Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 15.03.2002, Az.: 6 A 659/00
Allgemeine Ausgleichszahlung; Ausgleichszahlung; falsche Angaben; grobe Fahrlässigkeit; Reinsaat; Sanktion; Stilllegung; Stilllegungsverpflichtung; Versagung der Ausgleichszahlung; Vorsatz
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 15.03.2002
- Aktenzeichen
- 6 A 659/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 41752
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 6 Abs 1 KultPflAZV
- § 14 Abs 1 KultPflAZV
- Art 32 Abs 2 EGV 2419/2001
- Art 33 EGV 2419/2001
- Art 9 Abs 3 EWGV 3887/92
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Vor Beginn des Verpflichtungszeitraums eingesäter Winterroggen in Reinsaat, der zur Begrünung der stillgelegten Fläche im Verpflichtungszeitraum im Rahmen der Agrarförderung 1998 führt, stellt sich als Verstoß gegen die Stilllegungsverpflichtung dar. Im Einzelfall mildere Sanktionen nach der VO (EG) Nr. 2410/01 verdrängen die Sanktionen nach der VO (EG) Nr. 3887/92.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Ausgleichszahlungen im Rahmen der Agrarförderung für das Jahr 1998.
Für das Jahr 1998 beantragte der Kläger für seinen landwirtschaftlichen Betrieb mit Formularantrag vom 20. März 1998 - eingegangen bei der Landwirtschaftskammer H. - Kreisstelle Z. - die Gewährung von Ausgleichszahlungen (Getreide, Ölsaaten, Eiweißpflanzen, Öllein, Stillegung) nach der Allgemeinen Regelung mit Flächenstillegung von 5 % der preisausgleichsberechtigten Fläche.
In dem beigefügten Gesamtflächen- und Nutzungsnachweis führte er zuwendungsfähige Getreideflächen von insgesamt 102,6851 ha sowie 5,6 ha Stillegungsflächen auf. Bei den Stillegungsflächen führte er u. a. folgende Flächen auf:
Teilfläche zur Größe von 1,25 ha des Flurstückes 11/9 der Flur 5, Gemarkung W.,
Teilfläche zur Größe von 0,50 ha des Flurstückes 11/8 der Flur 5, Gemarkung W.,
Teilfläche zur Größe von 0,85 ha des Flurstückes 4/11 der Flur 7, Gemarkung W.,
Teilfläche zur Größe von 0,50 ha des Flurstückes 2/1 der Flur 6, Gemarkung W.,
Teilfläche zur Größe von 1,0 ha des Flurstückes 4/13 der Flur 7, Gemarkung W..
Weiter erklärte er in dem Antrag, dass seit Beginn des Stillegungszeitraums am 15. Januar 1998 die Stillegungsauflagen gemäß § 14 der Kulturpflanzen - Ausgleichszahlungs- Verordnung - KAVO - eingehalten werden.
Am 26. Mai 1998 fand eine Vor - Ort - Kontrolle auf dem klägerischen Betrieb durch zwei Mitarbeiter des Amtes für Agrarstruktur B. statt.
Dabei wurde laut Anlage zum Prüfungsbericht, den der Kläger unterzeichnet hat, festgestellt, dass die zur Stillegung angemeldete Teilfläche des Flurstücks 4/13 zur Größe von 1,0 ha mit Roggen bebaut war. Die Vermessung der Flurstücke 2/1 und 4/11 ergab statt der beantragten 1,35 ha lediglich eine Größe von 1,12 ha.
Zugleich fanden die Prüfer auf 0,23 ha der stillgelegten Teilfläche des Flurstückes 4/11 Roggen vor.
Eine weitere Abweichung wurde auf den Teilflächen der Flurstücke 11/9 und 11/8 festgestellt. Diese beiden Teilflächen wurden nicht wie beantragt mit 1,75 ha vermessen, sondern lediglich mit 1,25 ha.
Neben den festgestellten Flächendifferenzen hielten die Prüfer in dem Prüfungsprotokoll fest, dass die Stillegungsauflagen laut § 14 KAVO nicht eingehalten worden seien, weil Teile der Flächen in Reinsaat begrünt worden seien.
