und festgestellt worden, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe bzw. Unanfechtbarkeit des Bescheides zu verlassen und anderenfalls seine Abschiebung in die Elfenbeinküste angedroht. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Abläufe der verschiedenen Putsche habe der Kläger nur oberflächlich und vage beschreiben können. Unsubstanziiert sei auch der Vortrag in Bezug auf die Festnahme und die Inhaftierung. Die angebliche Flucht aus dem Saal sei nicht möglich gewesen, wenn man berücksichtige, dass man die Gefangenen habe töten wollen. Sonst wären auch alle anderen geflüchtet. Es sei auch nicht ersichtlich, wie der Offizier den Kläger in einer Menschenmenge habe erkennen können, um ihm dann zur Flucht zu verhelfen. Es sei auch nicht zu verstehen, wie er habe feststellen können, dass der Kläger aus dem Norden stamme. Es sei ferner auch nicht nachvollziehbar, warum man den Offizier nicht ebenfalls festgenommen habe, wenn er auch aus dem Norden stamme. Hierfür habe der Kläger keine plausible Erklärung erbracht. Der Kläger habe zudem keinerlei Daten nennen können, nicht einmal den Monat der ihn betreffenden Ereignisse. Das vorgelegte ärztliche Attest belege nicht, dass die Verletzungen durch politische Verfolgung entstanden seien. Der Kläger habe bei dem Arzt auch angeben können, dass die Verletzungen im Oktober 2000 entstanden seien, obwohl er dies bei der Anhörung nicht habe präzisieren können. Ungereimtheiten seien auch bei den Dokumenten festzustellen. Es sei nicht ersichtlich, dass er nach der Flucht noch einmal zu seinen Nachbarn gegangen sei. Es sei auch nicht erkennbar, warum die Dokumente bei der Hausdurchsuchung nicht mitgenommen worden seien. In der Elfenbeinküste würden die Angehörigen der Volksgruppe der Dioula im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg nicht verfolgt. Dieser sei regional begrenzt und inzwischen durch ein Waffenstillstandsabkommen, welches durch französische Soldaten überwacht werde, beendet. Die Auseinandersetzungen fänden vorwiegend in Daloa statt. Der Kläger sei auch nicht gefährdet, weil er einfaches Mitglied der RDR sei. Auch wegen einer Desertion habe er keine Maßnahmen zu erwarten. Die Dokumente belegten die Zugehörigkeit zur Marine auch nur bis zum 31. Dezember 2000. Außerdem habe der Kläger die risikoreichste Art der Ausreise über den Flughafen Abidjan gewählt. Den Asylantrag habe er auch erst nach seiner Festnahme in Deutschland gestellt. Am 18. November 2002 hat der Kläger Klage erhoben.

6

Er trägt im Wesentlichen vor: Er sei bis zu seiner Ausreise Angehöriger der ivorischen Armee gewesen, zuletzt mit dem Mannschaftsdienstgrad "Quartier Maitre de Premiere Classe". Der gescheiterte Putschversuch gegen Guei, bei dem er festgenommen worden sei, habe im August 2000 stattgefunden. Nach dem weiteren Putschversuch am 18. September 2000, bei dem der Privatwohnsitz Gueis überfallen worden sei, habe er fliehen können. Bei seiner Verhaftung in der Militärkaserne nach dem Wahlsieg Gbagbos habe man ihn unter Androhung von Waffengewalt in das dortige Gebäude P.C. Crise gebracht und verhört. Man habe ihn damit konfrontiert, dass ein Handygespräch zwischen ihm und einem Rebellen namens Ibrahim, bei dem sie sich zu einem Putschversuch verabredet hätten, belauscht worden sei. Ihm sei auch eine entsprechende SMS auf seinem Handy vorgehalten worden. Er sei dann mit einem Boot zu einer benachbarten Basis gebracht worden. Er habe das Gefühl gehabt, dass man ihn dadurch zur Flucht habe animieren und so einen Vorwand für seine Erschießung habe schaffen wollen. Dann sei er zu dem Gebäude P.C. Crise zurückgebracht worden. Er habe schwimmend fliehen können, weil er eine Ausbildung im Apnoe-Tauchen absolviert und so den Großteil der Strecke unter Wasser verbracht habe. Als er in Höhe der Fusco-Fabrik an Land gegangen sei, habe man ihn beschossen und an der Hand verletzt. Er habe seine Flucht fortsetzen können, weil er die Soldaten sich wegen der Gefahr eines Buschusses durch Rebellen nicht aus dem Schutz der Marinebasis herausgewagt hätten. Am Bootsanleger habe der Offizier, der ihm geholfen habe, auf ihn gewartet. Bis zur endgültigen Ausreise habe er sich bei diesem aufgehalten und in der Zwischenzeit Kontakte zu weiteren Marinesoldaten im angrenzenden Ausland geknüpft, mit denen er weitere Umsturzpläne geschmiedet habe, die aber gescheitert seien. Er müsse auch deshalb politische Verfolgung befürchten, weil er zur Volksgruppe der Dioula gehöre und moslemischen Glaubens sowie Mitglied der RDR sei. Ausweichmöglichkeiten innerhalb der Elfenbeinküste gebe es für ihn nicht. Zur Glaubhaftmachung legte der Kläger eine Fotografie sowie einen von ihm gefertigten Lageplan seiner Marinebasis vor.

