Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 19.03.1999, Az.: 4 W 33/99
Vollziehung eines persönlichen Sicherheitsarrestes; Wiederherstellung eines Arrestvollzuges durch Haft; Pfändung von beweglichen und im Gewahrsam des Schuldners befindlichen Sachen; Vollziehungskraft für eine Vollstreckungsmaßnahme
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 19.03.1999
- Aktenzeichen
- 4 W 33/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1999, 31710
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1999:0319.4W33.99.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Lüneburg - 05.01.1999 - AZ: 25 M 25894/98
- LG Lüneburg - 26.01.1999 - AZ: 8 T 8/99
Rechtsgrundlagen
- § 901 ZPO
- § 904 ZPO
- § 929 Abs. 2 ZPO
- § 933 ZPO
Fundstellen
- InVo 2000, 29-31
- OLGReport Gerichtsort 1999, 212-214
In der Zwangsvollstreckungssache
...
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die weitere sofortige Beschwerde der Gläubigerin vom 1. Februar 1999
gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 26. Januar 1999
durch den Vorsitzenden Richter ... sowie
die Richter ... und ...
am 19. März 1999
beschlossen:
Tenor:
Auf die weitere sofortige Beschwerde der Gläubigerin wird der angefochtene Beschluss wie folgt abgeändert:
Die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 13. Januar 1999 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Lüneburg vom 5. Januar 1999 wird zurückgewiesen.
Der Schuldner trägt die Kosten der Verfahren der sofortigen Beschwerde sowie der weiteren sofortigen Beschwerde.
Beschwerdewert: 10.000 DM.
Gründe
Die weitere sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist gemäß § 793, § 568 Abs. 2 ZPO zulässig, nachdem das Landgericht auf die sofortige Beschwerde des Schuldners die Entscheidung des Amtsgerichts Lüneburg vom 5. Januar 1999 abgeändert hat. Sie ist auch begründet.
I.
Die weitere sofortige Beschwerde ist nicht bereits wegen mangelnden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Die Ansicht des Schuldners, eine Wiederherstellung des Arrestvollzuges durch Haft sei ausgeschlossen, nachdem der Schuldner durch die angefochtene Entscheidung des Landgerichtes aus der Vollziehungshaft entlassen und das Landgericht einen Vorbehalt der Rechtskraft in den Tenor seiner Entscheidung nicht aufgenommen habe,überzeugt nicht. Mit der Haftentlassung des Schuldners ist zwar die Arresthaft zunächst tatsächlich beendet, gleichwohl kann der Vollzug der Arresthaft wieder hergestellt werden, indem der Gerichtsvollzieher den Schuldner aufgrund eines weiteren Auftrages der Gläubigerin wieder in Haft nimmt. Wegen der vom Schuldner zur Zeit verbüßten Untersuchungshaft in dem Strafverfahren 22 Js 19/98 StA Berlin (Untersuchungshaftbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 29. Juni 1998 - 351 Gs 2480/98 -) ist die erneute Verhaftung des Schuldners zwar zur Zeit nicht möglich, auch kann eine Überhaft nicht notiert werden, wie sich aus § 188 Gerichtsvollziehergeschäftsanweisung ergibt, gleichwohl kann der Schuldner nach Beendigung der Straf- oder Untersuchungshaft erneut verhaftet werden. Die Gläubigerin muss sich in diesem Fall nur nach dem Ende der Strafhaft erkundigen und die Verhaftung erneut bei dem Gerichtsvollzieher beantragen (Stein-Jonas-Münzberg, ZPO, 21. Aufl., § 909 Rdnr. 1 c).
