Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 04.01.2005, Az.: 3 B 336/04
Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage und eines Widerspruchs; Heranziehung zu Kosten im Zusammenhang mit der Bestattung eines Elternteils; Nichtigkeit einer Friedhofsgebührensatzung
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 04.01.2005
- Aktenzeichen
- 3 B 336/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 14407
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2005:0104.3B336.04.0A
Rechtsgrundlagen
- § 80 Abs. 4 S. 3 VwGO
- § 80 Abs. 5 VwGO
Verfahrensgegenstand
Friedhofsgebühren und Widerspruchskosten
Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Satzungen, in denen Personen ohne Rücksicht auf eine willentliche Inanspruchnahme zu gebührenpflichtige Benutzer bestimmt werden, sind aufgrund eines Verstoßes gegen § 5 Abs. 5 S. 1 NKAG nichtig.
- 2.
Die Gebührenpflicht für die Tragung von Beerdigungskosten ergibt sich in aller Regel aus der jeweiligen gültigen Friedhofssatzung, in der bestimmt wird, wer für Friedhofsleistungen mit der öffentlich-rechtlichen Sorgepflicht der Angehörigen des Verstorbenen für dessen Bestattung in Anspruch genommen werden kann.
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Göttingen - 3. Kammer -
am 4. Januar 2005
beschlossen:
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin (3 A 255/04) gegen den Friedhofsgebührenbescheid der Antragsgegnerin vom 28. Mai 2003 in der Fassung ihres Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2004 und die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Kostenfestsetzungsbescheid der Antragsgegnerin vom 4. August 2004 werden angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 219,75 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu Kosten im Zusammenhang mit der Bestattung ihres Vaters.
Die Ehe der Eltern der 1979 geborenen Antragstellerin wurde durch Urteil des Amtsgerichts Uelzen (Familiengericht) vom 27. Januar 1982 (3 F 205/80) unter Übertragung der elterlichen Sorge für die Antragstellerin auf ihre Mutter geschieden. In den Gründen wird unter anderem ausgeführt, dass die Eltern seit dem 14. Mai 1980 voneinander getrennt lebten und ihr Vater inzwischen unbekannten Aufenthalts sei.
Am 21. April 2003 verstarb der Vater der Antragstellerin und wurde am 02. Mai 2003 in seiner Wohnung im Gebiet der Antragsgegnerin aufgefunden. Er wurde am 08. Mai 2003 auf dem städtischen Friedhof der Antragsgegnerin in G. durch das Bestattungsinstitut H. beigesetzt.
Mit Bescheid vom 28. Mai 2003 forderte die Antragsgegnerin von der Antragstellerin Friedhofsgebühren in Höhe von insgesamt 849,00 Euro, wovon für das Reihengrab 432,00 Euro, die Bestattung 285,00 Euro und die Benutzung der Friedhofskapelle 132,00 Euro anfielen. Am 04. Juni 2003 legte die Antragstellerin dagegen Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, sie habe durch die beigefügte notarielle Erklärung vom 19. Mai 2003 die Erbschaft ausgeschlagen. Einen Auftrag für die Beerdigung habe sie nicht erteilt. Sie sei darüber nicht einmal unterrichtet worden. Deshalb treffe sie auch keine Kostentragungsverpflichtung.
Unter dem 16. Juni 2003 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, nach Rücksprache mit dem beauftragten Bestattungsinstitut H. sei die Antragstellerin Bestellerin der Bestattung gewesen und deshalb gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 der Friedhofsgebührensatzung vom 13. Dezember 2000 (FGS 2000) zur Zahlung der Gebühren verpflichtet. Daraufhin teilte die Antragstellerin mit, sie habe keinen Auftrag für die Bestattung ihres Vaters erteilt. Ihr sei nicht einmal der Beerdigungstermin bekannt gewesen. Die Inhaberin der Firma H., Frau I., habe die Beerdigung aufgrund eines Auftrages der Freunde ihres verstorbenen Vaters veranlasst. Sie selbst habe überhaupt keine Veranlassung gehabt (unabhängig von der fehlenden Kenntnis von der Beisetzung), einen Auftrag zu erteilen, denn sie habe überhaupt keinen Kontakt zu ihrem Vater gehabt. Auch das Bestattungsinstitut versuche ihr gegenüber Beerdigungskosten geltend zu machen, es könne jedoch kein unterschriebener Auftrag vorgelegt werden.
