Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 27.01.2005, Az.: 2 A 381/03
Belastung; Berechnung; Besuch; Bildungskredit; Deutsche Ausgleichsbank; Einkommen; Erhebung; Forderung; Gebühr; Geldzufluss; Jugendhilfe; Kind; Kindergartenbeitrag; Kindertageseinrichtung; Teilnahmebeitrag; Zumutbarkeit; Zweckidentität
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 27.01.2005
- Aktenzeichen
- 2 A 381/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 50992
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OVG - 31.05.2007 - AZ: 4 LC 85/07
Rechtsgrundlagen
- § 76 Abs 1 BSHG
- § 77 Abs 1 S 1 BSHG
- § 90 Abs 3 SGB 8
- § 90 Abs 4 SGB 8
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Geldzuflüsse aus einem Bildungskredit der Deutschen Ausgleichsbank sind kein Einkommen, das bei der Berechnung der zumutbaren Belastung durch die Erhebung von Teilnahmebeiträgen oder Gebühren für den Besuch einer Kindertageseinrichtung anzurechnen ist.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten für ihre am ... geborene Tochter N. B. Leistungen der wirtschaftlichen Jugendhilfe für den ganztägigen Besuch einer Kinderkrippe des Studentenwerkes D..
Zunächst erbrachte die Beklagte hierfür Jugendhilfeleistungen mit Wirkung vom 1. August 1999. Mit Bescheid vom 7. Mai 2002 setzte die Beklagte die Leistungen ab Januar 2002 auf 131,00 Euro monatlich fest. Anlässlich einer Überprüfung ihrer Einkommensverhältnisse im August 2002 gab die Klägerin der Beklagten bekannt, zum 1. April 2002 einen Einmalbetrag in Höhe von 1.800,00 Euro als Bildungskredit von der Deutschen Ausgleichsbank erhalten zu haben. Der Kredit war ihr vom Bundesverwaltungsamt mit Bescheid vom 28. März 2002 für die Zeit vom 1. April 2002 bis zum 31. März 2003 in Höhe von monatlich 300,00 Euro bewilligt worden. Entsprechend dem anschließend mit der Deutschen Ausgleichsbank abgeschlossenen Rahmendarlehensvertrag sind davon zum 1. April 2002 1.800,00 Euro im Wege einer Einmalzahlung ausgekehrt worden.
Ziel des Bildungskredits ist die Sicherung und Beschleunigung der Ausbildung oder die Finanzierung von außergewöhnlichem, nicht durch das Bundesausbildungsförderungsgesetz erfasstem Aufwand, um die Ausbildung zu verkürzen bzw. den Abbruch der Ausbildung aufgrund fehlender Mittel zu vermeiden. Wegen der Einzelheiten wird auf die in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten befindlichen Förderbestimmungen des Programms für die Vergabe von Bildungskrediten (im Folgenden: Förderbestimmungen) Bezug genommen.
Daraufhin berechnete die Beklagte die der Klägerin zu gewährenden Jugendhilfeleistungen für den Besuch der Kinderkrippe durch ihre Tochter unter Berücksichtigung der von der Klägerin gemachten Angaben neu. Den Bildungskredit wertete sie in Höhe von 300,00 Euro monatlich als Einkommen. Für die Zeit von Mai bis einschließlich Juli 2002 ergab sich danach ein Anspruch nicht und für die Zeit ab August 2002 ein solcher in Höhe von 15,00 Euro monatlich.
Mit Bescheid vom 9. Oktober 2002 hob die Beklagte ihren Bescheid vom 7. Mai 2002 mit Wirkung vom 1. Mai 2002 auf. Gleichzeitig setzte sie die Jugendhilfeleistung ab dem Monat August 2002 auf 15,00 Euro fest. Den Antrag auf Kostenübernahme für die Monate Mai bis Juli 2002 lehnte sie ab. Einen danach überzahlten Betrag in Höhe von 623,00 Euro forderte sie von der Klägerin zurück.
Hiergegen legte die Klägerin im Wesentlichen mit der Begründung Widerspruch ein, die Leistungen aus dem Bildungskredit dürften nicht als Einkommen angerechnet werden. Mit Schreiben vom 4. September 2003 teilte die Beklagte der Klägerin daraufhin mit, dass sie sich lediglich in der Lage sehe, einen Betrag von 15 % des BAföG-Grundbedarfs in Höhe von 333,00 Euro, das sind 49,95 Euro, von dem gewährten Bildungskredit als Einkommen freizulassen.
