Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 13.03.2002, Az.: 2 B 1856/01

bauliche Anlage; Werbeanlage; örtlich gebundene Anlage

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
13.03.2002
Aktenzeichen
2 B 1856/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 42363
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Auch eine auf einer beweglichen Anlage (Anhänger) angebrachtes Hinweisschild auf einen gewerblichen Betrieb ist als örtlich gebundene Einrichtung eine Werbeanlage i.S.d. § 49 Abs. 1 NBauO

Gründe

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen eine bauordnungsrechtliche Verfügung des Antragsgegners vom 19. Dezember 2001, mit der ihr unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgegeben wird, ein auf einem am südlichen Ortsrand von S. aufgestellten Anhänger angebrachtes Hinweisschild mit einer Ansichtsfläche von ca. 4 m x 2 m, das auf den gewerblichen Betrieb der Antragstellerin in S. hinweist, bis zum 02. Januar 2002 zu beseitigen, und mit der dieser gleichzeitig für den Fall der Nichtbefolgung dieser Anordnung die Beseitigung des Schildes im Wege der Ersatzvornahme unter Veranschlagung der hier für voraussichtlich entstehenden Kosten von 1.000,00 DM angedroht wird.

2

Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin unter dem 28. Dezember 2001 beim Antragsgegner Widerspruch und suchte gleichzeitig bei Gericht um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach.

3

Der Antrag bleibt ohne Erfolg.

4

Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht in dem hinsichtlich der Beseitigungsverfügung gegebenen Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Rechtsmittels ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. hinsichtlich der Kraft Gesetzes (vgl. § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 89 Abs. 4 Satz 1 Nds. Bauordnung - NBauO -, § 64 Abs. 4 Satz 1 Nds. Gefahrenabwehrgesetz - NGefAG -) sofort vollziehbaren Ersatzvornahmeandrohung ganz oder teilweise anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder - bei offenen Erfolgsaussichten - eine Interessenabwägung ergibt, dass das private Interesse des Betroffenen an einer Aussetzung der sofortigen Vollziehung das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des Sofortvollzuges überwiegt.

5

Hier bestehen nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage für die Kammer keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der bauordnungsrechtlichen Verfügung des Antragsgegners vom 19. Dezember 2001, da das streitige Hinweisschild formell und materiell baurechtswidrig ist und daher auch ein besonderes öffentliches Interesse an seiner sofortigen Beseitigung besteht.

6

Widersprechen bauliche Anlagen, Grundstücke, Bauprodukte oder Baumaßnahmen dem öffentlichen Baurecht oder ist dies zu besorgen, so kann die Bauaufsichtsbehörde gemäß § 89 Abs. 1 Satz 1 NBauO nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen anordnen, die zur Herstellung oder Sicherung rechtmäßiger Zustände erforderlich sind; sie kann namentlich die Beseitigung von baulichen Anlagen anordnen (§ 89 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 NBauO). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

7

Das von der Antragstellerin aufgestellte Hinweisschild ist formell baurechtswidrig. Nach § 68 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 5 NBauO bedarf unter anderem die Errichtung von baulichen Anlagen der Genehmigung, wobei Werbeanlagen (§ 49 NBauO) nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 NBauO als bauliche Anlagen gelten, auch wenn sie nicht unter § 2 Abs. 1 Satz 1 NBauO fallen, das heißt, nicht eine mit dem Erdboden verbundene oder auf ihm ruhende bauliche Anlage sind. Um eine solche Werbeanlage im Sinne des § 49 Abs. 1 Satz 1 NBauO handelt es sich hier, denn das beanstandete Schild ist eine örtlich gebundene Einrichtung, die dem Hinweis auf das Gewerbe der Antragstellerin dient und von allgemein zugänglichen Verkehrsflächen aus, hier der B. ...., sichtbar ist. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin fehlt es der Werbeanlage auch nicht deshalb am Merkmal der Ortsgebundenheit, weil sie auf einem beweglichen Anhänger angebracht ist. Denn entscheidend ist insoweit nicht, dass die Werbeanlage wegen ihrer Anbringung auf einem beweglichen Anhänger jeder Zeit an einen anderen Ort transportiert werden könnte, sondern dass sie - wie hier - für längere Zeit an dem für sie vorgesehenen Standort verbleiben soll (vgl. Nds. OVG - Beschluss vom 09. Mai 2001 - 1 MA 1428/01; Grosse-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO,  6. Auflage 1996, § 49 Rdnr. 13 mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des Nds. OVG). Eine Baugenehmigung für diese Werbeanlage besitzt die Antragstellerin aber nicht.

