Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 08.03.2002, Az.: 1 A 616/01

Anmeldung; Hauptwohnung; Melderecht; Zwangsmittel

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
08.03.2002
Aktenzeichen
1 A 616/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 42347
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zulässigkeit des Verwaltungszwanges zur Durchsetzung von Mitwirkungshandlungen bei Berichtigung zurechenbar veranlasster Unzuständigkeit des Melderegisters

Tatbestand:

1

Der Kläger wendet sich gegen die Festsetzung eines Zwangsgeldes, mit dem er zur Erfüllung melderechtlicher Verpflichtungen angehalten werden soll.

2

Am 28. März 1998 meldete der Kläger bei der Gemeinde L. seine Hauptwohnung ... in L.-S. unter Verwendung des amtlichen Vordrucks ab. Als Tag des Auszugs gab er den 24. März 1998 an. Seine künftige Hauptwohnung bezeichnete er bei der Abmeldung mit der neuen Anschrift ... in L.. Eine Anmeldung bei der für den neuen Wohnsitz zuständigen Beklagten fand nicht statt.

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Mit dem Vermerk "Empfänger unbekannt verzogen" gelangte ein Schreiben der Beklagten vom 1. Dezember 1999, gerichtet an den Kläger unter der Anschrift ... in L. am 6. Dezember 1999 als unzustellbar zurück. Das Schreiben enthielt die Aufforderung, der Kläger möge seine Meldepflicht bis zum 11. Dezember 1999 erfüllen.

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Mit Bescheid vom 3. November 2000 forderte die Beklagte den Kläger unter derselben Anschrift auf, seiner allgemeinen Meldepflicht nach dem niedersächsischen Meldegesetz bis zum 10. November 2000 nachzukommen. Sie ordnete die sofortige Vollziehung der Verfügung an. Widrigenfalls werde sie ein Zwangsgeld von 100,00 DM festsetzen. Der Kläger habe es versäumt, sich für die bei der Abmeldung genannte neue Wohnung anzumelden, obwohl er sich dort aufhalte und die Anschrift für Postsendungen verwende. Da dieses Verhalten nicht der Rechtsordnung entspreche, sei gegen den Kläger einzuschreiten. Die sofortige Vollziehung liege im öffentlichen Interesse, weil nach dem Verhalten des Klägers mit einer Beachtung der Meldepflicht nicht zu rechnen sei. Die Androhung des Zwangsgeldes sei erforderlich, um die Verpflichtung des Klägers durchzusetzen, und in der bestimmten Höhe angemessen. Die Entscheidung wurde am 6. November 2000 durch Niederlegung bei der Postagentur L. zugestellt.

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Mit Bescheid vom 4. Dezember 2000, zugestellt am 6. Dezember 2000 setzte die Beklagte, weil der Kläger untätig geblieben war, das angedrohte Zwangsgeld fest, bestimmte zur Erfüllung der Meldepflicht eine neue Frist bis zum 11. Dezember 2000 und drohte ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 300,00 DM an. Dieses setzte sie nach fruchtlos verstrichener Frist mit Bescheid vom 26. Januar 2001 fest, gab dem Kläger erneut eine Frist zur Befolgung bis zum 2. Februar 2001 und drohte ihm nunmehr ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 DM an.

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Gegen diese am 30. Januar 2001 zugestellte Entscheidung erhob der Kläger am 6. Februar 2001 Widerspruch.

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Unterdessen wiederholte die Beklagte mit mehreren aufeinanderfolgenden Bescheiden ihre Aufforderung an den Kläger, der Meldepflicht zu genügen, und setzte dabei die jeweils zuvor in fortlaufend gesteigerter Höhe angedrohten Zwangsgelder fest. Als letzte Maßnahme ist den Verwaltungsvorgängen der Bescheid vom 16. Mai 2001 zu entnehmen, mit dem ein Zwangsgeld in Höhe von 2000,00 DM festgesetzt und ein weiteres in Höhe von 2.500,00 DM angedroht wurde. Von Rechtsmitteln gegen diese Bescheide machte der Kläger keinen Gebrauch.

8

Den Widerspruch vom 6. Februar 2001 gegen den Bescheid vom 26. Januar 2001 begründete der Kläger wie folgt: Er besitze im Gebiet der Beklagten keinen Wohnsitz und sei daher auch nicht verpflichtet, sich bei ihr zu melden. Er habe dort lediglich eine Postadresse und einen Postbevollmächtigten, der amtliche Schriftstücke für ihn in Empfang nehmen dürfe. Dieses führe nicht zu einer Meldepflicht.

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Den Widerspruch wies der Landkreis C. mit Bescheid vom 11. April 2001 zurück. Die durchzusetzende Ausgangsverfügung vom 3. November 2000, die vom Kläger die Erfüllung seiner allgemeinen Meldepflicht verlangt, sei bestandskräftig und im Übrigen auch rechtmäßig. Die Voraussetzungen für die Festsetzung des angedrohten Zwangsgeldes in Höhe von 300,00 DM durch den angefochtenen Bescheid vom 26. Januar 2001 seien erfüllt. Der Kläger sei der Aufforderung, seinen Meldepflichten zu entsprechen, nicht nachgekommen. Das Zwangsmittel sei erforderlich, ihn hierzu anzuhalten. Die Höhe von 300,00 DM sei unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Entsprechendes gelte angesichts der andauernden Weigerung des Klägers auch für die Androhung des weiteren Zwangsgeldes in Höhe von 500,00 DM.

