Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.09.2003, Az.: 1 LB 269/02
Aufstellungsort; Außenbereich; Baugrenze; Baulücke; Bauvoranfrage; Bauwunsch; Bestimmtheit; bodenrechtlich Spannung; Erschließung; Erschließungsanlage; Erschließungsanlagenbezug; Erschließungsfunktion; Hinterland; Hinterlandbebauung; Planungsbedürfnis; Rückwärtigkeit; Voranfrage; Vorbildwirkung; Wohnweg
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 10.09.2003
- Aktenzeichen
- 1 LB 269/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48483
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BVerwG - 18.12.2003 - AZ: BVerwG 4 B 108.03
Rechtsgrundlagen
- § 34 Abs 1 BauGB
- § 74 Abs 1 BauO ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Eine Bauvoranfrage ist jedenfalls dann nicht mehr wegen fehlender Bestimmtheit nicht bescheidungsfähig, wenn sich Bauaufsichtsbehörde und Gemeinde im Verwaltungsverfahren sachlich auf sie eingelassen haben, ohne fehlende Beurteilungsfähigkeit geltend zu machen, und der Grundstückseigentümer sie im Klageverfahren durch Zeichnung so ergänzt hat, dass am Umfang seiner Bebauungsabsichten kein vernünftiger Zweifel mehr bestehen kann.
2. Fall unzulässiger Hinterlandbebauung, die den Rahmen nicht mehr ausfüllt, sondern verändert.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Wesentlichen um die Frage, ob der rückwärtige Teil des im Eigentum des Klägers stehenden, 3.485 qm großen Grundstücks F. Straße 9 (Flurstück 38/3, Flur 3 der Gemarkung C.) im Bereich der Beigeladenen mit weiteren Wohnhäusern bebaut werden kann. Das unverplante Grundstück liegt im Süden eines Areals, welches im Norden von der in etwa westöstlich verlaufenden G. Straße, im Süden von der gebogen von Südwest nach Südost verlaufenden F. Straße (K 20), im Westen von der H. Straße (westlich davon: I. Straße), im Osten von der J. Straße begrenzt wird. Das nördliche Drittel dieses Bereichs wird durch einen von Südwest nach Nordost verlaufenden Fuß- und Radweg (Flurstück 37) geringer Breite abgeteilt. Ein weiterer Fußweg durchschneidet seinen südöstlichen Zipfel und führt – beginnend mit der Südostecke des klägerischen Grundstücks – zur J. Straße. Deren Westseite ist recht dicht bebaut. Zu der Bebauung gehören die Volksbank im Südostzipfel sowie nördlich davon drei Reihenhäuser, deren Eigentümer sich im Verfahren zum Aktenzeichen - 8 A 4349/97 - (VG Hannover) / -1 L 273/99 - (Nds. OVG) vergebens gegen die Bebauung der noch immer freien Fläche auf dem Grundstück F. Straße 15 zwischen der Volksbank und der F. Straße (südlich des zweitgenannten Fußweges) mit einem Seniorenwohnheim gewehrt hatten.
Im Übrigen ist das beschriebene, unverplante Areal unterschiedlich bebaut. Das Grundstück des Klägers ist bislang nur in seiner Mitte mit einem anderthalbgeschossigen, zwischenzeitlich nicht mehr genutzten Wohnhaus bebaut; im Übrigen, d.h. nördlich (zum Fuß-/Radweg hin) sowie zur F. Straße wird das Grundstück gärtnerisch genutzt. Sein östliches Nachbargrundstück (Flurstück 29) ist in seinem südlichen Drittel bebaut; nördlich davon erstrecken sich umfangreichere Gartenflächen. Westlich des klägerischen Grundstücks liegen bis zur H. Straße zwei Grundstücke geringerer Tiefe, welche zur F. Straße hin bebaut sind.
Nördlich des erstgenannten Fuß- und Radweges erstrecken sich zwei größere Grundstücke mit ehemaligen Bauernhöfen. Vor allem das westliche weist zur G. Straße größere Freiflächen auf. Die Bebauung beider Grundstücke dringt recht weit nach Süden, d.h. zum Fuß-/Radweg vor. Zwischen ihnen liegt ein kleineres Grundstück, das im Laufe des Verfahrens genehmigt mit einem straßenseitig orientierten Einfamilienhaus bebaut worden ist.
