Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 09.02.2005, Az.: 9 U 178/04
Außerordentliche Kündigung wegen Verstoßes gegen ein aus der gesetzlichen Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber abzuleitendes fortwirkendes Wettbewerbsverbot; Fehlen eines wichtigen Kündigungsgrundes mangels eines tatsächlichen Vollzugs wettbewerblicher Tätigkeit
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 09.02.2005
- Aktenzeichen
- 9 U 178/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 36059
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2005:0209.9U178.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg - 02.09.2004 - AZ: 7 O 83/04
Rechtsgrundlage
- § 626 Abs. 1 BGB
Fundstelle
- GmbHR 2005, 541-542 (Volltext mit red. LS)
In dem Rechtsstreit
...
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2005
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung wird das am 2. September 2004 verkündete Urteil der Vorsitzenden der 7. Zivilkammer (Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Lüneburg abgeändert und insgesamt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt,
- dem Kläger 38.947,88 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 2.134,88 EUR seit dem 31. März 2004,
- auf weitere 12.271 EUR seit dem 30. April 2004,
- auf weitere 12.271 EUR seit dem 31. Mai 2004 und
- auf weitere 12.271 EUR seit dem 30. Juni 2004
zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in Höhe von 115% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1.
Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil verwiesen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter. Er rügt eine Verletzung des materiellen Rechts, denn er habe mangels "eines tatsächlichen Vollzugs wettbewerblicher Tätigkeit" (Seite 5 Berufungsbegründung) nicht gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen.
Die F. ... GmbH sei nicht operativ tätig. Sie sei lediglich aus Kostengründen noch nicht im Handelsregister gelöscht worden. Im Jahre 2003 sei ihr Sitz von D. nach B. verlegt worden, weil auch er und seine Ehefrau ihren Wohnsitz dorthin verlegt hätten. Er habe sich zwar an zwei Kunden der Beklagten gewandt. Das sei jedoch nur zum Zwecke einer Vorbereitung einer späteren selbstständigen Existenz geschehen.
Die Beklagte verteidigt das Urteil unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
2.
Die Berufung ist begründet.
Die Beklagte besitzt keinen wichtigen Grund (§ 626 Abs. 1 BGB) für die fristlose Kündung des Anstellungsvertrages.
Ein wichtiger Grund liegt nur dann vor, wenn nach dem Gesamtverhalten des Dienstverpflichteten bei Abwägung aller Umstände, insbesondere auch der beiderseitigen Interessen und des eigenen Verhaltens des Dienstherren, diesem die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zu dessen ordentlichem Ablauf nicht mehr zugemutet werden kann. Steht das Ende des Dienstverhältnisses aufgrund vertraglicher Befristung oder - wie hier - einer ordentlichen Kündigung ohnehin bevor, so sind an die Zulässigkeit einer außerordentlichen Kündigung besonders strenge Anforderungen zu stellen (BGH WM 1968, 3225).
Der Kläger hat nicht gegen ein aus seiner gesetzlichen Treuepflicht gegenüber der GmbH abzuleitendes fortwirkendes Wettbewerbsverbot verstoßen:
Grundsätzlich unterliegt ein Geschäftsführer nach seinem (rechtlichen und tatsächlichen) Ausscheiden aus dem Amt keinem Wettbewerbsverbot mehr, weil er keine Pflicht zur Förderung des Gesellschaftszwecks mehr hat. Ausnahmeweise kommt jedoch eine Fortwirkung des gesetzlichen Wettbewerbsverbots in Betracht, wenn - wie hier - die Organstellung zwar beendet ist, der Geschäftsführer aber aufgrund des fortbestehenden Anstellungsvertrages weiterhin sein Gehalt bezieht (Haas in Michalski, GmbHG, § 43 Rdnr. 104 a. E.).
Der Kläger hat jedoch in dem sachlichen Geltungsbereich des Wettbewerbsverbots noch keine Geschäfte gemacht, sondern lediglich eine (zulässige) Vorbereitungshandlung vorgenommen. Als "Geschäftemachen" gilt jede auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit im geschäftlichen Verkehr (a.a.O., Rdnr. 103).