Bedenken gegen das Rechtsschutzbedürfnis der Gläubigerin bestehen auch nicht unter dem Gesichtspunkt des§ 929 Abs. 2 ZPO, wonach die Vollziehung des Arrestbefehles unstatthaft ist, wenn seit dem Tage, an dem der Befehl verkündet oder der Partei, auf deren Gesuch er ergangen ist, zugestellt ist, ein Monat verstrichen ist. Für die Einhaltung dieser Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO ist es ausreichend, wenn die Vollstreckungsmaßnahmen vor Ablauf der Frist zur Vollziehung eines Arrestbefehles beantragt wurde. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 1990, 122 = WM 1989, 927, [BGH 13.04.1989 - IX ZR 148/88] WM 1989, 1157; NJW 1991, 496 [BGH 25.10.1990 - IX ZR 211/89]) ist dem Sinn und Zweck der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO, die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung nach längerer Zeit und unter veränderten Umständen zu verhindern, Genüge getan, wenn der Verfügungsberechtigte innerhalb der Vollziehungsfrist die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen den Verfügungsbeklagten beantragt und damit von der einstweiligen Verfügung Gebrauch macht. Dementsprechend ist die mit der Zustellung oder Verkündung des Arrestbefehles beginnende Vollziehungskraft für eine Vollstreckungsmaßnahme gewahrt, wenn der Arrestgläubiger die Pfändung von beweglichen, im Gewahrsam des Schuldners befindlichen Sachen oder die Pfändung einer ausreichend umschriebenen Forderung (BGH WM 1987, 1311) innerhalb der Monatsfrist bei der zuständigen Stelle beantragt, also vom Arrest Gebrauch gemacht, und danach ohne vom Arrestgläubiger zu verantwortende Verzögerung auf diese Anträge der Gerichtsvollzieher gepfändet oder das Arrestgericht den dann zugestellten Pfändungsbeschluss erlassen hat (BGH NJW 1991, 496 [BGH 25.10.1990 - IX ZR 211/89] m.w.N.). Gleiches muss gelten, wenn - wie hier - die Gläubigerin innerhalb der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO aufgrund eines angeordneten persönlichen Arrestes den Gerichtsvollzieher mit der Verhaftung des Schuldners beauftragt hat. Auch wenn die Vollziehungsfrist eines Arrestbefehls durch den Antrag auf eine bestimmte Vollstreckungsmaßnahme gewahrt ist, trägt dieser Arrestbefehl keine neue, erst nach Ablauf der Monatsfrist beantragte Vollstreckung. Die hier von der Gläubigerin nach Entlassung des Schuldners aus der Straf- oder Untersuchungshaft vorzunehmende erneute Beauftragung des Gerichtsvollziehers mit der Verhaftung des Schuldners stellt keine neue erst nach Ablauf der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO beantragte Vollstreckung dar, sondern die Fortsetzung der Haft aufgrund der innerhalb der Vollziehungsfrist erfolgten Beauftragung des Gerichtsvollziehers, der am 11. Juni 1998 den Arrestbefehl dem Schuldner in der JVA Lüneburg, wo er sich in Arresthaft aufgrund der am 8. Juni 1998 erfolgten Verhaftung aufgrund des in dem Verfahren 22 O 347/98 LG Berlin ergangenen Titels für die WIGEBA GmbH bis zum 7. Dezember 1998 befand. Der Schuldner wurde nur deswegen am 26. Januar 1999 aus der Haft entlassen, die er bis zu diesem Tag in Vollziehung eines weiteren in einem anderen Arrestverfahren einer anderen Gläubigerin ergangenen Haftbefehles verbüßte, weil das Landgericht den Schuldner mit unzutreffender Begründung, worauf noch einzugehen ist, durch den angefochtenen Beschluss vom 26. Januar 1998 aus der Haft entlassen hat. Erweist sich die Entscheidung des Landgerichtes aber als unrichtig, so kann die Abänderung seiner Entscheidung durch das Gericht der weiteren sofortigen Beschwerde nicht dazu führen, dass der ursprüngliche Vollziehungsantrag der Gläubigerin verbraucht und die Fortsetzung der Haft als neue Vollstreckungsmaßnahme zu werten ist, die dann nicht mehr innerhalb der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO erfolgt wäre. Dieses, vom Schuldner bevorzugte Ergebnis, würde dem Gläubiger die Verantwortung für die weitere Durchführung der Vollstreckung, insbesondere unrichtiger gerichtlicher Entscheidungen auferlegen, obwohl er das Geschehen insoweit nicht beeinflussen kann. Zur Vermeidung dieses Risikos der Gläubigerin wird in Rechtsprechung und Literatur deswegen bereits die Beauftragung des Vollstreckungsorgans zur Einhaltung der Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO als ausreichend angesehen (Zöller-Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., § 929 Rdnr. 10, 11 m.w.N.). Da auch die Verbüßung einer Straf- oder Untersuchungshaft sich dem Einflußbereich des Gläubigers entzieht, darf dieser die - auch hier - innerhalb der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO eingeleitete Vollstreckung nach Entlassung des Schuldners aus der Straf- oder Untersuchungshaft durch erneute Beauftragung des Gerichtsvollziehers zu Ende führen, da die vor Fristablauf und die nach Fristablauf getroffenen Maßnahmen noch eine Einheit bilden. Denn die weitere Vollstreckung der Arresthaft wird hier außerhalb des Einflußbereiches der Gläubigerin durch die unzutreffende Entscheidung des Landgerichtes sowie die Entlassung des Schuldners aus der Haft nur dadurch verhindert, dass der Schuldner zwischenzeitlich in Untersuchungshaft genommen worden ist. Da auch eine fehlerhafte, aber nicht unwirksame Pfändung die Vollziehungsfrist wahrt, auch wenn Mängel erst nach deren Ablauf behoben werden (OLG Düsseldorf JMBl NRW 1960, 59) und eine erfolglos gebliebene Pfändung nach Fristablauf wiederholt werden kann (OLG Celle NJW 1968, 1682 [OLG Celle 05.06.1968 - 4 Wx 10/68]), muss auch die innerhalb der Vollziehungsfrist beantragte und vom Gerichtsvollzieher dann auch durchgeführte Verhaftung des Schuldners zu einem späteren Zeitpunkt nach Ablauf der Vollziehungsfrist fortgesetzt werden können, wenn der Schuldner zwischenzeitlich in Straf- oder Untersuchungshaft genommen worden ist.