Das Verfahren nahm seinen Ausgang mit einem am 29. September 1999 gestellten Antrag des Klägers, ihm einen Bauvorbescheid für die "Nachverdichtung" seines Grundstücks "mit weiteren Baukörpern" zu erteilen. Seinerzeit gab er sich noch unentschieden, ob das vorhandene Gebäude abgerissen werden solle; die Bauvoranfrage solle ihm zur allgemeinen Orientierung über die Möglichkeit der Bebauung dienen. Die Grundflächenzahl der Bebauung solle 0,35 betragen. Zur Begründung bezog er sich auf eine Baugenehmigung, welche der Beklagte für das Grundstück F. Straße 15 für die Errichtung einer Seniorenresidenz erteilt hatte und Gegenstand des oben genannten Nachbarstreits war.
Der Verwaltungsausschuss der Beigeladenen sprach sich mit der Begründung gegen diese Bauabsicht aus, nördlich des vorhandenen Wohngebäudes verlaufe in einer Art Kreissegment eine faktische Baugrenze, welche der Kläger überschreiten wolle. Nachdem der Kläger klargestellt hatte, auch der rückwärtige, zum oben beschriebenen Fuß-/Radweg orientierte Grundstücksteil solle bebaut werden, lehnte der Beklagte die Bauvoranfrage durch Bescheid vom 19. Januar 2000 im Wesentlichen ab. Lediglich der südliche Grundstücksbereich an der F. Straße könne mit einem einzigen weiteren Wohngebäude bebaut werden. Während des Klageverfahrens erhöhte der Beklagte mit Bescheid vom 23. März 2001 die Zahl der im südlichen Grundstücksbereich zu errichtenden Wohngebäude auf zwei. Ebenfalls nach Erhebung der (Untätigkeits-)Klage wies die Bezirksregierung K. den Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid vom 25. April 2001 zurück, soweit der Kläger für den nördlichen Teil seines Grundstücks weitergehende Bauabsichten hegte.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage nach Augenscheinseinnahme mit der angegriffenen Entscheidung, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, dem Kläger einen positiven Bauvorbescheid entsprechend seiner Bauvoranfrage vom 24.9.1999 zu erteilen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Nach der Art der baulichen Nutzung füge sich das Vorhaben in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Insbesondere entstünden keine Friktionen mit einer landwirtschaftlichen Nutzung, da diese zwischenzeitlich auf Dauer eingestellt worden sei. Aber auch nach dem Maß der baulichen Nutzung fügten sich die Bauabsichten ein. Das gelte sowohl hinsichtlich der Grundflächenzahl von 0,35 als auch hinsichtlich der vorgesehenen zweigeschossigen Bebauung und ihrer beabsichtigten Trauf- und Firsthöhe. Bodenrechtliche Spannungen werde namentlich die beabsichtigte rückwärtige Bebauung des Baugrundstücks nicht hervorrufen. Zu beachten sei nämlich, dass die nähere Umgebung durch eine sehr unterschiedliche Bebauung geprägt sei; diese sei namentlich nicht durchgehend im straßenseitigen Teil der Grundstücke aufgereiht. Insbesondere die nördlich des Fuß-/Radweges und südlich der G. Straße stehenden Gebäude reichten tief in den straßenabgewandten Teil der Grundstücke herein; diese Grundstücke seien hier zu berücksichtigen, da der Fuß-/Radweg keine trennende Funktion habe. Bodenrechtlich relevante Spannungen rufe die Bebauungsabsicht des Klägers auch nicht im Hinblick auf das östliche Nachbarflurstück 29 hervor. Es möchte zwar sein, dass die vom Kläger favorisierte Bebauung auch für dessen rückwärtigen Grundstücksteil Vorbildwirkung entfalten würde. Die dadurch hervorgerufenen Erschließungsprobleme seien jedoch zu bewältigen.
Dem daraufhin gestellten Zulassungsantrag der beiden anderen Verfahrensbeteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 15. Oktober 2002 – 1 LA 3856/01 – stattgegeben.