Unter dem 22. Juli 2003 führte die Antragsgegnerin ergänzend aus, unabhängig von einer Auftragserteilung ergebe sich für die Antragstellerin als Tochter des Verstorbenen eine Zahlungsverpflichtung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 FGS 2000 (als unterhaltspflichtig in Betracht kommende Verwandte in gerader Linie). Daraufhin führte die Antragstellerin aus, eine Unterhaltsverpflichtung hätte nicht vorgelegen, denn zum einen sei sie nicht leistungsfähig und darüber hinaus wäre ihre Inanspruchnahme auch in höchstem Maße unbillig, da sich der Verstorbene Zeit seines Lebens nicht um sie gekümmert habe. Mit Schreiben von Anfang September 2003 wies die Antragsgegnerin die Antragstellerin darauf hin, dass nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung die Totenfürsorge in erster Linie den nächsten Familienangehörigen und nicht den Erben obliege. Die Verwaltungsgerichte hätten in den Urteilen die Kostenerstattung für die Bestattung durch Ersatzvornahme jeweils für gerechtfertigt gehalten. Lediglich bei schweren Straftaten gegen den Verpflichteten könne eine solche Übernahme zweifelhaft sein.
Nachdem die Antragstellerin erfolglos bei dem beschließenden Gericht im Oktober 2003 um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht hatte (3 B 269/03), setzte die Antragsgegnerin die Vollziehung durch Bescheid vom 04. Dezember 2003 jedoch im Hinblick darauf aus, dass möglicherweise das Bestattungsinstitut ohne Vertretungsmacht seitens der Antragstellerin gehandelt habe, womit dort als Auftraggeber der Beerdigung eine Kostentragungspflicht gemäß § 179 BGB entstanden sei. Auf ein entsprechendes Anschreiben an das Bestattungsinstitut findet sich keine Reaktion in den Verwaltungsvorgängen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2004 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch der Antragstellerin als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus, gemäß § 2 Abs. 1 FGS 2004 (in der rückwirkend zum 23.12.2000 in Kraft getretenen Fassung vom 17.12.2004) sei Gebührenschuldner derjenige, der die gebührenpflichtige Leistung in Anspruch nehme. Vorliegend sei dies aus zwei Gründen die Antragstellerin: Zum einen habe das Bestattungsunternehmen H./I. auf Anfrage angegeben, dass die Antragstellerin dort einen Bestattungsauftrag erteilt habe. Des Weiteren sei die Antragstellerin als enge Familienangehörige für die fristgerechte Bestattung ihres Vaters verantwortlich. Unabhängig von der Beauftragung des Bestattungsunternehmens sei ihr deshalb die von dort jedenfalls rein tatsächlich vorgenommene Bestattungshandlung wie einer Auftraggeberin zuzurechnen, zumal sie alternativ ordnungsbehördlich auf Erstattung sämtlicher Bestattungskosten in Anspruch genommen worden wäre. Der Hinweis auf das persönliche Verhältnis zwischen dem Verstorbenen und der Antragstellerin greife nicht, denn die Bestattungspflicht der nächsten Familienangehörigen entfalle allenfalls dann, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten wegen schwerer Straftaten gegen die persönliche Integrität des Angehörigen schuldig geworden sei. Weitere engere Familienangehörige seien ihr bis heute nicht bekannt geworden. Zudem ende die zunächst verfügte Aussetzung der Vollziehung mit der Erteilung dieses Widerspruchsbescheides. Die festgesetzte Gebühr werde 4 Wochen nach Zugang fällig. Mit Bescheid vom 4. August 2004 setzte die Antragsgegnerin die Kosten des Rechtsbehelfsverfahrens auf 30,00 Euro fest.
Am 16. August 2004 beantragte die Antragstellerin unter anderem die Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich des Kostenfestsetzungsbescheides vom 04. August 2004 sowie die Aussetzung der Vollziehung der geltend gemachten Friedhofsgebühren. Mit Schreiben vom 01. Dezember 2004 lehnte die Antragsgegnerin die Aussetzung der Vollziehung des "Gebührenbescheides" ausdrücklich ab. Sie sehe die Antragstellerin als Auftraggeberin der Bestattung an. Auch sei die Zahlung der Widerspruchsgebühr zu Recht angemahnt worden.
