Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 22.09.2016, Az.: 15 A 610/15

Anlass; anlasslos; Betriebskontrolle; Gebühren; Kosten; Lebensmittelkontrolle; Lebensmittelüberwachung; planmäßig; Regelkontrolle; Routinekontrolle

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
22.09.2016
Aktenzeichen
15 A 610/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43481
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Mitgliedstaaten dürfen Gebühren oder Kostenbeiträge zur Deckung von Kosten erheben, die durch amtliche Kontrollen entstehen.
2. Nationales und europäisches Recht stehen der Erhebung von Kosten für die Durchführung von planmäßigen Routinekontrollen grundsätzlich nicht entgegen.
3. Das Betreiben eines Lebensmitteleinzelhandelsgeschäfts ist kostenrechtlicher Anlass im Sinne des NVwKostG.
4. Derzeit gibt es keinen wirksamen Gebührentarif.
5. Das Gefüge einer Gebührenerhebung nach auf den Jahresumsatz bezogenen Pauschalen für kleinere und mittlere Betriebe führt in der Praxis zu einer nicht beabsichtigten Begünstigung von Großbetrieben und ist damit in sich nicht stimmig.
6. Ohne Gebühr kein Zuschlag für An- und Abfahrten. Im Übrigen ist diese Regelung unklar und damit nicht hinreichend bestimmt.

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Rechtsstreit in Höhe von 0,62 € übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist.

Der Bescheid des Beklagten vom 05.01.2015 wird aufgehoben, soweit die Kostenfestsetzung den Betrag von 1,20 € übersteigt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Kosten für eine planmäßige Routinekontrolle nach lebensmittelrechtlichen Vorschriften.

Die Klägerin betreibt unter anderem den Lebensmittelmarkt D. in Nienburg (Weser). Am 17.12.2014 führte ein Mitarbeiter des Beklagten in diesem Betrieb eine planmäßige Routinekontrolle durch. Für die An- und Abfahrt nutzte er sein Privatfahrzeug. Die Kosten hierfür wurden ihm von dem Beklagten erstattet. Bei der Routinekontrolle wurden Mängel festgestellt, die zu einer mündlichen Belehrung führten, aber eine Nachkontrolle nicht notwendig machten. Im Rahmen der Kontrolle wurde der Marktleiterin ein Selbstauskunftsformular zur Ermittlung des Jahresumsatzes übergeben mit der Bitte, dieses ausgefüllt zurückzusenden. Die Klägerin lehnte die geforderten Angaben zur Umsatzhöhe mit Schreiben vom 15.01.2015 mit der Begründung ab, sie sei rechtlich nicht verpflichtet, diese Selbstauskunft zu erteilen.

Bereits mit Bescheid vom 05.01.2015 hatte der Beklagte für die Kontrolle nachfolgende Kosten festgesetzt:

Forderungsart

Grund 

Betrag

Gebühr

Kontrolle nach § 39 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches - LFGB -
Betrieb mit einem Jahresumsatz von
mehr als 250.000,00 €
Dauer: 55 Minuten
(je angefangene 15 Minuten 11,50 €,
Mindestgebühr jedoch 25,00 €)

46,00 €

Gebühr

Zeitaufwand für die An- und Abfahrt
für die Betriebskontrolle
Dauer: 10 Minuten
(je angefangene 15 Minuten 18,00 €, anteilig)

12,00 €

Auslagen

Fahrtkosten
4 km (zu je 0,30 €, anteilig)

