Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 23.02.2005, Az.: 16 W 11/04
Klage auf Erteilung einer Löschungsbewilligung nach Wegfall des Sicherungszweckes; Streitwertfeststellung bei mangelnder Valutierung einer Sicherungsgrundschuld
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 23.02.2005
- Aktenzeichen
- 16 W 11/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 27579
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2005:0223.16W11.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Stade - 23.12.2004 - AZ: 5 O 242/03
Rechtsgrundlagen
- § 3 ZPO
- § 6 ZPO
Amtlicher Leitsatz
Bei einer Klage auf Erteilung einer Löschungsbewilligung nach Wegfall des Sicherungszwecks ist der Streitwert auf 20 % des restlichen Nominalwertes des Grundpfandrechts festzusetzen, sofern der Kläger nicht konkrete weitere Nachteile für ihn vorträgt (Anschluss an Beschl. d. 4. Zivilsenats d. OLG Celle v. 5. September 2000, NJWRR 2001, 712).
In dem Rechtsstreit
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter ... sowie
die Richter ... und ...
am 23. Februar 2005 beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Streitwertbeschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 23. Dezember 2004 unter
Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wie folgt geändert:
Der Streitwert wird auf die Gebührenstufe bis 19.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien haben um die Löschung einer Sicherungsgrundschuld gestritten.
Die Kläger kauften 1998 vom Beklagten dessen hälftigen Miteigentumsanteil an einem Grundstück in N. Sie übernahmen dabei die dinglichen Belastungen sowie die damit zusammenhängenden schuldrechtlichen Verpflichtungen. In Abt. II des Grundbuchs ist insoweit eine Reallast (Leibrente mit Wertsicherungsklausel) für die Eheleute C. eingetragen. Die Kläger verpflichteten sich nach dem Kaufvertrag, "Erklärungen dieser Gläubiger zu beschaffen, ausweislich derer der Verkäufer - vorbehaltlich der Eigentumsumschreibung auf den Käufer - aus der Schuldhaft den Gläubigern gegenüber entlassen wird".
Sie verpflichteten sich ferner, sofern sie die entsprechenden Schuldhaftentlassungserklärungen der Gläubiger nicht binnen einer Frist von zwei Monaten vorlegen könnten, zugunsten des Beklagten als Verkäufer eine Buchgrundschuld in Höhe von 180.000 DM zu bestellen, "mit der die Freihalteansprüche des Verkäufers gegenüber den Käufern dinglich zu sichern sind".
Da es den Klägern nicht gelang, innerhalb der vereinbarten Frist von zwei Monaten eine Schuldhaftentlassungserklärung der Eheleute C. vorzulegen, kam es zur Eintragung der genannten Grundschuld. Nachträglich, nämlich am 4. Februar 2004, gaben die Eheleute C. die in dem Kaufvertrag vorgesehene Schuldhaftentlassungserklärung betreffend ihren Leibrentenanspruch ab. Nunmehr traten die Kläger an den Beklagten heran und verlangten von diesem, seine Zustimmung zur Löschung der eingetragenen Grundschuld in Höhe von 92.032,54 EUR (DM 180.000) zu erteilen, Zug um Zug gegen Aushändigung der Schuldhaftentlassungserklärung der Eheleute C. vom 4. Februar 2004. Nachdem der Beklagte hierauf zunächst nicht einging und die Auffassung vertrat, die Schuldhaftentlassungsbestätigung der Eheleute C. müsse notariell beurkundet werden, zudem solle die Löschung der Eintragung der Leibrente im Grundbuch erklärt werden, kam es zum vorliegenden Rechtsstreit, in dem der Beklagte durch Schriftsatz vom 11. Oktober 2004 zunächst Verteidigungsbereitschaft anzeigte, in weiterem Schriftsatz vom 21. Oktober 2004 sodann ein Anerkenntnis abgab. Durch Anerkenntnisurteil wurde der Beklagte dementsprechend verurteilt, seine Zustimmung zur Löschung der Grundschuld zu erteilen, Zug um Zug gegen Aushändigung der Schuldhaftentlassungserklärung der Eheleute C.
Das Landgericht hat den Streitwert durch den angefochtenen Beschluss auf den Nominalwert der Grundschuld, also auf 92.032,54 EUR (180.000 DM) festgesetzt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten, mit der er geltend macht, nach Vorlage der Schuldhaftentlassungserklärung der Rentenberechtigten sei der Sicherungsgrund weggefallen, sodass die tatsächliche wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsstreits sich auf die Löschungskosten reduziert habe.
II.