II.
Unzutreffend ist die Ansicht des Landgerichtes, aus dem Sinn und Zweck der Arrestregeln folge, dass sämtliche Arreste gleichzeitig zu vollstrecken seien und sich der Schuldner gegebenenfalls für mehrere Arrestgläubiger gleichzeitig in Haft befinde, da ein Arrestgläubiger lediglich einen Anspruch darauf habe, dass sein Schuldner 6 Monate lang durch Haft daran gehindert werde, sein Vermögen beiseite zu schaffen, er jedoch keinen Anspruch darauf habe, dass er von dem Umstand profitiere, dass sich sein Schuldner auch für einen anderen Arrestgläubiger in Haft befinde, sodass dem Interesse eines Arrestgläubigers Genüge getan sei, wenn die Sechsmonatsfrist des § 913 ZPO ab dem Zeitpunkt der Verhaftung für den betreffenden Arrestgläubiger zu laufen beginne.
Gemäß § 933 ZPO richtet sich die Vollziehung des persönlichen Sicherheitsarrestes, wenn sie durch Haft erfolgt, nach den Vorschriften der §§ 901, 904 bis 913 ZPO. Auf die Vorschrift des § 914 ZPO wird nicht verwiesen, sodass diese im Rahmen der Vollziehung des persönlichen Sicherheitsarrestes nicht anwendbar ist. Nach § 913 ZPO darf zwar die Haft die Dauer von 6 Monaten nicht überschreiten, der Schuldner ist nach Ablauf dieser Frist von Amts wegen aus der Haft zu entlassen, diese Regelung bezieht sich jedoch nur auf die Haftverbüßung aufgrund desselben Haftbefehles (Baumbach-Lauterbach-Hartmann, ZPO, 57. Aufl. § 913 Rdnr. 2; Stein-Jonas-Münzberg, ZPO, 21. Aufl., § 913 Rdnr. 2). Bei einer Mehrheit von Schuldtiteln kommt dagegen wegen eines jeden die Haft von 6 Monaten in Betracht (Baumbach-Lauterbach-Hartmann a.a.O.; Stein-Jonas-Münzberg a.a.O.). Entgegen der Ansicht des Landgerichtes und des Schuldners bedeutet dies aber nicht, dass die Sechsmonatsfrist gleichzeitig für mehrere Gläubiger abläuft, wenn der Schuldner gleichzeitig für mehrere Gläubiger verhaftet worden ist oder sich die Gesamtvollziehungsdauer aufgrund mehrerer Arreste in dem Maß erhöht, in dem der jeweilige nächste Vollziehungsbeginn zeitlich vom vorherigen Vollziehungsbeginn entfernt ist. Bei dieser, vom Schuldner bevorzugten Auslegung, würden die Gläubiger, die aufgrund von ihnen nicht beeinflußbarer Umstände, wie z.B. Dauer des Arrestverfahrens, Zeitpunkt der Entscheidungsverkündung, sich überlappender Vollziehungsfristen unterworfen sind, schlechter stehen, als Gläubiger, deren Vollziehungsfrist jeweils erst nach Ablauf der für einen anderen Gläubiger laufenden Frist des § 913 ZPO abläuft. Daran vermag auch die hier vorliegende Besonderheit nichts zu ändern, dass auf Seiten der Gläubiger teilweise eine Personenidentität feststellbar ist. Für eine Schlechterstellung der Gläubiger, für die die Vollziehungsfrist zum gleichen Zeitpunkt abläuft oder sich zum Teilüberlappt, ist ein nachvollziehbarer Grund nicht erkennbar.
2.
Der Schuldner ist gegenüber der sukzessiv abzubüßenden Nachhaft nicht schutzlos. Gemäß § 927 ZPO kann er auch nach der Bestätigung des Arrestes wegen veränderter Umstände, insbesondere wegen Erledigung des Arrestgrundes oder aufgrund des Erbietens zur Sicherheitsleistung die Aufhebung des Arrestes beantragen, wozu auch die Möglichkeit gehört, nachzuweisen, pfändbares Vermögen nicht zu haben. Der Schuldner kann gemäß § 934 ZPO die Aufhebung der Arrestvollziehung betreiben und im Wege der Erinnerung gemäß § 766 ZPO gegen die Vollziehung vorgehen.
Die Frage, ob die sukzessive Vollstreckung der Sechsmonatsfrist aufgrund verschiedener Arrestbefehle dem Schuldner wegen der sich u.U. ergebenden langen Haftdauer nicht mehr zuzumuten ist, stellte sich dem Senat hier nicht, da angesichts der dem Schuldner zustehenden Rechtsmittel die nachgeschaltete Vollstreckung von insgesamt 5 Haftbefehlen unter jeweiliger Ausnutzung der sechsmonatigen Frist des § 913 ZPO noch nicht unzumutbar ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.