Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 22.09.2003, Az.: 13 A 1703/03

Kündigung eines Schwerbehinderten

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
22.09.2003
Aktenzeichen
13 A 1703/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48224
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand:

1

Die Beigeladene stellte den am 18. August 1947 geborenen Kläger am 30. Oktober 1967 ein. Zuletzt war er als Prüfer in der Qualitätskontrolle eingesetzt. Das Versorgungsamt Oldenburg erkannte dem Kläger durch Bescheid vom 10. Februar 1992 einen Grad der Behinderung von 50 (derzeit gemäß Bescheid des Versorgungsamtes Oldenburg vom 10. Oktober 2001 60) zu. Der Kläger hat eine Wirbelsäulenerkrankung mit Wurzelreizsymptomatik, Lumbalsyndrom bei Bandscheibenvorfall, ein chronisches Magenleiden, einen Kniegelenkschaden beidseits nach atroskopischen Eingriffen, Herzkreislaufschaden, Bluthochdruck, Rhythmusstörungsneigung sowie Funktionseinschränkungen der Hände und Handgelenke.

2

Der Kläger ist seit dem 24. Februar 2000 mit Ausnahme des 4. Dezember 2002 durchgehend arbeitsunfähig. Die Beigeladene verzichtete mit Schreiben vom 11. Juli 2001 auf ihr arbeitsrechtliches Weisungsrecht; seit dem 28. August 2001 ist der Kläger "ausgesteuert".

3

Die Beigeladene beantragte am 31. Oktober 2001 beim Beklagten, ihrer Absicht, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristgemäß zu kündigen, zuzustimmen; der Betriebsrat und der Vertrauensmann der Schwerbehinderten seien über diese Absicht unterrichtet.

4

Bei der Einigungsverhandlung am 17. Dezember 2001 erklärte der Kläger, dass seines Erachtens sein Arbeitsplatz leidensgerecht gewesen wäre. Andere Arbeitsplätze kenne er nicht und könne auch insoweit keine Aussage treffen. Die Vertreter des Betriebsrates als auch der Vertrauensmann der Schwerbehinderten machten in der Einigungsverhandlung nicht geltend, dass für den Kläger ein anderer leidensgerechter Arbeitsplatz bei der Beigeladenen bestehe. Die Beigeladene erklärte, dass ein anderer leidensgerechter Arbeitsplatz für den Kläger nicht vorhanden sei.

5

Der arbeitsmedizinischen Stellungnahme des arbeitsmedizinischen Dienstes Oldenburg vom 27. Februar 2002 heißt es zum Gesundheitszustand des Klägers:

6

"Aufgrund seiner starken Schmerzen und schmerzbedingten Bewegungseinschränkung ist Herr O. zur Zeit nicht arbeitsfähig. ... Treppensteigen ist nur im Schongang möglich und Hocken nur mit großer Mühe. Aufgrund der bereits seit über zwei Jahren unter maximaler Schonung fast ununterbrochenen starken Schmerzsymptomatik im Lendenwirbelbereich erscheint ein Erreichen der Arbeitsfähigkeit mittelfristig sehr fraglich. Die Fehlzeiten sind alle im Zusammenhang mit der anerkannten Behinderung zu sehen. Die bisher erfolgte konservative Therapie der Beschwerden an der Lendenwirbelsäule (Kurmaßnahme, ambulante Krankengymnastik und lokale und systematische Schmerzbehandlungen) führte bisher nicht zu einer durchgreifenden Verbesserung der Beschwerdesystematik ... Es ist daher zur Zeit mit weiteren erheblichen Fehlzeiten zu rechnen.

7

Sollte sich die Schmerzsymptomatik im Lendenwirbelsäulenbereich soweit verbessern, daß Herr O. wieder arbeitsfähig wird, kann er folgende Tätigkeiten durchführen:

8

- Leichte körperliche Arbeiten mit Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen.

9

Folgende Tätigkeiten können auch unter dieser Voraussetzung nicht durchgeführt werden:

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- Heben und Tragen von Lasten mit mehr als 10 kg,

11

- Arbeiten mit Rotation der Wirbelsäule,

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- Arbeiten in Zwangshaltungen, Arbeiten in Vornüberneigung,

13

- Arbeiten mit häufigem Bücken,

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- Arbeiten im Knien und Hocken,

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- Arbeiten mit Ganzkörper-Erschütterungen und -Vibrationen.

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- Ebenso sollte keine Schichtarbeit geleistet werden."

