Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 11.01.2005, Az.: 2 A 145/04
Abschiebungshindernis; aktuelle Gefahr; allgemeine Gefahr; Baath-Regierung; Flüchtlingsschutz; Gruppenverfolgung; instabile Sicherheitslage; Irak; mittelbare Gruppenverfolgung; nichtstaatliche Gruppierung; nichtstaatliche Organisationen; politische Verfolgung; Rückkehr; Saddam Hussein; terroristische Anschläge; Versorgungslage; Yezide
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 11.01.2005
- Aktenzeichen
- 2 A 145/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 50514
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 60 Abs 1 AufenthG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Irakische Staatsangehörige yezidischer Religionszugehörigkeit droht bei Rückkehr in den Irak keine Verfolgung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG durch Islamisten.
Tatbestand:
Der Kläger ist irakischer Staatsangehöriger, kurdischer Volks- und yezidischer Religionszugehörigkeit. Vor seiner Ausreise lebte er zuletzt in Al-Kosh, Provinz Nasiria. Er ist nach yezidischem Recht verlobt, hat mit seiner Verlobten vor seiner Ausreise jedoch nicht zusammengelebt. Am 21. Februar 2002 reiste der Kläger mit dem LKW kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier einen Asylantrag. Zu dessen Begründung gab er bei der Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge am 5. März 2002 im Wesentlichen an, er habe seine schwangere Mutter am 19. November 2001 in ein Krankenhaus nach Mossul bringen müssen. Dort sei er verhaftet und nach fünftägiger Haft gezwungen worden, Märtyrer der heiligen Stätten zu werden. Nach vierzigtägiger Ausbildung habe er durch Bestechung einen Tag Urlaub erhalten und diesen zur Flucht genutzt. Gesucht worden sei er zuhause nicht.
Mit Bescheid vom 26. März 2002 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen und forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach unanfechtbarem Abschluss des Verfahrens zu verlassen, wobei es für den Fall der Nichtbefolgung die Abschiebung in den Irak (Nordirak) androhte. Der Vortrag des Klägers sei unglaubhaft, da stereotyp und nicht detailreich genug. Im Übrigen stünde ihm im Nordirak eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung und sei er auf dem Landweg eingereist, so dass ein Asylanspruch von vornherein ausgeschlossen sei.
Hiergegen hat der Kläger am 9. April 2002 Klage erhoben, zu deren Begründung er sich auf sein Vorbringen im Rahmen der Anhörung bezieht. Insbesondere macht er geltend, ihm stünde eine inländische Fluchtalternative nicht zur Seite, da er im Nordirak über keine persönlichen Anknüpfungspunkte verfüge und ihm drohten Gefahren wegen seiner yezidischen Religionszugehörigkeit.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 26. März 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz vorliegen,
hilfsweise, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 Aufenthaltsgesetz vorliegen.
Die Beklagte beantragt, dem Vorbringen entgegentretend
die Klage abzuweisen.
Der beteiligte Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten stellt keinen Antrag und äußert sich nicht zur Sache.
Der Kläger ist in mündlicher Verhandlung zu seinen Klagegründen angehört worden. Dabei hat er insbesondere geltend gemacht, dass ihm wegen seiner yezidischen Religionszugehörigkeit politische Verfolgung drohe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Ausländerakten des Landkreises Northeim Bezug genommen. Diese Unterlagen sind ebenso Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen, wie die aus der den Beteiligten mit der Ladung übersandten Liste ersichtlichen Erkenntnismittel.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26. März 2002 ist nach der für die Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung rechtmäßig und der Kläger hat die geltend gemachten Ansprüche nicht (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Ein Asylanspruch des Klägers besteht schon deshalb nicht, weil er auf dem Landweg und damit über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist (Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG, 26 a Abs. 1 AsylVfG).
Auch einen Anspruch auf Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft steht dem Kläger nicht zur Seite.
Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung findet das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG - Anwendung (Art. 15 Abs. 3 Nr. 1 des Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz) vom 30. Juli 2004 (BGBl I, Seite 1950). Der bisher in § 51 Abs. 1 AuslG geregelte Flüchtlingsschutz ergibt sich nunmehr aus § 60 Abs. 1 AufenthG. In ihren Tatbestandsvoraussetzungen sind die Vorschriften insoweit identisch als ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden darf, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist.
