Landgericht Aurich
Urt. v. 10.08.2005, Az.: 5 O 92/04
Bibliographie
- Gericht
- LG Aurich
- Datum
- 10.08.2005
- Aktenzeichen
- 5 O 92/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 41862
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGAURIC:2005:0810.5O92.04.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG Oldenburg - 01.06.2006 - AZ: 8 U 241/05
- BGH - 28.02.2007 - AZ: V ZR 142/06
In dem Rechtsstreit
...
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Aurich auf die mündliche Verhandlung vom 29.06.2005 durch den Richter am Landgericht Mündel als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu Händen eines von dem Kläger zu beauftragenden Notars 84 485,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.02.2004 Zug um Zug gegen Abgabe folgender notarieller Erklärung des Klägers und seiner Ehefrau MHHBHHK vor dem beauftragten Notar:
"Wir sind eingetragene Eigentümer des im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts ... von ..., Blatt ... eingetragenen Wohnungseigentums und der im Teileigentumsgrundbuch von ..., Blatt ..., eingetragenen Garage, bestehend aus einem
- a)
112/10 000stel Miteigentumsanteil an dem Grundstück, Gemarkung ..., Flur ..., Flurstück ..., verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung ...-...-..., im 3. Obergeschoß links, Nr. 13 des Aufteilungsplans, sowie einem
- b)
34/10 000stel Miteigentumsanteil an dem obigen Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an der Garage Nr. G 86 des Aufteilungsplans.
Wir verpflichten uns hiermit, das vorbezeichnete Wohnungseigentumsrecht auf die ...&Co KG, vertreten durch ihren Geschäftsführer zu übertragen, frei von der in Abteilung III des Wohnungsgrundbuchs eingetragenen Grundschuld der ... Bausparkasse AG in Höhe von 155 000 DM/79 250,24 €. Wir erteilen hierzu der ...&Co KG die unwiderrufliche Vollmacht, in unserem Namen unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB, die Auflassung zu erklären.
Wir erteilen unser Einverständnis mit einer Weisung der ...&Co KG an den unterzeichnenden Notar, den eingehenden Zahlungsbetrag zur Ablösung der in Abteilung III des Wohnungsgrundbuchs eingetragenen Grundschuld der ... Bausparkasse AG zu verwenden.
Wir bewilligen die Eintragung der ...&Co KG als Eigentümerin unter der aufschiebenden Bedingung, daß der Zahlungseingang in Höhe des durch die Klage geforderten Betrages nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 27.02.2004 auf dem Konto des unterzeichnenden Notars erfolgt und ein etwa überschießender Betrag an uns auszukehren ist."
- 2.
Es wird festgestellt, daß die Beklagte auch zum Ausgleich des weiteren Vermögensschadens verpflichtet ist.
- 3.
Die Drittwiderklage wird abgewiesen.
- 4.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
- 5.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger verlangt aus eigenem und abgetretenem Recht von der Beklagten die Rückabwicklung des Kaufes einer Eigentumswohnung in ..., ... im Wege des Schadensersatzes.
Er behauptet, die Anlageberaterin Struckmann der Beklagten habe ihn und die Drittwiderbeklagte mit irreführenden Rentabilitätsberechnungen geködert.
Der Kläger stützt sich auf die für inhaltlich unrichtig gehaltene Ankaufsberechnung. Darin werde der Eigenaufwand für die Eheleute ... zum Erwerb der Eigentumswohnung mit monatlich 151,00 DM berechnet, wobei u.a. die Veränderung der zu leistenden Sparraten ebenso wie die variablen Einnahmen aus der Vermietung der Wohnung, die beide für die Rentabilität des Ankaufs der Wohnung von maßgeblicher Bedeutung gewesen seien, unberücksichtigt gelassen worden seien.
Der Kläger beantragt,
wie zu 1. und 2. erkannt. Die Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet eine Fehlinformation und beruft sich dazu auf das Zeugnis ihrer Berater.
