Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 21.09.2016, Az.: 5 A 2227/15
Auflage; Beauftragte für Luftaufsicht; Flugleiter; Flugplatz; Landeplatzgenehmigung; Verkehrslandeplatz
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 21.09.2016
- Aktenzeichen
- 5 A 2227/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2016, 43337
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 6 Abs 2 LuftVG
- § 36 Abs 1 S 5 VwVfG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Erhöhung des Gefahrenpotentials durch zunehmenden Flugbetrieb mit unterschiedlich schnell fliegenden Luftfahrzeugen kann die nachträgliche Verschärfung einer Auflage in einer Verkehrslandeplatzgenehmigung unabdingbar machen.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin - die A. - betreibt 3 km nördlich von der Stadtmitte C. s einen dem allgemeinen Verkehr dienenden Verkehrslandeplatz. Sie verfügt über eine Start- und Landebahn für Flugzeuge und Hubschrauber bis 5.700 kg höchstzulässiger Flugmasse, selbststartende Motorsegler und Luftsportgeräte (Asphalt) sowie Flugbetriebsflächen für Segelflugzeuge, nicht selbststartende Motorsegler sowie für Flugzeuge mit max. 2.000 kg höchstzulässiger Flugmasse, selbststartende Motorsegler und Luftsportgeräte (Gras). Die Genehmigung vom 23.03.2000 wurde mit Bescheid vom 25.06.2010 geändert und neu gefasst. Die Betriebszeiten gehen laut Genehmigung von 07:00 Uhr bis 18:00 Uhr während der Sommerzeit und während der Winterzeit von 09:00 Uhr bis Sonnenuntergang (SS = sunset). Die übrigen Zeiten sind PPR-Zeiten (Prior Permission Required), d. h. es bedarf für Flugbewegungen der vorherigen Genehmigung des Platzhalters. Die Genehmigung vom 25.06.2010 enthält unter anderem folgende Auflagen:
12. Flugbetrieb während der veröffentlichten Betriebszeiten darf grundsätzlich nur in Anwesenheit eines Beauftragten für Luftaufsicht (BfL), der den Flugbetrieb beaufsichtigt, durchgeführt werden. Die Stellung und die einzelnen Aufgaben des BfL ergeben sich aus der Dienstanweisung für die Luftaufsicht an Flugplätzen ohne Flugverkehrskontrolle in Niedersachsen. Als BfL für den Verkehrslandeplatz A-Stadt darf nur eingesetzt werden, wer durch das Land Niedersachsen dazu bestellt wurde.
12.1 Abweichend hiervon darf der Platzhalter statt eines BfL einen Flugleiter einsetzen. Als Flugleiter darf nur bestellt werden, wer volljährig ist und ein Sprechfunkzeugnis für den Flugfunkdienst besitzt. Die Anweisung für Flugleiter in der jeweiligen Fassung ist verbindlich. Auf die Verpflichtung, etwaige Verstöße gegen luftrechtliche Bestimmungen bei der zuständigen Behörde anzuzeigen, wird besonders hingewiesen. Flugleiter sind in ihre Aufgaben und Pflichten ordnungsgemäß einzuweisen. Eine schriftliche Aufstellung der bestellten Flugleiter ist in die Flugplatzakte aufzunehmen. Im Dienstbuch sind täglich Aufzeichnungen zu führen, wann die Luftaufsichtsstelle durch eine BfL oder einen Flugleiter besetzt ist…
12.2 Außerdem darf der Platzhalter seine schriftliche Genehmigung zum Fliegen ohne Anwesenheit eines BfL oder eines Flugleiters erteilen für:
- Einzelstarts und Landungen bei Flügen zu und von anderen Flugplätzen und sonstigen Überlandflügen von mindestens 30 Minuten Dauer und
- Platzflüge im Einzelfall; der Platzhalter hat dabei sicherzustellen, dass nicht mehrere Luftfahrzeuge gleichzeitig Platzflüge durchführen. Die Genehmigung zu 12.2 darf nur außerhalb der veröffentlichten Betriebszeiten erteilt werden…
13. Gleichzeitiger Flugbetrieb auf der Asphaltbahn und der Grasbahn ist nicht zu lässig.
Abschließend heißt es: Die Festlegung weiterer Auflagen zur Wahrung der Sicherheit des Luftverkehrs sowie der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bleibt vorbehalten.
