Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 27.02.2009, Az.: 7 A 5297/06

Auswahlermessen; Inverkehrbringen; Kosten(Lebensmitteluntersuchung); Kostenschuldner; Lebensmittelüberwachung (Untersuchungskosten); Lebensmittelproben (Untersuchungskosten); Veranlasser; Gesamtschuldner (Auswahlermessen)

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
27.02.2009
Aktenzeichen
7 A 5297/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 44487
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2009:0227.7A5297.06.0A

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    § 13 NVwKostG ist jedenfalls seit Inkrafttreten des LFGB auch auf die Kosten anwendbar, die bei der Entnahme und Untersuchung von Lebensmittelproben nach § 43 LFGB entstehen.

  2. 2.

    Kostenschuldner ist dabei jeder, der das untersuchte Lebensmittel in Verkehr gebracht hat. Dies trifft sowohl auf den Hersteller wie auf den Verkäufer zu.

  3. 3.

    In der Regel kann sich der zu den Kosten herangezogene Inverkehrbringer nicht darauf berufen, dass die Behörde ihr Auswahlermessen falsch ausgeübt habe und der andere Inverkehrbringer hätte herangezogen werden müssen (entgegen VG Braunschweig, Urteil vom 15. Juli 2003 - 5 A 304/02 -).

Tatbestand

1

Die Klägerin stellt Milch und Milchprodukte her. Sie wendet sich gegen die Festsetzung von Kosten für die Untersuchung ihrer Produkte.

2

Am 9. Oktober 2006 informierte eine Bürgerin den Beklagten, dass sie in einem -Verbrauchermarkt eine Packung Milch gekauft habe, die seltsam rieche und schmecke. Bei der Milch handelte es sich um ein von der Klägerin hergestelltes Produkt. Am folgenden Tag entnahm ein Mitarbeiter des Beklagten eine Probe aus der von der Verbraucherin gekauften Milchpackung (Planprobe 02 Nr. VEC-560-06 "fettarme Milch") und eine zweite Probe aus einer weiteren Packung, die sich noch im Verbrauchermarkt befand (Planprobe 02 Nr. VEC-561-06 "Milch hocherhitzt teilentrahmt"). Beide Proben wurden zur Untersuchung an das Lebensmittelinstitut in Braunschweig übersandt. Die Untersuchung ergab, dass beide Milchproben mit Terpenen verunreinigt und daher für den Verzehr durch Menschen ungeeignet sind. Das Lebensmittelinstitut stellte dem Beklagten unter dem 1. November 2006 für die Untersuchung der beiden Proben je 328,85 EUR in Rechnung.

3

Mit zwei weit gehend übereinstimmenden Bescheiden vom 10. November 2006 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin jeweils Kosten von 328,85 EUR fest. Die Bescheide wurden am 15. November 2006 mit einfacher Post versandt. Sie tragen dasselbe Aktenzeichen (Az. 39-3929, VEC-0000107H), in ihrem Text wird aber jeweils die Nummer der Planprobe genannt, auf deren Untersuchung sich der jeweilige Bescheid bezieht.

4

Am 16. November 2006 überwies der Beklagte die Untersuchungsgebühren an das Lebensmittelinstitut Braunschweig.

5

Die Klägerin hat am 18. Dezember 2006 Klage erhoben. In der Klageschrift war nur von einem Bescheid mit dem Az. 39-3929, VEC-0000107H die Rede, der angefochten werden soll. Beigefügt war der Bescheid, der die "Planprobe 02 Nr. VEC-561-06" "Milch hocherhitzt teilentrahmt" betrifft. Mit einem am 31. Mai 2007 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz stellte die Klägerin klar, dass sie beide Bescheide, die unter dem 10. November 2006 zu dem vorgenannten Aktenzeichen ergangen sind, anfechten möchte, also auch den weiteren Bescheid betreffend die "Planprobe 02 Nr. VEC-560-06" "fettarme Milch".