Die Beklagte hat ihre fristlose Kündigung vom 26. März 2004 damit begründet, dass der Kläger eine nicht zulässige Nebentätigkeit in größerem Umfang ausübe. Ihr sei von Kunden berichtet worden, dass er mit einer eigenen Strickkollektion (Schwerpunkt Pullover) mit ca. 40 Teilen aus Italien und Fernost "den Markt aktiv bereist" und dort Musterteile präsentiere. Dieser Vorwurf ist jedoch substanzlos. Es kann deshalb lediglich von der vom Kläger in seinem Schriftsatz vom 27. Juli 2004 eingeräumten Tatsache ausgegangen werden, dass er sich "an zwei ihm bekannte Kunden gewandt und mit diesen Ideen zwecks einer zukünftigen Zusammenarbeit besprochen hat. Hierbei hat der Kläger ... Skizzen und Zeichnungen sowie wenige Musterstoffe vorgelegt, um zu erörtern, ob aus den vorhandenen Ideen möglicherweise zukünftig eine Kollektion erwachsen kann" (Seite 3 des Schriftsatzes des Klägers vom 27. Juli 2004). Der Plan, mit einer eigenen Kollektion am Geschäftsleben teilzunehmen, ist jedoch unstreitig nicht über das "Ideenstadium" hinausgelangt, war also eine bloße (zulässige) Vorbereitungshandlung und noch keine Teilnahme am Geschäftsverkehr, zumal mit der "Zusammenarbeit" (eher) die Erreichung eines gemeinsamen Zwecks geplant war und nicht der Austausch von Leistungen zwischen Lieferant und Kunde, also ein Wettbewerbsverhältnis nach der Darstellung des Klägers gar nicht zur Diskussion, jedenfalls nicht im Vordergrund stand. Hielte man die erwähnten weitergehenden Behauptungen der Beklagten für erheblich, so könnten sie die Entscheidung nicht beeinflussen, weil sie nicht unter Beweis gestellt sind; für die tatsächlichen Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung ist die Beklagte beweispflichtig.
Dass bloße Vorbereitungshandlungen grundsätzlich erlaubt sind, ergibt sich daraus, dass Wettbewerbsklauseln gemessen an den Wertungen der Artikel 2, 12 GG restriktiv dahin zu interpretieren sind, dass nur im Falle eines tatsächlichen Vollzugs wettbewerblicher Tätigkeit das die freie Entfaltung und Ausnutzung der beruflichen Tätigkeit des Dienstnehmers durch drohende Unterlassungs-, Schadensersatz-, Gewinnabschöpfungs- oder Eintrittsansprüche sowie die drohende Verwirkung einer Vertragsstraße massiv einschränkende Wettbewerbsverbot durch ein berechtigtes Interesse des Dienstherrn gerechtfertigt ist. Die Grenze ist dort zu ziehen, wo die bloße Vorbereitung einschließlich der Beschaffung der sachlichen Voraussetzungen in den Beginn der aktiven Geschäftstätigkeit übergeht, wie etwa bei der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen (OLG Oldenburg NZG 2000, 1038, 1039). Das ist hier jedoch mangels einer wettbewerbsrechtlich bedeutsamen Geschäftstätigkeit des Klägers noch nicht der Fall gewesen. Im Übrigen muss insoweit unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Zumutbarkeit (s. o.) auch berücksichtigt werden, dass der Anstellungsvertrag im Hinblick auf die ordentliche Kündigung vom 6. Februar 2004 ohnehin am 30. Juni 2004 endete.
Die Betätigung als Gesellschafter der F. ... GmbH ist für den Ausgang des Rechtsstreits unerheblich, weil diese Gesellschaft nicht am Geschäftsverkehr Teil nimmt, also gar nicht in einem Wettbewerbsverhältnis zu der Beklagten steht.
Dass der Kläger auf einem Laptop der Beklagten den Antrag auf Sitzverlegung der F. ... GmbH erstellt und den Beschluss über die Sitzverlegung der Gesellschaft gespeichert hat, kann nach den vorstehenden Ausführungen eine fristlose Kündigung des Anstellungsvertrages offensichtlich nicht rechtfertigen.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die Rechtssache hat keine über den Streit der Parteien hinausgehende Bedeutung.