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Gegen diese am 17. April 2001 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 13. Mai 2001 eingegangene Klage. Schon der mit dem bekämpften Zwangsmittel durchzusetzende Ausgangsbescheid vom 3. November 2000 sei nicht nur rechtswidrig, sondern darüber hinaus auch nichtig. Vom Kläger werde unmögliches verlangt; denn er besitze weder im Gebiet der Beklagten noch im Geltungsbereich des nds. Meldegesetzes eine Wohnung, für die er sich anmelden könne. Nach dem Auszug aus der früheren Wohnung in L. am 24. März 1998 habe er sich ordnungsgemäß abgemeldet. Eine neue Wohnung in B. habe er dann aber nicht bezogen. Unter der dortigen Anschrift ... wohne seine Mutter. Hier sei der Kläger postalisch zu erreichen. Eingezogen sei er bei seiner Mutter nicht. Es stehe ihm auch kein Zimmer zur Verfügung. Er besuche seine Mutter gelegentlich, und zwar tageweise und niemals eine Woche, er schlafe dann im Wohnzimmer auf der Couch. Damit gebe es keine Wohnung, deren Bezug er anmelden könne. Soweit in diesem Zusammenhang von Auskunfts- und Nachweispflichten einer meldepflichtigen Person die Rede sein könne, habe die Beklagte ein derartiges Verlangen nie an ihn gerichtet. Die Ausgangsverfügung besitze nach allem keinen vollziehbaren Inhalt, sei damit nichtig und könne auch nicht durch Verhängung von Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Davon abgesehen habe er wahrheitsgemäß die Auskunft erteilt, dass er in der ... in L. nicht wohne. Mit dieser Angabe sei die Beklagte in der Lage, ihr Melderegister ordnungsgemäß zu führen.

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Der Kläger beantragt,

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die Bescheide der Beklagten vom 26. Januar 2001 und des Landkreises C. vom 11. April 2001 aufzuheben.

13

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie stützt sich auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

18

Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig und verletzen daher den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Festsetzung des Zwangsgeldes in Höhe von 300,00 DM im Bescheid vom 26. Januar 2001 und die damit verbundene Androhung eines weiteren Zwangsgeldes sind rechtlich nicht zu beanstanden. Auf die tatsächlich und rechtlich zutreffenden Begründungen, insbesondere des Widerspruchsbescheides, wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO verwiesen.

19

Die Voraussetzungen, unter denen die Beklagte das Zwangsgeld gegen den Kläger festsetzen durfte, waren erfüllt.

20

Gemäß § 64 Abs. 1 des Nds. Gefahrenabwehrgesetzes NGefAG in Verbindung mit § 70 Abs. 1 des Nds. Verwaltungsvollstreckungsgesetzes NVwVG - kann der Verwaltungsakt, der auf die Vornahme einer Handlung oder auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder wenn ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat.