6

Zur Begründung ihrer Klage führt sie aus, dass sie nicht Kostenschuldnerin sei, da sie die Untersuchung der Probe nicht veranlasst habe. Sie selbst habe über 70 weitere Proben der betroffenen Charge Milch untersucht und dabei keine sensorischen Abweichungen festgestellt. Die Terpene seien wahrscheinlich wegen einer Lagerfehlers, der nicht im Verantwortungsbereich der Klägerin liege, in die Milch gelangt. Das verwendete Verpackungsmaterial lasse ein Eindringen von Fremdaromen aus der Umgebung zu. Jedenfalls habe der Beklagte sein Ermessen, welchen von mehreren Kostenschuldnern er heranziehen möchte, falsch ausgeübt. Es sei überhaupt keine Ermessensentscheidung darüber getroffen worden, ob die Klägerin als Herstellerin oder E... als Verkäufer der verunreinigten Milch herangezogen werden soll. Ermittlungen darüber, wer außer der Klägerin noch für die Verunreinigung verantwortlich gewesen sein könnte, seien erst nach Erlass der angefochtenen Bescheide angestellt worden. Auch sei nicht überprüft worden, ob die Kontamination in der Verantwortung der Verbraucherin liege. Jedenfalls sei es aufgrund der Produktionsabläufe ausgeschlossen, dass die Terpene bei der Klägerin in die Milch gelangt sind. Schließlich seien die Kostenfestsetzungsbescheide zu unbestimmt, da sie nicht erkennen ließen, welche Milch untersucht wurde und dass es sich dabei um Milch der Klägerin handelte.

7

Die Klägerin beantragt,

  1. die Bescheide des Beklagten vom 10. November 2006 aufzuheben.

8

Der Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

9

Die Klage sei bezüglich eines Bescheides schon unzulässig. Denn die Klägerin habe nur einen der beiden Bescheide fristgerecht angefochten, da in der Klageschrift nur von einem Bescheid die Rede gewesen sei und auch der Streitwert nur mit 328,85 EUR angegeben wurde. Jedenfalls seien aber beide Bescheide rechtmäßig, da die Klägerin in beiden Fällen kostenrechtliche Veranlasserin der Untersuchungen gewesen sei. Dies ergebe sich daraus, dass die Probeentnahme gemäß § 43 LFGB rechtmäßig gewesen sei und sich auf Produkte bezogen habe, die von der Klägerin in Verkehr gebracht worden seien. Es sei Aufgabe der Klägerin, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die von ihr hergestellten Lebensmittel nicht beeinträchtigt seien. Das Lebensmittelinstitut halte es für sehr unwahrscheinlich, dass die schwere Kontamination der Milch mit Terpenen auf eine Diffusion durch die Verpackung zurückzuführen sei. Die verwendete Tetra-Pack-Verpackung enthalte selbst keine Terpene. Eine Verunreinigung in den Lagern des Verkäufers könne nach den Recherchen des Beklagten ebenfalls ausgeschlossen werden. Daher könne sich die Verunreinigung nur im Verantwortungsbereich der Klägerin ereignet haben.

10

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

11

Die Kammer konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

12

Die Anfechtungsklage ist nur hinsichtlich des Bescheides, mit dem Kosten für die Untersuchung der Planprobe 02 Nr. VEC-561-06 "Milch hocherhitzt teilentrahmt" festgesetzt wurden, zulässig. Hinsichtlich des Bescheides, mit dem Kosten für die Planprobe 02 Nr. VEC-560-06 "fettarme Milch" festgesetzt wurden, ist sie dagegen unzulässig.

13

Gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwG muss die Anfechtungsklage in Fällen, in denen - wie hier nach § 8a Nds. AGVwGO - kein Widerspruchsverfahren stattfindet, binnen eines Monats ab Bekanntgabe des angefochtenen Bescheides erhoben werden.