17

Der Beklagte erteilte durch Bescheid vom 15. März 2002 die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger durch die Beigeladene. Sie begründete diese Entscheidung damit, dass die Voraussetzungen von § 85 SGB IX hier erfüllt seien. Nach der gebotenen Abwägung der beiderseitigen Interessen sei der noch auszusprechenden Kündigung zuzustimmen. Das Integrationsamt habe in diesem Verfahren grundsätzlich nicht die allgemeinen sozialen Interessen der einzelnen schwerbehinderten Menschen als Arbeitnehmer zu wahren. Auch bei der Zustimmung des Integrationsamts zu der Kündigung könne diese noch arbeitsgerichtlich überprüft werden. Die Sozialwidrigkeit der Kündigung sei daher in diesem Verfahren nicht zu überprüfen. Zwar treffe den Arbeitgeber eine gesteigerte Fürsorgepflicht, wenn die Gründe, die zu der beabsichtigten Kündigung führten, in der Behinderung selbst ihre Ursache hätten. Dies bedeute aber nicht, dass der Arbeitgeber den schwerbehinderten Arbeitnehmer weiter beschäftigen müsse. Betriebliche Umorganisationen und die Neuschaffung eines bisher nicht existenten leidensgerechten Arbeitsplatzes könnten dem Arbeitgeber auch dann nur im Rahmen des Zumutbaren abverlangt werden. Hier sei der Arbeitgeber seiner besonderen Fürsorgepflicht gegenüber dem Kläger bereits in ausreichendem Maß insoweit nachgekommen, als er die in den letzten Jahren erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten zunächst hingenommen habe. Da nun aber nicht mehr absehbar sei, ob und wann der Kläger wieder einsatzfähig sein werde, sei es dem Arbeitgeber nicht mehr zuzumuten, das Arbeitsverhältnis weiterhin aufrecht zu erhalten. Ein anderer leidensgerechter und freier Arbeitsplatz, auf dem der Kläger entsprechend der arbeitsmedizinischen Stellungnahme eingesetzt werden könne, sei bei der Beigeladenen nicht vorhanden. Die Beteiligten seien sich einig gewesen, dass der bisherige Arbeitsplatz des Klägers leidensgerecht gewesen sei.

18

Der Kläger begründete seinen Widerspruch damit, dass die Zustimmung zur Kündigung im wesentlichen nur formelhaft begründet sei; ein Ermessen habe der Beklagte nicht ausgeübt. Der Beklagte hätte zudem zunächst seinen technischen Beratungsdienst einschalten müssen, um den Arbeitsplatz des Klägers behindertengerecht ausstatten zu lassen. Die diesbezüglichen Anforderungen ergäben sich aus der Stellungnahme des Arbeitsmedizinischen Dienstes Oldenburg. Es sei nicht medizinisch geklärt worden, ob der frühere Arbeitsplatz des Klägers leidensgerecht sei oder nicht. Er könne leidensgerecht als Bote, in der Vormontage und im Telefondienst eingesetzt werden. Der Beigeladenen sei nach einer 35jährigen Betriebszugehörigkeit des Klägers zuzumuten, seine Gesundung abzuwarten.

19

Die Beigeladene kündigte unter dem 20. März 2002 das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Wirkung zum 31. August 2002.

20

Die Beigeladene legte unter dem 24. Juni 2002 dar, dass es einen "leidensgerechteren" Arbeitsplatz für den Kläger als dessen bisherigen nicht gebe. Der Kläger könne selbst am besten beurteilen, ob sein Arbeitsplatz leidensgerecht gewesen sei. Aus gesundheitlichen Gründen sei der Kläger auch nicht als Bote, in der Vormontage oder im Telefondienst einsetzbar. In diesen Bereichen seien zudem freie Arbeitsplätze nicht vorhanden. Es sei ihr auch nicht zumutbar, die Genesung des Klägers weiterhin abzuwarten.

21

Aufgrund des Bescheides der Landesversicherungsanstalt Hannover vom 25. September 2002 bezieht der Kläger mit Wirkung vom 30. März 2001 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

22

Der Beklagte wies den Widerspruch unter Vertiefung der Gründe des Ausgangsbescheides durch Widerspruchsbescheid vom 15. April 2003 als unbegründet zurück.

23

Der Kläger hat am 9. Mai 2003 unter Bezugnahme auf sein bisheriges Vorbringen Klage erhoben und beantragt,

24

den Bescheid des Beklagten vom 15. März 2002 und dessen

25

Widerspruchsbescheid vom 15. April 2003 aufzuheben.

26

Der Beklagte hat beantragt,

27

die Klage abzuweisen.

28

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

29

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen; sie waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

30

Über die Klage konnte das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne (weitere) mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

31

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 15. März 2002 und sein Widerspruchsbescheid vom 15. April 2003 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte seine Zustimmung zu der Kündigung des Klägers erteilt hat.