In den „Hinweisen“ ist ausgeführt, dass die Genehmigung widerrufen werden könne, wenn die Voraussetzungen für ihre Erteilung nicht vorgelegen hätten oder nachträglich nicht nur vorübergehend entfallen seien oder die erteilten Auflagen nicht eingehalten würden (§ 6 Abs. 2 Satz 3 LuftVG,§§ 48, 53 LuftVZO).
Zwischen der Klägerin und der Beklagten entwickelte sich im Herbst 2014 / Frühjahr 2015 eine schriftliche Auseinandersetzung, unter anderem weil am 08.09.2014 und im November 2014 aufgrund von Personalengpässen keine vom Land bestellten Beauftragten für Luftaufsicht am Landeplatz A-Stadt tätig bzw. kurzfristig verfügbar waren. Die Beklagte kündigte mit den E-Mails vom 11.11.2014 und vom 27.02.2015 an, Nr. 12.1 der luftrechtlichen Genehmigung streichen zu wollen, damit während des allgemeinen Verkehrs die Aufgaben der Luftaufsicht ordnungsgemäß wahrgenommen werden könnten.
Mit Verfügung vom 16.03.2015 erfolgte die Neufassung der Auflage Nr. 12 wie folgt:
Nr. 12 Flugbetrieb während der veröffentlichten Betriebszeiten darf grundsätzlich nur in Anwesenheit eines Beauftragten für Luftaufsicht (BfL), der den Flugbetrieb beaufsichtigt, durchgeführt werden. Die Stellung und die einzelnen Aufgaben des BfL ergeben sich aus der Dienstanweisung für die Luftaufsicht an Flugplätzen ohne Flugverkehrskontrolle in Niedersachen. Als BfL für den Verkehrslandeplatz A-Stadt darf nur eingesetzt werden, wer durch das Land Niedersachsen dazu bestellt wurde.
Abweichend vom Fliegen in Anwesenheit eines BfL darf der Platzhalter außerhalb der Betriebszeiten des Landeplatzes auf Antrag des jeweiligen Piloten seine schriftliche Genehmigung zum Fliegen ohne Abwesenheit eines BfL erteilen für:
a. Einzelstarts und -landungen bei Flügen zu und von anderen Flugplätzen und sonstige Überlandflüge von mindestens 30 Minuten Dauer und
b. Platzflüge im Einzelfall; der Platzhalter hat dabei sicherzustellen, dass nicht mehrere Luftfahrzeugführer gleichzeitig Platzflüge durchführen…
Zur Begründung heißt es, die Änderung der Auflage Nr. 12 und die Streichung der bisherigen Möglichkeit nach Nr. 12.1, ersatzweise für eine BfL einen Flugleiter einsetzen zu können, sei erfolgt, da nach Nr. 3.3 der „Grundsätze des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen über die Einrichtung und Ausstattung von Luftaufsichtsstellen an Flugplätzen vom 10.08.2000 (NfL (Nachrichten für Luftfahrer) I - 170/01) infolge des jährlichen Umfangs des Flugbetriebs eine Luftaufsichtsstelle grundsätzlich einzurichten sei und während der veröffentlichten regelmäßigen Hauptbetriebszeiten besetzt zu halten sei. Ein Ermessensspielraum sei nicht gegeben bzw. ein Abweichen von der Vorgabe sei aufgrund der Struktur des Landeplatzes und der unterschiedlichen Arten der dort zugelassenen Luftfahrzeuge sowie der angestiegenen Zahl der Flugbewegungen pro Jahr nicht gerechtfertigt. Zur Sicherstellung hoheitlicher Befugnisse und der Durchsetzbarkeit von Maßnahmen der Gefahrenabwehr i.S.d. § 29 LuftVG sei es unerlässlich, während der Betriebszeiten Flugbetrieb nur in Anwesenheit eines BfL zuzulassen.