14

Die angefochtenen Bescheide wurden am 15. November 2006 mit einfacher Post versandt und gelten daher gemäß § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG als am 18. November 2006 bekannt gegeben. Somit endete die Klagefrist bezüglich beider Bescheide am 18. Dezember 2006, 24 Uhr. Die am 18. Dezember 2006 beim Gericht eingegangene Klageschrift wahrt die Frist.

15

Diese Klageschrift bezieht sich aber nur auf den Bescheid, mit dem die Kosten für die Untersuchung der Planprobe 02 Nr. VEC-561-06 "Milch hocherhitzt teilentrahmt" festgesetzt wurden. Dies ergibt sich aus einer Auslegung der Klageschrift nebst Anlagen: Nur der vorgenannte Bescheid war der Klage beigefügt. In der Klageschrift findet sich kein Hinweis darauf, dass daneben noch ein weiterer Bescheid existiert, der ebenfalls angefochten werden soll. Es ist dort immer nur von "dem Bescheid" im Singular die Rede; für den Leser musste so der Eindruck entstehen, die Klage richte sich nur gegen den in Abschrift beigefügten Bescheid. Dies gilt umso mehr, als der Streitwert von der Klägerin nicht mit dem Gesamtbetrag beider Bescheide (657,70 EUR) angegeben wurde, sondern nur mit dem Betrag eines Bescheides (328,85 EUR). Dass es noch einen weiteren Bescheid mit identischem Datum und identischem Aktenzeichen gibt, mit dem für eine weitere Untersuchung weitere 328,85 EUR festgesetzt werden, und dass auch dieser Bescheid angegriffen werden soll, wurde erst im klägerischen Schriftsatz vom 30. Mai 2007deutlich. Der dort enthaltene Antrag, beide Bescheide aufzuheben, stellt daher eine Erweiterung des ursprünglichen, nur auf einen Bescheid bezogenen Klagebegehrens dar. Bei einer solchen Klageerweiterung kommt es für die Einhaltung der Klagefrist auf das Datum an, an dem der klageerweiternde Schriftsatz beim Verwaltungsgericht eingeht (vgl. Kopp/ Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 74 Rn. 7). Dies war hier der 31. Mai 2007; zu diesem Zeitpunkt war die Frist für die Klage gegen den Bescheid für die Planprobe 02 Nr. VEC-560-06" "fettarme Milch" aber schon abgelaufen.

16

Soweit sie zulässig ist, ist die Klage unbegründet. Denn der Kostenfestsetzungsbescheid für die Untersuchung der Planprobe 02 Nr. VEC-561-06 "Milch hocherhitzt teilentrahmt" ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

17

Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt der Bescheid nicht gegen das Bestimmtheitsgebot (§ 37 Abs. 1 VwVfG). In Zusammenschau mit dem Schreiben des Lebensmittelinstituts Braunschweig vom 1. November 2006, das dem Bescheid beigefügt war, ist eindeutig erkennbar, aus welchem Produkt welches Herstellers die abgerechnete Probe an welchem Datum und welchem Ort entnommen wurde und was der Gegenstand und das Ergebnis der Untersuchung waren.

18

Rechtsgrundlage der Kostenfestsetzung sind §§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 13 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 f.) NVwKostG in der bei Erlass der Bescheide gültigen Fassung. Danach sind die notwendigen Auslagen, insbesondere die Aufwendungen für Leistungen anderer Behörden, zu erstatten, die bei Amtshandlungen im übertragenen Wirkungskreis der Gebietskörperschaften entstanden sind, wenn die Beteiligten zu der Amtshandlung Anlass gegeben haben.

19

Bei der Entnahme und Untersuchung der Milchprobe handelte es sich gemäß §§ 43 Abs. 1 Satz 1, 38 Abs. 1 Satz 1 LFBG i.V.m. § 2 Nr. 5a) ZustVO-SOG und § 97 Abs. 6 Nds. SOG um eine Amtshandlung im übertragenen Wirkungskreis des Beklagten.