Eine vom irakischen Staat ausgehende Verfolgung in diesem Sinne droht dem Kläger nicht. Die Kammer schließt sich in ständiger Rechtsprechung (vgl. nur Urteil vom 14. Juli 2004 -2 A 77/04-) der überzeugenden Rechtsprechung des zuständigen Senats des Nds. Oberverwaltungsgerichts an, der in seinem Beschluss vom 30.03.2004 -9 LB 5/03- ( zitiert nach der Internetentscheidungssammlung des Gerichts ) ausgeführt hat:
„Dem Kläger droht bei seiner Rückkehr in den Irak weder derzeit noch in absehbarer Zeit eine im Rahmen von Art. 16 a GG bzw. des § 51 Abs. 1 AuslG beachtliche politische Verfolgung. Dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 6. November 2003 ist mit großer, ja mit völliger Eindeutigkeit zu entnehmen, dass sich die politische Lage im Irak durch die am 20. März 2003 begonnene und am 1. Mai 2003 durch die Erklärung des US-Präsidenten Bush als beendet erklärte Militäraktion grundlegend verändert hat. Die Baath-Regierung unter der Führung Saddam Husseins hat, namentlich nach der Festnahme von Saddam Hussein im Dezember 2003, ihre politische und militärische Herrschaft über den Irak vollständig verloren. Der Irak steht nunmehr unter Besatzungsrecht und wird derzeit von einer „Zivilverwaltung“ der Koalition („Coalition Provisional Authority“- CPA) unter dem Sondergesandten des US-Präsidenten, Paul Bremer, sowie einem provisorischen Regierungsrat („Governing Council“) und einem Interims-Kabinett regiert. Der Sturz des Regimes von Saddam Hussein ist nach allen vorliegenden Erkenntnissen eindeutig und unumkehrbar, und zwar trotz der nach wie vor problematischen Sicherheitslage im Irak, insbesondere im Hinblick auf terroristische Anschläge. Eine Rückkehr der Baath-Regierung kann nach den derzeit gegebenen Machtverhältnissen und der Offenkundigkeit der veränderten politischen Gegebenheiten als ausgeschlossen bewertet werden.
Mit den veränderten politischen Gegebenheiten hat sich die Verfolgungssituation des Klägers von Grund auf geändert. Der - in der Vergangenheit in der überwiegenden Anzahl der asylrechtlichen Schicksale vorgenommenen - Anknüpfung an die Asylantragstellung und den langjährigen Auslandsaufenthalt ist mit dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein der Boden entzogen. Die - frühere - Verfolgungssituation gerade durch diese asylbegründenden Umstände ist vielmehr in ihr Gegenteil verkehrt worden. Die bei der Anhörung des Klägers zum Ausdruck gebrachte Gegnerschaft zum Regime Saddam Hussein würde den Kläger nunmehr eher gegenteilig sogar gerade zum Träger bzw. zum Freund der jetzigen und das aktuelle Tagesgeschehen bestimmenden politischen Kräfte machen. Die zuvor eine politische Verfolgung begründenden Umstände haben ihre asylrelevante Bedeutung verloren, weil sie ihre Grundlage allein im Unrechtsregime von Saddam Hussein hatten. Dieser Einsicht ist - soweit ersichtlich - auch die inzwischen die veränderten politischen Gegebenheiten im Irak aufnehmende und bewertende obergerichtliche Rechtsprechung gefolgt (in jüngster Zeit insbesondere BVerwG, Urt. v. 11.2.2004 - 1 C 23.02 - zum Urt. d. Sen. v. 21.6.2002 - 9 LB 155/02 - und Urt. v. 24.2.2004 - 1 C 24.02 - zum Urt. d. Sen. v. 21.6.2002 - 9 LB 3662/01 -; ferner BayVGH, Urt. v. 13.11.2003 - 15 B 02.31751 und 15 B 01.30114 -; SächsOVG, Beschl. v. 28.8.2003 - A 4 B 573/02 - AuAS 2003, 250; Schleswig-Holsteinisches OVG, Beschl. v. 30.10.2003 - 1 LB 39/03 - und vom 28.10.2003 - 1 LB 41/03 -; OVG Münster, Urt. v. 14.8.2003 - 20 A 430/02.A - Asylmagazin 1-2/2004, 17; weiterhin VG Aachen, Urt. v. 11.9.2003 - 4 K 2360/01.A -).“
Neuere Erkenntnisse bestätigen die Annahme, dass eine Rückkehr zu den alten Machtverhältnissen ausgeschlossen ist (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 24. Mai 2004, Stand: April 2004; Deutsches Orientinstitut, Stellungnahme an das VG Regensburg vom 27. Oktober 2003; Beschluss des OVG Greifswald vom 02.04.2004 -2 L 269/02-; Beschluss des VGH Baden-Württemberg vom 26.04.2004 -A 2 S 172/02-). Die aktuelle politische Entwicklung im Irak hält sich im Rahmen der o.a. politischen Zielvorgaben, beschleunigt den Übergang zu einem souveränen irakischen Staat gar, der nichts mehr mit dem Vorgängerregime gemein hat.