7

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 7. November 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Elfenbeinküste vorliegen; hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG hinsichtlich der Elfenbeinküste vorliegen.

8

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Sie verweist zur Begründung auf den Bescheid des Bundesamtes.

10

Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung zu seinen Ausreisegründen angehört worden.

11

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu.

13

1.

Seine Behauptung, er habe an mehreren Putschversuchen mitgewirkt, sei in einem Falle für drei Tage inhaftiert und wieder freigelassen worden und nach der Wahl Laurent Gbagos zum Präsidenten der Elfenbeinküste in seine Marinebasis zurückgekehrt, jedoch umgehend festgenommen worden, ist zur Überzeugung des Gerichts nicht glaubhaft. Seine Angaben sind in wesentlicher Hinsicht ungereimt und unsubstanziiert gewesen.

14

Auffällig ist zunächst, dass der Kläger erstmals im gerichtlichen Verfahren davon berichtet hat, nach seiner angeblichen Festnahme auf der Marinebasis im Oktober 2000 in dem dortigen Gebäude der P.C. Crise erst verhört und dabei mit dem Vorwurf, zu einem Rebellen Kontakt gehabt zu haben, konfrontiert worden zu sein. Beim Bundesamt (vgl. Anhörungsprotokoll, S. 7 und 9) hat er lediglich davon berichtet, nach seiner Festnahme durchsucht und in einen Saal zu anderen Personen geführt worden zu sein. Dann habe ihn der Offizier, der ihm zur Flucht verholfen habe, angesprochen. Nicht berichtet hat der Kläger beim Bundesamt (a.a.O.) auch von dem nunmehr angegebenen wesentlichen Umstand, dass man ihn im Anschluss an das Verhör zuerst mit einem Boot zu einer anderen Militärbasis gefahren habe. Dies sei wohl geschehen, um ihn zur Flucht zu animieren und so einen Vorwand zu haben, ihn erschießen zu können. Die Erklärung des Klägers, eine Festnahme umfasse regelmäßig ein Verhör, ist unter den vom Kläger geschilderten Umständen nicht hinreichend. Es wäre vielmehr naheliegend gewesen, von den gegen ihn dabei nach seinen Angaben im gerichtlichen Verfahren konkret erhobenen Vorwürfen ausdrücklich zu berichten. Seine weitere Behauptung, er habe beim Bundesamt aus Zeitgründen nur oberflächliche Angaben machen können, ist nicht nachvollziehbar. Der Kläger hat dort eine Erklärung unterzeichnet, wonach er ausreichend Gelegenheit gehabt habe, seine Asylgründe zu schildern. Zudem hat der Kläger die neuen Angaben erst mehr als 1 1/2 Jahre nach seiner Anhörung beim Bundesamt im Januar 2002 gemacht.

15

In besonderem Maße lebensfremd ist die Behauptung des Klägers, es sei ihm gelungen, aus dem Saal des Gebäudes P.C. Crise, in dem er mit anderen Personen festgehalten worden sein soll, zu fliehen. Es ist unverständlich, dass die Aufseher den Saal nicht verschlossen und das Gebäude auch nicht äußerst streng bewacht haben sollen. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, dass sie zwar um das Gebäude herumgegangen sein sollen, sich aber nicht vor der einzigen Tür postiert haben. Der Kläger behauptet nämlich, dass man alle festgehaltenen Personen, die eines Putschversuches verdächtigt worden seien, kurze Zeit später getötet habe. Eine besonders scharfe Bewachung des Klägers erscheint auch deshalb folgerichtig, weil er gerade angibt, man habe ihn zuvor auf der Bootsfahrt zur Flucht animieren und dabei töten wollen. Ferner ist nicht verständlich, dass die einzige Tür im Gebäude P.C. Crise - wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben hat - zum Wasser und nicht zum übrigen Kasernengelände gerichtet gewesen sein soll.