20

§ 13 NVwKostG ist auf die Entnahme und Untersuchung von Proben nach § 43 LFBG anwendbar. Zum früherem Recht - dem LMBG - war teilweise die Auffassung vertreten worden, § 46a LMBG sperre als bundesrechtliche Spezialvorschrift die Anwendung des § 13 NVwKostG (so VG Oldenburg, Urteil vom 14. Mai 2003 - 7 A 2784/01 - juris); nach anderer Ansicht galt eine solche Sperrwirkung nur bei "normalen" Routineproben, nicht aber bei "Verdachtsproben" (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 22. Mai 2002 - 11 LA 100/02 - NVwZ-RR 2002, 834 ff.; Nds. OVG, Beschluss vom 13. Juli 2000 - 11 L 312/00-, juris; VG Braunschweig, Urteil vom 15. Juli 2003 - 5 A 304/02 -, juris; VG Stade, Urteil vom 24. März 2003 - 6 A 1974/00 -, juris). Mit dem LFGB ist dieses Problem entfallen. Anders als das LMBG in seinem § 46a, enthält das LFBG keine Regelung über die Kostenerhebung für Amtshandlungen der Landesbehörden. Nur für Bundesbehörden wird das Kostenrecht in § 62 LFGB geregelt. Damit kommt das Verwaltungskostenrecht der Länder nun im Bereich der Lebensmittelüberwachung uneingeschränkt zur Anwendung (vgl. Zipfel/ Rathke, Lebensmittelrecht, Bd. II (Stand: 31. Juli 2006), § 48 LFGB Rn. 7 f.).

21

Gegen die Rechtmäßigkeit der Entnahme und anschließenden Untersuchung der Probe sind Bedenken weder vorgetragen noch ersichtlich. Solche Proben können gemäß § 43 LFGB entnommen und untersucht werden, wenn sich daraus Anhaltspunkte für die Einhaltung oder die Verletzung des LFGB oder der in seinem Anwendungsbereich unmittelbar geltenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften ergeben könnten (vgl. Zipfel/ Rathke, aaO., § 43 LFGB Rn. 13 f.). Diese Voraussetzungen lagen hier vor: Aufgrund der Beschwerde einer Verbraucherin, dass eine von der Klägerin hergestellte Milch "harzig" rieche und schmecke, gab es Anhaltspunkte dafür, dass diese Milch für den Verzehr durch Menschen ungeeignet sein und ihr Inverkehrbringen daher gegen Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 verstoßen könnte. Zur Ausräumung oder Bestätigung dieser Möglichkeit war es angemessen, nicht nur bei der von der Verbraucherin gekauften Milch eine Probe zu entnehmen, sondern auch bei einer weiteren von der Klägerin hergestellten Milch aus demselben Supermarkt.

22

Die Klägerin hat zur Untersuchung der Milchprobe "Anlass" im kostenrechtlichen Sinne gegeben. Sie ist daher nach § 5 Abs. 1 NVwKostG Kostenschuldnerin.

23

Nach ständiger Rechtsprechung des Nds. OVG hat derjenige "Anlass" i.S.d. § 5 Abs. 1 NVwKostG zu einer Amtshandlung gegeben, der einen Tatbestand geschaffen hat, der die Behörde zu der Amtshandlung veranlasst hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Betroffene den Tatbestand willentlich gesetzt hat und der Tatbestand unmittelbar Anlass für die Amtshandlung gewesen ist. Nicht erforderlich ist dagegen, dass die Amtshandlung von dem Betroffenen willentlich herbeigeführt worden ist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 13. Juli 2000 - 11 L 312/00 -, juris m.w.N.).