Am 1. Oktober 2003 hat die Klägerin (Untätigkeits-) Klage erhoben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 2003 gab die Beklagte dem Widerspruch teilweise statt. Unter Berücksichtigung der eben dargestellten Einkommensfreilassung setzte sie die Jugendhilfeleistung für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Juli 2002 auf monatlich 40,00 Euro und für die Zeit vom 1. August 2002 bis 30. April 2003 auf monatlich 55,00 Euro fest. Daraus ergab sich ein überzahlter Betrag in Höhe von 183,00 Euro, den die Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid von der Klägerin zurückforderte. Sie hebt diesen Widerspruchsbescheid später mit Schriftsatz vom 25. November 2003 insoweit auf, als er sich auf den Monat April 2003 bezieht. Insoweit sei mit Bescheid vom 2. Mai 2003 wegen Wegfalls des Bildungskredites ab April 2003 eine Neufestsetzung erfolgt. An der Rückforderungssumme von 183,00 Euro ändere sich nichts.
Soweit dem klägerischen Begehren entsprochen wurde, haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Zur Begründung ihrer weitergeführten Klage wiederholt und vertieft die Klägerin ihr Widerspruchsvorbringen. Sie macht ferner geltend, die ihr entstehenden Kinderbetreuungskosten seien von ihrem Einkommen als Werbungskosten abzusetzen; dies jedenfalls in Höhe ihres Eigenanteils in Höhe von 159,00 Euro. Darüber hinaus müsse die Beklagte studienbedingte besondere Belastungen berücksichtigen. Ferner beruft sie sich auf Vertrauensschutz, da sie bereits im August 2002, und zwar auf eigene Veranlassung, gegenüber dem Sozialamt der Beklagten angegeben habe, dass sie einen Bildungskredit erhalte. Schließlich rügt sie ermessensfehlerhaftes Vorgehen der Beklagten, die die Auswirkungen des angefochtenen Bescheides auf ihre Tochter nicht berücksichtigt habe.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2002 in der Fassung ihres Widerspruchsbescheides vom 14. November 2003 und des Schriftsatzes vom 25. November 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Mai 2002 bis zum 31. März 2003 Jugendhilfe in Form der Übernahme eine Teilnehmerbeitrages einer Kindertagesstätte entsprechend dem Bescheid vom 07. Mai 2002 in Höhe von 131,00 Euro monatlich abzüglich gewährter Leistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Berufung zuzulassen.
Sie trägt vor, der Bildungskredit sei als Einkommen der Klägerin anzusehen, weil er nicht zweckgebunden sei. Die teilweise Freistellung eines Ausbildungskostenanteils an den Einkünften erfolge analog dem Bundesausbildungsförderungsgesetz und sei in ihrem Widerspruchsbescheid berücksichtigt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2002 und deren Widerspruchsbescheid vom 14. November 2003 in der Fassung des Schriftsatzes vom 25. November 2003 sind rechtswidrig und die Klägerin hat Anspruch auf die begehrten Leistungen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der Anspruch der Klägerin auf Übernahme der für den Besuch ihrer Tochter N. in einer Kindertagesstätte entstehenden Beiträge in Höhe von 131,00 Euro monatlich, wie er mit Bescheid der Beklagten vom 7. Mai 2002 festgesetzt worden ist, ergibt sich aus § 90 Abs. 3 und 4 SGB VIII. Die Voraussetzungen für eine Neuberechnung und teilweise Rücknahme sowie Rückforderung zuviel gezahlter Beträge, wie sie von der Beklagten mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. Oktober 2002 in seinen nachfolgenden Fassungen vorgenommen wird, liegen nicht vor. Zu Unrecht hat die Beklagte den der Klägerin zustehenden Bildungskredit in Höhe von 250,05 Euro monatlich als anrechenbares Einkommen behandelt.
Die Tochter N. der Klägerin war im fraglichen Zeitraum ganztags in einer Tageseinrichtung im Sinne von § 22 Abs. 1 SGB VIII untergebracht. Gemäß § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII können für die Förderung von Kindern in derartigen Einrichtungen Teilnahmebeiträge oder Gebühren festgesetzt werden. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung soll der Teilnahmebeitrag oder die Gebühr auf Antrag ganz oder teilweise erlassen oder vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe übernommen werden, wenn die Belastung den Eltern und dem Kind nicht zuzumuten ist. Für die Feststellung der zumutbaren Belastung gelten gemäß § 90 Abs. 4 SGB VIII die §§ 76 bis 79, 84 und 85 des Bundessozialhilfegesetzes entsprechend, soweit nicht Landesrecht eine andere Regelung trifft. In Anwendung dieser Bestimmungen stellt der Bildungskredit kein Einkommen der Klägerin dar.
Zwar handelt es sich bei den hieraus fließenden Leistungen um Einkünfte in Geld und damit grundsätzlich um Einkommen im Sinne von § 76 Abs. 1 BSHG. Die Vorschrift des § 77 Abs. 1 Satz 1 BSHG nimmt den Bildungskredit jedoch von der Einkommensanrechnung aus.
Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 BSHG sind Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck gewährt werden, nur insoweit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Sozialhilfe im Einzelfall demselben Zweck dient. Daraus, dass § 90 Abs. 4 SGB VIII § 77 Abs. 1 BSHG - nur - für entsprechend anwendbar erklärt, folgt, dass eine Zweckidentität im Sinne von § 77 Abs. 1 Satz 1 BSHG zwischen dem Bildungskredit einerseits und der konkreten Jugendhilfeleistungen, hier der Übernahme des Teilnahmebeitrages der Tochter der Klägerin für den Besuch der Kindertagesstätte andererseits, vorliegen muss. Dies ist nicht der Fall.
Bei dem Bildungskredit handelt es sich um eine Leistung, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften gewährt wird.
Aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften werden nicht nur Leistungen gewährt, die auf Gesetz- oder Rechtsverordnung beruhen, sondern auch solche, die sich aus Verwaltungsvorschriften ergeben (OVG Lüneburg, Urteil vom 27.10.1989 -4 OVG 144/88-, OVGE 41, 445; Brühl in: LPK-BSHG, § 77 Rn. 3). Zu den öffentlich-rechtlichen Leistungen zählen insbesondere die Sozialleistungen.
Der Bildungskredit beruht in diesem Sinne auf einer öffentlich-rechtlichen Vorschrift. Dies ergibt sich aus seinem Zweck und der Form seiner Bewilligung, die beide öffentlich-rechtlich ausgestaltet sind.
Gemäß § 1 der Förderbestimmungen dient der Bildungskredit bei nicht nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz geförderten Auszubildenden der Sicherung und Beschleunigung der Ausbildung, bei geförderten Auszubildenden der Finanzierung von außergewöhnlichem, nicht durch das Bundesausbildungsförderungsgesetz erfasstem Aufwand. Die damit angesprochene Ausbildungsförderung ist eine staatliche und damit öffentlich-rechtliche Aufgabe.
Auch die Ausgestaltung des Verfahrens und die Handlungsform der den Bildungskredit bewilligenden Stelle spricht für eine öffentlich-rechtliche Vorschrift. So erfolgt die Leistung nur auf Antrag (§ 4 der Förderbestimmungen) und das Bundesverwaltungsamt, also ein Träger hoheitlicher Gewalt, prüft die Anträge anhand der Förderbestimmungen und erlässt ggfs. einen positiven Bescheid (§ 4 Abs. 1 der Förderbestimmungen). Folglich wird eine Behörde hoheitlich, nämlich durch Erlass eines Verwaltungsaktes tätig. Dass der anschließend abzuschließende Vertrag zwischen der Deutschen Ausgleichsbank und dem Antragsteller auf der Grundlage des Bewilligungsbescheides ein privatrechtlicher Kreditvertrag ist (§ 5 Abs. 1 der Förderbestimmungen), spielt keine Rolle, denn nach der sog. Zwei-Stufen-Theorie ist jedenfalls die Entscheidung über die Zuerkennung des Bildungskredites ein Verwaltungsakt (vgl. Kopp, VwVfG, 6. Aufl. § 35 Rn. 21). Ohne Bedeutung ist auch, ob auf diese Leistungen ein Anspruch besteht oder ob sie, wie hier gemäß § 2 Abs. 4 der Förderbestimmungen, im Ermessen des zuständigen Trägers liegen (Brühl, a.a.O.).
Der Bildungskredit wird auch zu einem ausdrücklich genannten Zweck gewährt.
Dass der Zweck der öffentlich-rechtlichen Leistung ausdrücklich zu nennen ist, heißt nicht, dass in der öffentlich-rechtlichen Vorschrift das Wort “Zweck“ verwendet sein muss. Dem Erfordernis einer ausdrücklichen Zweckbestimmung ist auch genügt, wenn sich die Zweckbestimmung aus den Voraussetzungen für die Leistungen oder anderen Anhaltspunkt eindeutig ergibt (vgl. Brühl a.a.O., Rn. 4, m. w. N). Eine derartige Zweckbestimmung enthält der hier streitbefangene Bildungskredit.