1,20 €

Auslagen

Auslagen für die Zustellung

0,62 €

Gesamt

59,82 €

Der Beklagte stützte sich dabei auf §§ 1 bis 9 und 13 NVwKostG, §§ 1 und 3 Abs. 2 der Gebührenordnung für die Verwaltung im Bereich des Verbraucherschutzes und des Veterinärwesens vom 29.11.2014 - GOVV - sowie auf Nr. VI.2.4.2.3 der Anlage zu § 1 GOVV.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Klägerin mit ihrer am 29.01.2015 erhobenen Klage. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, der Gebührenbescheid sei verfahrensfehlerhaft erlassen worden. Eine Anhörung, insbesondere zu ihrem Umsatz, sei nicht erfolgt. Die Verletzung dieser Verfahrensvorschriften sei auch nicht gemäß § 46 VwVfG i.V.m. § 1 NVwVfG unbeachtlich, weil deren Einhaltung zu einem Gebührensatz auf Grundlage einer anderen Gebührennummer oder sogar zu einem generellen Absehen von der Gebührenfestsetzung hätte führen können. Schließlich fehle dem Gebührenbescheid jegliche Begründung. Für die Festsetzung der Gebühren und Auslagen fehle es an einer tauglichen Ermächtigungsgrundlage. Nach dem Nds. Verwaltungskostengesetz könnten für Amtshandlungen nur dann Kosten erhoben werden, wenn die Beteiligten Anlass zu einer (rechtmäßigen) Amtshandlung gegeben hätten. Sie, die Klägerin, habe aber keinen Anlass zur Durchführung der Routinekontrolle gegeben. Es entspreche der überkommenen und einhelligen Ansicht in der niedersächsischen Verwaltungsgerichtspraxis, dass nur lebensmittelaufsichtsrechtliche Amtshandlungen aus besonderem Anlass zu einer Gebührenpflicht führen könnten. Dieser Grundsatz sei vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht noch gemäß des seinerzeit geltenden § 46a LMBG entwickelt und von den Verwaltungsgerichten nach den inzwischen geltenden Vorschriften des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs unverändert fortgeschrieben worden. Die Gebührenerhebung für anlasslose Routinekontrollen sei nicht mit dem gewandelten Gebührenbegriff in Einklang zu bringen, wie er auch im Jahre 2013 Eingang in das Bundesgebührengesetz gefunden habe. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seien Gebühren öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die aus Anlass einer individuell zurechenbaren, besonderen öffentlichen Leistung gesetzlich auferlegt würden. Gemäß § 3 Abs. 2 BGebG sei aber nur eine solche Leistung individuell zurechenbar, die beantragt oder sonst willentlich in Anspruch genommen werde (Nr. 1), die zugunsten des von der Leistung Betroffenen erbracht werde (Nr. 2), die durch den von der Leistung Betroffenen veranlasst worden sei (Nr. 3) oder bei der ein Anknüpfungspunkt im Pflichtenkreis des von der Leistung Betroffenen rechtlich begründet sei. Für Stichprobenkontrollen gelte dies nur, soweit diese nach anderen Gesetzen des Bundes oder Rechtsakten der Europäischen Union besonders angeordnet seien und von dem Gegenstand der Kontrolle eine erhebliche Gefahr ausgehe (Nr. 4). Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Allenfalls käme die Nr. 4 in Betracht, da die Einhaltung und Überwachung der Lebensmittelsicherheit zu dem eigenen Pflichtenkreis von Lebensmitteleinzelhändlern gehöre. Diesen Pflichten komme sie nach. Per Gesetz sei den Lebensmittelunternehmen die Eigenverantwortung für die Einhaltung der Anforderungen des Lebensmittelrechts übertragen worden durch Art. 17 VO (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.01.2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (BasisVO). Der Gesetzgeber habe also gerade angeordnet, dass die Lebensmittelunternehmer selbst über Eigenkontrollsysteme verfügen müssten. Es handele sich hier dem gesamten Ablauf nach um eine Stichprobenkontrolle, die nicht konkret durch das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch oder lebensmittelrechtliche Regelungen der Europäischen Union angeordnet sei. Eine erhebliche Gefahr sei aufgrund des Eigenkontrollsystems von dem Markt nicht ausgegangen. Es bestünden mit Blick auf die Voraussehbarkeitsformel des Bundesverfassungsgerichts bereits Zweifel an der Bestimmtheit von §§ 1 Abs. 1 S. 1, 3 Abs. 1 NVwKostG. Jedenfalls verstießen aber die Regelungen des § 1 Nr. 1 lit. a) i.V.m. Nr. VI.2.4.2.3 der Anlage zu § 1 und des § 3 Abs. 2 GOVV gegen das Bestimmtheitsgebot. Ein Tatbestand innerhalb einer Gebührenverordnung, der jede beliebige Amtshandlung in einem Verwaltungsbereich erfasse, genüge nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zur seinerzeit geltenden Gebührenordnung für die Veterinärverwaltung nicht den gesetzlichen Anforderungen. Ein generalklauselartiger Auffangtatbestand, in dem ein sehr weiter Gebührenrahmen für nicht näher konkretisierte Amtshandlungen vorgesehen sei, genüge nach dieser Rechtsprechung dem Bestimmtheitsgebot nicht. Die dort gerügte Unbestimmtheit bestehe auch im vorliegenden Fall. Die Nr. VI.2.4.2.3 lege lediglich fest, dass eine Gebühr nach Zeitaufwand, jedoch mindestens 25,00 € anzusetzen sei. Weder werde der obere Rahmen des Gebührenansatzes bestimmt, noch würden die Grundlagen der gebührenrechtlichen Bewertung des Zeitaufwandes festgelegt. Zudem solle der Gebührensatz für jegliche Kontrollen in einem vom Regime der Nr. VI.2.4.1 der Anlage zur GOVV ausgenommenen Betrieb im Rahmen der Überwachung nach § 39 LFGB erfolgen. Die möglichen Unterschiede sowohl im Umfang als auch in der zeitlichen Kontrolldichte durch die Lebensmittelaufsichtsbehörden würden überhaupt nicht abgebildet. Es sei damit schlicht unmöglich, den zu erwartenden Gebührenrahmen auch nur annähernd abzuschätzen. Die durch die aktuelle Gebührenordnung für die Verwaltung im Bereich des Verbraucherschutzes und des Veterinärwesens im Kostentarif vorgesehene (zwingende) Gebührenfestsetzung für anlasslose Kontrollen sei zudem unverhältnismäßig. Sie ermögliche Kontrollbesuche in weit über das erforderliche Maß hinausgehendem Umfang und damit die vollständige Auferlegung der Kosten einer überbordenden Aufsicht. Es seien keinerlei Beschränkungen der turnusmäßigen Häufigkeit vorgesehen. Zudem könne die Lebensmittelaufsicht zukünftig auch in unbegrenztem Umfang ohne jegliches Verdachtsmoment kostenpflichtig Proben durch das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) untersuchen lassen. Diese Kosten könnten pro Analyse schnell vierstellige Summen erreichen. Die Gebührenfestsetzung sei auch bezogen auf den konkreten Fall unverhältnismäßig. Sie sei in der konkreten Höhe weder geeignet, noch erforderlich oder angemessen. Die nunmehr regelmäßig zu erwartende Kostenbelastung mit der Höhe nach nicht abzuschätzenden Gebühren für Routinekontrollen treffe den Gebührenpflichtigen in unangemessener Weise finanziell. Der betroffene Lebensmittelmarkt sei in den vergangenen Jahren regelmäßig von der Beklagten kontrolliert worden, ohne dass es zu Beanstandungen gekommen sei. Die Kostenerhebungspraxis für routinemäßige, d.h. ohne Veranlassung des untersuchten Betriebs durchgeführte Überprüfungen sei verfassungsrechtlich bedenklich und als zusätzliche Überbürdung der Kostenlast unverhältnismäßig. Sie verletze die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) sowie das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 GG).

Nachdem der Beklagte den angefochtenen Bescheid in Höhe von 0,62 €, soweit damit Auslagen für Zustellung erhoben worden sind, aufgehoben hat, haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 05.01.2015 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Bescheid. Ergänzend führt er aus, es sei unerheblich, ob der Kostenschuldner die Amtshandlung direkt veranlasst habe, oder ob, wie hier, lediglich seine Tätigkeit zu der Amtshandlung geführt habe. Der Gesetzgeber sehe ausdrücklich planmäßige Routinekontrollen vor. Das Eigenkontrollsystem der Klägerin habe auf diese Kontrollen durch die staatliche Lebensmittelüberwachung keinen Einfluss. Anlass für die Routinekontrollen sei die unternehmerische Tätigkeit im Lebensmittelbereich als solche.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem Verfahren sowie in den Parallelverfahren 15 A 1932/15 und 15 A 2238/15 und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.

Die im Übrigen weitergeführte Klage ist zulässig und im Wesentlichen begründet. Die Gebührenerhebung ist rechtswidrig, denn insoweit fehlt es an einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage. Zwar können grundsätzlich Gebühren für die Durchführung von planmäßigen Routinekontrollen nach § 39 LFGB erhoben werden. Die Gebührennummer VI.2.4.2 der Anlage zu § 1 GOVV ist jedoch rechtswidrig, weil die Staffelung in sich nicht stimmig ist. Daher können auf dieser Rechtsgrundlage keine Gebühren erhoben werden. Auch die Erhebung eines Zuschlags zu dieser Gebühr für die An- und Abfahrt gemäß § 3 Abs. 2 GOVV ist damit unzulässig. Die Festsetzung von Auslagen ist hingegen rechtlich nicht zu beanstanden und nur insoweit verletzt der angefochtene Bescheid die Klägerin nicht in ihren Rechten. Im Übrigen ist er aufzuheben.

