Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 27.01.2005, Az.: 2 A 260/03
Bauvorbescheid; immissionsschutzrechtlicher Vorbescheid; Klageänderung; Sachdienlichkeit; Vorbescheid
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 27.01.2005
- Aktenzeichen
- 2 A 260/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 50611
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 9 BImSchG
- § 10 BImSchG
- § 91 Abs 1 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Keine sachdienliche Klageänderung, wenn anstelle eines Bauvorbescheides für eine Windkraftanlage ein Vorbescheid nach § 9 BImSchG für einen Teil einer Windfarm begehrt wird, das immissionsschutzrechtliche Verfahren aber noch nicht eingeleitet wurde.
Tatbestand:
Der Kläger hat zunächst von der Beklagten die Erteilung eines bauplanungsrechtlichen Bauvorbescheides zur Errichtung einer Windkraftanlage begehrt. Nach Bekanntwerden des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.06.2004 - 4 C 9.03 - DVBL 2004, Seite 1304) hat er die Klage geändert: Er begehrt jetzt von dem Beigeladenen, der der Klageänderung widerspricht, die Erteilung eines Vorbescheides gemäß § 9 BImSchG.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks im Gebiet der Beklagten gelegenen Gemarkung K.. Am 25.03.2003 stellte er bei der Beklagten eine Bauvoranfrage (bezogen auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit ohne Erschließung) für die Errichtung einer Windenergieanlage vom Typ Enercon - 65/18.70 mit einer Nabenhöhe von 114,09 Metern und einer Gesamthöhe von 149,09 Metern auf diesem Grundstück. In dem unbebauten und landwirtschaftlich genutzten Gebiet zwischen L., M., K., N. und dem Gut O. sollen - nachdem dort bereits drei Windenergieanlagen genehmigt worden sind - 14 weitere Anlagen entstehen. Hinter diesem Objekt steht eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE), bestehend aus der Enercon GmbH und der Firma Das Grüne Emissionshaus GmbH, die bereits Anfang 2003 mit der Beklagten und dem Beigeladenen Vorgespräche geführt hatte. Vier dieser Windenergieanlagen sind Gegenstand des immissionsschutzrechtlichen Verfahrens 2 A 11/05, neun Anlagen sind Gegenstand der parallel zu dieser Sache geführten Verfahren 2 A 261/03 bis 2 A 267/03.
Am 25.07.2003 wurde auf den Ratsbeschluss vom 26.03.2003 die achte Änderung des Flächennutzungsplans der Stadt D. veröffentlicht, mit der die bereits früher festgesetzte Sonderbaufläche für Windenergieanlagen reduziert und die Anlagenhöhe auf 100 Meter begrenzt wurde. Diese achte Änderung des Flächennutzungsplanes ist mittlerweile (betreffend die Bauhöhenbeschränkung für von der Genehmigung bisher ausgenommene Flächen) ergänzt worden; die Ergänzung ist im Sommer 2004 in Kraft getreten.
Bereits am 27.06.2003 hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben. Er hat vorgetragen: Der Standort der geplanten Windenergieanlage sei privilegiert; öffentliche Belange stünden ihrer Errichtung nicht entgegen; ein Raumordnungsverfahrens müsse nicht durchgeführt werden; auf eine eventuelle Kennzeichnungspflicht der Anlage nach luftverkehrsrechtlichen Vorschriften komme es nicht an.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, ihm einen Bauvorbescheid zur Errichtung einer Windenergieanlage auf dem Flurstück der Gemarkung K. gemäß seiner am 26.03.2003 bei der Beklagten eingegangenen Bauvoranfrage zu erteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Mit Bescheid vom 18.09.2003 hat die Beklagte die streitgegenständliche Bauvoranfrage des Klägers mit der Begründung abgelehnt, ihr Standort liege außerhalb der durch den Flächennutzungsplan festgesetzten Vorrangfläche. Auf den Widerspruch des Klägers dagegen hat die Bezirksregierung Braunschweig die Beklagte unter dem 12.03.2004 angewiesen, diesen Bescheid aufzuheben, weil nach neuerer Rechtslage (Nr. 1.6 des Anhangs zur 4. BImSchV in der Fassung des Gesetzes vom 27.07.2001 (BGBl I Seite 1950)) die von dem Kläger geplante Anlage Bestandteil einer Windfarm mit sechs oder mehr Windkraftanlagen und mithin genehmigungspflichtig nach dem BImSchG sei. Die Beklagte kam dieser Weisung mit Bescheid vom 08.06.2004 nach.
Am 07.10.2004 hat der Kläger die Klage geändert. Er hält die Klageänderung für sachdienlich, weil der Beigeladene schon bisher Gelegenheit gehabt habe, sich grundlegend mit den streitentscheidenden Fragen zu befassen und weil die Nichtzulassung der Klageänderung eine bloße Förmelei darstelle.
Er beantragt nunmehr,
den Landkreis E. (neuer Klagegegner) zu verpflichten, dem Kläger einen Vorbescheid gemäß § 9 BImSchG bezogen auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung und des Betriebes einer Windenergieanlage des Typs Enercon E-66/18.70 auf dem Flurstück der Gemarkung K. gemäß seiner am 26.03.2003 bei der bisherigen Beklagten eingegangenen Bauvoranfrage zu erteilen.