Die Klägerin hat dagegen am Montag, dem 20.04.2015 Klage erhoben und diese wie folgt begründet: Es handele sich bei dem Flughafen nur um einen Verkehrslandeplatz und nicht um einen Verkehrsflughafen. Daher sei die Einrichtung einer Luftaufsichtsstelle nicht erforderlich. Es reiche aus, während der veröffentlichten regelmäßigen Hauptbetriebszeiten die Luftaufsichtsstelle durch einen Flugleiter, der volljährig sein müsse und ein Sprechfunkzeugnis aufweisen müsse, besetzt zu halten. Die Zahl der Flugbewegungen habe sich in der Zeit von 2010 bis 2015 nicht signifikant verändert. Im Falle der Geltung der neuen Auflage 12 müssten von neun Flugleitern fünf eine Schulung durchlaufen, um die Qualifikation zum BfL-Flugleiter erhalten zu können. Eine Qualitätssteigerung bei der Flugleitung sei hiervon nicht zu erwarten, da stets eine gute, um nicht zu sagen, eine exzellente Flugleitung gearbeitet habe. Bei der Zahl der Starts habe es keine signifikante Steigerung in der Zeit von 2009 bis 2014 gegeben. Der Wert habe am Beginn bei 28.000 Punkten gelegen. Würden die Gyrocopter (Tragschrauber) bei der Summe aller Starts und Landungen abgezogen, verbliebe es für 2014 sogar bei nur 16.018 Flugbewegungen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 16.03.2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie vertieft ihre Ausführungen in der angefochtenen Verfügung und weist darauf hin, dass nach Nr. 3.3 der Grundsätze des Bundesministeriums für Verkehr, Bau - und Wohnungswesen (NfL I - 170/01), die als Konkretisierung von § 29 Abs. 1 Satz 1 LuftVG anzusehen seien, die Anzahl der Punkte und nicht die Zahl der Flugbewegungen maßgeblich sei. Würden 17.500 Punkte überschritten, sei die Luftaufsichtsstelle auch bei Verkehrslandeplätzen des allgemeinen Verkehrs, bei denen eine Flugverkehrskontrolle nicht vorhanden sei, während der Hauptbetriebszeiten grundsätzlich besetzt zu halten. Die Anzahl der für das Jahr 2014 zugrunde zu legenden Startzahlen habe 39.170 Punkte ergeben. Eine Eingrenzung der Hauptbetriebszeiten auf einzelne Tagesabschnitte wäre nicht praxisgerecht. Die Anwesenheit eines mit hoheitlichen Befugnissen ausgestatteten Beauftragten für Luftaufsicht mache nur Sinn, wenn er durchgehend präsent sei, da sich die Situation auf dem Verkehrslandeplatz von Tag zu Tag, Stunde zu Stunde, Minute zu Minute ändern könne. Der Landeplatz A-Stadt werde dadurch nicht wie ein Verkehrsflughafen behandelt. Ausbildung und Tätigkeit von Beschäftigten der Deutschen Flugsicherung GmbH seien nicht vergleichbar mit den Anforderungen, die an die Beauftragten der Luftaufsicht gestellt würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage für die nachträgliche Änderung und damit Verschärfung der Auflage Nr. 12 in der Landeplatzgenehmigung der Klägerin vom 25.06.2010 ist § 1 Abs. 1 Niedersächsisches Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - i. V. m. § 36 Abs. 1 und 2 Nr. 5 VwVfG. Die nachträgliche Aufnahme, Änderung oder Ergänzung einer Auflage in einem begünstigenden Verwaltungsakt - einen solchen stellt die Landeplatzgenehmigung dar - ist zulässig, wenn die Ermächtigung hierfür im Verwaltungsakt selbst enthalten ist oder aber wenn sie sich aus einem Fachgesetz ergibt (Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, Kommentar, 1. Aufl. 2014, § 36 Rdnr. 92; Knack, VwVfG, Kommentar, 8. Aufl., § 36 Rdnr. 45).