24

Anlass für eine lebensmittelrechtliche Probenentnahme und Untersuchung gibt somit jeder, der das untersuchte Produkt in Verkehr bringt, denn er schafft dadurch den Tatbestand, der eine lebensmittelrechtliche Überwachung erforderlich macht (so auch VG Braunschweig, Urteil vom 15. Juli 2003 - 5 A 304/02 -, juris; Erlass des Nds. Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 8. Februar 2000, Nds. MBl. 2000, 230, 241). Ein "schuldhaftes Handeln" ist nicht erforderlich ( VG Braunschweig, Urteil vom 15. Juli 2003 - 5 A 304/02 -, juris).

25

Die Klägerin hat als Herstellerin der untersuchten Milch diese "in Verkehr gebracht". "Inverkehrbringen" umfasst gemäß § 3 Nr. 1 LFGB i.V.m. Art. 3 Nr. 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 "das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jeder anderen Form der Weitergabe, gleichgültig, ob unentgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst." Ein Hersteller gibt das Produkt nach der Herstellung an andere - nämlich den (Zwischen-)Händler - weiter und bringt es damit in Verkehr (vgl. auch Nds. OVG, Beschluss vom 22. Mai 2002 - 11 LA 100/02 -, NVwZ-RR 2002, 834; VG Braunschweig, Urteil vom 15. Juli 2003 - 5 A 304/02 -, juris); so hat es hier auch die Klägerin mit der untersuchten Milch gemacht.

26

Allerdings gibt es neben der Klägerin noch mindestens einen weiteren Inverkehrbringer. Denn auch die Firma E... hat als Betreiberin des Marktes, in dem die untersuchte Milch zum Verkauf angeboten wurde, diese im oben genannten Sinne "in Verkehr gebracht". Auch E... hat also kostenrechtlich Anlass zu der Untersuchung gegeben und ist daher nach § 5 Abs. 1 Satz 1 NVwKostG ebenfalls Kostenschuldner (vgl. zur Kostenschuldnerschaft des Verkäufers Nds. OVG, Beschluss vom 13. Juli 2000 - 11 L 321/00 - juris; VG Braunschweig, Urteil vom 15. Juli 2003 - 5 A 304/02 -, juris; VG Stade, Urteil vom 24. März 2003 - 6 A 1974/00 -, juris).

27

Gibt es mehrere Kostenschuldner, so haften diese als Gesamtschuldner (§ 5 Abs. 1 Satz 2 NVwKostG). In diesem Falle hat die Behörde ein Auswahlermessen, welchen Kostenschuldner sie in welcher Höhe heranziehen will. Sie kann die Kosten ganz oder teilweise von jedem der Gesamtschuldner fordern, aber insgesamt nur einmal einziehen (Loeser/ Barthel, NVwKostG, Stand: Juli 2005, § 5 Erl. 5.1 und 5.2).

28

Die Klägerin kann sich hier aber nicht darauf berufen, dass dieses Auswahlermessen fehlerhaft ausgeübt worden sei.

29

Für ähnliche Vorschriften des kommunalen Beitragsrechts (§ 134 Abs. 1 Satz 4 1. Hs. BauGB; § 6 Abs. 8 Satz 4 1. Hs. NKAG) ist anerkannt, dass die gesetzliche Anordnung der Gesamtschuldnerschaft Verwaltungsvereinfachung und Effizienz des Gesetzesvollzugs bezweckt, nicht aber Schuldnerschutz. Daraus ergibt sich, dass ein subjektives Recht des einzelnen Gesamtschuldners auf Heranziehung anderer Gesamtschuldner nicht besteht und daher selbst eine ermessensfehlerhafte Nichtheranziehung von einzelnen Gesamtschuldnern die herangezogenen Gesamtschuldner nicht in ihren Rechten verletzt (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 24 Rn. 10 m.w.N.).