Der streitgegenständliche, geänderte Bescheid vom 05.01.2015 ist in formeller Hinsicht rechtmäßig. Ausweislich des Verwaltungsvorgangs ist die Klägerin schon am Tag der Kontrolle durch die Aushändigung des Selbstauskunftsformular zur Umsatzhöhe angehört worden (§ 28 VwVfG i.V.m. § 1 NVwVfG). Schon hieraus ergibt sich, dass die Klägerin über die beabsichtigte Kostenerhebung informiert wurde und Gelegenheit erhielt, sich dazu zu äußern. Dass sie die Auskunft über ihren Jahresumsatz erst nach Erlass des Bescheides mit Schreiben vom 15.01.2015 verweigert hat und dass auch der Beklagte eine Verpflichtung zu der Auskunft nicht annimmt, ändert daran nichts. Der Bescheid ist auch ausreichend begründet. Gemäß § 39 Abs. 1 S. 2 VwVfG i.V.m. § 1 NVwVfG sind in der Begründung eines Verwaltungsaktes die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung muss dabei auf alle für die Entscheidung wesentlichen Fragen eingehen und aus sich heraus verständlich sein. Dazu gehört grundsätzlich auch die Angabe der Rechtsgrundlage der Entscheidung, jedenfalls dann, wenn die Betroffenen und die Gerichte sonst darüber im Unklaren gelassen würden (Kopp/Raumsauer, VwVfG, 15. Aufl., § 39 Rn. 18). Diesen Anforderungen genügt der Bescheid, weil erkennbar ist, wann und wo welche Art von Kontrolle durchgeführt worden ist (Seite 1 des Bescheids), auf welcher Rechtsgrundlage die Kostenerhebung beruht (Seite 2 des Bescheids) und wie diese Kosten sich konkret errechnen (Tabelle auf Seite 1 des Bescheids).

Gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 NVwKostG werden für Amtshandlungen nach diesem Gesetz Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben, wenn die Beteiligten zu der Amtshandlung Anlass gegeben haben. Entgegen der Ansicht der Klägerin hat sie Anlass zu der Routinekontrolle gegeben. Schon der bloße Betrieb eines Lebensmittelmarktes ist ausreichender Anlass für die Amtshandlung einer lebensmittelrechtlichen Routinekontrolle. Eine Kostenerhebung in Form von Gebühren und Auslagen im Fall von anlasslosen Kontrollen liegt danach hier gerade nicht vor. Veranlasser im kostenrechtlichen Sinne ist nicht nur, wer die Amtshandlung willentlich herbeiführt, sondern auch derjenige, in dessen Pflichtenkreis sie erfolgt (BVerwG, Urteil vom 22.08.2012 - 6 C 27.11 -, BeckRS 2012, 59705 = juris Rn. 32, m.w.N.). In der individuellen Zurechenbarkeit liegt die Rechtfertigung dafür, dass die Amtshandlung nicht aus allgemeinen Steuermitteln, sondern ganz oder teilweise zulasten des Kostenschuldners über Sonderlasten finanziert wird (BVerwG, Urteil vom 22.08.2012, a.a.O, m.w.N.). Aus diesem Verständnis des Veranlasserbegriffs folgt, dass das Betreiben eines Lebensmitteleinzelhandelsunternehmens per se Anlass zur Durchführung von planmäßigen Routinekontrollen gibt. Der Lebensmittelunternehmer setzt mit dem Betrieb des Marktes an sich die Ursache, die unmittelbar zu einer Kontrolltätigkeit der zuständigen Behörden führt. Dies ergibt sich schon aus Art. 3 VO (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz, wonach die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass regelmäßig, auf Risikobasis und mit angemessener Häufigkeit amtliche Kontrollen durchgeführt werden, damit die Ziele dieser Verordnung erreicht werden. Ziel der Verordnung ist ausweislich des Erwägungsgrundes 1, dass Futter- und Lebensmittel sicher und bekömmlich sein sollen. Aus Erwägungsgrund 12 ergibt sich, dass die amtlichen Kontrollen unter Anwendung geeigneter, eigens hierfür entwickelter Methoden, „einschließlich Routinekontrollen“ durchgeführt werden sollten. Die amtlichen Kontrollen sollten regelmäßig durchgeführt werden, ihre Häufigkeit sollte sich nach der jeweiligen Risikolage unter Berücksichtigung der Eigenkontrollsysteme der Unternehmen richten (Erwägungsgrund 13). Auch gemäß § 39 Abs. 1 LFGB ist die Überwachung der Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften Aufgabe der zuständigen Behörden. Dazu haben sie sich durch regelmäßige Überprüfungen und Probennahmen davon zu überzeugen, dass die Vorschriften eingehalten werden.

Die von der Klägerseite gegen die ihr zugeschriebene Veranlassung der Routinekontrolle vorgebrachte Argumentation überzeugt insgesamt nicht. Entgegen der klägerischen Auffassung führt auch das Verwaltungsgericht  Oldenburg in seiner Entscheidung vom 27.02.2009 aus, den Anlass für eine lebensmittelrechtliche Probenentnahme und Untersuchung gebe, wer das untersuchte Produkt in Verkehr bringe, denn er schaffe dadurch den Tatbestand, der eine lebensmittelrechtliche Überwachung erforderlich mache (Urteil vom 27.02.2009 - 7 A 5297/06 -, juris Rn. 26 f.). Die von der Klägerin vorgetragene Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, dass nach der damaligen Rechtslage nur lebensmittelaufsichtsrechtliche Amtshandlungen aus besonderem Anlass eine Gebührenpflicht auslösen, wurde damit gerade nicht unverändert fortgeschrieben. Vielmehr führt schon das Verwaltungsgericht Oldenburg in seiner Entscheidung näher aus, dass § 13 NVwKostG auf die Entnahme und Untersuchung von Proben nach dem dort einschlägigen § 43 LFGB anwendbar sei. Zum früherem Recht sei teilweise die Auffassung vertreten worden, § 46a LMBG sperre als bundesrechtliche Spezialvorschrift die Anwendung des § 13 NVwKostG. Nach anderer Ansicht gelte eine solche Sperrwirkung nur bei „normalen" Routineproben, nicht aber bei „Verdachtsproben" (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 22.05.2002 - 11 LA 100/02 - NVwZ-RR 2002, 834 ff.; Nds. OVG, Beschluss vom 13.07.2000 - 11 L 312/00-, juris; VG Braunschweig, Urteil vom 15. 07.2003 - 5 A 304/02 -, juris; VG Stade, Urteil vom 24.03.2003 - 6 A 1974/00 -, juris). Mit dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch sei dieses Problem entfallen. Anders als das bis zum 06.09.2005 geltende Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz in seinem § 46a, enthalte das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch keine Regelung über die Kostenerhebung für Amtshandlungen der Landesbehörden. Nur für Bundesbehörden werde das Kostenrecht in § 62 LFGB geregelt. Damit komme das Verwaltungskostenrecht der Länder nun im Bereich der Lebensmittelüberwachung uneingeschränkt zur Anwendung (a.a.O. Rn. 22; so auch VG Lüneburg, Urteil vom 06.06.2016 - 6 A 121/15 -, juris Rn. 50).