Die Antragstellerin hatte bereits am 27. August 2004 Klage gegen den Friedhofsgebührenbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides (3 A 255/04) erhoben. Sie hat am 6. Dezember 2004 zusätzlich um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Zur Begründung bezieht sie sich auf ihr Vorbringen im Klageverfahren, in welchem sie im Wesentlichen ausführt, dass sie über den Tod ihres Vaters Ende April/Anfang Mai 2003 von der zuständigen Polizei telefonisch unterrichtet worden sei. Sie habe ihren Vater nie bewusst kennengelernt. Sie habe seit ihrem 10. Lebensmonat keinen Kontakt mehr zum Verstorbenen gehabt. Damals sei die Scheidung ihrer Eltern erfolgt. Diese sei aufgrund der ständigen Bedrohungen und Schläge durch ihren Vater gegenüber ihrer Mutter verursacht worden. Seitdem habe auch kein Kontakt mehr zum Verstorbenen bestanden. Dieser habe kein Besuchsrecht für sie erhalten. Zeit seines Lebens habe er keinen Unterhalt an sie gezahlt. Er sei auch für sie unauffindbar gewesen, um sich seiner Unterhaltspflicht zu entziehen. Erst nach seinem Tode sei ihr der letzte Aufenthaltsort überhaupt bekannt geworden. Schließlich habe sie bereits im Mai 2003 die Erbschaft ausgeschlagen. Einen Auftrag für die Beerdigung habe sie nicht erteilt. Sie sei nicht einmal über die Beerdigung zuvor unterrichtet worden. Die Behauptung des Bestattungsunternehmens H./I., sie habe dort einen Bestattungsauftrag erteilt, sei frei erfunden. Entsprechend habe das Amtsgericht Uelzen durch Urteil vom 14. Oktober 2004 die Klage des Bestattungsinstituts gegen sie abgewiesen (13 C 5164/04), woraus zu entnehmen sei, dass sie weder aus Vertrag, noch als Erbin oder aus unterhaltsrechtlichen Gesichtspunkten gegenüber dem Bestattungsunternehmen hafte; nach dem Urteil lägen die Voraussetzungen der §§ 1360 a Abs. 3 und 1615 BGB ihr gegenüber vor. Es sei nämlich grob unbillig im Sinne der Vorschriften, sie zu Unterhaltsleistungen für ihren Vater heranzuziehen, der sich seiner eigenen Unterhaltsverpflichtung ihr gegenüber nachhaltig und in vorwerfbarer Weise entzogen habe. Demzufolge hätte die Bestattung im Wege der Ersatzvornahme durch die öffentliche Hand erfolgen müssen und zwar in Form eines einfachen Begräbnisses ohne Feierlichkeit, der nur den notwendigen Mindestaufwand rechtfertigen würde. Das Urteil sei durch Berufung angefochten worden.
Sie habe in Erfahrung bringen können, dass der Beerdigungsauftrag von Kumpanen ihres verstorbenen Vaters erteilt worden sei. Diese hätten insbesondere auch eine Todesannonce gewünscht, die nun auch ihr gegenüber vom Bestattungsinstitut geltend gemacht werde.
Es gebe auch verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, dass Bestattungskosten für jemanden, der sich seiner Unterhaltspflicht entzogen habe, nicht getragen werden müssten.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Friedhofsgebührenbescheid der Antragsgegnerin vom 28. Mai 2003 (3 A 255/04) in der Fassung ihres Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2004 und die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Kostenfestsetzungsbescheid der Antragsgegnerin vom 04. August 2003 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtenen Bescheide und führt ergänzend aus, im Verwaltungsverfahren habe die Antragstellerin nicht behauptet, Kumpane ihres verstorbenen Vaters hätten die Bestattung veranlasst. Dies widerspreche der Lebenserfahrung. Auch widerspreche es jeder Lebenserfahrung, dass ein Bestattungsinstitut ohne Auftrag eines Familienangehörigen tätig werde. Einzige Angehörige sei nun einmal die Antragstellerin. Die Inhaberin des Bestattungsinstitutes könne bezeugen, dass die Antragstellerin dort einen Auftrag erteilt habe. Gegenüber der Friedhofsverwaltung habe das Institut jedenfalls angegeben, für die Antragstellerin tätig zu werden. Sie sei nach wie vor der Auffassung, dass sich die Antragstellerin die Bestattung zurechnen lassen müsse, selbst wenn sie von Dritten veranlasst worden sein sollte, denn sie wäre sonst als Ordnungsbehörde tätig geworden und hätte anschließend ihren Kostenaufwand bei der Antragstellerin mit Erfolg geltend machen können.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Akte in diesem Verfahren und in dem Verfahren 3 A 255/04 Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
II.
Der gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO zulässige Antrag ist in vollem Umfang begründet.
Gemäß § 80 Abs. 5 und Abs. 4 Satz 3 VwGO kann das Gericht der Hauptsache bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Vorliegend hat die Kammer nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der angefochtenen Bescheide ernstliche Zweifel an deren Rechtmäßigkeit.