30

Dasselbe muss auch im Verwaltungskostenrecht gelten. Denn auch hier soll Gesamtschuldnerschaft vor allem eine sichere und rasche Befriedigung der Verwaltung gewährleisten. An diesem Kriterium - und nicht an den Interessen der einzelnen Gesamtschuldner - hat sich das Auswahlermessen zu orientieren (vgl. Loeser/ Barthel, aaO., § 5 Erl. 5.2). Dies wird beispielsweise im Fall der Insolvenz eines Schuldners deutlich: Obwohl der solvente Gesamtschuldner dann ein besonderes Interesse hat, nicht allein auf den vollen Betrag herangezogen zu werden, wird die Verwaltung gerade hier von ihm die gesamten Kosten einfordern.

31

Eine andere Ansicht vertritt allerdings das VG Braunschweig (vgl. Urteil vom 15. Juli 2003 - 5 A 304/02 -, juris). Danach muss die Behörde vor der Entscheidung, ob sie den Importeur oder den Verkäufer zu den Kosten einer lebensmittelrechtlichen Untersuchung heranziehen will, alle relevanten Tatsachen sorgfältig ermitteln und abwägen. Wenn der Kostenbescheid allein den Importeur als Veranlasser in Betracht zieht und Ermessenserwägungen hinsichtlich der Nichtheranziehung des Verkäufers fehlen, soll die Anfechtungsklage des Importeurs begründet sein.

32

Diese Auffassung überzeugt nicht. Sie wird dem Zweck des § 5 Abs. 1 Satz 2 NVwKostG nicht gerecht und stellt zu hohe Anforderungen an die Ausübung des Auswahlermessens. Wenn man von der Verwaltung vor der Entscheidung, von welchem Gesamtschuldner sie die Kosten lebensmittelrechtlicher Untersuchungen einfordert, umfangreiche und aufwändige Ermittlungen zu der Frage, wer die bei der Untersuchung festgestellten Mängel verursacht hat, verlangt, würde die Gesamtschuldnerschaft die Kosteneintreibung verkomplizieren anstatt sie - wie vom Gesetzgeber gewünscht - einfacher und effizienter zu gestalten. Bei schwierig aufzuklärenden Sachverhalten - wie hier einer vorliegt - würde die Kostenfestsetzung dann häufig einen so hohen Ermittlungsaufwand voraussetzen, dass sie unrentabel würde. Ferner würde eine solche Auffassung verkennen, dass - wie oben ausgeführt - das "Verschulden" gerade nicht das entscheidende Kriterium für die kostenrechtliche Veranlasserstellung ist (vgl. insofern auch den Erlass des Nds. Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 8. Februar 2000, Nds. MBl. 2000, 230, 242, wonach der Kostenbescheid schon ergehen soll, bevor die Schuldfrage in einem rechtskräftig abgeschlossenen Straf- oder Bußgeldverfahren geklärt wurde).

33

Gründe für einen generellen Vorrang der Heranziehung des Verkäufers vor der Heranziehung des Importeurs oder Herstellers sind nicht ersichtlich (a.A. VG Braunschweig, aaO.). Ein genereller Erfahrungssatz, dass der Verkäufer immer derjenige ist, der die schnellste und einfachste Befriedigung der Kostenforderung gewährleistet, existiert nicht (vgl. insofern auch VG Lüneburg, Urteil vom 5. Dezember 2002 - 6 A 190/01 -, juris, wonach unter bestimmten Umständen sogar die Heranziehung des Herstellers vorrangig sein soll). Im Übrigen würde selbst dann, wenn die Verwaltung entgegen der Intention des § 5 Abs. 1 Satz 2 NVwKostG denjenigen Gesamtschuldner heranzieht, bei dem sie sich am schwierigsten befriedigen kann, nur das öffentliche Interesse an einer effektiven Verwirklichung staatlicher Kostenerstattungsansprüche verletzt, nicht aber ein subjektives Recht des herangezogenen Gesamtschuldners (siehe oben).