Zur Begründung ihrer Berufung machen der Beklagte und die Beigeladene im Wesentlichen geltend:
Auch angesichts der Ausführungen im Zulassungsbeschluss des Senats sei daran festzuhalten, dass die Bauvoranfrage vom 24.9.1999 nur unzureichend konkretisiert gewesen sei; das hindere noch immer eine Sachentscheidung. Jedenfalls hätte das Verwaltungsgericht nicht wie geschehen tenorieren und den Berufungskläger schlicht verpflichten dürfen, dem Kläger einen Vorbescheid entsprechend seiner Anfrage vom September 1999 zu erteilen. Die Berufung sei auch in der Sache begründet. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht die rückwärtige Bebaubarkeit des klägerischen und des ihm östlich benachbarten Grundstücks aus der Bebauungstiefe hergeleitet, welche die Grundstücke südlich der G. Straße hätten. Diese werde durch den Fuß-/Radweg begrenzt und habe deshalb für den hier interessierenden Bereich keine Vorbild- oder rahmensetzende Funktion. Das ergebe sich aus mehreren Gesichtspunkten. Die zulässige Bebauungstiefe des klägerischen Grundstücks sei von der F. Straße her zu bestimmen. Eine dreizeilige Bebauung sei dort ohne jedes Beispiel und führe zu bewältigungsbedürftigen Spannungen. Die Bebauung südlich der G. Straße gebe den maßgeblichen Rahmen nicht ab, weil sie andersgeartet sei. Sie werde im Wesentlichen durch erkennbar aufgegebene landwirtschaftliche Nutzung der umfangreichen Nebengebäude geprägt; diese sei nördlich der F. Straße nicht anzutreffen. Auch deshalb trenne der Fuß- und Radweg zwei Baugebiete unterschiedlichen Nutzungsmaßes ab. Schließlich sei die Größe des Baugrundstücks zu beachten. Da der Kläger eine Grundflächenzahl von 0,35 erstrebe, gestatte dies bei Klagestattgabe eine Baumasse, die in der näheren Umgebung ohne jedes Beispiel sei. Das Vorhaben überschreite damit den aus der näheren Umgebung ableitbaren Rahmen und bringe die durch Freiflächen gekennzeichnete Nachbarschaft in Bewegung. Schon die Existenz der Bauten, aber auch die dann erforderlich werdende Zu- und Abfahrt führe zu Unruhe im bislang Wohnruhe vermittelnden Binnenbereich.
Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,
unter Änderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erwidert:
Entgegen der Annahme der Berufungsführer sei die Bauvoranfrage von Anfang an bestimmt genug gewesen. Der Bauherr bestimme Art und Umfang der Fragestellung und könne diese bewusst weit fassen. Spätestens seit Aufkommen der Frage, ob eine faktische hintere Baugrenze der Bebauung des Grundstücks entgegenstehe, sei die Bauvoranfrage bestimmt genug gewesen/-worden. Diese sei auch in der Sache begründet. Ausschlaggebend für die Beantwortung der Frage, ob die Hinterlandbebauung zulässig sei, sei die Sichtweise von der jeweils maßgebenden Straße. Entgegen der Annahme der Berufungsführer sei hierfür nicht der Standpunkt eines Betrachters maßgeblich, der auf der F. Straße stehe und nach Norden schaue. Da der Fuß-/Radweg wegen seiner geringen Breite keine trennende Wirkung habe, müsse die Zulässigkeit der in Rede stehenden Bebauung (nördlich des vorhandenen Wohnhauses) von der G. - bzw. der J. Straße aus beurteilt werden. Von dort aus dringe Bebauung in erheblicher Tiefe in den Binnenbereich vor. Zu beachten sei des Weiteren, dass die umstehende Bebauung, aus der er seine Bauabsichten ableite, sehr uneinheitlich sei; dementsprechend weit sei der Rahmen. Diesen überschreite er nicht. Selbst wenn das der Fall wäre, brächten seine Bauabsichten jedenfalls nicht zwingend eine städtebaulich zu missbilligende Unruhe in den Binnenbereich herein. Denn es sei möglich, im Baugenehmigungsverfahren die Flächen für den ruhenden Verkehr so nahe an der F. Straße zu konzentrieren, dass der Binnenbereich von An- und Abfahrts- sowie ruhendem Verkehr freigehalten werde. Da dies auch auf den übrigen benachbarten Grundstücken, namentlich dem östlich benachbarten geschehen könne, könne seinem Vorhaben negative Vorbildwirkung nicht entgegengehalten werden. Ein Bedürfnis nach einer förmlichen Bauleitplanung rufe es nicht hervor. Sollte die Beigeladene sich mit dieser Bebauung nicht abfinden wollen, stehe ihr ja offen, das Gebiet zu überplanen und zur Sicherung ihrer Planungsvorstellungen zu seinen Lasten eine Veränderungssperre zu erlassen.