Diese Zweifel ergeben sich hinsichtlich des Friedhofgebührenbescheids daraus, dass nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand die Antragstellerin von der Antragsgegnerin zu Unrecht als "Gebührenpflichtige" für die bei der Beisetzung ihres Vaters angefallenen Friedhofsgebühren in Anspruch genommen wurde. Dies gilt unabhängig davon, welche der verschiedenen Fassungen der Friedhofsgebührensatzung der Antragsgegnerin Anwendung findet. Geht man von der Anwendbarkeit der Friedhofsgebührensatzung der Antragsgegnerin vom 13. Dezember 2000 (FGS 2000) aus, so kommt eine Gebührenpflicht der Antragstellerin allenfalls nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 FGS 2000 in Betracht. Nach dieser Bestimmung sind zur Zahlung der Friedhofsgebühren verpflichtet der jeweilige Antragsteller und die Person, in deren Auftrag der Friedhof und die Bestattungseinrichtungen benutzt oder besondere Leistungen in Anspruch genommen werden. Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand der Kammer ergibt sich nicht ansatzweise ein Hinweis darauf, dass die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin bzw. ihrer Friedhofsverwaltung oder auch nur gegenüber dem Bestattungsinstitut, das die Organisation der Beerdigung des Vaters der Antragstellerin übernommen hatte, als Auftraggeberin in Erscheinung getreten ist. Die Antragsgegnerin hat nicht dargelegt oder substantiiert, dass die Antragstellerin die ihr durch den angefochtenen Bescheid in Rechnung gestellten Maßnahmen durch ihr zurechenbares eigenes Verhalten ausgelöst hat (vgl. zur Notwendigkeit der Auftragserteilung: OVG Lüneburg, Urteil vom 21.10.1996 - 8 L 6577/95 -, OVG-Datenbank). Die Antragsgegnerin konnte durch keine Indizien das in sich widerspruchsfreie und plausible Vorbringen der Antragstellerin entkräften, sie habe seit ihrem 10. Lebensmonat keinen Kontakt zu ihrem Vater gehabt und erst durch Polizeibeamte erfahren, dass er überhaupt verstorben sei. Es sind keine objektivierbaren und substantiierten Anhaltspunkte von der Antragsgegnerin vorgetragen worden oder sonst ersichtlich, aus denen sich ein Auftrag im vorgenannten Sinne herleiten ließe. Weder hat das Amtsgericht Uelzen auf die Zahlungsklage des durchführenden Bestattungsinstituts eine Auftragserteilung der Antragsgegnerin an dieses Bestattungsinstitut erkennen können (vgl. Urteil vom 14.10.2004 - 13 C 5164/04 -) noch ergibt sich außer der bloßen Behauptung der Antragsgegnerin (die nicht durch entsprechende Aktenvermerke oder gar schriftliche Äußerungen von Bediensteten oder der Inhaberin des Bestattungsinstituts gestützt werden) irgendein Anhaltspunkt dafür, dass die Antragstellerin (wenigstens) dem Bestattungsinstitut den Auftrag erteilt hat, die mit der Bestattung ihres Vaters anfallenden Geschäfte in ihrem Auftrage zu erledigen.
Angesichts des Eilcharakters dieses Verfahrens kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, dass das Bestattungsinstitut gegen das vorgenannte Urteil des Amtsgerichts Uelzen offensichtlich Berufung eingelegt hat, über die - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden ist.
Eine Gebührenpflicht der Antragstellerin nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 FGS 2000 scheidet aus, denn jedenfalls insoweit ist die (inzwischen außer Kraft getretene) Friedhofsgebührensatzung 2000 der Beklagten nichtig, weil die dort gewählte Bestimmung der Gebührenpflichtigen nach den Kriterien, die nach bürgerlichem Recht für die Tragung der Bestattungskosten gelten, kein zulässiger Anknüpfungspunkt sind. Satzungsbestimmungen, die Personen ohne Rücksicht auf eine willentliche Inanspruchnahme zu gebührenpflichtigen Benutzern erklären, sind wegen Verstoßes gegen § 5 Abs. 6 Satz 1 Nds. Kommunalabgabengesetz (NKAG) nichtig (vgl. Schulte/Wiesemann in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 2004, § 6 Rn. 488 d).