Mit Bescheid vom 22. Januar 1999 lehnte das Amt für Agrarstruktur B. für das Jahr 1998 die Gewährung von Ausgleichszahlungen für Getreide unter Hinweis darauf ab, dass der Kläger in seinem Antrag die Stillegungsfläche von 1,00 ha auf dem Flurstück 4/13 absichtlich angegeben habe, um die Ausgleichszahlung dafür zu erlangen und um das Stillegungsverhältnis einzuhalten, obwohl er gewusst habe, dass diese Fläche mit Roggen bestellt gewesen sei. Gemäß Art. 9 Abs. 2 dritter Unterabsatz der VO (EWG) Nr. 3887/92 werde der Betriebsinhaber von der Gewährung der betreffenden Beihilferegelung (Agrarförderung) für das betreffende Kalenderjahr ausgeschlossen. Darüber hinaus werde der betreffende Betriebsinhaber im Fall absichtlich gemachter Falschangaben von der Gewährung jeglicher Beihilfe im folgenden Kalenderjahr entsprechend der Fläche, für die sein Beihilfeantrag abgelehnt worden sei, ausgeschlossen. Der Kläger werde deshalb von der Gewährung jeglicher Beihilfe im nächsten Kalenderjahr entsprechend der Fläche, für die sein Beihilfeantrag gestellt worden sei, ausgeschlossen.
Gegen diese Ablehnung wandte sich der Kläger mit Widerspruch vom 16. Februar 1999, den er damit begründete, es gebe keinen Hinweis, dass er absichtlich gehandelt habe. Es könne dem Kläger nicht unterstellt werden, dass er wusste, dass sein Verhalten falsch gewesen sei. Ebenso wenig könne ihm unterstellt werden, dass es ihm darauf angekommen sei, gegen die Vorschriften zu verstoßen.
Der Kläger habe in dem Stillegungszeitraum keinerlei Tätigkeiten entfaltet, die den Bewuchs auf der betroffenen Fläche gefördert hätten.
Nach der Einsaat von Winterroggen im Herbst 1997 sei es infolge starker Regenfälle zu einer wochenlangen Überschwemmung der betroffenen Teilfläche von einem ha gekommen. Der Aufwuchs der Fläche habe dabei so stark gelitten, dass eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung oder Beerntung nicht mehr möglich gewesen sei. Nach Rückgang des Wassers im Lauf des Frühjahrs 1998 sei kein nennenswerter Bewuchs mit Getreide auf der betroffenen Fläche vorhanden gewesen. Die Fläche sei im Frühjahr 1998 stark mit Gräsern und sonstigem Unkraut überzogen gewesen.
Der Kläger sei zu Recht davon ausgegangen, dass hier ein Begrünen mit Getreide in Reinsaat nicht vorgelegen habe. Wenn aber die Vorgaben für eine Reinsaatfläche gemessen an der Ährenzahl pro Flächeneinheit wie hier nicht erreicht worden seien, könne folgerichtig die Stillegung beantragt werden. Der Kläger habe erkannt, dass ein wirtschaftlicher Ertrag auf der betroffenen Teilfläche nicht zu holen gewesen sei, und habe deshalb die Fläche in seine Stillegungsverpflichtung aufgenommen. Der Kläger habe von Anfang an geplant, die betroffene Teilfläche umzubrechen oder abzuschlegeln. Eine landwirtschaftliche Nutzung habe der Kläger von Anfang an nicht vorgehabt. Der Kläger habe auch das Ausbringen von Dünger, Abwasserklärschlamm, Fäkalien oder ähnlichen Stoffen ebenso unterlassen wie den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.
Das schlichte Aussäen von Roggen im Herbst 1997 reiche für einen Verstoß gegen die Stillegungsauflagen nicht aus.
Jedenfalls habe der Kläger nicht mit Wissen und Wollen eine Begrünung mit Reinsaat in dem Stillegungsverpflichtungszeitraum vornehmen wollen.
Ferner habe der Kläger nicht erkennen können, dass durch das schlichte Belassen des verkümmerten Restbestandes von Roggenpflanzen auf der betroffenen Fläche ein "Begrünen mit Getreide in Reinsaat" vorgelegen habe.
Mit Schreiben vom 17. März 1999 beantragte das Amt für Agrarstruktur B. bei der Oberfinanzdirektion H., ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen den Kläger einzuleiten, da der Kläger durch die Begrünung der im Rahmen der Agrarförderung stillgelegten Fläche Flurstück 4/13 mit Roggen in Reinsaat gegen die Stillegungsauflage verstoßen habe. Aufgrund der deutlichen Flächenabweichung sei der Antrag auf Agrarförderung mit Bescheid vom 22. Januar 1999 wegen grob fahrlässiger Falschangaben abgelehnt worden.
Nach Einleitung des Verfahrens verhängte die Oberfinanzdirektion unter dem 03. Januar 2000 gegen den Kläger ein Bußgeld in Höhe von 500,00 DM. Gegen diesen Bußgeldbescheid erhob der Kläger Einspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2000 lehnte die Bezirksregierung L. den Widerspruch des Klägers im Wesentlichen mit der Begründung zurück, dass der Kläger absichtlich falsche Angaben gemacht habe, indem er die Fläche bewusst als Stillegungsfläche beantragt habe, obwohl diese bebaut gewesen sei. Der Kläger habe gegenüber den Prüfern vor Ort geäußert, dass die Roggenfläche, um die es gehe, keine Stillegung sei. Entgegen der Auffassung des Klägers hätten die Prüfer vor Ort den Eindruck gewonnen, dass die gesamte Fläche einheitlich bewirtschaftet und gepflegt worden sei. Im Vergleich zu den unmittelbar angrenzenden Roggenflächen sei weder in der Bewirtschaftung noch in der Ährenzahl ein Unterschied festzustellen gewesen.
Dem Kläger sei Absicht vorzuwerfen.
Dagegen hat der Kläger mit einem am 18. April 2000 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben.
Im Zuge des Ordnungswidrigkeitenverfahrens kam es am 01. März 2001 zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht H.. In der Verhandlung wurde der Zeuge A. als landwirtschaftlicher Ringberater gehört. Dieser gab an, das Amt für Agrarstruktur habe in ähnlich gelagerten Fällen geraten, "ggf. den Boden bis zum 15. Mai 1999 umzubrechen". Dies sei bei der Fläche des Klägers aus witterungstechnischen Gründen nicht möglich gewesen. Der Zeuge habe den Bewuchs auf der Fläche eindeutig als stillgelegt angesehen.
Der Kläger wurde mit Urteil des Amtsgerichts H. vom 01. März 20001 freigesprochen.
Die vorliegende Klage begründet der Kläger unter Vertiefung seines Vorbringens im Verwaltungsverfahren sowie im Ordnungswidrigkeitenverfahren im Wesentlichen damit, dass der landwirtschaftliche Ringberater den Kläger entsprechend der vom Amt für Agrarstruktur durchgeführten Informationsveranstaltung, auf der erklärt worden sei, dass auch durch Witterungseinflüsse nicht ordnungsgemäß entwickelte Flächen als Stillegungsflächen in Betracht kämen und lediglich empfohlen werde, diese Flächen umzubrechen, beraten habe.
Aufgrund der völligen Verunkrautung der Fläche sei der Bewuchs der Fläche mit Roggen nicht einmal mehr ansatzweise zu erkennen gewesen.
Im Übrigen trage der Beklagte die Beweislast für den Nachweis der Absicht. Es gehe im vorliegenden Verfahren nicht darum, einen Vorwurf zu entkräften, sondern die tatsächlichen Voraussetzungen für eine verhängte Strafsanktion seitens des Beklagten darzulegen und unter Beweis zu stellen.
Eine lediglich fahrlässige Begehung einer Unregelmäßigkeit sei wegen der Rückwirkung der milderen Sanktionierung in der VO (EWG) Nr. 2419/2001 nicht mehr sanktionierbar.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Amtes für Agrarstruktur B. m 22. Januar 1999 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung L. 21. März 2000 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger allgemeine Ausgleichszahlungen für 1998 in Höhe von 31.100,23 DM (= 15.901,30 ¤) zu bewilligen,
ferner,
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,
hilfsweise,
Beweis zu erheben zur Frage des Bestandsaufwuchses durch Vernehmung des Ringleiters A. als Zeugen.
Der Beklagte, das Amt für Agrarstruktur V., das im April 2000 aufgrund eines Zuständigkeitswechsels u.a. für das vorliegende Verfahren zuständig geworden ist, beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung L. vom 21. März 2000 und ergänzt, dass in dem Prüfungsbericht vermerkt worden sei, dass eine in Reinsaat begrünte Stillegungsfläche vorgefunden worden sei. Die Vorschrift des § 14 Abs. 1 KAVO solle unter anderem gewährleisten, dass auf einer Stillegungsfläche kein erntefähiger Bestand an einer beihilfefähigen Frucht entstehe.
Es werde bestritten, dass es dem Kläger bis zum 26. Mai 1998 aus witterungstechnischen Gründen nicht möglich gewesen ein, die streitgegenständliche Fläche des Flurstücks 4/13 umzubrechen oder abzuschlegeln. Diese Behauptung könne nicht den Tatsachen entsprechen, weil sich unter solchen extrem schlechten Bedingungen kein Roggenbestand der vorgefundenen Qualität hätte entwickeln können. Es finde sich auch weder im Protokoll über die Vor - Ort - Kontrolle noch sonst ein Hinweis darauf, dass die Fläche außergewöhnlich nass oder unbefahrbar gewesen sei.
Der Vortrag des Klägers sei nicht geeignet, den Vorwurf der absichtlich falsch gemachten Antragstellung zu entkräften. Der Vorwurf der absichtlichen Falschbeantragung werde auch unter der Voraussetzung aufrecht erhalten, dass zum Zeitpunkt der Antragsabgabe am 20. März 1998 kein nennenswerter Bewuchs mit Roggen auf der als Stillegungsfläche beantragten Teilfläche des Flurstückes 4/13 vorhanden gewesen sei, weil es der Kläger bis zum Tag der Kontrolle unterlassen habe, das Amt für Agrarstruktur B. darüber zu informieren, dass ein Unterpflügen des Bestandes oder Abschlegeln der Fläche witterungsbedingt nicht möglich gewesen sei. Dem Kläger sei bekannt und bewusst gewesen, dass die stillgelegte Teilfläche nicht als Stillegungsfläche anzuerkennen war, denn er habe während der Vor - Ort - Kontrolle eingeräumt, dass er wisse, dass die Roggenfläche keine Stillegungsfläche sei.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Ferner hat dem Gericht die Gerichtsakte zu dem Verfahren - 265 - 37/00 - vor dem Amtsgericht H. vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg.
Der Bescheid des Amtes für Agrarstruktur B. vom 22. Januar 1999 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung L. vom 21. März 2000 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, denn der Kläger hat Anspruch auf die Bewilligung von Allgemeinen Ausgleichszahlungen in Höhe von 15.901,30 ¤.
Als Anspruchsgrundlage kommt vorliegend § 6 Abs. 1 der Kulturpflanzen - Ausgleichszahlungs- Verordnung (KAVO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 5.Mai 1999 (BGBl. I S. 858) in Betracht.
Zwar wurde die KAVO durch § 32 S. 1 der Flächenzahlungsverordnung vom 6. Januar 2000 (BGBl. I S. 15, 36) - mit späteren Änderungen - aufgehoben, aber nach § 32 S. 2 der Flächenzahlungsverordnung ist die KAVO auf Anträge, die - wie hier - bis einschließlich für das Wirtschaftsjahr 1999/2000 (Ernte 1999) gestellt wurden, weiter anzuwenden.
Nach § 6 Abs. 1 S. 1 KAVO wird einem Erzeuger die allgemeine Ausgleichszahlung gewährt, wenn er seine Stillegungsverpflichtungen erfüllt hat, die sich aus den in § 1 KAVO genannten Rechtsakten des Rates und der Kommission der Europäischen Gemeinschaft ergeben.
Nach Art. 2 der VO (EWG) Nr. 1765/92 des Rates vom 30. Juni 1992 haben Erzeuger landwirtschaftlicher Kulturpflanzen der Gemeinschaft bei Erfüllung näher geregelter Voraussetzungen einen Anspruch auf Gewährung von Ausgleichszahlungen. Dies gilt nach der "Allgemeinen Regelung" u. a. bei Stillegung eines Teils der Betriebsfläche (Art. 7). Art. 2 der VO (EG) Nr. 762/94 definiert Flächenstillegung als "Brachlegung von Flächen, die im Vorjahr für Erntezwecke bebaut wurden". Gemäß Art. 3 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 762/94 müssen die stillgelegten Flächen gepflegt werden, um sie in einem zufriedenstellenden agronomischen Zustand zu erhalten. Sie dürfen weder einer anderen landwirtschaftlichen Erzeugung als derjenigen dienen, die in Art. 7 Abs. 4 der VO (EWG) Nr. 1765/92 vorgesehen ist, noch einem Erwerbszweck zugeführt werden, der mit dem Anbau von Kulturpflanzen unvereinbar ist.
Durch Art 3 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 762/94 werden die Mitgliedstaaten ermächtigt und verpflichtet, geeignete Vorschriften zum Schutz der Umwelt zu erlassen, die den Besonderheiten der stillgelegten Flächen Rechnung tragen. Diese Vorschriften können auch einen pflanzlichen Bewuchs betreffen. Darauf beruht u. a. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KAVO, wonach auf einer stillgelegten Fläche das Begrünen mit Getreide, Eiweißpflanzen sowie Raps, Rübsen, Sojabohnen oder Sonnenblumen oder Lein jeweils in Reinsaat verboten ist.
Gegen diese Verpflichtung hat der Kläger verstoßen, denn er hat auf der als Stillegungsfläche angemeldeten Teilfläche des Flurstückes 4/13 im Herbst 1997 Winterroggen in Reinsaat aufgebracht. Dabei kommt es zur Überzeugung des Gerichts nicht darauf an, in welchem Zustand sich der Roggen zu Beginn des Verpflichtungszeitraums am 15. Januar 1998 befand. Entscheidend ist nach Auffassung des Gerichts, dass die Teilfläche - zwischen den Beteiligten unstreitig - eine Begrünung aufgrund der Einsaat des Winterroggens in Reinsaat erfahren hatte.
Strittig ist zwischen den Beteiligten dagegen, ob dieser Verstoß eine Sanktion nach der VO (EWG) Nr. 3887/92 rechtfertigt, die zum Ausfall der Gewährung der allgemeinen Ausgleichszahlung führt.
Nach Art. 9 Abs. 3 der VO (EWG) Nr. 3887/92 i. d. Fassung vom 23. Dezember 1992 (ABl. L 391 vom 31. Dezember 1992, S. 36) - mit späteren Änderungen - wurde für den Fall, dass es sich um falsche Angaben handelt, die absichtlich oder aufgrund grober Fahrlässigkeit gemacht wurden, der betreffende Betriebsinhaber
a) von der Gewährung jeglicher Beihilfe nach Artikel 1 Absatz 1 der VO (EWG) Nr. 3508/92 für das betreffende Kalenderjahr ausgeschlossen und
b) im Fall absichtlich gemachter falscher Angaben außerdem von der Gewährung jeglicher Beihilfe nach Artikel 1 Absatz 1 der VO (EWG) Nr. 3508/92 im folgenden Kalenderjahr für eine Fläche ausgeschlossen, die der Fläche entspricht, für die sein Beihilfeantrag abgelehnt wurde.
Die VO (EWG) Nr. 3887/92 - mit späteren Änderungen - ist nunmehr durch die VO (EG) Nr. 2419/2001 der Kommission vom 11. Dezember 2001 aufgehoben worden. Sie gilt jedoch weiter für Beihilfeanträge, die sich - wie hier - auf vor dem 1. Januar 2002 auslaufende Wirtschaftsjahre oder Prämienzeiträume beziehen (Art. 53 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 2419/2001).
Nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 der VO (EWG) Nr. 3887/92 ist für die Beurteilung von Absicht oder grober Fahrlässigkeit auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen. So weist die Formulierung "gemacht wurden" eindeutig auf die Erforderlichkeit eines in der Vergangenheit liegenden positiven Tuns, mit anderen Worten das Ausfüllen der Antragsunterlagen, hin. Die Vorschrift regelt demgegenüber keinen Beihilfeausschluss für den Fall, dass der Subventionsempfänger z. B. nach der Antragstellung Fehler in seinen Angaben bemerkt und diese gleichwohl nicht korrigiert. Eine entsprechende Regelung wäre aber erforderlich, um ein Unterlassen dem aktiven Tun gleichzustellen (VG Koblenz, Urteil vom 05. Juni 2000 - 8 K 3721/98.KO- zitiert nach juris).
Wurden bei der Antragstellung absichtlich oder grob fahrlässig falsche Angaben gemacht, so führt dies -- gleich welchen Umfang die falschen Angaben haben -- zu einem Ausschluss des betreffenden Betriebsinhabers von der Kulturpflanzen-Ausgleichszahlungs-Verordnung insgesamt, wobei absichtlich falsche Angaben gemäß Art. 9 Abs. 3 b) zusätzlich zu einer Versagung der Allgemeinen Ausgleichszahlungen für das Kalenderjahr 1999 führen würden.
Weiter hat das VG Koblenz in seinem Urteil vom 05. Juni 2000 zu Art. 9 VO(EWG) Nr. 3887/92 ausgeführt:
"Zwar heißt es im Text der deutschen Übersetzung des Art. 9 Abs. 3 der VO(EWG) Nr. 3887/92 lediglich, grob fahrlässige Falschangaben führten zum Ausschluss der betreffenden Beihilfe, was im Zusammenhang mit Art. 9 Abs. 2 (Anmerkung des Gerichts jetzt Abs. 2 Unterabsatz 4) der Verordnung so verstanden werden könnte, dass die genannte Sanktion auf den Block beschränkt bleiben soll, in dem die Falschangaben gemacht worden sind, mit anderen Worten nicht der Anspruch auf jegliche Kulturpflanzen-Ausgleichszahlung ausgeschlossen werden soll. Demgegenüber fordern der englische und der französische Text -- letzterer stellt die Originalfassung der Verordnung dar und ist aus diesem Grund bei Textdivergenzen maßgeblich -- den Ausschluss von der betreffenden Beihilferegelung, mithin von jeglicher Ausgleichszahlung (so auch die Europäische Kommission in einem Schreiben vom 10.02.1998 zu "Fragen Deutschlands zur Anwendung von Art. 9 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 im Falle von grob fahrlässig oder absichtlich falsch gemachten Angaben")".
Möglicherweise ist Art 9 Abs. 2 Unterabsatz 4 der VO (EWG) Nr. 3887/92 aber auch in Anlehnung an das Urteil des EuGH vom 17. Juli 1997 - C ? 354/95 dahingehend zu verstehen, dass die Sanktion auf jeden Block beschränkt bleibt und bei einem absichtlichen oder grob fahrlässig begangenen Verstoß der Block Stillegung für die Berechnung der Ausgleichszahlung entfällt und damit auch der Block Getreideflächen mangels vorhandener Stillegungsflächen.
Im Ergebnis würden beide Auslegungsvarianten zu Art 9 der VO (EWG) Nr. 3887/92 zu einer kompletten Versagung der Allgemeinen Ausgleichszahlungen führen, so dass vorliegend offen bleiben kann, welcher der Vorzug zu geben ist.
Maßgeblich ist insofern allein, ob der Kläger grob fahrlässig oder absichtlich falsche Angaben gemacht hat.
Zur Überzeugung des Gerichts hat der Kläger bei der Antragstellung am 20. März 1998 jedenfalls in einem Fall nachweisbar die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und damit grob fahrlässig falsche Angaben gemacht, indem er in dem dem Antrag beigefügten Flächennachweis eine Teilfläche des Flurstückes 4/13 als Stillegungsfläche angegeben hat, obwohl er wusste, dass diese Fläche bereits mit Roggen in Reinsaat begrünt war und deshalb als Stillegungsfläche nicht in Betracht kam.
Die grobe Fahrlässigkeit kann auch nicht dadurch in Abrede gestellt werden, dass das Amt für Agrarstruktur B. die Landwirte dahingehend beraten haben soll, dass auch zum Zeitpunkt der Antragstellung mit Roggen in Reinsaat bestellte Flächen, auf denen der Roggen verkümmert war, ohne weitere Maßnahmen als Stillegungsflächen in Betracht kommen. Der Berater A. hat sich ausweislich der Gerichtsakte des Amtsgerichts H. dahingehend eingelassen, vom Amt für Agrarstruktur sei in ähnlichen Fällen geraten worden, "ggfs. den Boden bis zum 15. Mai 1999 umzubrechen." Daraus folgt für das Gericht nicht, dass das Amt für Agrarstruktur B. mit Roggen bestellte Flurstücke, die zum Zeitpunkt der Antragstellung verkümmert waren, als zuwendungsfähig anerkannt hat. Auch zeigt die Reaktion des Klägers anlässlich der Vor - Ort - Kontrolle, dass er sich durchaus bewusst war, dass er hier eine mit Roggen bestellte Fläche als Stillegungsfläche angegeben hat.
Ob der Kläger tatsächlich mit Wissen und Wollen zielgerichtet die mit Roggen bestellte Teilfläche in den Antrag aufgenommen hat, d. h. absichtlich in dem Bewusstsein, dass die Fläche von vornherein nicht beihilfefähig war, lässt sich zur Überzeugung des Gerichts nicht feststellen, denn es ist unwahrscheinlich, dass der Kläger damit bewusst den gesamten Zuwendungsbetrag in Höhe von etwa 50.000 DM wegen einer Stillegungsfläche von 1 ha riskiert hätte. Dies ist insbesondere auch deshalb unwahrscheinlich, weil der Kläger sich auf die Beratung durch den Ringleiter Herrn A. verlassen hat.
Bei Feststellung einer groben Fahrlässigkeit ist eine komplette Versagung der Ausgleichszahlungen für das Jahr 1998 nicht gerechtfertigt.
Der Sanktion gemäß Art. 9 Abs. 3 der VO (EWG) Nr. 3887/92 entgeht der Kläger dadurch, dass die VO (EWG) Nr. 3887/92 - mit späteren Änderungen - durch die VO (EG) Nr. 2419/2001 der Kommission vom 11. Dezember 2001 aufgehoben worden ist, denn die VO (EG) Nr. 2419/2001 enthält für den vorliegenden Fall eine mildere Sanktion.
Nach Art. 2 Abs. 2 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften kann eine verwaltungsrechtliche Sanktion nur verhängt werden, wenn sie in einem Rechtsakt der Gemeinschaften vor dem Zeitpunkt der Unregelmäßigkeit vorgesehen wurde. Bei späterer Änderung der in einer Gemeinschaftsregelung enthaltenen Bestimmungen über verwaltungsrechtliche Sanktionen gelten die weniger strengen Bestimmungen rückwirkend.
Die Grundlage für die Berechnung der Beihilfen, Kürzungen und Ausschlüsse ist nunmehr im Titel IV der VO (EG) Nr. 2419/2001 geregelt. In Art 33 finden sich jetzt allein Sanktionen für vorsätzliche Verstöße. Nach Art. 33 Unterabsatz 1 der VO (EG) Nr. 2419/2001 wird im laufenden Kalenderjahr keine Beihilfe im Rahmen der betreffenden Beihilferegelung, auf die der Betriebsinhaber gemäß Artikel 31 Abs. 2 Anspruch gehabt hätte, gewährt, wenn die gemäß Artikel 31 Absatz 2 festgestellten Differenzen zwischen der angegebenen und der ermittelten Fläche auf vorsätzlich begangenen Unregelmäßigkeiten beruhen. Die Sanktion für grob fahrlässig begangene Verstöße ist entfallen. Dieser Umstand gereicht dem Kläger im vorliegenden Fall auch zum Vorteil, denn bei einem Vergleich mit der Sanktionierung nach der gesamten VO (EG) Nr. 2419/2001 fällt die Sanktion für den Kläger milder aus.
Der Beklagte kann dagegen nicht mit Erfolg einwenden, dass die Regelung in Art. 53 Abs. 1 Satz 2 der VO (EG) Nr. 2419/2001 die speziellere Regelung zu Art. 2 Abs. 2 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 sei und dieser Regelung daher vorgehe. Abgesehen davon, dass Art. 53 Abs. 1 Satz 2 der VO (EG) Nr. 2419/2001 als allgemeine Übergangsbestimmung die Anwendbarkeit der Sanktionsregel in Art. 9 der VO (EWG) Nr. 3887/92 nicht ausdrücklich vorschreibt, ist dieser Übergangsbestimmung nicht zu entnehmen, dass damit Art. 2 Abs. 2 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 verdrängt werden sollte, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die in der Rechtsprechung des EuGH verankerte Anwendung des Art. 2 Abs. 2 VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 (vgl. dazu Urteil des EuGH vom 17. Juli 1997 - C -354/95 -) bei Erlass der VO (EG) Nr. 2419/2001 hinreichend bekannt war. Ferner kommt hinzu, dass die von der Kommission erlassene VO (EG) Nr. 2419/2001 als Durchführungsverordnung, die sich auf die VO (EWG) Nr. 3508/92 des Rates als "Grundverordnung" stützt, nicht die vom Rat erlassene Verordnung VO (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 aushebeln kann, denn der Ratsverordnung kommt insoweit unter Beachtung der Normenhierarchie Vorrang zu (vgl. Herdegen, Europarecht, 4. Aufl., 2002, RN 176).
Die Anwendung von Art. 32 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 2419/2001 führt vorliegend nicht zu dem Ergebnis, dass dem Kläger für das Kalenderjahr 1998 keine allgemeinen Ausgleichszahlungen zustehen.
Art. 32 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 2419/2001 bestimmt für den Fall, dass in Bezug auf die ermittelte Gesamtfläche, für die im Rahmen der Beihilferegelungen gemäß Artikel 1 Absatz1 Buchstabe a) der Verordnung (EWG) Nr. 3508/92 eine Beihilfe beantragt wird, die angegebene Fläche um mehr als 30 % über der gemäß Artikel 31 Abs. 2 ermittelten Fläche liegt, im betreffenden Kalenderjahr keine Beihilfe im Rahmen der genannten Beihilferegelungen, auf die der Betriebsinhaber gemäß Artikel 31 Abs. 2 Anspruch gehabt hätte, gewährt wird.
Die ermittelte Gesamtfläche setzt sich vorliegend aus 102, 6851 ha Getreideflächen und 3,83 ha Stillegungsfläche zusammen, was eine ermittelte Gesamtfläche von 106,5151 ha ergibt. Im Vergleich zur beantragten Gesamtfläche von 108,2851 ha ist die Grenze von 30 % nicht überschritten.
Von daher bleibt im vorliegenden Fall allein die Sanktion gemäß Artikel 32 Abs. 1 Unterabschnitt 2 VO (EG) Nr. 2419/2001. Danach wird für den Fall, dass die Differenz zwischen der angegebenen Fläche einer Kulturgruppe über 20% der gemäß Artikel 31 Abs. 2 ermittelten Fläche liegt, für die betreffende Kulturgruppe keine flächenbezogene Beihilfe gewährt. Für die nach Art. 30 f) der VO (EG) Nr. 2419/2001 als Kulturgruppe einzuordnenden Stillegungsflächen wurden vorliegend Ausgleichszahlungen für 5,6 ha beantragt und 3,83 ha an Stillegungsflächen tatsächlich ermittelt. Die Differenz von 1,77 ha übersteigt die Grenze von 20% der tatsächlichen Fläche (0,766 ha) deutlich.
Mithin erhält der Kläger nach der VO (EG) Nr. 2419/2001 für die tatsächlich ermittelten Stillegungsflächen keinen Stillegungsausgleich. Er hat jedoch Anspruch auf die begehrten allgemeinen Ausgleichszahlungen für Getreide in Höhe von 15.901,30 Euro.