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem von der Klägerin vorgehaltenen Eigenkontrollsystem. Der europäische Gesetzgeber hat gerade ausdrücklich vorgesehen, dass das Eigenkontrollsystem der Unternehmen neben dem System amtlicher Kontrollen steht. Der Hinweis auf Art. 17 VO (EG) Nr. 178/2002 beschreibt nur die in Abs. 1 geregelte Hauptverantwortung der Lebensmittelunternehmen und geht auf Absatz 2 dieser Vorschrift nicht ein, der lautet: „Die Mitgliedstaaten setzen das Lebensmittelrecht durch und überwachen und überprüfen, dass die entsprechenden Anforderungen des Lebensmittelrechts von den Lebensmittel- und Futtermittelunternehmern in allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen eingehalten werden. Hierzu betreiben sie ein System amtlicher Kontrollen und führen andere den Umständen angemessene Maßnahmen durch (…).“ Auch aus Art. 1 Abs. 4 VO (EG) Nr. 882/2004 ergibt sich, dass die Durchführung der amtlichen Kontrollen gemäß dieser Verordnung unbeschadet der primären rechtlichen Verantwortung der Futtermittel- und Lebensmittelunternehmer für die Gewährleistung der Futtermittel- und Lebensmittelsicherheit nach der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und unbeschadet der zivil- oder strafrechtlichen Haftung aufgrund eines Pflichtverstoßes erfolgt.

Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Verwaltungsgerichts Darmstadt (Urteil vom 04.03.2013 - 4 K 955/10.DA -, juris Rn. 24 f.), auf die die Klägerseite Bezug nimmt, teilt die erkennende Kammer schon im Ausgangspunkt nicht, denn nach Auffassung der Kammer sind Routinekontrollen in Lebensmittelbetrieben gerade nicht als ohne Veranlassung des untersuchten Betriebes durchgeführte Kontrollen zu bewerten.

Nach alledem sind die Ausführungen der Klägerin dazu, dass eine taugliche Rechtsgrundlage für einen Gebührentatbestand bei anlasslosen Kontrollen nicht bestehe, sowie diejenigen zum Gebührenbegriff, der seine Ausprägung im Bundesgebührengesetz gefunden habe, in der vorliegenden Konstellation unerheblich. Damit kommt auch die von der Klägerin aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Gebührenbegriff sowie dem Bundesgebührengesetz abgeleitete Differenzierung zwischen periodischen Regeluntersuchungen und Stichprobenuntersuchungen nicht zum Tragen. Sowohl die von der Klägerin aus dem Bundesgebührengesetz abgeleiteten Grundsätze als auch die von ihr zitierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, sehen vor, dass Gebühren jedenfalls dann erhoben werden können, wenn der Betroffene - wie hier nach dem Verständnis der Kammer - Anlass zu einer Amtshandlung gegeben hat.

Der angefochtene Bescheid ist teilweise rechtswidrig, weil die Gebührennummer VI.2.4.2 der Anlage zu § 1 GOVV, auf deren Grundlage die Gebühren erhoben worden sind, mit dem hier einschlägigen höherrangigen Recht nicht vereinbar und unwirksam ist.

Grundsätzlich darf der Verordnungsgeber allerdings gemäß §§ 1, 3 und 13 NVwKostG i.V.m. Art. 27 VO (EG) Nr. 882/2004 regeln, dass Kosten für planmäßige Routinekontrollen erhoben werden.

Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der diesen Bereich betreffenden Gebührenregelungen der GOVV ist § 3 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 5 S. 2 NVwKostG i.V.m. Art. 27 VO (EG) Nr. 882/2004.

Gemäß § 3 Abs. 1 NVwKostG sind die einzelnen Amtshandlungen, für die Gebühren erhoben werden sollen und die Höhe der Gebühren in Gebührenordnungen zu bestimmen. Die zuständigen Ministerien werden in § 3 Abs. 5 S. 2 NVwKostG ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Finanzministerium für bestimmte Verwaltungsbereiche besondere Gebührenordnungen zu erlassen, soweit eine Regelung in der Allgemeinen Gebührenordnung nicht erfolgt. Enthält ein Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaft Vorschriften zu Gebühren, so sind diese in den Gebührenordnungen nach Maßgabe des Rechtsaktes, und soweit dieser es zulässt, ergänzend nach Maßgabe des Absatzes 2 festzusetzen (§ 3 Abs. 3 NVwKostG). Nach Absatz 2 der Vorschrift sollen die Gebühren den durchschnittlichen Aufwand der an der Amtshandlung beteiligten Stellen decken.