Zur Abwehr der durch die Abtretung der Klageforderung herbeigeführten Zeugenfähigkeit der Ehefrau des Klägers hat die Beklagte unter Aufrechterhaltung ihres übrigen Vortrags gegen die Ehefrau des Klägers eine klageerweiternde Drittwiderklage erhoben mit dem Antrag,
festzustellen, daß der Drittwiderbeklagten keine Schadensersatzansprüche aus dem Kaufvertrag vom 22.05.1999, UR-Nr. .../1999 des Notars ... in Gütersloh zustehen. Die Drittwiderbeklagte beantragt,
die Drittwiderklage abzuweisen.
Sie hält die Drittwiderklage für unzulässig und nimmt im übrigen auf den Vortrag des Klägers Bezug.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger und die Zedentin haben wegen Verschuldens bei Vertragsschluß gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in dem zuerkannten Umfang und Anspruch auf Feststellung der Ersatzpflicht betreffend künftige Vermögensschäden aus dem Erwerb der streitgegenständlichen Immobilie (§§ 675, 276, 278 BGB). Aus demselben Grunde ist die Drittwiderklage jedenfalls unbegründet, so daß es einer Erörterung der Zulässigkeit dieser Drittwiderklage nicht bedarf.
Die Beratung ist selbständige Hauptpflicht des Verkäufers aus einem Beratungsvertrag, wenn der Verkäufer - wie hier - im Rahmen eingehender Vertragsverhandlungen und auf Befragen des Käufers einen ausdrücklichen Rat erteilt ( BGHZ 140, 111, 115 m.w.N.).
Vorliegend haftet die Beklagte für das Verhalten der von ihr mit der Vermittlung der Wohnungen beauftragten Vertriebsmitarbeiter, da diese einen wesentlichen Verkaufsanreiz gesetzt haben, der die Käufer zum Erwerb des Kaufobjektes veranlaßt hat; die Berater haben nämlich im Rahmen der Ankaufsgespräche unzutreffende Aussagen zur Finanzierbarkeit des Objekts gemacht (vgl. BGHZ 140, 111; BGH NJW 2001, 2021 [BGH 06.04.2001 - V ZR 402/99]; BGH, Urteil vom 14.03.2003, V ZR 302/02 ).
Läßt der Verkäufer nämlich - wie hier - einem Vermittler freie Hand und betraut er ihn mit der Führung der wesentlichen Vertragsverhandlungen, muß er sich dessen Verhalten zurechnen lassen ( BGH NJW 1996, 451 (452) [BGH 24.11.1995 - V ZR 40/94]; BGHZ 140, 111 (116)). Dies genügt, um die tätig gewordenen Vertriebsmitarbeiter selbst dann als Erfüllungsgehilfen der Beklagten anzusehen, wenn sie als Makler tätig geworden sein sollten ( BGH, Urteil vom 06.04.2001, Az. V ZR 402/99 ).
Die Übergabe einer Berechnung mit - wie hier - detailliert auf den konkreten Kaufabschluß abgestellten Zahlen erweckte im Kaufinteressenten die Vorstellung einer, abschließenden und verläßlichen Auskunft im Rahmen einer individuellen Beratung, die wesentliche Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluß der Verkaufsbemühungen der Beklagten war; dies genügt für die Annahme einer stillschweigenden Bevollmächtigung des Maklers zum Abschluß des Beratervertrages und die Kundgabe, die Beratung für die Verkäuferin zu übernehmen und auszuführen ( BGHZ 140, 111 (117)).
Den Eheleuten ... ist durch die dem Kaufanreiz dienende Beispielsrechnung, in die der Kaufpreis des konkret beworbenen Objektes und die Nebenkosten individuell eingearbeitet waren, suggeriert worden, die laufenden Belastungen beliefen sich auf monatlich ca. 151,- DM, so daß es ein Leichtes sei, das Objekt zu finanzieren. In Wirklichkeit lagen und liegen die Belastungen weit höher und mußten ständig steigen. In dem Berechnungsbeispiel "Vorsorge durch Eigentum" (Kläger-Anlage A 27) waren nämlich die aus den Bausparverträgen wegen der Tilgung erwachsenden Belastungen nicht aufgeführt.
Zumindest die Angabe zu Tilgungsleistungen war an sich schon irreführend, weil der Kaufinteressent nicht auf Anhieb erkennen konnte, welcher monatliche Betrag zu der detailliert ausgerechneten effektiven monatlicher Belastung hinzukomme.