32

Der Kläger unterfällt nicht den erweiterten Beendigungsschutz gemäß § 92 SGB IX. Nach dieser Vorschrift bedarf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen auch dann der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts, wenn sie im Falle des Eintritts einer teilweisen Erwerbsminderung, der Erwerbsminderung auf Zeit, der Berufsunfähigkeit oder der Erwerbsfähigkeit auf Zeit ohne Kündigung erfolgt (Satz 1). Aufgrund des Bescheides der Landesversicherungsanstalt vom 25. September 2002 liegt beim Kläger keiner dieser Fälle vor. Ihm wird vielmehr gemäß § 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt. Die Erwerbsunfähigkeit unterfällt angesichts der eindeutigen Wortlauts der Vorschrift weder § 92 Satz 1 SGB IX noch § 22 SchwbG (maßgeblich bis zum 30. Juni 2001). § 22 SchwbG (insoweit inhalts- und wortgleich mit § 92 SGB IX) erfasst andere als die dort aufgeführten Gründe des Ausscheidens ohne Kündigung nicht, vor allem nicht ein Ausscheiden wegen der dauernden Erwerbsunfähigkeit (Neumann/Palandt, Schwerbehindertengesetz, 9. Aufl. 1999, § 22 Rz. 2 m.w.N.), deretwegen der Kläger eine Rente erhält. Auch aus anderen Gründen ist § 92 SGB IX nicht anwendbar und das Verfahren gemäß §§ 85 ff. im Falle des Klägers durchzuführen: Zwischen den Beteiligten war und ist unstreitig, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beigeladenen durch die Erwerbsunfähigkeit nicht endet. Die insoweit maßgebenden rechtlichen Regelungen (insbesondere der Tarifvertrag der Beigeladenen mit den Gewerkschaften) sieht nicht vor, dass das Arbeitsverhältnis (beispielsweise mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid des Rentenversicherungsträgers zugestellt wird) endet, wenn durch Bescheid eines Rentenversicherungsträgers festgestellt wird, dass der Arbeiter berufs- oder erwerbsunfähig ist.

33

Der Kläger unterfällt dem Kündigungsschutz nach §§ 85 ff. SGB IX, da er im maßgeblichen Zeitpunkt der Kündigung durch die Beigeladene im März 2001 aufgrund des Bescheides des Versorgungsamts Oldenburg vom 10. Februar 1992 gemäß § 1 SchwbG schwerbehindert war.

34

Nach § 85 SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Bei der Entscheidung darüber, ob die Zustimmung zur Kündigung zu erteilen ist, trifft das Integrationsamt, soweit nicht die Voraussetzungen des § 89 SGB IX eingreifen, eine Ermessensentscheidung, bei der das Interesse des Arbeitgebers an der Erhaltung seiner Gestaltungsmöglichkeiten gegen das Interesse des schwerbehinderten Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes abzuwägen ist (BVerwG, Urteil vom 19.10.1995, NDV-RD 1996 S. 90 ff. zu § 15 ff. SchwbG). Welche Umstände im einzelnen und mit welchem Gewicht für die Interessenabwägung maßgeblich sind, lässt sich nicht allgemein bestimmen; entscheidend sind der Bezug zur Behinderung und die Bedeutung, die einzelnen Sachverhaltselementen im Hinblick auf die Zweckrichtung des Kündigungsschutzes der Behinderten zukommt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Schwerbehindertengesetz in erster Linie ein „Fürsorgegesetz“ ist, da es mit seinen Vorschriften über den Sonderkündigungsschutz vor allem die Nachteile des Schwerbehinderten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgleichen soll. Der Zweck des § 85 SGB IX geht deshalb dahin, den Behinderten vor den besonderen Gefahren, denen er wegen seiner Behinderung auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt ist, zu bewahren und sicherzustellen, dass er gegenüber gesunden Arbeitnehmern nicht ins Hintertreffen gerät. Das hat auch Leitlinie bei der Ermessensentscheidung zu sein, ob der Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Schwerbehinderten zuzustimmen ist. Bei dieser Abwägung muss das Integrationsamt berücksichtigen, ob und inwieweit die Kündigung die besondere durch sein Leiden bedingte Stellung des einzelnen Schwerbehinderten im Wirtschaftsleben berührt. Dagegen ist es grundsätzlich nicht Aufgabe des Integrationsamts, bei ihrer Entscheidung die allgemeinen sozialen Interessen des einzelnen Schwerbehinderten als Arbeitnehmer zu wahren. Das bedeutet, dass der Schwerbehinderte, wenn das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt und der Arbeitgeber diese ausgesprochen hat, noch eine arbeitsgerichtliche Überprüfung darüber herbeiführen kann, ob die Kündigung gerechtfertigt im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes ist (BVerwG, Urteil vom 02. Juli 1992 - 5 C 51.90 - BVerwGE 90, S. 287 ff.). In der Rechtsprechung ist weiter geklärt, dass für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der erteilten Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbehinderten es auf den sogenannten „historischen Sachverhalt“, nämlich denjenigen, der im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung gegeben war, ankommt (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 07.03.1991 - 5 B 114.89 - Behindertenrecht 1991 S. 113; Nds. OVG, Urteil vom 22.11.1996 - 4 L 232/96 -).