16

Nicht erklärlich ist für das Gericht zudem, dass es dem Kläger auch noch gelang weiter zu flüchten, nach dem er bei der Fabrik Fusco aus dem Wasser gestiegen und vom Marinegelände aus sofort beschossen und an der Hand verletzt worden ist. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung betrug die Entfernung zwischen dem Gebäude der Offiziersmesse, von dem die Schüsse abgegeben worden sein sollen, und dem Lagereingang lediglich etwa 300 m. Es ist daher kein Grund dafür ersichtlich, dass die Soldaten dem Kläger nicht von dort nach außerhalb des Militärgeländes gefolgt sind. Der Kläger musste vom Gebäude der Fabrik Fusco, die sich nach seiner in der mündlichen Verhandlung gefertigten Zeichnung etwa in Höhe der Tankstelle auf dem Marinegelände befinden soll, bis zu dem Landungssteg, bei dem er sich mit seinem Helfer getroffen hat, noch eine längere Strecke zurücklegen. In Verbindung mit seiner mit Schriftsatz vom 14. September 2003 eingereichten Zeichnung ergibt sich dabei, dass der Kläger in einen dem Lagereingang gegenüberliegenden Bereich gelangen musste. Seine Erklärung, zwischen dem Gebäude der P.C. Crise und dem Lagereingang habe es keine Funkverbindung gegeben, ist angesichts der Schüsse der Soldaten nicht verständlich. Die schriftsätzliche Äußerung, die Soldaten hätten sich wegen Rebellen nicht aus der Kaserne gewagt, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt. Sie wäre auch nicht nachvollziehbar, da es im Oktober 2000 in der Elfenbeinküste keinen Bürgerkrieg gegeben hat.

17

Auffällig ist auch, dass der Kläger in der Anhörung beim Bundesamt nicht einmal den Monat dieses Vorfalls benennen konnte. Auch den ungefähren Zeitpunkt seiner angeblichen Festnahme bei einem vorangegangenen Putschversuch kannte er nicht (vgl. Anhörungsprotokoll, S. 8). Der Vortrag des Klägers, Daten hätten in Afrika keine Bedeutung, vermag dies nicht abschließend zu erklären.

18

Erstmals behauptete der Kläger im gerichtlichen Verfahren auch, dass er nach seiner Flucht vom Militärgelände im Oktober 2000 noch an einem weiteren Putschversuch mitgewirkt habe. Hiervon hat der Kläger beim Bundesamt trotz ausdrücklicher Frage, was er bis zu seiner Ausreise im Dezember 2001 gemacht habe, nicht berichtet (vgl. Anhörungsprotokoll, a.a.O.). Somit spricht der lange Zeitraum, der zwischen dem angeblichen Vorfall auf der Marinebasis und dem Verlassen des Heimatlandes verstrichen ist, ebenfalls gegen die Angaben des Klägers.

19

Ob die weiteren im Bescheid des Bundesamtes genannten Gesichtspunkte auch gegen die Richtigkeit des Vortrages des Klägers sprechen, bedarf danach keiner gerichtlichen Beurteilung

20

Der Beweisantrag des Klägers zu 1), wonach die Richtigkeit seines Vortrages, seit dem Jahr 1995 bei der Marine gewesen zu sein und den Mannschaftsdienstgrad "Quartier Maitre de Premiere Classe" erlangt zu haben, durch eine Auskunft des Auswärtiges Amtes bestätigt werden soll, war in entsprechender Anwendung des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO abzulehnen, weil dies als wahr unterstellt wird. Die Richtigkeit seines obigen Vortrages belegt dies jedoch nicht. Aus diesem Grunde war auch der Beweisantrag zu 3), nach dem die Echtheit der vorgelegten Dokumente (Truppenausweis, Immatrikulationskarte und RDR-Mitgliedsausweis) durch das Auswärtige Amt überprüft werden sollen, abzulehnen.

21

Der Beweisantrag des Klägers zu 2), wonach eine Auskunft des Auswärtigen Amtes darüber eingeholt werden soll, dass der Kläger bis zur Ausreise weder aus der Armee entlassen worden sei noch selbst den Dienst quittiert habe, musste ebenfalls erfolglos bleiben. Dieser Vortrag ist so eng mit der aus obigen Gründen unglaubhaften Verfolgungsgeschichte des Klägers verknüpft, dass eine hiervon abweichende Beurteilung nicht möglich, er also ebenfalls unwahr ist. Zudem ergibt sich aus der vorgelegten "Carte d‘ Immatrikulation" lediglich eine Zugehörigkeit zur ivorischen Armee bis zum Ende des Jahres 2000. Das Gericht braucht Anträgen nicht nachzugehen, wenn der Kläger das unter Beweis gestellte Verfolgungsgeschehen in wesentlichen Punkten unzutreffend geschildert hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 1989 - 9 B 405.89 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 212).