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Die streitige Werbeanlage ist auch materiell baurechtswidrig, so dass der Antragstellerin die von dieser unter dem 17. Dezember 2001 beim Antragsgegner formlos beantragte Baugenehmigung nicht zu erteilen wäre. Denn wie sich aus dem in den Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin enthaltenen Kartenmaterial, in dem der Standort der Werbeanlage gekennzeichnet ist, ergibt, wurde diese südlich der Ortsrandbebauung von S., somit, was auch von der Antragstellerin nicht in Abrede gestellt wird, außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile, das heißt im Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB errichtet. Dort sind Werbeanlagen im Sinne des § 49 Abs. 1 NBauO aber gemäß § 49 Abs. 3 Satz 1 NBauO unzulässig, es sei denn, es läge einer der in § 49 Abs. 3 Satz 2 NBauO aufgeführten Ausnahmetatbestände vor, was hier offensichtlich nicht der Fall ist.

9

Die der Antragstellerin am 20. Dezember 2001 zugestellte Beseitigungsverfügung des Antragsgegners erweist sich - entgegen der Annahme der Antragstellerin - auch nicht wegen der ihr gesetzten Frist zur Beseitigung bis zum 02. Januar 2002 als ermessensfehlerhaft. Zum einen trifft es nicht zu, dass, wie die Antragstellerin meint, von der Zustellung des Bescheides bis zum Fristablauf nur 3 Werktage Zeit gewesen seien, um der Verfügung nachzukommen. Vielmehr lagen zwischen dem 20. Dezember 2001 und dem Ablauf des 02. Januar 2002 8 Werktage, denn auch die Samstage (22. und 29. Dezember 2001) sowie der 24. und der 31. Dezember 2001 (jeweils Montage) waren Werktage. Im Übrigen ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner die Antragstellerin vor Erlass der angefochtenen Verfügung bereits mehrfach, nämlich mit Schreiben vom 28. November 2001 und vom 11. Dezember 2001 formlos jeweils unter Fristsetzung, mit dem Schreiben vom 11. Dezember 2001 zusätzlich unter Ankündigung einer Beseitigungsverfügung, zur Beseitigung der Werbeanlage aufgefordert hat, so dass die Aufforderung zur Beseitigung in der angefochtenen Verfügung die Antragstellerin nicht überraschen konnte. Ferner ist die Fristsetzung von 8 Werktagen auch deshalb nicht zu beanstanden, weil die Beseitigung des auf einem beweglichen Anhänger angebrachten Werbeschildes ohne größeren Zeitaufwand möglich ist.

10

Angesichts der somit gegebenen offensichtlichen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung ist auch ein besonderes Interesse an der sofortigen Beseitigung der Werbeanlage gegeben und die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Beseitigungsanordnung daher nicht zu beanstanden. Insoweit hat der Antragsgegner zu Recht darauf hingewiesen, dass es angesichts der offensichtlichen formellen und materiellen Rechtswidrigkeit der Werbeanlage zum einen nicht gerechtfertigt wäre, der Antragstellerin die wirtschaftlichen Vorteile der Werbeanlage bis zum rechtskräftigen Abschluss des Widerspruchsverfahrens und eines sich daran gegebenenfalls anschließenden Klageverfahrens zu belassen sowie zum anderen darauf, dass die ungenehmigte Werbeanlage einen Anreiz zur Nachahmung schaffen und den Eindruck erwecken würde, man könne sich aus einem rechtswidrigen Verhalten über längere Zeit Vorteile verschaffen. Diese Gefahr bestand hier auch konkret, da sich ein Konkurrent der Antragstellerin mit Schreiben vom 06. Dezember 2001 ausdrücklich über das Vorhandensein der Werbeanlage der Antragstellerin unter Hinweis darauf beschwert hatte, dass auch er gerne im Außenbereich für seine Firma werben würde.

11

Auch die Androhung der Ersatzvornahme, die ihre Rechtsgrundlage in § 89 Abs. 4 Satz 1 NBauO i.V.m. §§ 64 Abs. 1, 65 Abs. 1 Ziffer 1, 66, 70 Nds. Gefahrenabwehrgesetz hat, ist nicht zu beanstanden. Gründe, aus denen die Androhung der Ersatzvornahme rechtswidrig sein könnte, sind weder geltend gemacht worden noch ersichtlich.

12

Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.