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Nach diesen Maßstäben sind die angegriffenen Bescheide rechtlich nicht zu beanstanden. Von einer Darstellung seiner Entscheidungsgründe sieht das Gericht ab, da es der zutreffenden Begründung der angefochtenen Bescheide folgt (Feststellung gemäß § 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend ist auszuführen:

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Zwar mag der Schutz des Schwerbehinderten dort an Gewicht gewinnen, wo die Kündigung des Arbeitsverhältnisses auf Gründe gestützt wird, die - wie hier - ihre Ursachen in der Behinderung selbst hat. Insoweit sind die Anforderungen an das, was der Arbeitgeber zumutbarerweise für eine Weiterbeschäftigung des Schwerbehinderten unternehmen muss, u. U. verschärft.

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Es ist in der Rechtsprechung (des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, vgl. Beschlüsse vom 15. November 1999 - 4 L 3375/99 - und vom 27. Januar 2000- 4 L 4282/99 -, sowie der erkennenden Kammer, vgl. Urteile vom 14. September 1999 -13 A 2875/98 - und vom 10. Oktober 2000 - 13 A 347/99 -) aber geklärt, dass Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich auch in diesen Fällen die Zustimmung des Integrationsamts zur beabsichtigten Kündigung rechtfertigen kann. Das Integrationsamt ist verpflichtet, lange Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers in die Abwägung der Interessen der Schwerbehinderten an der Erhaltung ihres Arbeitsplatzes und den Belangen des Arbeitgebers einzubeziehen, damit dessen Freiheit, sein Unternehmen zu planen und zu führen, mithin das ihm rechtlich zustehende Direktionsrecht, nicht ausgehöhlt wird (Nds. OVG, Urteil vom 11. Dezember 1996 - Az. 4 L 231/96 -). Die erhöhten Zumutbarkeitsgrenzen für den Arbeitgeber - seine ‚gesteigerte Fürsorgepflicht‘ - können (nur) im Ausnahmefall zu seiner Verpflichtung führen, den schwerbehinderten Arbeitnehmer gleichsam „durchzuschleppen“. Die im Interesse der Schwerbehindertenfürsorge gebotene Sicherung des Arbeitsplatzes findet auf jeden Fall dort ihre Grenze, wo eine Weiterbeschäftigung des Schwerbehinderten allen Gesetzen wirtschaftlicher Vernunft widersprechen, insbesondere dem Arbeitgeber eine einseitige Lohnzahlungspflicht auferlegen würde (BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1995, a.a.O., m.w.N.; vgl. auch OVG Münster, Urteil vom 27. Februar 1998 - 24 A 6870/95 -, Behindertenrecht 1998, S. 170). Insoweit hat das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 16. Juni 1990 - BVerwG 5 B 127.89 -, Buchholz 436.61 § 15 SchwbG 1986 Nr. 3, m.w.N.) nämlich ausgeführt „daß der Arbeitgeber in Ausnahmefällen verpflichtet sein kann, den schwerbehinderten Arbeitnehmer ‚durchzuschleppen‘ (vgl. BVerwGE 8, 46 <51>; 48, 264 <267>), andererseits die im Interesse der Schwerbehindertenfürsorge gebotene Sicherung des Arbeitsplatzes auf jeden Fall dort ihre Grenze findet, wo eine Weiterbeschäftigung des Schwerbehinderten allen Gesetzen wirtschaftlicher Vernunft widersprechen würde (BVerwGE 8, 46 <51>; Urteil vom 17. Dezember 1958 - BVerwG 5 C 151.56 - <FEVS Bd. 5, 181/ 185>).“ (ebenda).

38

In einem solchen Fall widerspricht eine Weiterbeschäftigung des Schwerbehinderten allen Gesetzen wirtschaftlicher Vernunft. Etwas anderes kann nur angenommen werden können, wenn eine hinreichend sichere Aussicht bestanden hätte, dass der Behinderte wieder arbeitsfähig wird (vgl. Urteile der erkennenden Kammer vom 14. September 1999 -13 A 2875/98 -, und vom 10. Oktober 2000 - 13 A 347/99 -, jew. m.w.N.). Das hat der Beklagte zutreffend verneint. Dass diese Prognose des Beklagten nicht zu beanstanden ist, wird auch durch die Erwerbsunfähigkeit des Klägers zum 30. März 2001 bestätigt. Er ist durch diese Verrentung wohl auch weniger schutzwürdig.

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Insbesondere hat der Beklagte zutreffend ermittelt, dass für den Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Kündigung ein anderer leidensgerechter Arbeitsplatz in ihrer Vergütungsgruppe nicht zugänglich war.