Dem stehen die im Darlehens- und im Bausparantrag enthaltenen unübersichtlichen Angaben nicht entgegen. Denn in Anbetracht der detaillierten Berechnung konnten die Eheleute ... nicht erkennen, ob und inwieweit sich die angegebene monatliche Belastung durch steuerliche Umstände oder infolge von Belastungssteigerungen auf Grund des Bausparvertrages verändern würde.
Hinzu kommt, daß die Ankaufsberechnung von festen Mieteinnahmen ausgeht, die in Wahrheit aber Veränderungen unterworfen waren.
Die Beklagte bzw. die für sie tätig gewordenen Vertriebsmitarbeiter waren verpflichtet, die Eheleute ... über solche Umstände aufzuklären, die den von ihnen verfolgten Vertragszweck vereiteln konnten und daher für ihren Entschluß von wesentlicher Bedeutung waren. Anders als in den Fällen, in denen Aussagen zur monatlichen Belastung seitens des Verkäufers bzw. der für ihn handelnden Vermittler nicht gemacht werden, muß der Verkäufer, wenn er auf eigene Initiative oder Nachfrage des Kaufinteressenten ein Berechnungsbeispiel über Kosten und finanzielle Vorteile des Erwerbs, das der Förderung der Vermittlung des Geschäfts dienen soll, vorlegt, für einen darin enthaltenen falschen Rat einstehen ( BGH, Urteil vom 06.04.2001, Az. V ZR 402/99 ). Dann obliegt es nämlich nicht dem Kaufinteressenten, sich selbst über Art und Umfang seiner Vertragspflichten im eigenen Interesse Klarheit zu verschaffen ( BGH, NJW 1997, 3230 (3231) [BGH 15.04.1997 - IX ZR 112/96]). Daran würde sich auch nichts ändern, wenn die Eheleute ... die Vertriebsinfo "Unser Weg der Finanzierung" (Kläger-Anlage A 17 erhalten hätten. Denn diese Info muß auf Grund ihres fehlenden Zuschnitts auf den Einzelfall für die Kunden hinter die konkrete Ankaufsberechnung zurücktreten. Die Haftung der Beklagten beruht letztlich darauf, daß aus den auf die Ankaufsberechnung gestützten Gesprächen betreffend die Finanzierbarkeit des Objektes ein Kaufanreiz hervorgerufen wurde, der den Entschluß zum Erwerb gefördert hat (so auch BGH, Urteil vom 14.03.2003, Az. V ZR 308/02, Seite 13).
Soweit sich die Beklagte darauf beruft, alle Einzelheiten der Finanzierung mit den Käufern sorgfältig durchgesprochen und erörtert sowie das Ergebnis dieser Erörterung im Rahmen von Besuchsaufträgen nachrecherchiert zu haben, sind diese Aktivitäten ungeachtet ihrer Erweislichkeit nicht geeignet, den Beratungspflichtenverstoß zu heilen. Denn solche mündlichen Hinweise können neben überreichten Urkunden, insbesondere der Ankaufsberechnung, keine ordnungsgemäße Beratung darstellen, da sie angesichts der Komplexität der Berechnungen in ihrer Bedeutung und Überzeugungskraft immer hinter die schriftlichen Berechnungen zurücktreten müssen, so daß eine offen erklärt von der Ankaufsberechnung abweichende schriftliche Korrektur erforderlich gewesen wäre, um den Eheleuten ... eine nachvollziehbare Entscheidungsgrundlage vermitteln zu können.
Der Zahlungsanspruch ist der Höhe nach unstreitig. Der Klageantrag zu 1. enthält die dem Käufer entstandenen Kosten für den Erwerb sowie aller mit dem Erwerb verbundener Vermittlungsprovisionen etc. Für eine Kürzung des Anspruches im Wege der Vorteilsausgleichung sind keine Anhaltspunkte ersichtlich und von der Beklagten vorgetragen.
Darüber hinaus besteht ein Feststellungsanspruch wegen der noch nicht bezifferten und derzeit nicht bezifferbaren Finanzierungskosten.
Die erkannten Zinsen ergeben sich aus § 291 BGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert beträgt bis zu 95 000,00 €.