22

2.

Der Kläger musste weder im Zeitpunkt seiner Ausreise noch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung befürchten, weil er - was angesichts der obigen Ausführungen zum Beweisantrag zu 3) als richtig unterstellt wird - Mitglied der RDR ist.

23

Die RDR ("Rassemblement Des Republicains") wurde im Jahre 1994 gegründet Es handelt sich um eine Abspaltung von der früheren Einheitspartei PDCI des langjährigen Präsidenten Houphouet-Boigny (vgl. Auskunft der Österreichischen Botschaft in Abidjan an den Unabhängigen Bundesasylsenat vom 7. Januar 2003). Seit August 1999 ist der frühere Premierminister der Elfenbeinküste, Alassane Quattara, ihr Vorsitzender (vgl. UNHCR an VG Hamburg vom 29. Oktober 2001).

24

Nach Einschätzung vieler Stellen sind die Spannungen zwischen der RDR und der Regierung vor dem Hintergrund der ethnischen Zweiteilung des Landes in den muslimischen Norden, der von der RDR repräsentiert wird, und den christlichen Süden zu sehen (vgl. Auskunft von amnesty international an das VG Hannover vom 25. April 2002; Auskunft der Österreichischen Botschaft in Abidjan a.a.O.; Auskunft des Instituts für Afrikakunde an das VG Hannover vom 3. Mai 2002). Letztere verfolgt ein System der "Ivorite", welches neben den 4 bis 5 Millionen Einwanderern aus den Nachbarländern, insbesondere Burkina Faso und Mali, auch die muslimische Bevölkerung der Dioula benachteiligt (vgl. Auskunft des Instituts für Afrikakunde an das VG Aachen vom 18. Februar 2002)

25

Am 27. Oktober 1999 hat in Abidjan vor dem Gebäude der Staatlichen Fernsehanstalt eine verbotene Demonstration der RDR stattgefunden, die unter massivem Einsatz der Polizei aufgelöst worden ist. Dabei wurde etwa 20 Mitglieder der Partei, davon sieben führende Persönlichkeiten, festgenommen und der weit überwiegende Teil kurze Zeit später zu zwei- bzw. einjährigen Haftstrafen verurteilt. Sie sind jedoch im Zuge des Militärputsches von General Guei zu Weihnachten 1999 freigekommen (vgl. Auskunft von amnesty international an das VG Hamburg vom 9. April 2001; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Hamburg vom 26. April 2001; UNHCR a.a.O.).

26

Bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2000 und den Parlamentswahlen im Dezember 2000 ist die Kandidatur Quattaras ausgeschlossen worden, weil seine ivorische Staatsangehörigkeit ungeklärt sein soll (vgl. Auskunft von amnesty international an das VG Ansbach vom 7. Juni 2001 und UNHCR a.a.O.). Aus den Präsidentschaftswahlen ging der Vorsitzende der FPI, Laurent Gbagbo, ein Christ aus dem Süden des Landes, als Sieger hervor. Die Parlamentswahlen führten dazu, dass die FPI mit einer anderen Partei und Unabhängigen Kandidaten über eine Mehrheit verfügt (vgl. Bundesamt, Aktuelle Lage, Juli 2001, S. 16 ff.).

27

Im Zusammenhang mit den beiden Wahlen ist es zu Protestdemonstrationen von Anhängern der RDR gekommen. Diese haben zu teilweise gezielten Verfolgungsmaßnahmen durch die FPI und die Polizei, bei denen es bis zu 500 Tote gegeben haben soll, geführt. So sollen am 25. und 26. Oktober 2000 knapp 60 Sympathisanten der RDR von der Gendarmerie verhaftet und anschließend ermordet worden sein. Im Stadtteil Yopougon von Abidjan ist später ein Massengrab entdeckt worden. Acht Gendarmen sind zwar angeklagt, aber vom Gericht mangels Beweisen freigesprochen worden. Am 4. und 5. Dezember 2000 sind wegen einer Protestdemonstration Hunderte von Personen festgenommen und viele von ihnen misshandelt worden (vgl. Auskünfte von amnesty international an das VG Hannover vom 19. Dezember 2002 und an das VG Ansbach a.a.O.; Österreichische Botschaft in Abidjan a.a.O.; Auskunft des Instituts für Afrikakunde an das VG Aachen a.a.O.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Aachen vom 4. Januar 2002) .