Da die Festsetzung von Gebühren eine belastende Regelung ist, gilt für ihre Normierung der Vorbehalt des Gesetzes. Jedoch kann auch eine Rechtsverordnung eine Gebührenregelung schaffen, sofern sie auf einer verfassungsrechtlich einwandfreien Ermächtigung durch förmliches Gesetz beruht. Wenn der Gesetzgeber die Ausgestaltung einer Gebührenordnung delegieren will, so muss er die Tendenz und das Ausmaß der zu treffenden Regelung soweit selbst bestimmen, dass der mögliche Inhalt der zu erlassenden Verordnung voraussehbar ist. Er muss dem Verordnungsgeber die Grenzen zeigen, die er einzuhalten hat. Demnach muss er über den zu regelnden Gegenstand selbst etwas zum Ausdruck gebracht haben (BVerfGE 20, 257, 269f. = BVerfG, Beschluss vom 11.10.1966 - 2 BvR 179/64 -, - 2 BvR 476/64 -, - 2 BvR 477/64, juris Rn. 43). Diesen Anforderungen genügt die Ermächtigungsgrundlage gerade noch, indem sie sich auf Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft zu Gebühren bezieht (§ 3 Abs. 3 NVwKostG). Diese dynamische Verweisung hat zur Folge, dass Gebührenregelungen aus bestehenden oder künftigen Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft in die Gebührenordnungen auf Landesebene direkt übernommen werden können, ohne dass zuvor das Niedersächsische Verwaltungskostengesetz zu ändern ist. Im Zusammenspiel mit den Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft ist der mögliche Inhalt einer zu erlassenden Verordnung - wie hier - auch voraussehbar.

Für den Bereich Lebensmittelüberwachung liegt mit der VO (EG) Nr. 882/2004 ein Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaft vor, der im Sinne von § 3 Abs. 3 NVwKostG Vorschriften zu Gebühren enthält. Diese sind auch hinreichend konkret ausdifferenziert, um den möglichen Verordnungsinhalt voraussehbar zu machen. Insbesondere ist eindeutig, dass auch Routinekontrollen nach dieser Verordnung mit Gebühren belegt werden können. Nach Art. 3 VO (EG) Nr. 882/2004 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass regelmäßig, auf Risikobasis und mit angemessener Häufigkeit amtliche Kontrollen durchgeführt werden, damit die Ziele dieser Verordnung erreicht werden. Aus Erwägungsgrund 12 ergibt sich, dass die amtlichen Kontrollen unter Anwendung geeigneter, eigens hierfür entwickelter Methoden, „einschließlich Routinekontrollen“ durchgeführt werden sollten. Die Begriffsbestimmung Nr. 1 der VO (EG) Nr. 882/2004 legt fest, dass eine „amtliche Kontrolle“ jede Form der Kontrolle ist, die von der zuständigen Behörde oder der Gemeinschaft zur Verifizierung der Einhaltung des Futtermittel- und Lebensmittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz durchgeführt wird. Damit ist auch die Routinekontrolle eine amtliche Kontrolle im Sinne der VO (EG) Nr. 882/2004. Hinsichtlich der Finanzierung der amtlichen Kontrollen stellt Art. 26 VO (EG) Nr. 882/2004 den allgemeinen Grundsatz auf, nach dem die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass angemessene finanzielle Mittel für die nach dieser Verordnung vorgesehenen amtlichen Kontrollen verfügbar sind, und zwar aus beliebigen Mitteln, die sie für angemessen halten, einschließlich einer allgemeinen Besteuerung oder der Einführung von Gebühren oder Kostenbeiträgen, damit die erforderlichen personellen und sonstigen Mittel bereitgestellt werden können. Gemäß Art. 27 Abs. 1 VO (EG) Nr. 882/2004 können sie Gebühren oder Kostenbeiträge zur Deckung der Kosten erheben, die „durch die amtlichen Kontrollen entstehen“. Folglich können die Mitgliedsstaaten nach der VO (EG) Nr. 882/2004 auch die in Erwägungsgrund 12 beispielhaft genannten Routinekontrollen mit einer Gebühr belegen. Gemäß § 38 Abs. 1 LFGB richtet sich die Zuständigkeit für die Überwachungsmaßnahmen nach diesem Gesetz, den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen und den unmittelbar geltenden Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich dieses Gesetzes nach Landesrecht, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat am 29.11.2014 im Einvernehmen mit dem Niedersächsischen Finanzministerium die GOVV verordnet (Nds. GVBl. S. 318), die in Nr. VI.2.4.2. der Anlage zu § 1 GOVV eben solche Gebühren für planmäßige Routinekontrollen vorsieht.

Die konkrete Ausgestaltung der Gebührenstaffel ist jedoch mit den vom Verordnungsgeber angewendeten Vorgaben von Art. 27 Abs. 5 VO (EG) Nr. 882/2004 nicht in Einklang zu bringen und deshalb rechtswidrig.

Aus Art. 27 Abs. 4 VO (EG) Nr. 882/2004 ergibt sich zunächst, dass die zum Zwecke von amtlichen Kontrollen erhobenen Gebühren nicht höher sein dürfen, als die von den zuständigen Behörden getragenen Kosten in Bezug auf die Ausgaben gemäß Anhang VI. Dies sind Löhne und Gehälter des für die amtlichen Kontrollen eingesetzten Personals, Kosten für das für die amtlichen Kontrollen eingesetzte Personal, einschließlich der Kosten für Anlagen, Hilfsmittel, Ausrüstung und Schulung sowie der Reise- und Nebenkosten und Kosten für Probenahme und Laboruntersuchung. Bei der Festsetzung der Gebühren berücksichtigen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 27 Abs. 5 VO (EG) Nr. 882/2004:

a) die Art des betroffenen Unternehmens und die entsprechenden Risikofaktoren;

b) die Interessen der Unternehmen mit geringem Durchsatz;

c) die traditionellen Methoden der Produktion, der Verarbeitung und des Vertriebs;

d) die Erfordernisse von Unternehmen in Regionen in schwieriger geografischer Lage.

Aus § 27 Abs. 6 VO (EG) Nr. 882/2004 lässt sich ableiten, dass die Berücksichtigung dieser Aspekte fakultativ ist („wenn sie den in Absatz 5 Buchstaben b) bis d) genannten Kriterien Rechnung tragen wollen“).