Eine derartige fachgesetzliche Ermächtigung bietet die luftaufsichtsrechtliche Generalklausel in § 29 Abs. 1 Luftverkehrsgesetz unmittelbar nicht. Die Beklagte als die für die Luftaufsicht auf Verkehrslandeplätzen (§§ 49 Abs. 2 Nr. 1, 50 LuftVZO) zuständige Luftfahrtbehörde des Landes Niedersachsen (§ 31 Abs. 2 Nr. 4, 17 und 18 LuftVG) darf in Ausübung der Luftaufsicht Verfügungen nur erlassen, wenn eine konkrete Gefahr besteht (Grabherr/Reidt/Wysk, Luftverkehrsgesetz, Kommentar, Stand Dez. 2002, § 29 LuftVG Rdnr. 119). Die Luftaufsichtsverfügung dient der Bekämpfung einzelner, individuell bestimmter Gefahrenfälle. § 29 Abs. 1 LuftVG ermächtigt nicht zu Maßnahmen, die in den Bestand der Genehmigung eines Flugplatzes dauerhaft eingreifen (so für einen Flughafen Nds. OVG, U. v. 09.06.1997 - 12 K 325/96 -, juris Rdnr. 141).
Ob die Berechtigung, aus Gründen der Gefahrenabwehr nachträgliche Änderungen in Auflagen zu Landeplatzgenehmigungen zu verfügen, auf einen stillschweigenden Auflagenvorbehalt, bezogen auf Sicherheits- und Lärmschutzprobleme, gestützt werden kann (zweifelnd wegen des dem Flugplatzbetreiber zustehenden Vertrauensschutzes Grabherr/Reidt/Wysk, a.a.O., Stand: Juli 2015, § 6 Rdnr. 503; anders wohl Bay VGH, U. v. 22.07.1983 - 20 B 82 A.2693 -, BayVBl. 46, 48 ff; ablehnend Nds. OVG, U. v. 09.06.1997, a.a.O., Rdnr. 158 ff), kann offenbleiben, da ein Vorbehalt zur Auflagenänderung im Wege der Auslegung der Regelung in dem Genehmigungsbescheid, wonach die Festlegung weiterer Auflagen zur Wahrung der Sicherheit des Luftverkehrs sowie der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorbehalten bleibt, entnommen werden kann. Denn die Neufassung, die zur Verschärfung der Auflage 12 in der Landeplatzgenehmigung führt, hätte rechtstechnisch auch durch die Festlegung einer weiteren Auflage vorgenommen werden können. Die Möglichkeit der teilweisen Streichung und Neuformulierung einer Auflage nicht unter den vorgenannten Auflagenvorbehalt zu fallen zu lassen, käme einer unnützen Förmelei gleich.
Materiell-rechtlich ist Voraussetzung für die Neufassung der Auflage Nr. 12 der Landeplatzgenehmigung der Klägerin, dass hierfür gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 LuftVG zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit des Luftverkehrs sowie für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die Luftfahrt Anlass besteht. Dabei sind die Ermessensschranken des § 40 VwVfG zu wahren. Nachträgliche Nebenbestimmungen sind nur zulässig, wenn sie zur Umsetzung gesetzlich legitimer Ziele geeignet, erforderlich und angemessen sind (Mann/Sennekamp/Uechtritz, a.a.O., § 36 Rdnr. 93).
Die Beklagte hat ihre Ermessenserwägungen in dem angefochtenen Bescheid im Verlaufe des Klageverfahrens und insbesondere im Termin zur mündlichen Verhandlung nach Maßgabe von § 114 Satz 2 VwGO in rechtlich zulässiger Weise ergänzt, mit der Folge, dass jedenfalls im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung Ermessensfehler nicht (mehr) bestehen.
Nach der gesetzlichen Regelung in § 53 Abs. 3 LuftVZO hat der Landeplatzhalter auf Verlangen der Genehmigungsbehörde (nur) eine oder mehrere Personen als Flugleiter zu bestellen. Diese Regelung ist aber nicht abschließend. Nach Maßgabe von § 32 Abs. 6 Satz 1 LuftVG wurden zur Durchführung der Luftaufsicht und zum Zwecke der Konkretisierung der sich aus § 29 LuftVG ergebenden Anforderungen die „Grundsätze des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Wohnungswesen über die Einrichtung und Ausstattung von Luftaufsichtsstellen an Flugplätzen“ vom 10.08.2000 (NfL I - 170/01) - ab jetzt: Grundsätze, zitiert nach der Fundstelle - für die Luftfahrt- und Luftaufsichtsbehörden erlassen. Ungeachtet der Frage, ob diese „Grundsätze“ als allgemeine Verwaltungsvorschriften für die Behörden rechtlich bindend sind, (str., wegen der fehlenden Zustimmung des Bundesrats, vgl. dazu Grabherr/Reidt/Wysk, a.a.O., Stand: Nov. 1997, § 32 Rdnr. 24), sind sie als normkonkretisierende Regelungen von den Luftfahrtbehörden zur Gewährleistung gleichmäßigen Verwaltungshandelns zu beachten.