Der Senat hat die Örtlichkeit am 10. September in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom gleichen Tage Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten von Vortrag und Sachverhalt wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie die Gerichtsakte 8 A 4349/97 (VG)/1 L 273/99 Bezug genommen, die in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässigen Berufungen sind begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Kläger hat nicht – was allein noch in Rede steht (und dementsprechend in der Tenorierung des Verwaltungsgerichts seinen Ausdruck hätte finden müssen) – Anspruch darauf, auch den nördlich des vorhandenen Wohnhauses liegenden Bereich bebauen zu können.
Ob die Bauvoranfrage, wie die Berufungsführer meinen, von vornherein zu unbestimmt gewesen ist, braucht jetzt nicht mehr entschieden zu werden. Jedenfalls jetzt wäre es pure Förmelei, dem Kläger das neuerliche Durchschreiten des Verwaltungsverfahrens abzuverlangen, nachdem er jedenfalls in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts die Skizze Blatt 92 GA zum Gegenstand seines Begehrs gemacht hat. Zumindest darin werden die Standorte der noch begehrten Gebäude mit einer Bestimmtheit bezeichnet, gegen welche selbst die Berufungsführer Einwendungen nicht mehr erheben (können). Das Vorbringen der Berufungsführer lässt nicht erkennen, sie würden es sich bei einem neuerlichen, formell nunmehr "richtig" eingeleiteten Verwaltungsverfahren "noch einmal überlegen" und dem Gedanken einer Bebauung nördlich des vorhandenen Wohnhauses zumindest tendenziell nähertreten. Unter diesen Umständen kommt es auf die Bestimmtheit der damals gestellten Voranfrage nicht mehr an.
Nur ergänzend ist daher darauf hinzuweisen, dass an die Bestimmtheit der Bauvoranfrage keine überzogenen Anforderungen gestellt werden dürfen. Die Pflicht zu einer gewissen Konkretisierung ergibt sich zwar daraus, dass sich Voranfragen nach dem Wortlaut des § 74 Abs. 1 NBauO auf "einzelne Fragen" beziehen müssen. Der Anfragende muss die ein Bauvorhaben betreffende Frage daher zumindest so genau bezeichnen, dass der Bauaufsichtsbehörde eine Beantwortung möglich ist. Ob diese dabei zur Förderung des von § 74 NBauO verfolgten Zwecks, dem künftigen Bauherrn ein preiswertes Auskunftsmittel zu sein, in verstärktem Umfang eine Beratungspflicht trifft (so von und zu Franckenstein, ZfBR 2002, 648, 649 f.; anderer Ansicht wohl OVG Koblenz, Teilurteil vom 17.11.1999 – 8 A 10537/99 -, BauR 2000, 545, 547 = BRS 62 Nr. 165: nicht beliebig vermehrbares Personal, "schlanke Verwaltung"), kann hier unentschieden bleiben. Denn sowohl der Beklagte als auch die Beigeladene hatten sich auf die Anfrage vom September 1999 imstande gesehen, ihr Einvernehmen mit dem Vorhaben des Klägers ins einzelne gehend zu verweigern und dabei Gründe anzuführen, weshalb das Vorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig sei, ohne im Verwaltungsverfahren geltend zu machen, die Tragweite des Vorhabens habe nicht ausreichend ermitteln werden können. Ebenfalls nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das BVerwG in seinen Urteilen vom 23.5.1975 (- IV C 28.72 -, BVerwGE 48, 242 = BauR 1975, 394 = Buchholz 406.11 § 36 BBauG Nr. 16 = BayVBl 1976, 89) und 3.4.1987 (- 4 C 41.84 -, NJW 1987, 3214 = UPR 1987, 380) Sympathie für die Annahme hat erkennen lassen, der Bauherr könne schlicht "die Bebaubarkeit des Grundstücks" mit einem Wohnhaus oder einem Schweinestall zum zulässigen Gegenstand einer Voranfrage machen, ohne sich dabei festzulegen, wo dieses Bauwerk errichtet werden soll.