28

Danach hat sich die Lage langsam entspannt. Im März 2001 kam es zu einem Treffen zwischen Präsident Gbagbo und Quattara und die RDR konnte sich an den Kommunalwahlen beteiligen. Im Oktober 2001 hat zwischen den Hauptkonkurrenten um die politische Macht in der Elfenbeinküste eine Versöhnungskonferenz stattgefunden. Ende 2001 ist Quattara aus dem Exil nach Abidjan zurückgekehrt. Dennoch ist es auch in dieser Zeit immer wieder zu Festnahmen und Inhaftierungen von Politikern und Anhängern der RDR gekommen, die mit einer Ausnahme aber bis Ende 2001 freigelassen wurden. Im Juli 2002 hat die RDR bei den Departementswahlen etwa ein Drittel der Stimmen erringen können und ist im August 2002 mit vier Kabinettsposten an der Regierung beteiligt worden (vgl. Auskünfte von amnesty international an das VG Hannover a.a.O.; Österreichische Botschaft in Abidjan a.a.O; Auskünfte des Instituts für Afrikakunde an das VG Aachen an das VG Hannover a.a.O. und an das VG Hannover vom 19. Dezember 2002; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Hannover vom 28. Februar 2002 und an das VG Aachen a.a.O.).

29

Zur Verfolgungssituation von Mitgliedern der RDR ist bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges im September 2002 Folgendes festzustellen:

30

Das Auswärtige Amt hat in der Auskunft an das VG Aachen vom 4. Januar 2002 die Auffassung vertreten, dass Anhänger der RDR nicht systematisch Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt seien. Es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass es in Einzelfällen zu Übergriffen durch Personen in staatlichen Stellungen oder sonstige Täter komme, die vom Staat nicht unterbunden werden. Verfolgungshandlungen Dritter seien immer dann möglich, wenn das Gefühl entstehe, dass die Regierung diese tolerieren werde.

31

Nach Ansicht von amnesty international (Auskünfte an das VG Hannover vom 25. April 2002) war eine hinreichend sichere Prognose für Anhänger der RDR nicht möglich. Die Bedingungen für ihre politische Betätigung hätten sich zwar gebessert. Der ursächliche religiös-ethnische Konflikt beinhalte aber ein nicht unerhebliches Potenzial für weitere innere Auseinadersetzungen.

32

Ähnlich äußerte das Institut für Afrikakunde (Auskunft an das VG Hannover vom 3. Mai 2002 und an das VG Aachen vom 18. Februar 2002), dass über direkte Übergriffe staatlicher Stellen gegen Angehörige der RDR keine aktuellen Berichte vorlägen. Die RDR sei zu einer inzwischen weitgehend akzeptierten politischen Oppositionspartei geworden. Wegen der ökonomischen, finanziellen und politischen Instabilität der Elfenbeinküste könne aber ein Wiederaufleben der politischen Repressionen gegen RDR-Anhänger nicht ausgeschlossen werden.

33

Am 19. September 2002 ist in der Elfenbeinküste ein Bürgerkrieg ausgebrochen. Dieser hat zu einer Vierteilung des Landes geführt. Anfang Juli 2003 erklärten die Konfliktparteien den Krieg offiziell für beendet (vgl. NZZ vom 29. Juli 2003). Den christlichen Süden des Landes beherrschen die Truppen der Regierung Gbagbo, die nördlichen muslimischen Teile der Elfenbeinküste die größte Rebellengruppe MPCI von Guillaume Soro. Das Grenzgebiet zu Liberia und Guinea wird von kleineren Gruppierungen (MPIGO und MJP) besetzt gehalten (vgl. Auskünfte des Auswärtigen Amtes vom 22. April 2003, Auskunft des Instituts für Afrikakunde vom 31. März 2003, Auskunft von amnesty international vom 3. April 2003 jeweils an das VG Oldenburg).

34

Nach Beginn der Rebellion wurden im südlichen regierungskontrollierten Landesteil Mitglieder und vermeintliche Anhänger der RDR wegen des Verdachts, die Rebellion des Nordens zu unterstützen, festgenommen und ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert. Obwohl Quattara erklärte, mit dem Aufstand nicht in Verbindung zu stehen, wurde sein Haus niedergebrannt, so dass er schließlich ins Ausland floh. Auch nachdem Ende Januar 2003 unter Vermittlung Frankreichs eine Friedensvereinbarung getroffen worden ist, kam es durch sog. Todesschwadrone zu Übergriffen gegen RDR Politiker und Anhänger, obwohl diese an der daraufhin gebildeten Regierung der nationalen Versöhnung mit sieben Ministern beteiligt wurde (vgl. Auskünfte von amnesty international vom 19. Dezember 2002 und 3. April 2003 a.a.O.; Auskunft des Instituts für Afrikakunde vom 31. März 2003 a.a.O.).