Gemäß § 1 Nr. 1 lit. a) GOVV sind Kosten für Amtshandlungen und Leistungen der Verwaltung im Bereich des Verbraucherschutzes und des Veterinärwesens, insbesondere zum Lebensmittelrecht nach dem Kostentarif (Anlage) zu erheben. Die Gebühren für Kontrollen im Bereich des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs sind in Nr. VI.2.4 der Anlage zur GOVV geregelt. Hinsichtlich der Überwachung nach § 39 LFGB wird unterschieden zwischen nach Art. 31 Abs. 2 lit. c) VO (EG) Nr. 882/2004 zugelassenen Betrieben (Nr. VI.2.4.1) und sonstigen Betrieben mit Ausnahme von Futtermittelunternehmen (Nr. VI.2.4.2). Innerhalb der hier einschlägigen Nr. VI.2.4.2 ist eine Staffelung der Gebühren nach dem Jahresumsatz der betroffenen Unternehmen vorgesehen. Bei Betrieben mit einem Jahresumsatz von nicht mehr als 125.000,00 € beträgt die Gebühr  für die erste Gruppe pauschal 43,00 € (Nr. VI.2.4.2.1). Bei der zweiten Gruppe, Betrieben mit einem Jahresumsatz von mehr als 125.000,00 € und nicht mehr als 250.000,00 €, beträgt die Gebühr pauschal 66,00 € (Nr. VI.2.4.2.2). Im Übrigen und damit für eine dritte Gruppe wird die Gebühr nach Zeitaufwand berechnet, sie beträgt jedoch mindestens 25,00 € (Nr. VI.2.4.3). Die Höhe der nach Zeitaufwand zu erhebenden Gebühr richtet sich nach § 1 Abs. 4 S. 5 Nr. 2 lit. b) der Verordnung über die Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen und Leistungen - AllGO - in der zum Zeitpunkt der Gebührenerhebung gültigen Fassung.

In die dritte Gruppe fallen nach dem Wortlaut und dem Aufbau der Staffelung alle anderen Betriebe. Dass mit „Im Übrigen“ Betriebe mit einem Jahresumsatz von mehr als 250.000,00 € gemeint sind, ergibt sich direkt aus diesem Aufbau. Zunächst werden dort die kleineren Betriebe nach aufsteigenden Umsätzen vollständig bis 250.000 € Jahresumsatz erfasst, dann folgt die Gebührennummer „Im Übrigen.“ Nach dem Wortlaut wird nicht darauf abgestellt, ob die Betriebe einen Jahresumsatz bis 250.000 € angegeben haben, sondern ob sie diesen Umsatz der ersten beiden Stufen erzielt haben. Die Umsatzhöhe kann nur als objektives Kriterium verstanden werden. Diese Auslegung ergibt sich auch aus dem Kontext. Die Staffelung berücksichtigt ersichtlich den in Art. 27 Abs. 5 lit. b) VO (EG) Nr. 882/2004 genannten Aspekt, nämlich die Interessen der Unternehmen mit geringem Durchsatz, indem für sie eine Abrechnung nach Pauschalbeträgen in Relation zum Umsatz bis 250.000,00 € vorgesehen ist. Eine „Spitzabrechnung“ nach Zeitaufwand je angefangene Viertelstunde zuzüglich der Aufwendungen für An- und Abfahrt, Reisekosten und sämtliche innerdienstliche Tätigkeiten ist nur für die dritte Staffel „Im Übrigen“ vorgesehen.

Diese Struktur des Gebührentarifs wirkt sich jedoch in etlichen Fällen negativ für die eigentlich zu begünstigenden Betriebe mit geringerem Umsatz aus. Auffällig ist bereits, dass im vorliegenden Verfahren nach der Gebührennummer VI.2.4.2.3 Gesamtkosten von 59,82 € erhoben wurden und damit der „spitz“ errechnete Gesamtbetrag unter dem Pauschalbetrag der Gebührennummer VI.2.4.2.2 (66,00 €) liegt, der für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 125.000,00 € und nicht mehr als 250.000,00 € vorgesehen ist. Hierbei handelt es sich nicht um einen Einzelfall. Dies zeigt bereits die in der mündlichen Verhandlung erörterte Auswertung der bei der Kammer anhängigen Verfahren, in denen die auch hier umstrittenen Kosten von Routinekontrollen in Lebensmitteleinzelhandelsgeschäften als Fall der dritten Gruppe nach „spitzer“ Abrechnung festgesetzt wurden. Danach liegt ein hoher Anteil der „spitz“ berechneten Gebühren zum Teil deutlich unter dem Pauschalbetrag der Gebührennummer VI.2.4.2.2 (66,00 €). Auch wenn diese „Stichprobe“ nicht repräsentativ ist, zeigt sich doch, dass hierin ein strukturelles Defizit der Gebührenstaffelung liegt. Durch den geringen Mindestbetrag von 25,00 € in der Gebührenstaffel „Im Übrigen“ kommt es immer dann zu einer Besserstellung bei Abrechnung nach der Tarifnummer VI.2.4.2.3 gegenüber der Nr. VI.2.4.2.2, wenn die Kontrollzeit sich in einem gewissen Rahmen hält und der kontrollierte Betrieb in der Nähe der zuständigen Behörde liegt. Die Stichprobe hat auch gezeigt, dass die Kontrollzeiten sich in solchen Fällen in der Regel zwischen einer und vier Viertelstunden bewegen. Die in der Nummer VI.2.4.2.3 für die Gebühr zusätzlich abrechenbaren Kosten für An- und Abfahrt, Reisekosten und innerdienstliche Tätigkeiten gleichen deshalb die erhebliche Differenz zwischen dem Mindestbetrag von 25,00 € und der unteren und mittleren Staffel mit 43,00 € bzw. 66,00 € bei durchschnittlicher Kontrollzeit und geografischer Nähe zur Behörde nicht aus. Ein Betrieb mit einem Jahresumsatz von mehr als 250.000,00 €, der von der kontrollierenden Behörde fünf Kilometer entfernt liegt, würde bei einer halbstündigen Kontrolle einschließlich Vor- und Nachbereitungszeit beispielsweise lediglich 44,00 € zahlen und damit deutlich unter der mittleren und nah an der ersten Staffel liegen (Zeitaufwand: 2 x 11,50 € = 23,00 €, 2 x 5 x 0,30 € = 3,00 € sowie 15 Min. Fahrzeit = 18,00 € Gesamtergebnis: 44,00 €). Aus den anhängigen Verfahren ist gerichtsbekannt, dass es Betriebe aus der dritten Fallgruppe gibt, für deren Kontrolle nur der Mindestbetrag von 25,00 € festgesetzt worden ist. Im Ergebnis folgt daraus, dass Betriebe mit einem geringeren Umsatz bei kurzer Kontrollzeit höhere Gebühren zahlen, als umsatzstärkere Betriebe, die in der Nähe der zuständigen Behörde liegen. Dies verfehlt das von Art. 27 Abs. 5 VO (EG) Nr. 882/2004 vorgegebene Kriterium der Berücksichtigung von Interessen der Unternehmen mit geringem Durchsatz.