So hat sich der „irakische Regierungsrat“ Anfang Juni 2004 nach Ernennung einer Übergangsregierung, die die Macht ab 30. Juni 2004 übernehmen sollte, selbst aufgelöst. Inzwischen hat der US-Verwalter im Irak, Paul Bremer, die staatliche Macht am 28. Juni 2004 an diese irakische Übergangsregierung übergeben. Präsident mit eher repräsentativen Funktionen ist der Stammesführer Ghasi el Jawar, Ministerpräsident der als säkular eingeschätzte Schiit Ijad Allawi. Als Vizepräsident wurden der Chef der proiranischen Dawa-Partei, Ibrahim Al Dschaafari und als Vizeministerpräsident der Kurde Barham Saleh ernannt. Den Kurden wurden daneben die Schlüsselressorts für Äußeres und Verteidigung zuteil (vgl. Die Welt vom 2.6.2004, „Übergangsrat nominiert neue Regierung“). Formal ist damit auch der gestürzte Präsident Saddam Hussein der Autorität der irakischen Justiz unterstellt. Allerdings spricht die irakische Seite angesichts der andauernden Präsenz ausländischer Truppen in einer Stärke von etwa 150.000 Mann von einer Teilsouveränität (NZZ vom 25.6.2004, „Blutiger Anlauf zur Machtübergabe im Irak“). Dies ändert indes nichts an der Annahme, dass eine Rückkehr zu alten, möglicherweise asylbegründenden Machtstrukturen ausgeschlossen ist.
Diese Aussagen beanspruchen auch für yezidische Religionsangehörige wie den Kläger Geltung. Denn eine staatliche politische Verfolgung von nichtmoslemischen Minderheiten findet im Irak derzeit nicht statt (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes Stand: Oktober 2004; Auskunft an das OVG Greifswald vom 15.10.2003; DOI an VG Regensburg vom 27.10.2003; VGH München, Beschluss vom 25.3.2004 -13a B 03.30956-, betr. Yeziden; OVG Greifswald, Beschluss vom 7.5.2004 -2 L 336/02-, betr. religiöse Minderheiten allgemein; VG Freiburg, Urteil vom 12.05.2004 -7 K 11940/02, betr. Yeziden). Das Gericht hat derzeit keine Veranlassung von dieser Einschätzung abzuweichen. Soweit sich das VG Köln veranlasst gesehen hat, zu der Frage einer etwaigen politisch motivierten Verfolgung der Yeziden im Irak Beweis zu erheben (Az.: 18 K 8648/01.A) vermag das erkennende Gericht hierfür keine hinreichende Tatsachengrundlage zu erkennen. Es liegen keine Erkenntnisse über eine zielgerichtete und systematische Verfolgung von Angehörigen dieser religiösen Minderheit im Irak vor. Dies wäre, gebe es eine solche staatliche Verfolgung, bei der großen Medienpräsens jedoch zu erwarten.
Eine Erweiterung hat der Flüchtlingsschutz durch § 60 Abs. 1 AufenthG u.a. jedoch insoweit erfahren, als er auch durch eine Verfolgung seitens nichtstaatlicher Organisationen begründet werden kann. Insoweit dürfen die auch vom Kläger beschriebenen vereinzelten Übergriffe gegen Yeziden allein wegen ihrer Religionszugehörigkeit, die von radikalen Islamisten ausgehen, nicht von vornherein aus der rechtlichen Betrachtung ausgeblendet werden.