Aber auch nach der rückwirkend zum 23. Dezember 2000 in Kraft getretenen Friedhofsgebührensatzung der Antragsgegnerin vom 23. Juni 2004 (FGS 2004) ist die Antragstellerin nicht gebührenpflichtig, selbst wenn man davon ausginge, dass das rückwirkende In-Kraft-Treten wirksam wäre. Nach § 2 Abs. 1 FGS 2004 ist gebührenpflichtig derjenige, der die gebührenpflichtigen Leistungen der Friedhöfe und der Bestattungseinrichtungen der Antragsgegnerin in Anspruch nimmt oder antragsabhängige Leistungen beantragt. Das ist die Person, die eine Bestattung auf dem Friedhof willentlich herbeiführt oder einen Auftrag dazu erteilt (vgl. Schulte/Wiesemann, a.a.O.). Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zur (fehlenden) Auftragserteilung durch die Antragstellerin ergibt, hat diese nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand der Kammer offensichtlich keine der von dem angefochtenen Gebührenbescheid abgerechneten Leistungen in Anspruch genommen bzw. die Bestattung ihres Vaters willentlich herbeigeführt oder gar einen Antrag gestellt. Auch hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen dieser Satzungsbestimmung bleibt die Antragsgegnerin jeden Nachweis schuldig.
Kommt mithin nach keiner der als Ermächtigungsgrundlage in Frage kommenden Satzungsbestimmungen eine Gebührenpflicht der Antragstellerin in Betracht, kann die Kammer insoweit offen lassen, ob das rückwirkende In-Kraft-Treten der FGS 2004 rechtswirksam ist.
Während die ursprüngliche Satzungsbestimmung in § 2 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 FGS 2000 ersichtlich auf die bürgerlich-rechtliche Verpflichtung zur Tragung der Beerdigungskosten abgestellt hat (vgl. zur Unzulässigkeit: VGH Kassel, Beschluss vom 06.12.2000 - 5 UE 3224/99 -, KStZ 2001, 159), gibt sich die nunmehrige Satzungsbestimmung in § 2 Abs. 1 FGS 2004 im Wesentlichen die Regelung in § 5 Abs. 6 Satz 1 NKAG wieder. Unbedenklich wäre zwar eine Regelung, die auf einen Zusammenhang der Inanspruchnahme von Friedhofsleistungen mit der öffentlich-rechtlichen Sorgepflicht der Angehörigen des Verstorbenen für dessen Bestattung abstellt. Eine solche Bestimmung hat die Antragsgegnerin indes in keiner der beiden zitierten Satzungsbestimmungen getroffen.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kommt auch eine Umdeutung des angefochtenen Gebührenbescheides in einen "Haftungsbescheid" für eine auf Polizeirecht aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung beruhende Ersatzvornahme nicht in Betracht. Die von der Antragsgegnerin zitierte Rechtsprechung befasst sich ausschließlich mit Fallgestaltungen, in denen die Ordnungsbehörde als solche im Wege der Ersatzvornahme selbst aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung die Bestattung veranlasst hatte und dann aufgrund der entsprechenden Rechtsgrundlagen gegen die aufgrund (in Niedersachsen gewohnheitsrechtlich) öffentlich-rechtlich sorgepflichtigen Angehörigen des Verstorbenen zwecks Kostenerstattung vorgegangen war. Damit ist die vorliegende Fallgestaltung des nach eigenem Vorbringen der Antragsgegnerin gerade nicht auf ihre Veranlassung tätig gewordenen Bestattungsinstituts nicht zu vergleichbar. Im Übrigen wäre ein Leistungsbescheid, mit dem der Bestattungspflichtige zu den Kosten für eine Beerdigung herangezogen wird, die die zuständige Behörde an seiner Stelle veranlasste, ohnehin nicht kraft Gesetzes (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO) sofort vollziehbar (vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 09.09.1999 - 1 S 1306/99 -, NVwZ-RR 2000, 189).
Da die Antragsgegnerin auch den vorherigen Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung ihres Widerspruchs gegen den Kostenfestsetzungsbescheid vom 04. August 2004 mit Bescheid vom 01. Dezember 2004 ausdrücklich abgelehnt hat (§ 80 Abs. 6 VwGO), ist wegen des mutmaßlichen Erfolg auch in der Hauptsache insoweit der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung erfolgreich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 219,75 Euro festgesetzt.
Der Wert des Streitgegenstandes bestimmt sich gemäß §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG, wobei das Gericht in Eilverfahren bei der Anforderung öffentlicher Abgaben regelmäßig 1/4 des angeforderten Betrages (vorliegend 1/4 von 849,00 Euro zuzüglich der Widerspruchsgebühr von 30,00 Euro) annimmt.