Nr. 3.3 regelt:
An Flugplätzen des allgemeinen Verkehrs ohne Flugverkehrskontrollstelle ist eine Luftaufsichtsstelle grundsätzlich einzurichten, wenn dort Linien- oder linienähnlicher Flugverkehr stattfindet oder soweit der jährliche Umfang des Flugbetriebs eine Punktzahl nach Nr. 3.5 von 17.500 Punkten überschreitet. An diesen Flugplätzen ist die Luftaufsichtsstelle grundsätzlich während der Hauptbetriebszeiten besetzt zu halten.
Nr. 3.5 lautet:
Der jährliche Umfang des Flugbetriebes wird je Start nach folgendem Punktsystem bewertet:
a) motorgetriebene Luftfahrzeuge | |
---|---|
- bei Streckenflügen | 4 Punkte |
- bei sonstigen Flügen außer Schulflügen | 2 Punkte |
- bei Schulflügen, die nicht Streckenflüge sind | 1 Punkt |
b) Segelflugzeuge | 1 Punkt |
c) Ultraleichtflugzeuge | 1 Punkt |
Nr. 3.6 lautet:
Von den Grundsätzen zur Einrichtung und personellen Ausstattung einer Luftaufsichtsstelle kann abgewichen werden, wenn besondere örtliche Verhältnisse vorliegen,
- Lage zu anderen Flugplätzen
- Lage im Flugsicherungssystem,
- Art der Luftraumstruktur,
- Lage zur Bundesgrenze,
- Mischflugbetrieb erheblichen Umfangs,
- Anteil des Flugbetriebs zu bestimmten Tageszeiten,
- überwiegender Wochenendflugbetrieb,
- Anteil des gewerblichen Flugbetriebs,
- Anteil des Ausbildungsflugbetriebs.
In der Praxis werden ein oder mehrere vom Platzhalter bestellte Flugleiter zu Beauftragten für Luftaufsicht ausgebildet, und zwar durch die erfolgreiche Ableistung eines behördlich geleiteten oder anerkannten dreitägigen Lehrgangs für Luftaufsichtspersonal (vgl. Nr. 6.1 und 6.2 sowie die Anlage zu Nr. 6.2). Die Beklagte überträgt diesen speziell weitergebildeten Flugleitern gemäß § 29 Abs. 2 LuftVG durch Verwaltungsakt (Beleihung, Bestallung) hoheitliche Luftaufsichtsaufgaben (Grabherr/Reidt/Wysk, a.a.O., § 29 Rdnr. 22); sie sind befugt, Verwaltungsakte zu erlassen und durchzusetzen.
Linien- oder linienähnlicher Verkehr i.S.d. Nr. 3.3 Satz 1, 1. Alt. der Grundsätze, wonach die Einrichtung einer Luftaufsichtsstelle grundsätzlich erforderlich ist, findet auf dem Flugplatz A-Stadt zwar nicht statt. Nach Nr. 3.3 Satz 1, 2. Alt. führt aber auch ein nach der Zahl der Startvorgänge berechneter Punktwert von 17.500 Punkten grundsätzlich zu dem Erfordernis, dass an Verkehrslandeplätzen eine mit Beauftragten für Luftaufsicht besetzte Luftaufsichtsstelle einzurichten ist. Diese Punktzahl wurde im maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung am Verkehrslandeplatz A-Stadt um 123,5 % und damit sehr deutlich überschritten. Daher ist die Luftaufsichtsstelle nach Nr. 3.3 Satz 2 der Grundsätze grundsätzlich während der Hauptbetriebszeiten mit Beauftragten für Luftaufsicht besetzt zu halten. Aus dem Begriff „Hauptbetriebszeiten“ kann aber geschlussfolgert werden, dass dies in ruhigeren „Nebenbetriebszeiten“ nicht bei allen Flugplätzen notwendig ist.