34

Anders mag es allenfalls in Ausnahmefällen sein, in denen die Auswahl eines bestimmten Gesamtschuldners und die Nichtheranziehung der anderen schlechthin willkürlich wäre (so Loeser/ Barthel, aaO., § 5 Erl. 5.2). Ein solcher Ausnahmefall könnte im Bereich der Lebensmittelüberwachung zum Beispiel vorliegen, wenn bei zwei Gesamtschuldnern, die eine gleichermaßen leichte und sichere Befriedigung der Forderung erwarten lassen, offenkundig ist, dass der eine das behördliche Einschreiten zu verantworten hat, der andere aber nicht.

35

Ein solcher Fall ist hier aber nicht gegeben. Wer für die Verunreinigung der Milch mit Terpenen verantwortlich ist, ist unklar und hätte allenfalls durch sehr aufwändige Ermittlungen geklärt werden können.

36

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagte mit seiner Entscheidung, allein die Klägerin heranzuziehen, nicht entschieden hat, dass diese auch letztendlich die Kosten allein tragen muss. Der Klägerin bleibt es unbenommen, ihren zivilrechtlichen Rückgriffsanspruch aus der Gesamtschuldnerschaft gegen den Verkäufer geltend zu machen. Sie muss lediglich das Risiko tragen, diese Rückgriffsforderung prozessual oder wirtschaftlich nicht durchsetzen zu können.

37

Der Bescheid verletzt die Klägerin auch nicht deshalb in ihren Rechten, weil in seinem Text nicht deutlich zum Ausdruck kommt, ob überhaupt ein Auswahlermessen ausgeübt wurde. Da Sinn des § 5 Abs. 1 Satz 2 NVwKostG nicht Schuldnerschutz, sondern die Vereinfachung der Verwaltungskostenfestsetzung ist, muss im Interesse einer effizienten und schnellen Erledigung dieses "Massengeschäftes" die Auswahlentscheidung nicht im Kostenfestsetzungsbescheid begründet werden; die für diese Entscheidung maßgeblichen Ermessenserwägungen müssen nicht wiedergegeben werden (vgl. Loeser/ Barthel, aaO., § 5 Erl. 5.2; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. August 1994 - 2 S 1449/94 -, juris; für kommunalabgabenrechtliche Beitragsbescheide auch Driehaus, aaO., § 24 Rn. 10; BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1993 - 8 C 57.91 - NJW 1993, 1667 [BVerwG 22.01.1993 - 8 C 57.91]; BayVGH, Beschluss vom 28. Juni 1985 - 23 CS 84 A.1051 - DVBl. 1986, 77). Schutzwürdige Belange des herangezogenen Gesamtschuldners, schon aus dem Kostenfestsetzungsbescheid entnehmen zu können, warum gerade er herangezogen wurde, sind nicht zu erkennen (Loeser/ Barthel, aaO., § 5 Erl. 5.2).

38

Ebenso bedurfte es keiner ausdrücklichen Erwähnung im Kostenfestsetzungsbescheid, dass die Heranziehung der Klägerin "nur" gesamtschuldnerisch erfolgt und noch ein weiterer Gesamtschuldner vorhanden ist (vgl. Loeser/ Barthel, § 5 Erl. 5.1; für kommunalabgabenrechtliche Beitragsbescheide auch Driehaus, aaO., § 24 Rn. 10).

39

Die Verpflichtung zur Erstattung der Auslagen ist auch entstanden. Sie entsteht nach § 6 Abs. 2 NVwKostG mit der Aufwendung des zu erstattenden Betrages. Die Beklagte hat die Untersuchungskosten von 328,85 EUR je Probe am 16. November 2006 an das Lebensmittelinstitut Braunschweig überwiesen. Die Zahlung erfolgte damit noch bevor die am 15. November 2006 versandten Kostenfestsetzungsbescheide am 18. November 2006 gemäß § 41 Abs. 2 VwVfG wirksam wurden.