35

Das Institut für Afrikakunde (a.a.O.) hat ausgeführt, dass prominente Mitglieder der RDR während des Krieges besonders gefährdet gewesen seien. Allerdings habe der Bekanntheitsgrad ihnen auch einen gewissen Schutz geboten, der für ebenfalls betroffene einfache Anhänger nicht gegeben gewesen sei. Die Übergriffe seien auf Todesschwadrone, die im Umfeld der Regierung agierten, zurückzuführen. Auch wenn offizielle Stellen leugneten, hierfür Verantwortung zu tragen, seien die Maßnahmen durch Regierungspropaganda gefördert und von den Staatsorganen zumindest hingenommen, möglicherweise aktiv gefördert worden.

36

Amnesty international (Auskunft vom 3. April 2003 an das VG Oldenburg) führt aus, dass zu den Opfern der Todesschwadrone sowohl führende Politiker der RDR, als auch einfache Mitglieder und Sympathisanten zu zählen seien. Auch wenn eine Einschränkung nicht vorgenommen werden könne, so liege doch der Schluss nahe, dass führende Politiker und Prominente bewusst ausgewählt worden seien, um die Partei zu schwächen. Nach dortigen Erkenntnissen habe die Regierung Gbagbo die Übergriffe gebilligt und gefördert. Den Todesschwadronen werde eine Verbindung zur Gattin von Präsident Gbagbo nachgesagt.

37

Die Österreichische Botschaft in Abidjan (a.a.O.) sieht derzeit keine direkte Verfolgung der Mitglieder der RDR.

38

Das Auswärtige Amt (a.a.O.) hat ausgeführt, dass es seit Ausbruch des Bürgerkriegs zu vereinzelten Morden an Mitgliedern und Sympathisanten der RDR, zumeist durch Todesschwadrone, gekommen sei. Es gebe zahlreiche Hinweise dafür, dass diese der Regierung nahe stünden. Es seien aber keine gezielten Verfolgungsmaßnahmen im großen Stil bekannt geworden. Der neue Premierminister Diarra habe angekündigt, dem Treiben der Todesschwadrone ein Ende setzen zu wollen. Hieraus ergibt sich für das Gericht zusammenfassend folgende Einschätzung:

39

Zu berücksichtigen ist, dass es in den vergangenen Jahren immer wieder erhebliche Übergriffe gegen Mitglieder der RDR gegeben hat. Sie sind vor dem Hintergrund des auch nach dem Ende des Bürgerkriegs ungelösten Nord-Süd-Konflikts in der Elfenbeinküste zu sehen. In diesen ist der Machtkampf zwischen Präsident Gbagbo und dem RDR-Vorsitzenden Quattara, der auch von persönlichen Rivalitäten geprägt zu sein scheint, eingebettet. Die Verfolgungshandlungen waren jedoch zu keinem Zeitpunkt dauerhaft und systematisch. Sie verschärften sich in Zeiten politischer Destabilisierung, in denen die Regierung nicht willens und in der Lage gewesen ist, gegen Verfolgungshandlungen, die bis zu Tötung von RDR Mitgliedern reichten, vorzugehen. Die Maßnahmen haben dann aber auch immer wieder nachgelassen. Es ist davon auszugehen, dass sich nach dem Ende des Bürgerkrieges auch im Südteil des Landes die Verhältnisse wieder ähnlich wie ab dem Frühjahr 2001 stabilisiert haben. Die RDR ist im März 2003 an der Regierung der Nationalen Versöhnung mit sieben Ministers beteiligt worden und in zahlreichen Lokal- und Regionalparlamenten vertreten. Es kann angesichts des nach wie vor ungelösten Grundkonflikts der Elfenbeinküste allerdings auch nicht ausgeschlossen werden, dass es wieder zu einem Ausbruch von Gewalttätigkeiten kommt. Zu beachten ist ferner, dass von den Übergriffen auch einfache Mitglieder oder Sympathisanten der Partei betroffen waren. Die Auskünfte des Jahres 2003 ergeben jedoch, dass prominente Persönlichkeiten stärker gefährdet sind.

40

Danach haben derzeit nur RDR-Mitglieder in besonders herausragenden Führungspositionen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung zu befürchten. Für andere Mitglieder können Übergriffe zwar nicht ausgeschlossen werden, sie sind aber nicht überwiegend wahrscheinlich. Darüber hinaus mussten Personen in leitenden aber nicht herausragenden Positionen zu bestimmten Zeiten (von Oktober 2000 bis März 2001 sowie zwischen dem 19. September 2002 und März 2003) ebenfalls mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung befürchten. Sie gelten bei einer Ausreise in dieser Zeit als Vorverfolgte, so dass für diese der herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab heranzuziehen wäre.