Die Gebührennummer VI.2.4.2 erweist sich damit als in sich nicht stimmig. Sie ist deshalb insgesamt rechtswidrig und unwirksam. Gebühren können auf dieser Grundlage nicht erhoben werden.

Der angefochtene Bescheid ist auch darüber hinaus in Bezug auf den Zuschlag für An- und Abfahrt in Höhe von 12,00 € rechtswidrig, weil nach dem Wegfall der Gebühr Nr. VI.2.4.2 der Anlage 1 zu § 1 GOVV keine Gebühr vorhanden ist, zu der der „Zuschlag zu dieser Gebühr“ gemäß § 3 Abs. 2 GOVV erhoben werden kann.

Zudem genügt - selbstständig tragend - § 3 Abs. 2 GOVV nicht dem Bestimmtheitserfordernis, sodass auch mit dieser Regelung schon keine taugliche Rechtsgrundlage für den genannten Zuschlag vorhanden ist.

§ 3 Abs. 2 S. 1 GOVV bestimmt ausdrücklich, dass sich „die Gebühr um einen Zuschlag auch für An- und Abfahrten“ erhöht. Es handelt sich dadurch nicht um einen eigenständigen Gebührentatbestand, sondern lediglich um eine Erhöhung der Gebühr. Ohne die Gebühr kann es dem Wortlaut nach bereits keinen Zuschlag zu ihr geben.

Wäre dies anders zu beurteilen, müsste die Regelung als widersprüchlich gegenüber den in § 2 S. 4 und 5 GOVV bestimmten Bemessungsgrundsätzen für eine Abrechnung nach Zeitaufwand angesehen werden. Danach ist als erforderlicher Zeitaufwand die Zeit anzusetzen, die unter regelmäßigen Verhältnissen von einer entsprechend ausgebildeten Fachkraft benötigt wird, und die entsprechende Anwendung von § 1 Abs. 4 S. 5 AllGO vorgeschrieben. Die Lebensmittelkontrollen werden durch Beschäftigte des „mittleren Dienstes“ vorgenommen. Daher ist § 1 Abs. 4 S. 5 Nr. 3 lit. b) AllGO einschlägig, der im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses einen Viertelstundensatz von 11,50 € vorsah. § 3 Abs. 2 GOVV dagegen sah seinerzeit und sieht weiterhin einen Viertelstundensatz von 18,00 € vor, der den bei der Kontrolle anzuwendenden Viertelstundensatz von 11,50 € um mehr als ein Drittel deutlich überschreitet. § 3 Abs. 2 S. 3 GOVV regelt, dass die Höhe des Zuschlags 18,00 € je angefangene Viertelstunde, höchstens jedoch 72,00 € insgesamt beträgt. Diese Differenz wird auch durch die genannte Deckelung nicht aufgewogen, zumal dieser Höchstbetrag für An- und Abfahrt erst bei einer Entfernung des Lebensmittelunternehmens zur Behörde von mehr als 120 Kilometern (120 x 0,3 € x 2 = 72 €) überschritten wird. Da § 3 Abs. 2 GOVV von § 2 S. 5 GOVV i.V.m. § 1 Abs. 4 S. 5 AllGO abweicht, verlässt er für den Zeitaufwand das Gebührenregime und muss als eigener pauschaler Festbetrag mit Obergrenze bewertet werden, der nach dem Gesamtgefüge der pauschalierten Kosten für einen Lebensmittelkontrolleur nicht überzeugend abgebildet wird. Es ist auch nicht erklärlich, warum die Kosten für den Kontrolleur während der eigentlichen Kontrolle im Markt, für die er eine spezielle Ausbildung durchlaufen hat, mit 11,50 € pro Viertelstunde berechnet werden, während die Kosten, wenn er „lediglich“ ein Fahrzeug steuert oder sonst seine An- und Abfahrt vornimmt, mit 18,00 € pro angefangener Viertelstunde berechnet werden. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob der Zuschlag hinreichend bestimmbar und berechenbar ist. Auch die aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung zulässige Pauschalierung von Zuschlagssätzen zu einer Gebühr rechtfertigt dies nicht ohne weiteres, wenn diese Regelung für alle Reisenden verschiedener Verwaltungslaufbahnen gilt. Dieser Betrag erklärt sich auch nicht daraus, dass hier pauschal Kosten für Fahrzeuge und Kraftstoff einbezogen wären. Zu bedenken ist dabei, dass Auslagen für die Wegstrecke nach § 13 NVwKostG noch gesondert abgerechnet werden. So sind nach der Anmerkung zu Nr. VI.2.4 die Aufwendungen für An- und Abfahrten, Reisekosten und sämtliche innerdienstliche Tätigkeiten nur bei den Pauschalgebühren zu den Nummern VI.2.4.1.1 und VI.2.4.1.2 abgegolten.

Als eigenständige Regelung lässt sich der Zuschlag in § 3 Abs. 2 S. 2 und 3 GOVV auch nicht rechtssicher berechnen. Er ist deshalb zu unbestimmt. Die Vorgaben lassen verschiedene Auslegungen zu und führen so zu verschiedenen Ergebnissen einerseits im Hinblick auf die Zusammenfassung von mehreren „Zwecken“ bzw. für einen und/oder für mehrere Beschäftigte, für die die Fahrzeiten addiert werden. Insoweit bleibt offen, wie es sich auswirkt, wenn etwa für mehrere Beschäftigte jeweils nur angefangene Viertelstunden als Fahrzeiten angefallen sind. In einem solchen Fall ist unklar, ob für jeden „Zweck“/Beschäftigten dann eine „eigene Viertelstunde“ angebrochen ist oder ob die Gesamtzeit durch 15 Minuten zu teilen ist (Beispiel: 3 Beschäftigte haben jeweils eine Fahrzeit von 5 Minuten. Ergeben sich daraus drei angefangene Viertelstunden oder eine volle Viertelstunde?).