Allerdings eröffnet Nr. 3.6 der Grundsätze in NfL I - 170/01 für die zuständige Luftfahrbehörde die Möglichkeit, in der Auflage zur Landeplatzgenehmigung, die die Luftaufsicht regelt, Abweichungen unter Berücksichtigung der dort genannten Kriterien festzulegen. Die in Nr. 3.6 aufgeführten Kriterien geben Raum sowohl für eine verschärfte als auch für eine abgeschwächte Regelung.
Die Begründung in der Verfügung der Beklagten vom 16.03.2015, wonach aufgrund der Struktur des Landeplatzes und der unterschiedlichen Arten der dort zugelassenen Luftfahrzeuge sowie der angestiegenen Zahl der Flugbewegungen pro Jahr eine durchgehend mit BfL-Flugleitern besetzte Luftaufsichtsstelle verpflichtend einzurichten sei, hat die Beklagte in ihren Schriftsätzen im Klageverfahren und vor allem im Termin zur mündlichen Verhandlung in zulässiger Weise gemäß § 114 Satz 2 VwGO ergänzt wie folgt: Der Flugplatz A-Stadt sei der zweit- bzw. drittverkehrsreichste Verkehrslandeplatz in Deutschland. Es bestehe ein extremer Flugbetrieb mit unterschiedlich schnell fliegenden Luftfahrzeugen wie Flugzeugen, Hubschraubern, Gyrocoptern, Motorseglern, Luftsportgeräten, Fallschirmspringern. Gerade diese unterschiedlich schnell fliegenden Luftfahrzeuge machten eine durchgehend mit BfL-Flugleitern besetzte Flugaufsicht aus Gründen der Gefahrenabwehr unabdingbar. Hinzu käme, dass das Bedürfnis nach einer hoheitlichen Luftaufsicht beim Flugplatz A-Stadt tendenziell zunehme, wie aus dem Umstand ersichtlich sei, dass der Punktwert nach Maßgabe der Grundsätze in Nr. 3.3 in NfL I - 170/01 im Jahr 2014 auf 39.170 Punkte angestiegen sei. Im Jahr 2015 habe er bereits bei 45.750 Punkten gelegen.
Zusammen mit den im Bescheid aufgeführten und im Klageverfahren vertieften Erwägungen haben das Gericht vor allem diese ergänzenden Gesichtspunkte davon überzeugt, dass eine Differenzierung nach mehr und weniger verkehrsreichen Zeiten am Verkehrslandeplatz A-Stadt aus Sicherheitsgründen im Zeitpunkt des Bescheiderlasses nicht mehr vertretbar war. Das durch den Flugverkehr verursachte Gefahrenpotential, das durch die Punktbewertung ausgedrückt wird, war bereits im Zeitpunkt der Behördenentscheidung extrem hoch und ist im Jahr 2015 sogar noch weiter deutlich angestiegen, was das Erfordernis der durchgehenden Besetzung der Luftaufsichtsstelle mit BfL-Flugleitern nachträglich nochmals bestätigt.
Die Klägerin hat dem nichts Substanzielles entgegenzusetzen vermocht und sich im Wesentlichen darauf berufen, dass sie sich aus finanziellen Gründen dagegen wehrt, ausschließlich Flugleiter, die zugleich als Beauftragte für Luftaufsicht tätig sind, in der Luftaufsichtsstelle einzusetzen. Abgesehen davon, dass hierfür ein teilweiser finanzieller Ausgleich durch das Land Niedersachsen gewährt wird, greift dieser Gesichtspunkt im Hinblick auf die Notwendigkeit, die Luftaufsicht entsprechend den Erfordernissen der Gefahrenabwehr durchführen zu lassen, nicht durch.
Das Gericht ist aus den vorgenannten Gründen davon überzeugt, dass die im Bescheid verfügte Änderung und damit „Verschärfung“ der Auflage Nr. 12 der Platzgenehmigung vom 25.06.2010 aus Gründen der Gefahrenabwehr erforderlich ist. Sie ist für diesen Zweck geeignet und angemessen. Sie stellt für die Flugplatzbetreiberin keine übermäßige und damit unverhältnismäßige Belastung dar. Sie lässt nach alledem Ermessensfehler nicht erkennen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.
Gründe, gemäß § 124 a Abs. 1 i.V.m. 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO die Berufung zulassen, sind nicht gegeben.