Über die Erweiterung der Verfolgungssubjekte hinaus, hat der Gesetzgeber des Aufenthaltsgesetzes jedoch mit der Neuregelung in § 60 Abs. 1 AufenthG - abgesehen von der hier nicht einschlägigen geschlechtsspezifischen Verfolgung - keine weitere Änderung der Voraussetzungen für die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft herbeiführen wollen. Die Kammer legt daher bei der Auslegung des § 60 Abs. 1 AufenthG im Hinblick auf die hier inmitten stehende Frage, ob der Kläger allein wegen seiner Zugehörigkeit zur yezidischen Religionsgemeinschaft einer ( nichtstaatlichen ) politischen Verfolgung ausgesetzt ist, die zu Art. 16 a Abs. 1 GG und § 51 Abs. 1 AuslG a.F. ergangene Rechtsprechung zu den Voraussetzungen einer Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe zugrunde. Eine derartige mittelbare Gruppenverfolgung liegt immer dann vor, wenn die Verfolgungsschläge, von denen die Angehörigen einer Gruppe getroffen werden, in quantitativer und qualitativer Hinsicht so dicht und eng gestreut fallen, dass für jedes Gruppenmitglied die aktuelle Gefahr besteht, in eigener Person Opfer von Übergriffen zu werden. Hierfür ist erforderlich, dass Intensität und Anzahl aller Verfolgungshandlungen wertend und nicht allein rechnerisch zur Größe der Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann ( BVerwG, Urteil vom 5.7.1994 -9 C 158.94-, BVerwGE 96, 200, 206; Beschluss vom 26.2.1999 -9 B 835/98-, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 203; Beschluss vom 23.12.2002 -1 B 42/02-, Buchholz 11 Art. 16a GG Nr. 49). Diese Voraussetzungen liegen auch unter Würdigung der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Stellungnahme des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien Berliner Gesellschaft zur Förderung der Kurdulogie e.V., verfasst von Eva Savelsberg und Siamend Hajo, vom 2. November 2004 an das VG Regensburg - im Folgenden zitiert als Kurdische Studien - nicht vor.
Die Bevölkerungszahl des Irak wird von irakischer Seite mit ca. 23 Millionen angegeben (www.auswaertiges-amt.de/www/de/laenderinfos). Der yezidische Bevölkerungsanteil beläuft sich auf 0,75 bis 2 % der Bevölkerung (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes Stand: Oktober 2004; Kurdische Studien, Seite 1). Legt man zugunsten des Klägers den geringsten angenommenen Bevölkerungsanteil von 0,75 % zugrunde ergibt sich eine Bevölkerungszahl von 172.500. Gemessen an der Größe dieser Bevölkerungszahl sind die in den Kurdischen Studien dargestellten Übergriffe von Bedrohung, Einschüchterung, Anschlägen bis hin zu Mord von bzw. an yezidischen Religionszugehörigen zahlenmäßig so gering, dass nicht davon gesprochen werden kann, dass jeder Angehörige dieser Gruppe aktuell und konkret mit einer Gefährdung seiner Person zu rechnen hat. Dabei geht die Kammer trotz der in den Kurdischen Studien auf Seiten 12 und 18 genannten Unsicherheit, ob alle Übergriffe allein an die Religionszugehörigkeit anknüpfen, zugunsten des Klägers davon aus, dass dem so ist. Referiert werden in den Kurdischen Studien neun Morde, ca. zehn Anschläge, ca. weniger als 100 konkrete und einige durch Flugblätter verbreitete allgemeine Morddrohungen. Von einer mittelbaren Gruppenverfolgung kann in Anbetracht dessen - noch - nicht ausgegangen werden. Vielmehr treffen diese Übergriffe die Yeziden ebenso wie die Angehörigen anderer religiöser Minderheiten oder Moslems unterschiedlicher Glaubensausrichtung eher zufällig.
Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Schließlich liegen die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 AufenthG nicht vor. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht, wobei Gefahren in diesem Staat, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Entscheidung nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG berücksichtigt werden. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind dieselben wie in dem früheren § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG, weshalb auch insoweit auf die hierzu ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. Die Kammer folgt auch diesbezüglich der zitierten Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts, das insoweit ausgeführt hat:
„Der Kläger kann auch keinen Abschiebungsschutz im Rahmen des § 53 Abs. 6 AuslG - nur die Frage stellt sich hier - beanspruchen. Diese Vorschrift setzt das Bestehen einer konkreten Gefahr voraus, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie vom Staat ausgeht oder ihm zuzurechnen ist (BVerwG, Urt. v. 17.10.1995 - 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324). Dabei reicht allerdings allein die theoretische Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die genannten Rechtsgüter zu werden, nicht aus, um eine Gefahr in diesem Sinne zu begründen. Vielmehr ist erforderlich, dass eine einzelfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefährdungssituation mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit besteht (BVerwG, Urt. v. 17.10.1995 - aaO; BVerwG, Urt. v. 15.4.1997 - 9 C 38.96 - BVerwGE 104, 265). Eine dem Kläger drohende konkrete Gefahr in diesem Sinne ist derzeit nicht ersichtlich.
Soweit nahezu im gesamten Irak noch eine mehr oder weniger instabile Sicherheitslage (S. 8 ff. d. Lageberichtes des Auswärtigen Amtes v. 6. November 2003) festzustellen ist, insbesondere mit der Gefahr terroristischer Anschläge zu rechnen ist, sind dadurch bedingte Gefahren nur allgemeiner Natur. Dies gilt nicht nur für den Bereich des früheren Zentralstaates, sondern gerade auch für Bagdad, dem Heimatort des Klägers. Zunächst ist zwar festzustellen, dass die innere Sicherheit im Irak durch Terroranschläge, Sabotageakte und Banditenüberfälle - mit Schwerpunkt im arabisch sunnitischen Kerngebiet nördlich und westlich von Bagdad - belastet ist. Weiter hat die Gewaltkriminalität in den Städten zugenommen, weil noch keine effektive Polizeigewalt aufgebaut werden konnte und die Soldaten der internationalen Militärkoalition sich aus Selbstschutzgründen dieser Aufgabe nur zurückhaltend annehmen. Andererseits ist ein landesweiter militärischer und insbesondere organisierter Widerstand gegen die internationale Militärkoalition oder die CPA bislang nicht erkennbar. Einzelne Gewalt- und Terroraktionen - soweit sie überhaupt „politisch“ einzuordnen sind - beschränken sich eher auf lokale Bereiche bzw. sind als - wenn auch tragische - Einzeltaten zu bewerten. Gefährdet sind vor allem Polizei- und Sicherheitskräfte. Andererseits gelten Teilregionen im kurdisch bewohnten Norden sowie im mehrheitlich schiitischen Süden als eher befriedet. Unabhängig davon ist allgemein festzustellen, dass die aus Gewaltaktionen der genannten Art entstehenden Gefährdungen gleichsam „blind“ jeden treffen können. Eine Situation dieser Art ist gemäß § 53 Abs. 6 AuslG nicht schutzbegründend.
Nach den vorliegenden Erkenntnisquellen kann auch im Hinblick auf die Versorgungslage im Irak nicht von einer (extremen) existenziellen Gefährdung einzelner Rückkehrer ausgegangen werden. Nach der Wiederaufnahme des „Oil for Food“-Programms auf Grund der UN-Sicherheitsrats-Resolution Nr. 1.483 hat sich die Versorgungslage im Irak spürbar entspannt (S. 10 f des Lageberichts vom 6. November 2003). Hinzu kommt das World-Food-Programm der UN und ähnliche Programme von nicht staatlichen Hilfsorganisationen, der derzeit relativ freie Warenverkehr von und nach dem Irak sowie die Erträge der irakischen Landwirtschaft. Die Versorgung mit sauberem Trinkwasser kann zwar weiterhin örtlich problematisch sein, ohne dass es insoweit aber zu existenziellen Gefährdungen kommt. Allgemein ist festzustellen, dass im kurdischen Norden des Landes die Versorgung mit Wasser besser als im Süden funktioniert.
Angesichts dieser - zwar - nach wie vor angespannten, im Wesentlichen aber doch (landesweit) gesicherten Versorgungssituation im Irak ist mit Existenzgefährdungen Einzelner im Rückkehrfalle nicht zu rechnen. Dies gilt auch für den Kläger, der auch dann, wenn er allein in den Irak zurückkehren wird, dort wie andere gesunde Gleichaltrige leben und als Hochschullehrer beim Wiederaufbau seines Landes mitwirken kann.“
Diese Rechtsprechung, die von der Kammer geteilt wird (vgl. das o.a. zitierte Urteil vom 14. Juli 2004), findet in den bisher bekannten obergerichtlichen Entscheidungen einhellig Zustimmung (OVG Schleswig, Beschluss vom 30.10.2003 -1 LB 39/03-; VGH München, Beschlüsse vom 4. und 13.11.2003 -13a ZB 03.31110- und 15 B 02.31751-, AuAS 2004,43 sowie vom 25.3.2004 -13a B 03.30956-, betr. Yeziden und -13a B 30957-, betr. allg. Versorgungslage; OVG Koblenz, Beschluss vom 26.2.2004 -8 A 10334/04.OVG-, AuAS 2004, 119; OVG Greifswald, a.a.O. und Beschluss vom 7.5.2004 -2 L 336/02-, betr. religiöse Minderheiten).
Schließlich begegnet auch die Abschiebungsandrohung für sich genommen keinen rechtlichen Bedenken.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83 b Abs. 1 AsylVfG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.