41

Der Kläger ist nach seinen Angaben jedoch lediglich einfaches Mitglied der RDR ohne irgendwelche Funktionen und Aufgaben gewesen. Er ist auch Ende des Jahres 2001, also in einer Phase der politischen Entspannung, ausgereist.

42

Ob dem Kläger in den nördlichen Landesteilen der Elfenbeinküste eine inländische Fluchtalternative offen steht, bedarf daher keiner Beurteilung.

43

3.

Der Kläger musste weder im Zeitpunkt seiner Ausreise noch muss er im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung allein deshalb befürchten, weil er Angehöriger der Volksgruppe der Dioula und moslemischen Glaubens ist.

44

Die vom Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200203 f.; Urteil vom 30. April 1996 - 9 C 170.95 - BVerwGE 101, 123124 f.) entwickelten strengen Anforderungen, welche die Annahme einer Gruppenverfolgung voraussetzen, sind und waren nicht erfüllt. Erforderlich ist eine bestimmte Verfolgungsdichte. Die zu berücksichtigenden Verfolgungshandlungen müssen sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausgeweitet haben, dass für jeden Gruppenangehörigen die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit besteht. Hierbei ist u.a. ein Vergleich der Zahl der Gruppenmitglieder mit den festgestellten Verfolgungsfällen von Bedeutung.

45

Die Elfenbeinküste ist ethnisch zweigeteilt. Der Norden des Landes ist muslimisch geprägt und wird durch zusammenfassend als Dioula bezeichnete Ethnien bewohnt. Politisch werden diese durch die Oppositionspartei RDR ("Rassemblement des Republicains") vertreten. Im Süden finden sich dagegen mehrheitlich Christen, aus deren Reihen bisher die politische Elite der Elfenbeinküste entstammt.

46

Seit Mitte der 90er Jahre hat in der politischen Auseinandersetzung der Elfenbeinküste der fremdenfeindliche Gedanke der "Ivorität" zunehmende Bedeutung erfahren. Er richtet sich vor allem gegen die in den Jahren wirtschaftlichen Aufschwungs in das Land gekommenen zahlreichen Einwanderer aus anderen westafrikanischen Staaten. Die Ausgrenzung hat sich im Laufe der Zeit auch auf die muslimische Bevölkerung des Nordens mit ivorischer Staatsangehörigkeit ausgeweitet (vgl. Auskünfte des Instituts für Afrikakunde an das VG Hannover vom 3. Mai 2002 und an das VG Aachen vom 18. Februar 2002).

47

Nach Darstellung des Instituts für Afrikakunde (aaO und Auskunft an das VG Hannover vom 31. Oktober 2002) ist es in der Zeit von Anfang 2000 bis etwa März 2001 in den städtischen Zentren des Südens zu staatlichen und nichtstaatlichen Übergriffen u.a. gegen die ivorische und ausländische muslimische Bevölkerung gekommen. Zu nennen seien etwa Maßnahmen im Zusammenhang mit den Präsidentschaftswahlen Ende Oktober 2000. Im Herbst 1999 habe es zudem in den ländlichen Regionen des Südwestens blutige Zusammenstöße zwischen der einheimischen Bevölkerung und Gastarbeitern aus Burkina Faso gegeben. Danach habe sich die Lage im Zusammenhang mit der Annäherung von Präsident Gbagbo und der Opposition verbessert. Ein Wiederaufleben der Repressionen gegen Moslems könne angesichts der Instabilität des Landes jedoch nicht ausgeschlossen werden.

48

Das Auswärtige Amt (Auskunft an das VG Aachen vom 4. Januar 2002) hat ausgeführt, dass die Angehörigen des Volksstamms der Dioula einem höheren Risiko als andere Ethnien ausgesetzt seien, Opfer von Übergriffen und Schikanen zu werden. Im Zusammenhang mit den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen Ende 2000 habe es Übergriffe und teilweise eine gezielte Verfolgung von (vermeintlichen) Ausländern aus den nördlichen Nachbarstaaten gegeben. Im Januar 2001 sei es im Zusammenhang mit einem gescheiterten Putsch zu Ausschreitungen und teilweise gezielten Verfolgungshandlungen gegen afrikanische Ausländer und Angehörige im Norden der Elfenbeinküste lebender Ethnien gekommen. Ab Februar 2001 habe sich die Lage langsam beruhigt. Verfolgungen erschienen möglich, wenn das Gefühl entstehe, dass die Regierung entsprechende Handlungen toleriere.

