Landgericht Aurich
Beschl. v. 17.10.2005, Az.: 1 T 323/05

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
17.10.2005
Aktenzeichen
1 T 323/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 41864
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGAURIC:2005:1017.1T323.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Emden - AZ: 1 XIV 50/05 B

Fundstellen

  • ANA-ZAR 2006, 16 (Kurzinformation)
  • InfAuslR 2006, 29 (Volltext mit red. LS)
  • ZAR 2006, 16

In der Beschwerdesache(Abschiebehaftsache)

hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Aurich am 17.10.2005 durch den ...

beschlossen:

Tenor:

  1. Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 16.06.12005 wird der Beschluss des Amtsgerichts Emden vom 13.06.2005 abgeändert.

    Es wird festgestellt, dass die Ingewahrsamnahme des Betroffenen am 01.11.2004 bis zu seiner Abschiebung am selbigen Tage rechtswidrig war.

    Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen im amtsgerichtlichen Verfahren werden der antragstellenden Behörde auferlegt.

    Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

1

Wegen der Einzelheiten des Verfahrensganges wird auf die Darstellung im angegriffenen Beschluss vom 13.06.2005 verwiesen.

2

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht ... den Antrag des Betroffenen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme am 01.11.2004 bis zu seiner Abschiebung am selbigen Tage zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Ingewahrsamnahme habe nicht dem Richtervorbehalt unterlegen, da es sich um eine bloße Freiheitsbeschränkung, nicht aber um eine Freiheitsentziehung gehandelt habe.

3

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde vom 16.06.2005, auf deren Begründung ebenfalls Bezug genommen wird.

4

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und erweist sich in der Sache als begründet.

5

Die Ingewahrsamnahme des Betroffenen stellt sich als rechtswidrige Maßnahme dar, weil es sich hierbei um eine freiheitsentziehende Maßnahme gehandelt hat, die dem so genannten Richtervorbehalt des Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG unterliegt, und eine richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Freiheitsentziehung vorliegend nicht eingeholt worden ist, obwohl vorliegend ausreichend Zeit bestand, eine solche einzuholen, da der zuständigen Ausländerbehörde spätestens am 14.10.2004 bekannt war, dass die Abschiebung am 01.11.2004 erfolgen sollte.

6

Die nach Art. 104 GG gebotene Unterscheidung zwischen einer bloß freiheitsbeschränkenden Maßnahme und einer Freiheitsentziehung ist gradueller Natur. Die Abgrenzung ist - wie das Amtsgericht in seinem Beschluss zu Recht ausführt über die Intensität und Dauer des Eingriffs vorzunehmen (BVerfGE 105, 239 [BVerfG 15.05.2002 - 2 BvR 2292/00]). Den damit verbundenen Abgrenzungsproblemen braucht vorliegend indes nicht im Einzelnen nachgegangen zu werden. Eine Freiheitsentziehung ist jedenfalls dann gegeben, wenn eine Person gegen ihren Willen in einem Haftraum untergebracht wird (BVerwGE 62, 317 [BVerwG 23.06.1981 - 1 C 93.76]). So liegt der Fall hier.

7

Wie mit der sofortigen Beschwerde nochmals herausgestellt, wurde der Betroffene auf dem Flughafen Hamburg durch den Bundesgrenzschutz in einem Haftraum festgehalten.

8

Dass diese Maßnahme die Durchführung der Abschiebung bezweckte und dafür unumgänglich gewesen sein mag, ist ohne Belang. Da Art. 104 Abs. 2 GG vor jedem Entzug der körperlichen Bewegungsfreiheit schützen soll, kommt es für die Frage, ob die Verwahrung in einem Haftraum eine Freiheitsentziehung darstellt, nicht darauf an, welche weiteren Zwecke mit ihr verfolgt werden. Gleiches gilt in Bezug auf die Dauer der Maßnahme (BVerwGE a.a.O.).

9

Auch kommt es vorliegend nicht in Betracht, die Feststellung der Rechtswidrigkeit allein auf die Zeit im Haftraum zu beschränken, da Festnahme und Transport mit der Verwahrung einen einheitlichen, nicht trennbaren Vorgang darstellen (BVerwGE a.a.O.).

10

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13a FGG. Dafür, der antragstellenden Behörde auch die notwendigen Auslagen im Verfahren der sofortigen Beschwerde aufzuerlegen, bestand kein Anlass, da die antragstellende Behörde die Entscheidung des Amtsgerichts nicht veranlasst hat.