Die Berufung ist aber aus materiellrechtlichen Gründen begründet. Die hier allein noch in Rede stehende Bebauung des Grundstücks nördlich des vorhandenen Wohnhauses ist bauplanungsrechtlich unzulässig.
Die Bebaubarkeit dieses Grundstücksteils richtet sich nach § 34 Abs. 1 BauGB. Der für dessen Anwendung maßgebliche Rahmen (vgl. die Entscheidung des BVerwG vom 26.5.1978 – IV C 9.77 -, BVerwGE 55, 369 = DVBl. 1978, 815) ist zum einen durch die Betrachtung der Bebauung zu ermitteln, auf die sich die Ausführung des Vorhabens auswirken kann, zum anderen derjenigen, die den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. Ein Vorhaben, das sich - in jeder Hinsicht - innerhalb des aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmens hält, fügt sich in der Regel seiner Umgebung ein. Aber auch ein Vorhaben, das sich nicht in jeder Hinsicht innerhalb des aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmens hält, kann sich der Umgebung einfügen. Das ist allerdings nur dann der Fall, wenn es weder selbst noch infolge einer nicht auszuschließenden Vorbildwirkung geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen oder vorhandene Spannungen zu erhöhen.
Diese Grundsätze gelten auch/gerade bei der hier in Rede stehenden Hinterlandbebauung. Eine solche liegt stets dann vor, wenn die Lage des geplanten Vorhabens von der jeweils maßgeblichen Erschließungsanlage betrachtet hinter einer schon vorhandenen Bebauung in einem Bereich liegt, der baulich noch nicht in Anspruch genommen worden ist. Um einen solchen Fall handelt es sich hier, gleich welche Erschließungsanlage man hier zum Bezugspunkt wählt. Der Fuß- und Radweg kommt als Bezugsgröße nicht in Betracht, weil er nicht, auch nicht für Anlieger, zur Aufnahme von Verkehr gewidmet ist und so auch nicht genutzt wird. Zu dieser Frage hat der Senat in seinem Beschluss vom 26. Mai 2003 – 1 LA 234/02 – (V.n.b) unter anderem ausgeführt:
Richtig mag es zwar sein, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. u.a. Beschl. v. 6.11.1997 – 4 B 172.97 -, NVwZ-RR 1998, 539 = ZfBR 1998, 164 = BRS 59 Nr. 79) und des Senats (vgl. neben dem vom VG zitierten Beschl. v. 25.1.2001 - 1 LA 802/01 -, vor allem die darauf folgende Berufungsentscheidung v. 17.10.2002 - 1 LB 28/02 -, V.n.b.) sich die "Rückwärtigkeit" einer Bebauung (nur) durch einen bestimmten räumlichen Bezug zu einer öffentlichen Erschließungsanlage beurteilt; diese braucht nach dem Senatsurteil vom 17. Oktober 2002 (aaO) nicht in jedem Fall eine zum Befahren taugliche Erschließungsanlage zu sein. Es kann auch ausreichen, wenn diese uneingeschränkt dem öffentlichen Verkehr gewidmet, jedoch einen nicht befahrbaren Wohnweg darstellt.
Für den öffentlichen Verkehr gewidmet und/oder befahrbar ist der Fuß-/Radweg nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung indes nicht. Der Umstand, dass die Nutzer des Grundstücks G. Straße 12 (Flurstück 36/1) die am Südostrand des Grundstücks stehende Remise, möglicherweise auch den westlich daran anschließenden Schuppen anfahren, indem sie von der G. Straße kommend ein kurzes Teilstück des Fuß- und Radweges nutzen und dann nach Norden wieder auf ihr Grundstück einbiegen, ändert daran nichts. Dies ist eine untergeordnete Inanspruchnahme für eine landwirtschaftliche Nutzung dieses Weges, welche ihm - auch hinsichtlich des klägerischen Grundstücks - keine allgemeine Erschließungsfunktion vermittelt.