49

Der am 19. September 2002 ausgebrochene und Anfang Juli 2003 beendete Bürgerkrieg stellt die derzeit letzte Zuspitzung des Nord-Süd-Konflikts in der Elfenbeinküste dar. Hierzu verhalten sich die Auskunftsquellen wie folgt:

50

Das Institut für Afrikakunde (Auskunft an das VG Oldenburg vom 31. März 2003) berichtet, dass es in dieser Zeit im südlichen Landesteil zu schweren Pogromen gegen Menschen muslimischen Glaubens aus dem Norden gekommen sei. Bei den gewaltsamen Übergriffen seien eine unbekannte Anzahl an Personen, Schätzungen reichten bis in den vierstelligen Bereich, getötet worden. Kriterium sei die "ethnisch-religiöse-regionale" Zuordnung gewesen. Die Übergriffe seien seitens der Staatsorgane zumindest hingenommen, nach manchen Berichten sogar aktiv geschürt worden. Die Opfer seien ohne staatlichen Schutz, die Täter ohne Bestrafung geblieben

51

Amnesty international (Auskunft an das VG Oldenburg vom 3. April 2003) gibt an, dass für die Zeit des Bürgerkriegs von zahlreichen Menschenrechtsverletzungen an Angehörigen muslimischen Glaubens und Personen nicht-ivorischer Staatsangehörigkeit in den südlichen Landesteilen auszugehen sei. Vor allem in Abidjan sei es im Zusammenhang mit der Rebellion zu Ausschreitungen gegenüber Ivorern mit moslemischen Namen und Einwanderern aus den westafrikanischen Nachbarländern gekommen. Die Unterkünfte seien von Sicherheitskräften zerstört und die Menschen bedroht, festgenommen, misshandelt und zum Teil getötet worden sei. Die Muslime und Ausländer seien pauschal der Unterstützung der Rebellengruppen verdächtigt worden. Viele Ausländer seien deshalb in ihre Heimatländer zurückgekehrt. Verantwortlich seien Soldaten und Polizeikräfte der Regierung. Sie hätten offenbar mit Billigung der Regierung gehandelt.

52

Das Auswärtige Amt (Auskunft an das VG Oldenburg vom 22. April 2003) kann gezielte Angriffe gegen Angehörige moslemischen Glaubens in den südlichen Landesteilen während des Bürgerkriegs nicht bestätigen. In erster Linie richteten sich diese gegen die Gastarbeiter aus den Nachbarstaaten der Elfenbeinküste. Die Übergriffe hätten sich auf Abidjan konzentriert, seien in geringerem Maße aber auch in anderen Städten vorgekommen. Es bestünden Anhaltspunkte dafür, dass an den Übergriffen Angehörige der Armee bzw. Gendarmerie beteiligt gewesen seien. Ob staatliche Stellen diese förderten, sei nicht sicher festzustellen; auf jeden Fall sei von diesen zu wenig gegen die Übergriffe unternommen worden. Hieraus ergibt nach Einschätzung des Gerichts zusammenfassend Folgendes:

53

Es ist zu berücksichtigen, dass den Übergriffen gegen die Angehörigen der moslemischen Volksstämme des Nordens der die Politik der Elfenbeinküste seit längerem beherrschende Nord-Süd-Konflikt zugrunde liegt, der von den politischen Parteien propagandistisch geschürt wird. Zu beachten ist jedoch, dass diese Übergriffe nicht permanent, sondern in Folge bestimmter Einzelereignisse auftreten; eine systematische Verfolgung lässt sich nicht feststellen. Betroffen sind häufig nicht die Moslems ivorischer Staatsangehörigkeit. Ziel der Übergriffe sind - entsprechend dem Konzept der "Ivorite" - vielmehr in erster Linie die Gastarbeiter, die in Zeiten wirtschaftlicher und politischer Krisen einfache vielfach recht- und wehrlose Opfer sind. Die Übergriffe betreffen auch nicht den gesamten Süden der Elfenbeinküste, sondern finden vor allem in Abidjan und anderen größeren Städten statt. Die tödlichen Opfer gehen zwar in die Tausende, zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Moslems auch in den südlichen Landesteilen eine starke Minderheit darstellen.

54

Ob dem Kläger in den nördlichen Landesteilen der Elfenbeinküste eine zumutbare inländische Fluchtalternative zur Verfügung steht, bedarf danach auch insoweit keiner Beurteilung.

55

4.

Die Zugehörigkeit zur moslemischen Volksgruppe der Dioula und die RDR-Mitgliedschaft führen auch bei zusammenfassender Betrachtung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu politischer Verfolgung. Die RDR repräsentiert - wie bereits ausgeführt - den muslimischen Norden. Die große Mehrheit ihrer Anhänger gehört also den dort beheimateten Ethnien an.

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