Die Beschwerde des Beklagten, mit der dieser eine dem wirtschaftlichen Interesse der Kläger gerecht werdende Herabsetzung des Streitwertes erstrebt, hat dahin überwiegend Erfolg, dass der Wert nicht, wie vom Landgericht, auf den vollen Nominalwert der Grundschuld, sondern nur in Höhe von 20 % dieses Wertes (ca. 18.400 EUR), mithin auf die Gebührenstufe bis 19.000 EUR festzusetzen ist.
Der Senat folgt insoweit der bereits vom 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle in seinem Beschluss vom 5. September 2000 vertretenen Auffassung, wonach bei einer Klage auf Erteilung einer Löschungsbewilligung der Streitwert auf die vom Beklagten geltend gemachte Restforderung zuzüglich 20 % des restlichen Nominalwertes des Grundpfandrechts festzusetzen ist, sofern der Kläger nicht konkrete weitere Nachteile für ihn vorträgt (NJWRR 2001, 712).
Wie in dieser Entscheidung ausgeführt wird, wäre eine strikte Anwendung des § 6 ZPO, nach dem der volle Nominalwert maßgeblich sein würde, wegen des sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Justizgewährungsanspruchs verfassungsrechtlich bedenklich (vgl. BVerfG NJWRR 2000, 946). Es ist erforderlich, die wirtschaftliche Bedeutung des Verfahrens für die klagende Partei mit zu berücksichtigen, um eine rechtsstaatlich nicht mehr zu vertretende Beeinträchtigung durch die Kosten einer Gerichtsinstanz zu vermeiden. Liegt die wirtschaftliche Bedeutung weit unter dem Nominalwert, ist der Streitwert in verfassungskonformer Auslegung des § 6 ZPO i. V. m. § 3 ZPO entsprechend niedriger festzusetzen.
Indes können nicht allein die Restforderung und, wenn eine solche nicht ersichtlich ist, nur die Löschungskosten, maßgeblich sein. Denn auch wenn eine Grundschuld nicht mehr valutiert, wird die Verkehrsfähigkeit des Grundstücks durch die dingliche Belastung erheblich eingeschränkt. Um diesem Gesichtspunkt angemessen Rechnung zu tragen, ist der Streitwert in Höhe von 20 % des nicht mehr valutierenden Nominalbetrages zuzüglich einer eventuellen Restforderung, um die gestritten wird, festzusetzen. Diese Kriterien tragen sowohl der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als auch den Interessen der Prozessparteien angemessen Rechnung.
Der erkennende Senat schließt sich dem für den vorliegenden Fall an, mit der Folge, dass der Streitwert, wie geschehen, in Höhe von 20 % des Nominalwertes festzusetzen ist. Denn nach Vorlage der Schuldhaftentlassungserklärung der Eheleute C. betreffend ihren Leibrentenanspruch war der Sicherungszweck weggefallen. Damit valutierte die Grundschuld nicht mehr.
Ein darüber hinausgehendes Interesse der Kläger, die Grundschuld löschen zu lassen, ist nach deren Vortrag nicht erkennbar. Insbesondere hatte der Beklagte nicht zu erkennen gegeben, dass er die Grundschuld, die ihm nur zur Sicherheit für die Freistellung von der Leibrentenverpflichtung bestellt worden war, trotz Wegfall des Sicherungszwecks weiterhin für sich in Anspruch nehmen wollte. Vielmehr hatte er, wie sich aus dem Klagevortrag erschließen lässt, lediglich Bedenken, ob er durch die notariell nicht beurkundete Schuldhaftentlassungserklärung in Anbetracht der weiterhin im Grundbuch eingetragenen Reallast ausreichend abgesichert sei oder nicht doch wegen des Leibrentenanspruchs von den Eheleuten C. in Anspruch genommen werden könnte. Nachdem es deshalb zum vorliegenden Rechtsstreit gekommen ist, hat der Beklagte sodann zwar zunächst pauschal seine Verteidigungsbereitschaft angezeigt, jedoch bereits 10 Tage später in der ersten sachlichen Stellungnahme erklärt, er erkenne den Anspruch der Kläger nach Prüfung der Sach- und Rechtslage nunmehr an. Dies dokumentiert die grundsätzliche Bereitschaft des Beklagten, bei Entlassung aus der schuldrechtlichen Leibrentenverpflichtung die zur Sicherung gegebenen Grundschuld freizugeben. Es ist vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich, inwiefern das wirtschaftliche Interesse der Kläger an der Löschung der Grundschuld deren vollen Nominalbetrag ausmachen sollte, wie die Kläger meinen.
III.
Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf die Gebührenstufe bis 19.000 EUR festgesetzt.