Für die damit in Rede stehende Hinterlandbebauung gelten die vorstehenden Grundsätze. Bei der Ermittlung des Rahmens ist zu fragen, ob sich eine faktische rückwärtige Baugrenze herausgebildet hat. Verbindet die rückwärtigen Gebäude(wände) eine unregelmäßig verlaufende Linie, ist zu fragen, ob der Aufstellungsort in einer Art "Lücke" liegt, d.h. der Rahmen so gestaltet ist, dass er für die Aufnahme dieses Vorhabens offen ist. In diesem Zusammenhang spielt auch der Gesichtspunkt eine wesentliche Rolle, ob in "zweiter Reihe" schon vorhandene Gebäude den Rahmen bestimmen oder als Fremdkörper aus der Betrachtung auszuscheiden sind.
Überschreitet das Vorhaben den so abgesteckten Rahmen, führt dies nicht automatisch zu seiner Unzulässigkeit. Hinterlandbebauung ist nicht schlechthin unzulässig. Sie darf allerdings die vorgegebene städtebauliche Situation nicht in Bewegung bringen oder gar ein Planungsbedürfnis nach sich ziehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.5.1978, a.a.O; Urt. v. 21.22.1980 – 4 C 30.78 -, DVBl. 1981, 100 = BauR 1981, 170, 171). Dabei ist die Betrachtung nicht auf das Vorhaben zu beschränken. Vielmehr ist in den Blick zu nehmen, ob es infolge seiner Vorbildwirkung geeignet ist, vergleichbare Bauwünsche zu wecken und dadurch bodenrechtliche Spannungen zu begründen.
Eine Anwendung dieser Grundsätze ergibt, dass das Vorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig ist.
Nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung wird der maßgebliche Rahmen in erster Linie durch die Bebauung bestimmt, die innerhalb des Straßengevierts G. Straße, H. Straße, F. Straße und J. Straße und südlich des Fuß-/Radweges steht. Die östlich der J. Straße stehende Bebauung übt teilweise Einfluss aus auf die Bebaubarkeit, doch nur in zweiter Linie. Die südlich der F. Straße stehende Bebauung beeinflusst die Bebaubarkeit des klägerischen Grundstücks nicht (mehr). Dort sind mit der Kirche, der Gemeindeverwaltung und der Schule Baulichkeiten anzutreffen, die deutlich größer und aufgrund ihrer Funktion in einer Weise angeordnet sind, wie dies nördlich der F. Straße nicht anzutreffen ist. Die westlich der H. Straße stehende Bebauung rückt – wohl auch bedingt durch die nach Westen gesehen bald darauffolgende I. Straße – dichter zusammen und beeinflusst die Bebaubarkeit des hier in Rede stehenden Bereiches daher ebenfalls nicht.
Die nördlich der G. Straße stehende Bebauung bildet eher mit derjenigen eine Einheit, die südlich davon innerhalb der hier maßgeblichen Umgebung steht. Denn dort sind auf relativ großen Grundstücken ehemalige landwirtschaftliche Hofstellen aufgereiht, die zwischenzeitlich in ganz wesentlichen Teilen zu Wohnzwecken umgenutzt worden sind. Vom Nutzungsmaß her beeinflussen diese allerdings entgegen der Annahme des Klägers die Bebaubarkeit seines Grundstücks, namentlich seines Nordteiles nicht so sehr, dass sie den wesentlichen Rahmen vorgäben. Das folgt nicht nur aus der anderen Baustruktur, die noch immer die ehemalige landwirtschaftliche Nutzung erkennen lässt, sondern auch aus dem Fuß-/Radweg, der nördlich des klägerischen Grundstücks verläuft. Dieser trennt nach dem bei der Ortsbesichtigung gewonnenen Bild die Grundstücke südlich der G. Straße augenfällig von dem südlich davon liegenden Bereich ab, zu dem der Kläger mit seinem Grundstück gehört. Das gilt ungeachtet des vom Kläger im Grundsatz zu Recht hervorgehobenen Umstandes, dass die "Eingangsbereiche" zu diesem Fuß-/Radweg beidseits, d.h. sowohl von der J. - als auch von der H. Straße aus betrachtet trichterförmig in den Binnenbereich hinein bebaut sind. Dieser Einbruch in den Binnenbereich beschränkt sich signifikant auf diese "Portalbereiche", reicht aber eben auch nicht so weit in den Binnenbereich hinein, dass dieser als für die klägerischen Bauabsichten vorgeprägt angesehen werden könnte. Noch immer, d.h. trotz dieser "Portalwirkungen" ist die nördlich dieses Fuß-/Radweges stehende Bebauung wegen der an ihrer Substanz abzusehenden früheren Nutzung kein "Vorbild" für den Nordteil des klägerischen Grundstücks. Dass die Bebauung insbesondere auf dem Grundstück G. Straße 12 (Flurstück 36/1) recht weit nach Süden reicht, "hilft" dem Kläger darum nicht.
Dem Kläger ist zuzugeben, dass die Bebauung, die innerhalb des so abgesteckten Rahmens steht, ein "System" ihrer Aufstellung kaum erkennen lässt. Dementsprechend "weiter" ist der Rahmen, innerhalb dessen sich seine Bebauungsabsichten bewegen dürfen. Gleichwohl ist seine Absicht, den rückwärtigen Grundstücksteil zu bebauen, bauplanungsrechtlich nicht zulässig. Es überschreitet sogar diesen weiten Rahmen. Das Wohnhaus des Klägers ist das einzige Gebäude, das die Baulinie relativ weit nach Norden verschiebt. Darin erschöpft sich aber auch seine prägende Wirkung. Es ist von seinem Gewicht her nicht geeignet, gleichsam auch den gesamten nördlichen Grundstücksbereich für Bebauung "aufzuspannen". Dieser Bereich diente nach der erkennbaren Anordnung der Gebäude noch immer als Ruhezone.
Dass das beabsichtigte Vorhaben "aus dem Rahmen fällt", zeigt ganz augenfällig folgende Betrachtung. Nach den oben wiedergegebenen Grundsätzen ist auch in Blick zu nehmen, welche bauliche Entwicklung das Vorhaben einzuleiten geeignet ist. Diese wird auf dem Plan Blatt 92 der Gerichtsakte anschaulich dargestellt, der auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist. Die darin namentlich für das östliche Nachbargrundstück eingetragenen Folgewirkungen "übertreiben" nicht. Danach könnten dort 4, östlich davon noch ein fünftes Wohnhaus aufgestellt werden. Das wären dann zusammen mit den klägerischen drei insgesamt schon acht weitere Häuser. Wäre das klägerische Vorhaben rechtens, könnte diese Entwicklung im Bereich südlich des Fuß- und Radweges nicht mehr verhindert werden. Der Umstand, dass das östliche Nachbargrundstück der Beigeladenen gehört und diese nach den Darlegungen ihres Bürgermeisters in der mündlichen Verhandlung den gegenwärtigen Bauzustand erhalten möchte, ändert daran nichts. Denn es kommt auf die Grundstücksverhältnisse und nicht darauf an, ob der gegenwärtige Eigentümer der Flächen eine bestimmte Nutzung wünscht. Das Bauplanungsrecht regelt die Nutzbarkeit der Grundstücke in öffentlich-rechtlicher Beziehung auf der Grundlage objektiver Umstände und Gegebenheiten mit dem Ziel einer möglichst dauerhaften städtebaulichen Ordnung und Entwicklung. Deshalb darf die Grundstückssituation nicht "personenbezogen", auf die Eigentumsverhältnisse oder die Nutzungsberechtigten zu einem bestimmten Zeitpunkt abgehoben beurteilt werden. Vielmehr kommt es auf die objektiven Folgen an, welche ein Vorhaben nach sich ziehen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 23. September 1999 - 4 C 6.98 -, BVerwGE 109, 314 = NVwZ 2000, 1050 = DVBl 2000, 192 = BauR 2000, 234 = ZfBR 2000, 128 = BRS 62 Nr. 86).
Selbst wenn man nur die für das klägerische und das östliche Nachbargrundstück sich ergebenden Folgen einer Klagestattgabe in Blick nimmt, wird deutlich, dass das hier in Rede stehende Vorhaben den Rahmen nicht lediglich ausfüllen, sondern deutlich verändern würde. Südlich des Fuß- und Radweges entstünde eine bauliche Verdichtung, welche nicht nur dort, sondern auch in den Bereichen westlich und östlich des maßgeblichen Straßengevierts ohne Beispiel ist. Bereiche zum "baulichen Luftholen" entfielen ganz, die Gebäude stünden dicht gedrängt. Der Umstand, dass die Beigeladene einen solche Zustand möglicherweise in abwägungsgerechter Weise durch Planung erreichen könnte, ändert daran nichts. Denn § 34 BauGB ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. u.B. BVerwG, Urt. v. 11. Mai 2000 - 4 C 14.98 -, NVwZ 2000, 1169 = BauR 2000, 1848 = DVBl 2000, 1851 = UPR 2001, 66) nur ein Planersatz und kein Ersatzplan. Unterlässt eine Gemeinde die Planung (auf deren Durchführung dem Grundstückseigentümer kein durchsetzbarer Anspruch zusteht, § 2 Abs. 3 Halbs. 1 BauGB), dann hat er nur Anspruch darauf, den durch die maßgebliche Bebauung "vorgezeichneten" Rahmen ausfüllen zu dürfen. Eine neue städtebauliche "Zeichnung" darf er mit seiner Bebauung nicht einleiten oder gar vollenden. Gerade dies erstrebt der Kläger aber.
Seine Bauabsichten sind auch nicht ausnahmsweise zulässig. Nach den oben wiedergegebenen Grundsätzen kann eine "aus dem Rahmen fallende" Bebauung zulässig sein, wenn sie die vorgegebene städtebauliche Situation nicht in Bewegung bringt oder ausgleichsbedürftige Spannungen begründet. Dies ist hier indes der Fall. Dabei kann der Senat unentschieden lassen, ob der Auffassung des Klägers zuzustimmen ist, der Beurteilung sei wegen der offenen Fassung seiner Bauvoranfrage nicht der "schlimmstmögliche Fall" zugrunde zu legen. Selbst wenn man die verkehrstechnisch betrachtet verträglichste Annähme und den ruhenden Verkehr in einer Art Einstellplatzhof an der F. Straße konzentriert sich vorstellte, brächte die Verwirklichung der klägerischen Bauabsichten ausgleichsbedürftige "Unruhe" in den rückwärtigen Bereich. Denn schon das Vordringen der Wohnbebauung mit der ihr notwendigerweise innewohnenden akustischen Begleiterscheinungen stellt eine solche Unruhe dar. Denn der Bereich, um den es hier geht, ist nach der tatsächlichen, für die Beurteilung nach § 34 Abs. 1 BauGB ausschlaggebenden Situation "nun einmal" als Ruhezone ausgestaltet. Die Ortsbesichtigung ergab, dass man diesen Bereich ohne Übertreibung fast als "Idylle" bezeichnen kann, deren optische und akustische Ruhe weder von Kraftfahrzeuglärm, der von den umlaufenden Straßen ausgeht, noch von der Nutzung wesentlich beeinträchtigt wird, die nördlich des Fuß- und Radweges steht. Die rückwärtige Remise auf dem Flurstück 36/1 mag wohl in der oben beschriebenen Weise, d.h. unter teilweiser Inanspruchnahme des Weges ab und an angefahren werden. Die hierdurch verursachten Störungen der rückwärtige Ruheoase sind indes nicht annähernd denjenigen vergleichbar, welche der Kläger schon durch die Einfügung von drei Wohnhäusern hervorrufen würde und wie sie erst recht durch die ebenfalls in Blick zu nehmenden Folgebauten hervorgerufen werden würde.
Das vom Beklagten für das Grundstück F. Straße 15 (Flurstück 25/15) genehmigte Seniorenwohnheim kann der Kläger nicht als Referenzobjekt heranziehen. Erstens ist es noch nicht verwirklicht worden. Für die Beurteilung nach § 34 BauGB kommt es grundsätzlich allein auf die vorhandene Bebauung an; eine nur genehmigte ist rechtlich grundsätzlich unerheblich (BVerwG, Urteil vom 14. September 1992 - 4 C 15.90 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 152 S. 67). Zweitens stellt sich die Situation auf dem Grundstück F. Straße 15 wesentlich anders dar: Es handelt sich um eine Baulücke, deren Südseite unmittelbar an die F. Straße angrenzt. Deren Bebauung würde also gerade nicht straßenabgewandte Bereiche baulich erstmals in Anspruch nehmen.
Der Klage kann hinsichtlich des rückwärtigen Grundstücksteils auch nicht teilweise stattgegeben werden. Denn auch dies löste die oben gewürdigten Folgewirkungen aus.