Die Beklagte stimmt der Klageänderung zu, der Beigeladene widerspricht ihr und hält sie nicht für sachdienlich.
Die Beteiligten haben für die Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und des Beigeladenen Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der Beratung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unzulässig, weil ein Beteiligter der von dem Kläger vorgenommenen Klageänderung nicht zugestimmt hat und diese nicht sachdienlich ist (vgl. zu dieser Rechtsfolge Kopp / Schenke, VwGO, 13. Auflage, § 91, Rn. 24).
Da der Kläger sowohl das ursprüngliche Rechtsschutzziel geändert hat (er verlangt statt eines Bauvorbescheides einen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid) und den Beklagten auswechselt, was nicht auf einer Rechtsnachfolge kraft Gesetzes beruht, liegt eine - zweifache - Klageänderung vor (vgl. Kopp / Schenke, a.a.O., Rn. 2). Diese ist gemäß § 91 Abs. 1 VwGO nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Beides ist nicht der Fall.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der im Wege der Klageänderung eingeführte Beklagte in diese einwilligen muss (was etwa Kopp / Schenke, a.a.O., Rn. 16 verneinen); denn der Landkreis E., der nicht in die Klageänderung eingewilligt hat, ist schon vor der Klageänderung als Beigeladener Beteiligter des Rechtsstreits gewesen (§ 63 Nr. 3 VwGO). An dessen Versagung der Einwilligung ist das Gericht gebunden und muss mithin über die Sachdienlichkeit der Klageänderung entscheiden.
Das Gericht hält die Klageänderung nicht für sachdienlich. Von Sachdienlichkeit ist nur auszugehen, wenn der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt und die Klageänderung die endgültige Beilegung des Streites fördert. Insbesondere ist eine Klageänderung dann nicht sachdienlich, wenn die geänderte Klage unzulässig ist (vgl. Ortloff in: Schoch und andere, VwGO, § 91, Rn. 66), und wenn der Rechtsstreit ohne Berücksichtigung der Klageänderung entscheidungsreif wäre (vgl. Kopp / Schenke, a.a.O., Rn. 20).
Der auf die Erteilung eines Bauvorbescheides gerichtete Rechtsstreit war vor der Klageänderung ohne weiteres entscheidungsreif. Durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.06.2004 (a.a.O.) ist geklärt, dass es sich hier um eine unter die Genehmigungspflicht nach § 10 BImSchG fallende Windfarm handelt, weil mindestens sechs Windkraftanlagen geplant sind, die einander räumlich so zugeordnet sind, dass sich ihre Einwirkungsbereiche überschneiden oder wenigstens berühren. Dieser Einschätzung (die auch der Kläger ohne weiteres akzeptiert) hat die Bezirksregierung Braunschweig mit ihrer Weisung vom 12.03.2004 in Kenntnis der Entscheidung der Vorinstanz vorgegriffen. Mithin hätte die Klage gegen die Stadt D. (welche untere Bauaufsichtsbehörde, aber nicht Imissionsschutzbehörde ist wegen fehlender Passivlegitimation) keinen Erfolg haben können, ohne dass es auf das bisherige Klagevorbringen angekommen wäre.
Durch die Klageänderung wird die Beilegung des Rechtsstreits zwischen den Beteiligten nicht gefördert, denn die geänderte Klage ist aus mehreren Gründen unzulässig: Der Kläger hat bisher bei dem Landkreis E. nicht die Erteilung eines Vorbescheides im Sinne von § 9 BImSchG (welcher mit einem Bauvorbescheid keineswegs identisch ist) beantragt, sodass kein Fall der Untätigkeit des Landkreises E. im Sinne von § 75 VwGO gegeben ist. Der Landkreis E. müsste sich auch weder die bisherige Untätigkeit der Stadt D. noch jede durch sie vorgenommene Verfahrenshandlung zurechnen lassen, denn die Verfahren auf Erteilung eines Bauvorbescheides einerseits und auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides andererseits weichen erheblich voneinander ab. Schließlich steht nicht einmal fest, ob der Kläger jemals einen Antrag auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheides stellen wird. Das hängt nicht nur von ihm ab, sondern auch von den anderen Grundstückseigentümern bzw. zukünftigen Betreibern der geplanten Windfarm. Das erkennende Gericht versteht das Urteil des BVerwG vom 30.06.2004 - a.a.O. - nämlich so, dass mehrere Betreiber einer Windfarm den Genehmigungsantrag gemeinsam stellen müssen. Auch Gegenstand eines Vorbescheides nach § 9 BImSchG kann danach nur die gesamte Anlage, d.h. die Windfarm als solche sein. Mithin fehlt dem Kläger auch die Klagebefugnis.
Der Kläger erleidet durch diese Entscheidung keinen rechtlichen Nachteil. Es ist ihm unbenommen, gerichtlichen Rechtsschutz zu suchen, nachdem er die notwendigen Verfahrensschritte unternommen hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Kosten des - nicht notwendig - Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, weil er keinen Antrag gestellt hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 7121 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 S. 1 GKG a.F. i.V.m. § 72 Nr. 1 GKG. In Anwendung des Streitwertkataloges 2004 hält das Gericht 1 % der Investitionssumme für angemessen, die der Kläger im Verwaltungsverfahren mit rund 800.000,00 Euro angegeben hat.