Landgericht Aurich
Urt. v. 22.06.2005, Az.: 2 S 57/05

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
22.06.2005
Aktenzeichen
2 S 57/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 41865
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGAURIC:2005:0622.2S57.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Norden - 28.01.2005 - AZ: 5 C 1103/04

In dem Rechtsstreit

der ...

wegen Unterlassung

hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Aurich im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO am 22. Juni 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Böttcher, den Richter am Landgericht Gronewold und die Richterin Habib

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Norden vom 28.01.2005 - 5 C 1103/04 - geändert.

  2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

  3. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

  4. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 300,- EUR vorläufig vollstreckbar.

  5. Die Revision wird zugelassen.

  6. Der Streitwert wird auf bis zu 500,- EUR festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beklagte, die eine Zimmervermittlungsagentur betreibt, sandte am 11.10.2004 an den Kläger, der auf der Nordseeinsel Norderney Räume an Feriengäste vermietet, ein Email mit folgendem Inhalt:

"Sehr geehrte Gastgeber,

das alte Jahr verabschiedet sich und wir hoffen, Sie hatten ein erfolgreiches Jahr 2004.

Auch wenn Sie noch nicht als Gastgeber auf unserem Portal myNORDSEE.com (usw.) vertreten sind, möchte das gesamte Team vom myNORDSEE.com Ihnen und Ihrer Familie ein besinnliches Weihnachtsfest und einen guten Rutsch in ein erfolgreiches neues Jahr 2005 wünschen.

Mit freundlichen Grüßen

Das gesamte Team von myNORDSEE.com."

2

Eine unter dem 13.12.2004 geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung unter Anerkennung einer Vertragsstrafe von 5100,- EUR für jeden Fall der Zuwiderhandlung lehnte die Beklagte unter dem 20.12.2004 ab. Sie argumentierte darin damit, von einem sachlichen Interesse des Klägers am Inhalt der Email ausgegangen zu sein.

3

Im ersten Rechtszug hat der Kläger beantragt,

  1. der Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung von Ordnungsgeld oder Ordnungshaft zu verbieten, im Wege der Email-Werbung an den Antragsteller heranzutreten oder herantreten zu lassen, es sei denn, der Antragsteller hat der jeweiligen Sendung zuvor zugestimmt.

4

Die Beklagte hat beantragt,

  1. den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

5

Sie hat ergänzend vorgetragen, dem Kläger zukünftig keine Emails mehr zusenden zu wollen. Es fehle deshalb auch an einer Wiederholungsgefahr. Für das Eilverfahren der einstweiligen Verfügung sei kein Raum, weil eine Wiederholung allenfalls zum nächsten Weihnachtsfest zu besorgen gewesen sei. Andere, nicht durch das Jahresende veranlassten Emails habe die Beklagte dem Kläger nicht zugesandt und werde es auch nicht tun. Vor einer etwa drohenden Wiederholung zum nächsten Weihnachtsfest sei ausreichend für die Durchführung eines Hauptverfahrens.

6

Das Amtsgericht Norden hat mir angefochtenem Urteil die einstweilige Verfügung antragsgemäß erlassen.

7

Es hat sowohl Verfügungsanspruch als auch Verfügungsgrund bejaht.

8

Wegen der Einzelheiten wird auf Inhalt der Urschrift des Urteils, Blatt 34 - 37 d.A., Bezug genommen.

9

Im Berufungsverfahren verfolgen die Parteien ihre wechselseitigen Anträge unter Vertiefung des bisherigen Vortrages weiter.

10

Die Beklagte beantragt,

  1. wie erkannt.

11

Der Kläger beantragt,

  1. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

12

Er ist der Ansicht, dass bereits bei der Zusendung eines einzelnen Emails eine allgemeine Wiederholungsgefahr gegeben sei. Die in der erstinstanzlichen Klageerwiderung enthaltene Zusage, in Zukunft keine Emails an den Kläger zu versenden, reiche zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr nicht aus, weil diese Zusage mit keinerlei Sanktion für den Fall der Zuwiderhandlung verbunden sei. Ein Verfügungsgrund sei gegeben, da anderenfalls effektiver Rechtschutz nicht gewährleistet werden könne.

Entscheidungsgründe

13

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

14

Es kann dabei dahinstehen, ob - wofür vieles spricht - der Verfügungsanspruch des Klägers gegeben ist. Die Kammer sieht auch keine durchgreifenden Bedenken gegen die Annahme einer Wiederholungsgefahr, weil bereits die einmalige Zusendung einer Werbebotschaft erkennen lässt, dass der Absender grundsätzlich bereit ist, unverlangte Werbung per Email zu verbreiten.

15

Das Berufungsgericht sieht allerdings keinen Verfügungsgrund gemäß §§ 935 ff. ZPO. Die Belästigung des Klägers durch die stattgehabte Werbung ist extrem gering. Sie beschränkt sich auf einen inhaltlich nichts sagenden Weihnachtsgruß, dessen Kenntnisnahme und Löschung nur wenige Sekunden in Anspruch genommen haben kann. Auch eine etwaige Wiederholung würde nur zu einer minimalen Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit des Klägers führen. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass unverlangte Werbesendungen gerade durch ihre Masse zur relevanten Belästigung werden, und dass deshalb der Belästigte grundsätzlich das Recht haben muss, sich auch im Rechtswege dagegen zur Wehr zu setzen. Bei der Wahl des Verfahrens ist allerdings darauf Rücksicht zu nehmen, ob zur Beseitigung drohender, erheblicher Beeinträchtigung, das Ausnahmeverfahren der einstweiligen Verfügung gerechtfertigt ist. Dabei ist auch zu würdigen, ob im konkreten Fall Wiederholungen drohen, ehe ein Hauptsacheverfahren auf Unterlassung abgeschlossen ist. Dies ist im vorliegenden Fall sicher zu verneinen, weil es sich bei der beanstandeten Sendung um einen Weihnachtsgruß handelt. Mit derartigen Grüßen ist nur alle 12 Monate zu rechnen. Trotz der teilweise angespannten Belastungssituation der Zivilgerichte kann bei einfach gelagerten Fällen wie diesen noch mit einem rechtzeitigen Durchlaufen des Hauptverfahrensrechtszuges in zwei Instanzen innerhalb von 12 Monaten gerechnet werden. Die Inanspruchnahme einstweiligen Rechtschutzes ist deshalb mangels Eilbedürftigkeit nicht gerechtfertigt.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Nebenentscheidung auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

17

Das Berufungsgericht hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, weil die rechtlichen Voraussetzungen sowohl des Verfügungsanspruchs als auch des Verfügungsgrundes ausweislich der von den Parteien dargelegten, widersprüchlichen Entscheidungen unterschiedlicher Instanzgerichte noch nicht abschließend geklärt sind. Die Zulassung der Revision ist deshalb geeignet, der Rechtsfortbildung zu dienen und die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu sichern, § 543 II Nr. 2 ZPO.

Böttcher
Gronewold
Habib