Ausweislich des Rahmendarlehensvertrages, den die Klägerin mit der Deutschen Ausgleichsbank geschlossen hat, wird der Bildungskredit nach Maßgabe der Richtlinie des Programms für die Vergabe von Bildungskrediten des BMBF vom 22.01.2001 und aufgrund des Bewilligungsbescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 28. März 2002 zur Verfügung gestellt. Der Zweck der Förderung ist, wie dargelegt, in § 1 der Förderbestimmungen niedergelegt und mit „Sicherung und Beschleunigung der Ausbildung“ deutlich angegeben. Er kommt darüber hinaus in § 3 Abs. 4 der Fördervoraussetzungen dadurch zum Ausdruck, dass die Auszahlungsphase des Kredites auch im Falle einer darüber hinausgehenden Bewilligung endet, wenn der Auszubildende die Ausbildung abschließt, abbricht, unterbricht oder die Fachrichtung wechselt. Insoweit obliegen dem Kreditnehmer nach § 8 Abs. 2 der Förderbestimmungen entsprechende Mitteilungspflichten.
Mit dieser Leistung ist die hier streitbefangene Übernahme des Teilnahmebeitrages oder der Gebühr im Sinne von § 90 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII nicht zweckidentisch.
Zweckgleichheit im Sinne von § 77 Abs. 1 BSHG ist jeweils bezogen auf die konkrete andere Maßnahme und den durch sie zu deckenden Bedarf zu ermitteln (BVerwG, Urteil vom 22.12.1998 - 5 C 25.97 -, BVerwGE 108, 221, 224; Urteil vom 29. September 1994,
-5 C 56/92-, BVerwGE 96, 379, 383). Da § 90 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII der Übernahme der wirtschaftlichen Belastung durch Teilnahmebeiträge oder Gebühren im Sinne von § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB VIIII dient und damit erkennbar nicht der Ausbildungsförderung, besteht Zweckidentität nicht. Dies wird daran deutlich, dass § 90 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, anders als die Bewilligung des Bildungskredits, naturgemäß ein in einer Kindertageseinrichtung zu betreuendes Kind voraussetzt. Einerseits wird daher, wie im Recht der staatlichen Ausbildungsförderung ganz allgemein, ein ausbildungsbedingter Mehrbedarf andererseits ein kinderbedingter Mehrbedarf abgedeckt.
Nicht ausreichend für die Annahme einer Zweckidentität im Sinne von § 77 Abs. 1 Satz 1 BSHG ist, dass sich möglicherweise ein mittelbarer Zusammenhang zwischen den verschiedenen staatlichen Leistungen herstellen lässt. Ein derartiger Zusammenhang könnte darin gesehen werden, dass die Einrichtung von Kindertagesstätten nach § 22 SGB VIII u.a. dazu dient, Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit aufeinander abzustimmen. Auch soll die Wahrnehmung der familiären Erziehungsaufgaben nicht zu beruflichen Nachteilen führen. Insoweit geht es allgemein gesprochen um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einerseits und die Gleichstellung von Frauen und Männern andererseits (vgl. Grube in Hauck/Haines SGB VIII, § 22 Rn. 4 ff.; Jans/Happe/ Saurbier/Maas, KJHG, Vorbem. §§ 22 bis 26 Anm. 1; Schellhorn SGB VIII § 22 Rn. 1). Die Einrichtungen von Kindertagesstätten hat damit auch den Zweck, den Eltern betreuungsbedürftiger Kinder die Möglichkeit zu eröffnen, einen Beruf auszuüben oder, wie hier, eine Ausbildung zu unternehmen. Insoweit mag gesagt werden können, dass Kindertageseinrichtungen ebenso wie eine finanzielle Förderung der Ausbildung die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Ausbildung von Eltern mit betreuungsbedürftigen Kindern verbessern.
Ein derart weites, den konkret zu deckenden Bedarf vernachlässigendes Verständnis der Zweckidentität entspricht indes nicht dem Sinn und Zweck des § 77 Abs. 1 BSHG. Dieser ist darauf gerichtet, Doppelleistungen aus öffentlichen Mitteln für ein und denselben Zweck zu verhindern. Es würde zu einer völligen Konturlosigkeit der Vorschrift führen und sie damit überflüssig machen. Denn letztlich dient jede Art staatlicher Sozialleistung dazu, die finanziellen Rahmenbedingungen des Hilfeempfängers zu verbessern, indem ihm ein menschenwürdiges Dasein und seine Lebensplanung gesichert wird und er nach Möglichkeit aus dem Bezug staatlicher Förderleistungen herausgeführt wird. Würde dies allein eine Zweckidentität staatlicher Leistungen begründen, wäre § 77 Abs. 1 Satz 1 BSHG überflüssig, da eine Einkommensanrechnung stets zu erfolgen hätte.
Die Kosten des gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfreien Verfahrens hat die Beklagte gemäß §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO zu tragen. Hinsichtlich des erledigten Teil des Rechtsstreits entspricht es der Billigkeit, der Beklagten die Kosten aufzuerlegen, weil sie insoweit dem klägerischen Begehren entsprochen und damit die Ursache für das erledigende Ereignis gesetzt hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung wird gemäß § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen.