Landgericht Aurich
Urt. v. 18.11.2005, Az.: 4 O 538/01

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
18.11.2005
Aktenzeichen
4 O 538/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 51084
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 250.000,00 EUR, die Beklagten zu 1) und 3) nebst 4 % Zinsen seit dem 31.07.2000, die Beklagte zu 2) nebst 4 % Zinsen seit dem 12.07.2001 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, alle materiellen und alle weiteren künftigen immateriellen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger aufgrund des im März bis Mai 1999 aufgetretenen und vermeidbar zu spät therapierten Hydrocephalus entstanden sind und noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht in Folge sachlicher und zeitlicher Kongruenz auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden.

3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger verlangt Schmerzensgeld sowie Schadensersatz wegen einer verspätet eingeleiteten Hydrocephalus-Behandlung.

Der Kläger wurde am 25.02.1999 im Kreiskrankenhaus N. mittels Sektio entbunden. Es lag eine Nabelschnurumschlingung vor. Der Kopfumfang betrug 36 cm. Der Beklagte zu 3) war bei der Geburt als Konsiliararzt zugezogen worden. Wegen des Verdachts auf einen Herzfehler wurde der Kläger zunächst an das Kreiskrankenhaus A., dessen Träger der Beklagte zu 1) ist, verwiesen. Von dort wurde der Kläger am 26.02.1999 in das Zentralkrankenhaus „L. d. W.“ nach B. verlegt. Am 10.03.1999 wurde der Kläger in das Kreiskrankenhaus A. zurückverlegt. Der Verdacht auf einen Herzfehler hatte sich nicht bestätigt. Jedoch hatte das Zentralkrankenhaus B. neurologische Auffälligkeiten (Müdigkeit, Schlappheit, verminderter Muskeltonus) bemerkt. Ferner war eine Asymmetrie der Seitenventrikel (links größer als rechts) sowie eine linksseitige Hirnblutung festgestellt worden. Es wurde die Wiederholung einer elektrophysiologischen Untersuchung empfohlen. Die Eltern des Klägers wurden seitens des Kreiskrankenhauses A. in die Bedienung eines Herzmonitors eingewiesen. Am 15.03.1999 wurde der Kläger aus dem Kreiskrankenhaus A. entlassen. In dem Kurzbrief des Kreiskrankenhauses A., ausgestellt von der dort angestellten Beklagten zu 2), ist der Kopfumfang von 38,5 cm vermerkt und mit einem Ausrufezeichen versehen. Wer den Bericht wann erhalten hat, ist streitig. Am 25.03.1999 begaben sich die Eltern mit dem Kläger zur Vorsorgeuntersuchung U 3 zu dem Beklagten zu 3). Der Kopfumfang betrug 40 cm. Der Beklagte zu 3) veranlasste, dass der Kläger erneut im Kreiskrankenhaus A. vorgestellt wurde, wobei streitig ist, ob es sich um eine Überweisung zur ambulanten Behandlung oder um eine Einweisung zur stationären Behandlung handelte. In der Verordnung war aufgeführt, dass eine Stoffwechseluntersuchung erfolgen sollte. Im Kreiskrankenhaus A. erfolgte am 30.03.1999 / 31.03.1999 nur eine Abklärung der Stoffwechsellage durch die Beklagte zu 2) ohne Befund. In der Zeit vom 01.04.1999 bis zum 15.05.1999 befand sich der Kläger nur zweimal in ambulanter Behandlung und zwar am 06.04.1999 in der Praxis F. und E. wegen einer Nabelinfektion sowie am 15.04.1999 in der Praxis K. wegen Mundsoors. Am Sonntag 16.05.1999 musste sich der Kläger übergeben und verdrehte die Augen.  Die Eltern begaben sich mit dem Kläger zum Notdienst, der den Kläger an das Kreiskrankenhaus N. überwies, wo der Hydrocephalus diagnostiziert wurde. Am 17.05.1999 stellten die Eltern den Kläger erneut in der Praxis des Beklagten zu 3) vor. Dieser wies ihn noch am selben Tage wegen eines ausgeprägten Hydrocephalus an das Zentralkrankenhaus in B.. Der Kopfumfang betrug 52 cm. Der Säugling wies Hirndruckzeichen wie Erbrechen auf. Die Hirnflüssigkeit wurde operativ abgeleitet. Auf Empfehlung des Zentralkrankenhauses wurde eine Entwicklungsförderung begonnen, bei der sich eine statomotorische Retardierung zeigte. Mit Schreiben vom 03.07.2000 forderte der Klägervertreter von den Beklagten zu 1) und 3) Schmerzensgeldzahlung bis zum 30.07.2000.

Der Kläger behauptet, seine Eltern hätten ihn am 15.03.1999 nicht gegen ärztlichen Rat aus dem Kreiskrankenhaus A. nach Hause geholt. Der Kurzbrief sei seinen Eltern nicht mitgegeben worden. Auch sei der Inhalt nicht mit ihnen besprochen worden. Insbesondere seien sie auf das große Kopfwachstum nicht hingewiesen worden. Weitere neurologische Untersuchungen seien nicht angeregt worden. Die Beklagte zu 2) habe den Verdacht auf einen Hydrocephalus anhand weiterer Befunderhebungen abklären müssen. Als er ihr Ende März vorgestellt worden sei, habe die Beklagte zu 2) auch den Kopfumfang überprüfen müssen. Sie habe die Messergebnisse beim Beklagten zu 3) telefonisch erfragen müssen oder selbst eine Messung vornehmen müssen, auch wenn die Überweisung keine entsprechende Eintragung enthielt. Auch der Beklagte zu 3) habe aufgrund des Kopfumfanges am 25.03.1999 einem Hydrocephalus-Verdacht nachgehen müssen. Er habe jedoch lediglich die Stoffwechselwerte überprüfen lassen. Er hätte zumindest eine engmaschige Verlaufskontrolle durchführen müssen. Er sei aufgefordert worden, sich die Krankenunterlagen der stationären Aufenthalte zu besorgen. Spätestens Anfang bis Mitte April hätte sich ein deutlicher Befund ergeben, der eine sofortigen Einweisung wegen eines Hydrocephalus-Verdachtes erforderlich gemacht hätte. Für die Eltern habe bis zum 16.05.1999 die Probleme des Herzens sowie die Stoffwechseluntersuchungen im Vordergrund gestanden. Sie hätten nicht auf die Idee eines Hydrocephalus kommen müssen. Die verspätete Behandlung des Hydrocephalus habe zu schweren und dauerhaften Schädigungen geführt. Er werde auch künftig auf die Pflege Dritter angewiesen sein. Eine abschließende Bewertung der Schäden sei derzeit noch nicht möglich.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 500.000,00 DM, die Beklagten zu 1) und 3) nebst 4 % Zinsen seit dem 31.07.2000, die Beklagte zu 2) nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, alle materiellen und alle weiteren künftigen immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aufgrund des im März bis Mai 1999 aufgetretenen und vermeidbar zu spät therapierten Hydrocephalus entstanden sind und noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht in Folge sachlicher und zeitlicher Kongruenz auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritter übergegangen sind oder noch übergehen werden.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreiten, dass die Schädigungen des Klägers auf der späten Behandlung des Hydrocephalus beruhen. Sie behaupten, dass sich die Vorerkrankung des Klägers (Hirnblutung, eine neuromuskuläre Systemerkrankung, ein syndronmales Krankheitsbild) sowie die verspätete Operation in B. ausgewirkt hätten.

Die Beklagten zu 1) und 2) behaupten, die Eltern hätten den Kläger am 15.03.1999 gegen ärztlichen Rat nach Hause genommen. Die Beklagte zu 2) habe die Eltern darauf hingewiesen, dass noch weitergehende Untersuchungen (neurologische Untersuchung, Blutuntersuchung) durchzuführen seien. Die Beklagte zu 2) habe den Eltern den Kurzarztbrief mitgegeben einschließlich einer Kopie des Befundberichtes vom 10.03.1999. Die Beklagten zu 1) und 2) haben zunächst behauptet, das Original der Kurzbriefes sei nicht mehr in den Krankenunterlagen, wo er sich befinden müsse, wenn er nicht überreicht worden wäre. Bei ihrer Anhörung hat die Beklagte zu 2) erklärt, dass sie normalerweise das Original des Arztbriefes mitgebe. Die Beklagte zu 2) hat eingeräumt, dass sie nicht mehr sagen könne, ob sie den Arztbrief mitgegeben habe. Die Beklagten zu 1) und 2) behaupten, die Eltern seien auf die neurologischen Auffälligkeiten hingewiesen worden. Ihnen sei erklärt worden, dass dies Folge der Hirnblutung oder einer Stoffwechselerkrankung sein könne. Die Eltern seien informiert worden, dass eine engmaschige Kontrolle des Kindes nötig sei. Bei ihrer Anhörung hat die Beklagte zu 2) erklärt, dass gegenüber den Eltern der Begriff Wasserkopf nicht erwähnt worden sei. Den Eltern sei mitgeteilt worden, dass erweiterte Gehirnkammern vorliegen würden und eine Blutung in eine Gehirnkammer und dass das weiter beobachtet werden müsse. Die Beklagten zu 1) und 2) behaupten, auch wenn der Arztbrief nicht überreicht worden sei, sei das nicht ursächlich für den weiteren Verlauf. Eine weitere Untersuchung vor dem 25.03.1999 sei nicht notwendig gewesen. Ab dem 25.03.1999 hätte sich der Beklagte zu 3) um die Abklärung kümmern müssen. Es sei nicht sinnvoll, ein Kind in diesem Alter über Wochen stationär zu behandeln, um eine Wachstumskurve des Kopfes anzufertigen oder serielle Computertomogramme und Sonografien durchzuführen. Die Abklärung sei Sache der ambulanten Versorgung. Dem Beklagten zu 3) sei der kontrollbedürftige Kopfumfang aufgrund eines Telefonates mit er Beklagten zu 2) bekannt gewesen. Im Kreiskrankenhaus A. habe Ende März keine erneute Kopfumfangsmessung vorgenommen werden müssen, da der Kläger kurz zuvor die U 3 Untersuchung gehabt habe. Der Kläger sei nur zur Stoffwechseluntersuchung an das Kreiskrankenhaus A. verwiesen worden. Die Eltern hätten die stationäre Einweisung wohl zurückgehalten.

Der Beklagte zu 3) behauptet, der Kurzbrief des Kreiskrankenhauses A. habe ihm am 25.03.1999 nicht vorgelegen. Auch den Bericht vom 10.03.1999 habe ihm bei der U 3 Untersuchung nicht vorgelegen. Von einer Hirnblutung habe er nichts gewusst. Er sei von der Mutter auch nicht aufgefordert worden, sich die Krankenunterlagen zu besorgen. Er habe mit dem Krankenhaus am 26.03.1999 eine stationäre Aufnahme des Klägers für 24 Stunden am 31.03.1999 abgesprochen. Er habe die Mutter dazu drängen müssen. Er wisse nicht, warum es dann statt zu der stationären Aufnahme nur zu einer ambulanten Untersuchung gekommen sei. Er habe sich darauf verlassen können, dass aufgrund der Einweisung sämtliche notwendigen Untersuchungen erfolgen würden, auch wenn der Einweisungsschein nicht den Kopfumfang erwähnt. Er habe den Kläger anschließend nicht engmaschig einbestellen müssen, da sich die Weiterbehandlung nach den Untersuchungsergebnissen habe richten müssen. Es sei unverständlich, dass sich die Eltern am 06.04.1999 und 15.04.1999 nicht an seine Praxis gewandt hätten.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher Sachverständigengutachten sowie durch Anhörung der Sachverständigen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten des Dr. D. vom 29.05.2002, des Prof. Dr. K. vom 25.03.2004, der Prof. Dr. G. vom 11.05.2005 sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 08.10.2004, vom 19.11.2004 und vom 21.10.2005 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im wesentlichen begründet.

Der Kläger kann von den Beklagten zu 1) bis 3) Schmerzensgeld fordern. (§ 847 BGB a.F.)

Gemäß § 8 Art. 229 EGBGB ist altes Recht anzuwenden, da das schädigende Ereignis nicht nach dem 31.07.2002 eingetreten ist.

Voraussetzung für den Schmerzensgeldanspruch ist eine unerlaubte Handlung im Sinne des BGB.

Den Beklagten zu 2) und 3) fällt eine rechtswidrige und schuldhafte Gesundheitsbeschädigung (§ 823 BGB) zur Last, da sie den Kläger nicht fachgerecht behandelt haben. Der Beklagte zu 1) haftet für die Fehlbehandlung der Beklagten zu 2) gemäß § 831 BGB. Die angestellte Ärztin ist eine Verrichtungsgehilfin des Krankenhausträgers. (vgl. Palandt, Thomas, § 831 Rn 7)

Nach der Anhörung der Beklagten zu 2) steht für das Gericht fest, dass sie die Eltern nicht mündlich über die Gefahr der Entstehung eines Hydrocephalus und die Notwendigkeit engmaschiger Kontrollen aufgeklärt hat. Die Beklagte zu 2) hat eingeräumt, dass sie gegenüber den Eltern den Begriff „Wasserkopf“ nicht verwendet hat. Sie hat erklärt, dass sie den Eltern mitgeteilt habe, dass erweiterte Gehirnkammern vorliegen würden und eine Blutung in einer Gehirnkammer. Außerdem habe sie gesagt, dass das weiter beobachtet werden müsse. Ein konkreter Hinweis auf eine regelmäßige Untersuchung des Kopfumfanges ist darin nicht zu sehen. Nach dem Ergebnis der Anhörung geht das Gericht ferner davon aus, dass der Arztbrief den Eltern nicht mitgegeben wurde und auch dem Beklagten zu 3) nicht übersandt wurde. Das Original des Arztbriefes, dass nach den Angaben der Beklagten zu 2) normalerweise mitgegeben wird, befindet sich noch in den Krankenunterlagen. Die Beklagte zu 2) konnte bei ihrer Anhörung nicht mehr sagen, wie sie mit dem Arztbrief verfahren ist. Die Beklagten zu 1) und 2) können sich auch nicht darauf berufen, sie hätten den Beklagten zu 3) telefonisch auf den kontrollbedürftigen Kopfumfang hingewiesen. Denn sie haben trotz des Hinweises vom 23.07.2004 ihren Vortrag nicht substantiiert. Die unterlassene Information der Eltern als auch der unterbliebene Hinweis auf engmaschige Überprüfungen des Kopfwachstums ist nach den Feststellungen der Sachverständigen D., K. und G. als Behandlungsfehler zu bewerten.

Ein weiterer Behandlungsfehler der Beklagten zu 2) ist darin zu sehen, dass sie bei der erneuten Vorstellung des Klägers Ende März 1999 nichts in Hinblick auf den Kopfumfang veranlasst hat. Zwar hat der Sachverständige D. in seinem Gutachten vom 29.05.2002 sowie bei seiner Anhörung erklärt, dass er dies nicht für vorwerfbar erachten würde, weil der Kläger gezielt für eine Stoffwechseluntersuchung eingewiesen worden war. Die Sachverständigen K. und G. haben demgegenüber nachvollziehbar darauf abgestellt, dass von dem Beklagten zu 3) ein Einweisungsschein für eine stationäre Behandlung ausgefüllt worden sei. Es hätte eine ganzkörperliche Aufnahmeuntersuchung des Kindes stattfinden müssen, bei der auch der Kopfumfang hätte berücksichtigt werden müssen.

Die Behandlung durch den Beklagten zu 3) war ebenfalls fehlerhaft. Das Gericht geht davon aus, dass dem Beklagten zu 3) bei der U3 Untersuchung am 25.03.1999 das Kinderuntersuchungsheft vorlag. Denn der Beklagte zu 3) hat das Formular für die U3 Untersuchung mit der Datumsangabe „25.03.1999“ ausgefüllt. Daraus ist zu schließen, dass dem Beklagten auch die Information über die Hirnblutung vorlag, die sich aus der Eintragung im Formular für die U2 Untersuchung ergibt. Nach den Feststellungen der Sachverständigen hätte der Beklagte zu 3) die Eltern auf die Gefahr einer Wasserkopfbildung hinweisen und sie zu engmaschigen Kontrollen anhalten müssen. Die Tatsache, dass der Beklagte zu 3) den Kläger wegen der Stoffwechseluntersuchung eingewiesen hat, lässt den Behandlungsfehler nicht entfallen. Die Sachverständige G. hat überzeugend erläutert, dass der Beklagte zu 3) sich nicht darauf verlassen konnte, dass alles weitere vom Krankenhaus veranlasst würde, da er das Kind nur zu einer speziellen Untersuchung eingewiesen hatte. Zwar wäre bei einer stationären Aufnahme des Kindes eine Kopfmessung erfolgt, dies allein mache eine Information der Eltern durch den Beklagten zu 3) jedoch nicht entbehrlich.

Das Gericht geht davon aus, dass die Behinderung des Klägers auf der verspäteten Behandlung des Wasserkopfes beruht. Zwar hat grundsätzlich der Patient die Ursächlichkeit der Fehlbehandlung für den Gesundheitsschaden nachzuweisen. Hier greift aber eine Beweislastumkehr zugunsten des Klägers ein.

Ob der unterlassene Hinweis an die Eltern, dass sich ein Hydrocephalus entwickeln könne und deswegen eine engmaschige Kontrolle erforderlich sei, ein grober Behandlungfehler ist, wird von den Sachverständigen unterschiedlich bewertet. Der Sachverständige D. sieht in dem Verhalten des Beklagten zu 3) nicht jedoch in dem der Beklagten zu 2) einen groben Behandlungsfehler. Die Sachverständige G. beurteilt lediglich das Verhalten der Beklagten zu 2) als grob fehlerhaft. Die Frage, ob bereits die unterbliebene Aufklärung grob fehlerhaft war, kann dahinstehen. Der Vorwurf der Sachverständigen geht sowohl bei der Beklagten zu 2) als auch bei dem Beklagten zu 3) dahin, dass sie nicht für eine engmaschige Überprüfung des Kopfumfanges, also für eine weitere Befunderhebung gesorgt haben. Auch eine – nicht grob- fehlerhafte Unterlassung der Befunderhebung führt dann zu einer Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Kausalität des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Gesundheitsschaden, wenn sich bei Abklärung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges positives Ergebnis gezeigt hätte und sich die Verkennung dieses Befundes als fundamental oder die Nichtreaktion hierauf als grob fehlerhaft darstellen würde. (BGH VersR 1999, 60 ff) Die Sachverständige G. hat nachvollziehbar bei ihrer Anhörung erläutert, dass bei einer engmaschigen Kontrolle des Kopfumfanges aller Wahrscheinlichkeit nach ein sich entwickelnder Gehirndruck vermeidbar gewesen wäre. Bei einer engmaschigen Überprüfung hätte festgestellt werden können, dass sich der Kopfumfang außerhalb der Perzentilenkurve entwickelt. Sodann hätte das Kind in ein Krankenhaus eingewiesen und ein Shunt gelegt werden müssen. Hätten die behandelnden Ärzte trotz einer solchen Zunahme des Kopfumfanges nicht reagiert, so hätte darin ein grober Behandlungsfehler gelegen.

Die Beklagten können nicht einwenden, dass nach den Feststellungen der Sachverständigen das Beschwerdebild des Klägers zumindest auch auf einer Vorerkrankung beruht. Die Beweislastumkehr ist nicht schon dann ausgeschlossen, wenn die Alleinverursachung äußerst unwahrscheinlich ist, sondern nur dann, wenn jeglicher Ursachenbeitrag äußerst unwahrscheinlich ist. Denn die Mitursächlichkeit genügt, um dem Schädiger den gesamten Schaden zuzurechnen, wenn nicht feststeht, dass sie nur zu einem abgrenzbaren Teil des Schadens geführt hat. Die Beweiserleichterung für den Patienten ist der Ausgleich dafür, dass die Mediziner durch ihr fehlerhaftes Vorgehen das Spektrum der möglichen Schadensursachen erweitert und so eine Sachlage herbeigeführt haben, die nicht mehr erkennen lässt, ob das ärztliche Versagen oder eine andere Ursache den Schaden hervorgerufen hat. (BGH NJW 1997, 796, 797 [BGH 01.10.1996 - VI ZR 10/96]) Der Sachverständige D. hat bei seiner Anhörung erklärt, dass die verspätete Versorgung des Hydrozephalus die Beschwerden des Klägers mit herbeigeführt hat. Nach den Ausführungen der Sachverständigen K. und G. ist eine Mitursächlichkeit der späten Behandlung des Wasserkopfes zumindest möglich. Die Sachverständige G. hat nachvollziehbar erläutert, dass auch weitere Untersuchungen des Klägers keine genaue Abgrenzung erlauben würden, inwieweit das Beschwerdebild des Klägers auf der verzögerten Therapie des Hydrozephalus und inwieweit die Behinderung auf anderen Ursachen beruht.  Die Unaufklärbarkeit der Verursachungsanteile geht zu Lasten der Beklagten.

Die Beklagten können sich ferner nicht darauf berufen, dass das Zentralkrankenhaus in B. zu spät operiert habe. Allerdings hat der Sachverständige D. in seinem Gutachten ausgeführt, dass die Indikation zur operativen Liquorableitung schon am 18.05.1999 vorgelegen habe und für den Aufschub der Operation bis zum 20.05.1999 keine tragfähige Begründung vorgebracht sei. Dieser mögliche weitere ärztliche Kunstfehler unterbricht den Zurechnungszusammenhang zwischen der Fehlbehandlung durch die Beklagten und der Schädigung des Klägers jedoch nicht. Dass die nachbehandelnden Ärzte die notwendigen Maßnahmen erst nach einer Verzögerung ergreifen, stellt kein völlig ungewöhnliches Verhalten dar. (vgl. Palandt, Heinrichs, Vorb v § 249 Rn 73; BGH NJW 1990, 2882 [BGH 10.05.1990 - IX ZR 113/89]) Im übrigen ist eine Abgrenzung der Schäden, die auf der Hydrozephalus-Entwicklung bis zum 18.05.1999 und der Schäden, die auf dem Operations-Aufschub bis zum 20.05.1999 beruhen, nicht möglich.

Die Beklagten haften gemäß § 240 BGB als Gesamtschuldner.

Der Kläger weist eine schwere körperliche und geistige Behinderung auf. Zudem liegt seit Juni 2000 ein cerebrales Anfallsleiden vor, dass anti-konvulsiv behandelt werden muss. Im Alter von 4 ½ Jahren entsprach sein psychomentaler Entwicklungsstand dem eines Säuglings und der motorische Entwicklungsstand dem eines 7 bis 9 Monate alten Kindes.  Aufgrund der massiven gesundheitlichen Störung hält das Gericht ein Schmerzensgeld von 250.000,00 EUR für angemessen.

Der Anspruch auf die Zinsen ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.

Der Feststellungsantrag ist zulässig und begründet. Der Kläger hat ein Interesse an der Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten. Eine endgültige Schadensbemessung ist derzeit nicht möglich, da die Entwicklung des Klägers nicht abgeschlossen ist. Die Beklagten zu 2) und 3) sind gemäß § 823 BGB, der Beklagte zu 1) ist gemäß § 831 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Darüber hinaus haften die Beklagten gemäß § 847 BGB für künftige immaterielle Schäden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 II ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.