Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 08.03.1999, Az.: 1 W 25/98

Rechtliche Qualifizierung einer Verpflichtungserklärung gemäß § 84 Abs. 1 Ausländergesetz (AuslG) als öffentlich-rechtlicher Vertrag zugunsten Dritter; Umfang der nach einer Verpflichtungserklärung zu erstattenden Kosten; Vollstreckbarkeit des Erstattungsanspruches nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz als Voraussetzung eines solchen Anspruchs

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
08.03.1999
Aktenzeichen
1 W 25/98
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1999, 30764
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1999:0308.1W25.98.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 07.10.1998 - AZ: 19 O 234/98

Fundstellen

  • NVwZ-RR 2000, 119 (Volltext mit red. LS)
  • OLGReport Gerichtsort 1999, 249

In dem Rechtsstreitverfahren
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die Beschwerde des Beklagten vom 2. November 1998
gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 7. Oktober 1998
am 8. März 1999
beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird geändert.

Dem Beklagten wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin ... in ... bewilligt.

Gründe

1

Die Beschwerde hat Erfolg.

2

Ein zivilrechtlicher Anspruch der Klägerin aus der vom Beklagten gemäß § 84 Abs. 1 AuslG abgegebenen Verpflichtungserklärung vom 27. April 1995 besteht nicht.

3

Die Verpflichtungserklärung begründet einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der öffentlichen Hand gegen den Verpflichteten und soll es zugunsten eines Ausländers ermöglichen, ihm eine Aufenthaltserlaubnis für das Bundesgebiet zu erteilen, die ihm ohne eine solche Erklärung in Anbetracht der Ungewissheit, ob er für seinen Lebensunterhalt selbst aufkommen kann, versagt werden müsste. Rechtlich enthält diese Verpflichtung einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zugunsten Dritter (Klösel-Christ-Häußer, AuslG, Loseblatt-Kommentar § 84 Rdnr. 1, 2).

4

Es spricht schon alles dafür, dass die Klägerin hier nicht eine von der Verpflichtungserklärung begünstigte Dritte ist. Denn nach § 84 Abs. 1 AuslG sind sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die - u.a. für die Versorgung im Krankheitsfall - aufgewandt werden. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben. Bei dem zwischen der Klägerin und der verstorbenen Schwester des Beklagten abgeschlossenen Vertrag handelte es sich um einen privaten Krankenhausvertrag, im Rahmen dessen der Klägerin Kosten entstanden sind. Damit sind aber keine öffentlichen Mittel - wie etwa bei der Gewährung von Sozialhilfe oder einer Unterbringung - zur Verfügung gestellt worden (vgl. dazu Klösel-Christ-Häußer a.a.O., § 84 Rdn. 14, wo diese Kostenträger als öffentliche Stellen genannt werden, die in der Regel hierfür in Frage kommen).

5

Dass die Klägerin, auch wenn sie eine Hochschule gemäß § 1 NHG ist, nicht durch die. Verpflichtungserklärung begünstigt ist, ergibt sich auch daraus, dass nach § 84 Abs. 2 Satz 2 AuslG der Erstattungsanspruch nach Maßgabe des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes vollstreckbar ist, die Klägerin aber selbst vorträgt, dass eine Vollstreckbarkeit nach dem Verwaltung-Vollstreckungsgesetz für Ansprüche aus einem privaten Krankenhausvertrag nicht in Betracht komme (S. 2 des Schriftsatzes - eingegangen am 16. Februar 1999). Dann aber kann sie auch nicht als begünstigte Dritte aus der Verpflichtungserklärung nach § 84 Abs. 1 AuslG angesehen werden. Denn aus § 84 Abs. 2 Satz 2 AuslG ergibt sich, dass nur solche öffentlichen Stellen, die öffentliche Mittel aufgewandt haben, einen Erstattungsanspruch haben können, die ihn dann auch nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vollstrecken können. Gegen eine solche Inanspruchnahme könnte sich der Betroffene durch eine vorbeugende Feststellungsklage oder, wenn ein Leistungsbescheid ergangen ist, durch Widerspruch und Anfechtungsklage im Verwaltungsrechtsweg wehren (Klösel-Christ-Häußer a.a.O., § 84 Rdn. 14 b). Ein Kostenträger, der einen privaten Vertrag abschließt und nicht im Rahmen des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vollstrecken kann, kommt deshalb als Träger des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs nach § 84 Abs. 1 AuslG nicht in Frage.

6

Selbst wenn aber die von der Klägerin selbst vertretene Auffassung, sie könne aus den von ihr genannten Gründen Ansprüche aus dem privaten Krankenvertrag nicht gemäß dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz beitreiben, unrichtig wäre, würde dies am Ergebnis für das vorliegende Prozesskostenhilfeverfahrens nichts ändern. Denn dann - also wenn eine solche Vollstreckung etwa möglich wäre - fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis für ein Klage im Zivilrechtsweg, weil die Klägerin eines weiteren Titels nicht mehr bedürfte. Abgesehen davon wäre ein etwaiger Streit insoweit vor den Verwaltungsgerichten auszutragen.

7

Deshalb kommt es auf die weiteren zwischen den Parteien umstrittenen Rechtsfragen nicht mehr an. Dem Beklagten war Prozesskostenhilfe zu bewilligen, da die Voraussetzungen zur Bedürftigkeit von ihm dargetan sind.