Ebenso unklar ist die Regelung gemäß Satz 4, wonach nur die anteilige Zeit zu berücksichtigen ist. Es stellt sich auch hier die Frage nach einem eindeutigen Rechenweg. Zum einen könnte tatsächlich die anteilige Zeit ins Verhältnis zu 18,00 € gesetzt und dann abgerechnet werden (z.B. 6,00 € je 5 Minuten). Zum anderen könnte bei einer Gesamtfahrtdauer von 30 Minuten bei drei Betrieben für jeden Betrieb anteilig 10 Minuten und damit jeweils eine angebrochene Viertelstunde angesetzt werden. Hier lassen sich bereits theoretisch verschiedene Rechenmodelle denken. Unterstellt die An- und Abfahrt dient drei verschiedenen Zwecken und dauert insgesamt 30 Minuten, wäre denkbar für jeden Zweck jeweils 10 Minuten, wie es der Beklagte hier umgesetzt hat, oder alternativ dreimal eine angebrochene Viertelstunde zu berechnen, wie es in dem heute entschiedenen Parallelverfahren 15 A 2238/15 der Fall war. Im ersten, hier vorliegenden Fall, ergibt sich ein Zuschlagsbetrag von 12,00 € bei einem rechnerischen Anteil von 6,00 € für 5 Minuten. Die Alternativberechnung käme zu einem Zuschlag von jeweils 18,00 €. Im Rahmen der drei vom Gericht entschiedenen Verfahren hat sich gezeigt, dass diese Regelung auch in der Praxis unterschiedlich gehandhabt wird. Dabei wird hier unterstellt, dass ein anderer „Zweck“ unabhängig davon vorliegt, ob verschiedene Kontrollen in einem oder mehreren Betrieben stattfinden oder ob gleichartige Kontrollen in verschiedenen Betrieben durchgeführt werden.

Ähnlich verhält es sich auch mit der in § 3 Abs. 2 S. 4 GOVV vorgesehenen Obergrenze von 72,00 €. Es ist nicht erkennbar, ob diese Deckelung für jeden Betrieb gesondert gilt oder ob die Fahrtkosten für alle besuchten Betriebe insgesamt einen Betrag von 72,00 € nicht übersteigen dürfen.

Ohne dass es für die Entscheidung noch darauf ankäme, hegt das Gericht Zweifel an der Bestimmtheit schließlich insoweit, als die Fahrt „auch einem anderen Zweck dient“. Die Anknüpfung ist nicht eindeutig. Liegt ein anderer Zweck vor, wenn hintereinander mehrere gleichartige Kontrollen nach § 39 LFGB in verschiedenen Betrieben stattfinden oder dient die Fahrt in diesem Falle gerade demselben Zweck und liegt ein anderer Zweck nur dann vor, wenn in einem Betrieb unterschiedliche Kontrollen in einem Termin verbunden werden?

Allein die Erhebung von Verwaltungskosten als Auslagen in Form von Fahrtkosten in Höhe von 1,20 € erweist sich auf der Grundlage von § 13 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 4 und § 5 Abs. 1 S. 1 NVwKostG vorliegend als materiell rechtmäßig. Danach hat der Kostenschuldner Auslagen, die bei der Vornahme einer von ihm veranlassten Amtshandlung notwendig werden, zu erstatten, auch wenn die Amtshandlung gebührenfrei ist. Auslagen können insbesondere Aufwendungen für Dienstreisen und Dienstgänge sein. Die hierbei entstehenden Reisekosten sind auslagenerstattungspflichtig, sofern sie - wie hier - nicht bereits in die Gebühr einbezogen sind (Loeser/Barthel, NVwKostG, Stand: 07/2010, § 13 S. 7, Nr. 3.4). Dabei werden Reisekosten in entsprechender Anwendung des Bundesreisekostengesetzes gewährt. Zu diesen Reisekosten gehören grundsätzlich auch Wegstreckenentschädigungen (vgl. § 5 Abs. 2 BRKG). Erstattungsfähige Auslagen liegen nicht vor, soweit ein Dienstwagen der Behörde genutzt wurde. Erstattungsfähige Auslagen sind nämlich Aufwendungen, die die Behörde zunächst für die Amtshandlung bzw. das Verfahren im Einzelfall als Zahlungen an Dritte geleistet hat (Loeser/Barthel, NVwKostG, Stand: 07/2010, § 13 S. 2, Nr. 1; VGH B-W, Beschluss vom 21.03.2016 - 5 S 2450/12 -, juris Rn. 3). Vorliegend nutzte der Lebensmittelkontrolleur sein Privatfahrzeug. Die dadurch entstandenen Kosten wurden ihm von dem Beklagten erstattet. Der Beklagte durfte diese Aufwendungen auch mit dem angefochtenen Bescheid festsetzen. Die Höhe der Pauschale von 0,30 € je Kilometer entspricht der Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 5 Abs. 2 S. 1 BRKG. Bei einer Wegstrecke von 4 km ergeben sich daher die festgesetzten 1,20 €.

Soweit das Verfahren eingestellt wurde, ist gemäß § 161 Abs. 2 S. 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes über die Kosten zu entscheiden. Im Übrigen folgt die Kostenentscheidung aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 S. 3 VwGO. Der Beklagte trägt die Kosten ganz überwiegend als Unterlegener. Auch für den in der Hauptsache erledigten Teil sind die Kosten dem Beklagten aufzuerlegen. Er hat den Bescheid in Höhe von 0,62 € aufgehoben, nachdem das Gericht darauf hingewiesen hat, dass die Erhebung von Auslagen für normales Porto unzulässig ist. Gemäß § 13 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 3 NVwKostG können Auslagen insbesondere Aufwendungen für Zustellungen sein. Gesondert erhoben werden dürfen jedoch nur die Zustellungskosten (Zustellungsurkunde, eingeschriebener Brief, Empfangsbekenntnis) nicht hingegen das gleichzeitig anfallende normale Porto (Loeser/Barthel, NVwKostG, Stand: 07/2010, § 13 S. 6, Nr. 3.3). Offenkundig handelte es sich bei den hier festgesetzten 0,62 € aber um normales Briefporto. Der Beklagte wäre auch insoweit unterlegen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Die Berufung wird gemäß §§ 124 a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Es ist aus Gründen der Rechtssicherheit klärungsbedürftig, ob die hier streitgegenständliche Gebühr, die in Nr. VI.2.4.2. der Anlage zu § 1 GOVV geregelt ist, rechtmäßig ist. Diesbezüglich ist eine Vielzahl von Verfahren bei den niedersächsischen Verwaltungsgerichten anhängig. Das Verwaltungsgericht Lüneburg hat die streitgegenständliche Gebührennummer als rechtmäßig bestätigt (Urteil vom 06.06.2016 - 6 A 121/15 -, juris). Überdies ist zu dieser Gebührentarifnummer ein Normenkontrollverfahren bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht anhängig.