21

Durchzusetzender Verwaltungsakt war die für sofort vollziehbar erklärte Aufforderung des Beklagten vom 3. November 2000 an den Kläger, gemäß § 9 des Nds. Meldegesetzes in derzeit anzuwendender Fassung der Bekanntmachung vom 25. Januar 1998 (GVBl. 56) - NMG - seiner Meldepflicht nachzukommen. Diesen Bescheid hat der Kläger bestandskräftig werden lassen. Ein Vollstreckungshindernis hat nicht vorgelegen, insbesondere ist der Bescheid vom 3. November 2000 nicht, wie der Kläger geltend macht, nichtig. Dieses ist nach § 44 Abs. 1 des Bundes-Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG - i. V. m. § 1 Abs. 1 des Nds. Verwaltungsverfahrensgesetzes - NVwVfG  - nur dann der Fall, soweit der Verwaltungsakt an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Diese Merkmale treffen auf die Verfügung der Beklagten vom 3. November 2000 nicht zu. Es könnte allenfalls zweifelhaft sein, ob die Beklagte vor dem Hintergrund des nachträglich bestrittenen Zuzuges schon zuständig geworden war, den Kläger zu melderechtlichen Mitwirkungshandlungen aufzufordern. Dem NMG lässt sich jedoch entnehmen, dass nicht erst die unzweifelhafte Wohnungnahme am Ort die Zuständigkeit der Gemeinde als Meldebehörde nach § 2 NMG begründet. Die Beklagte hatte den Kläger bereits auf Grund der Vorschrift des § 1 Satz 2 NMG in ihrem Melderegister geführt. In diesem sind die bei den Betroffenen erhobenen, von Behörden oder sonstigen Stellen übermittelten oder der Meldebehörde sonst amtlich bekannt gewordenen Daten zu speichern. Dies war offensichtlich geschehen, nachdem der Kläger bei seiner Abmeldung aus der Gemeinde L. unter dem 28. März 1998 als künftige Wohnung die neue Wohnung in der ... in L. angegeben hatte. Diese Angabe war auch rechtmäßig bei ihm erhoben worden. Rechtsgrundlage dafür war § 11 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 22 Abs. 1 Nr. 12 NMG, wonach bei der Abmeldung gegenwärtige, frühere und zukünftige Anschriften, Haupt- und Nebenwohnung anzugeben sind. In Kenntnis dieser Angaben musste die Beklagte feststellen, dass begründete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit ihres Melderegisters vorlagen, da die nach den zuletzt erhobenen Daten fällige Anmeldung des Klägers noch nicht stattgefunden hatte. Ihre Pflicht zur Berichtigung oder Ergänzung des Registers beruht auf § 4a Abs. 1 Satz 1 des Melderechtsrahmengesetzes - MRRG -, den Sachverhalt hat sie bei konkreten Anhaltspunkten für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Melderegisters bezüglich einzelner oder einer Vielzahl namentlich bekannter Einwohner von Amts wegen zu ermitteln. Diese Regelungszusammenhänge weisen der Beklagten die Zuständigkeit, melderechtlichen Tatbeständen in der Person des Klägers nachzugehen, in klarer Weise zu. Daneben leidet der Ausgangsbescheid vom 3. November 2000 auch an keiner wesentlichen Unbestimmtheit der getroffenen Anordnung, der Kläger habe seiner allgemeinen Meldepflicht gem. NMG nachzukommen. Das Verlangen der Beklagten kam in der Begründung des Bescheides hinreichend deutlich zum Ausdruck. Hierin bezog sich die Beklagte auf den Abmeldevorgang vom 28. März 1998 bei der Gemeinde L. und die vom Kläger als neue Hauptwohnung benannte Anschrift im Bereich der Beklagten. Sie wies den Kläger auf die Anmeldepflicht nach § 9 Abs. 1 NMG für den Fall hin, dass jemand eine Wohnung bezieht. Die Aufforderung konnte der Kläger nicht anders verstehen, als dass er mit dem Bescheid vom 3. November 2000 verpflichtet werden sollte, den bei der Abmeldung gegenüber der Gemeinde L. angekündigten Umzug in die ... L. durch Anmeldung entweder zu bestätigen oder aber, sollte er tatsächlich nicht dorthin umgezogen sein, die hierüber melderechtlich erhebungsfähigen Angaben zu machen, damit das Melderegister ordnungsgemäß fortgeschrieben werden kann. Selbst bei laienhafter Betrachtungsweise muss es sich dem Kläger aufgedrängt haben, dass seine Abmeldung an eine künftige Anschrift und die danach ausstehende Anmeldung oder Richtigstellung der tatsächlichen Verhältnisse zu einer unvollständigen oder gar unrichtigen Erfassung seiner Meldedaten geführt hat. Alle Zweifel an der Verbindlichkeit der Meldeaufforderung sind damit beseitigt. Die Androhung des Zwangsgeldes war auf Grundlage der §§ 65 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 70 NGefAG geboten, da der Kläger seiner gesetzlichen Meldepflicht nicht aus eigener Veranlassung nachgekommen war.

22

Der Kläger hat in der geforderten Weise an der Führung des Melderegisters nicht mitgewirkt. Die Zuwiderhandlung des Klägers berechtigte die Beklagte, das angedrohte Zwangsmittel nach § 67 Abs. 1 NGefAG festzusetzen. Die Bestimmung schreibt in Satz 1 einen Rahmen von 10 DM bis 100.000 DM vor und verlangt in Satz 2, bei der Bemessung auch das wirtschaftliche Interesse des Betroffenen an der Nichtbefolgung des Verwaltungsaktes zu berücksichtigen. Die Bemessung durch den Beklagten entspricht diesen Anforderungen. Die festgesetzte Höhe ist insbesondere deshalb nicht unangemessen, weil der Kläger sich seit seinem Fortzug aus L. nicht nur der Überprüfung seiner melderechtlichen Verhältnisse durch die Beklagte beharrlich entzieht, sondern auch schon das zuvor verhängte Zwangsgeld von 100,00 DM fruchtlos geblieben war. Eine Bemessung in geringerer Höhe hätte den Zweck, den Kläger zur Mitwirkung bei der Überprüfung seiner Meldedaten anzuhalten, offensichtlich verfehlt. Aus demselben Grund ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte das erneut angedrohte Zwangsgeld bei weiterer Nichtbefolgung der Meldeaufforderung auf 500,00 DM erhöht hat.

23

Die nachträgliche Behauptung des Klägers, seit seinem Fortzug aus der Gemeinde L. am 24. März 1998 keine Wohnung im Geltungsbereich des NMG bezogen zu haben, beseitigt die Voraussetzungen der hier streitigen Vollstreckungsmaßnahmen nicht.