Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 08.02.2008, Az.: 14 U 12/08
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 08.02.2008
- Aktenzeichen
- 14 U 12/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 42429
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2008:0208.14U12.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Neustadt/Rübenberge - 31.10.2007 - AZ: 48 C 1715/06
Fundstelle
- OLGReport Gerichtsort 2008, 338
In dem Rechtsstreit
...
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... am 8. Februar 2008 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Klägerin, die ihren allgemeinen Gerichtsstand in Polen hat, verlangt von den Beklagten Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 3. September 2004. Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom 31. Oktober 2007 insgesamt abgewiesen. Dieses Urteil ist der Klägerin am 9. November 2007 zugestellt worden (Bl. 160 d.A.). Mit Schriftsatz vom 23. November 2007 - eingegangen am 29. November 2007 - hat die Klägerin gegen dieses Urteil Berufung beim Landgericht Hannover eingelegt (Bl. 170 d.A.) und die Berufung mit Schriftsatz vom 2. Januar 2008 auch gegenüber dem Landgericht Hannover begründet (Bl. 175 d.A.). Auf den Hinweis der zuständigen Richterin vom 7. Januar 2008 (Bl. 207 d.A.), dass die Berufung zum Landgericht gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG unzulässig sei, hat die Klägerin ihre Berufung mit Schriftsatz vom 26. Januar 2008 zurückgenommen (Bl. 209 d.A.).
Mit Schriftsatz vom 17. Januar 2008 beantragt die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Sie ist der Ansicht, das Landgericht Hannover hätte die Berufung an das zuständige Gericht weiterleiten müssen. Im Zeitpunkt der "Registrierung" der Berufung bei dem Landgericht Hannover (am 5. Dezember 2007, vgl. Bl. 169 d.A.) habe noch ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden bis zum Ablauf der Berufungsfrist im Sinne von § 517 ZPO. Die Klägerin - bzw. ihr Prozessbevollmächtigter - ist zudem der Auffassung, § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG sei "leicht zu übersehen", weil diese Vorschrift im Anwaltsalltag "lediglich in Ausnahmesituationen" vorkomme. Demgegenüber hätte das Landgericht die polnische Anschrift der Klägerin aber nicht übersehen dürfen.
II.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist unbegründet.
1. Die Klägerin war nicht ohne ihr Verschulden (§ 233 ZPO) verhindert, die Berufungsfrist gemäß § 517 ZPO einzuhalten. Vielmehr trifft ihren Prozessbevollmächtigten ein Verschulden an der Versäumung der Frist, das sich die Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Denn er hat in Verkennung der Vorschrift des § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Neustadt am Rbge. nicht innerhalb der Berufungsfrist beim zuständigen Oberlandesgericht Celle, sondern beim unzuständigen Landgericht Hannover eingelegt. Das der Klägerin zuzurechnende Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten ist entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht deshalb folgenlos, weil das unzuständige Landgericht die bei ihm eingegangene Berufungsschrift nicht innerhalb der Berufungsfrist an das zuständige Oberlandesgericht weitergeleitet oder kurzfristig dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin noch einen entsprechenden Hinweis erteilt hat. Denn die Prüfung der Zulässigkeit der Berufung, zu der auch die Zuständigkeit im Sinne von § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG gehört, ist gemäß § 522 Abs. 1 ZPO die Aufgabe des Berufungsgerichts, d.h. der zuständigen Richter, nicht aber der Geschäftsstellenbeamten. Das gilt umso mehr, als die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts - wie der Prozessbevollmächtigte der Klägerin meint - bereits für Anwälte nicht leicht erkennbar war. Dann wird sie für juristisch nicht entsprechend (wie Anwälte) vorgebildete Geschäftsstellenbeamte erst recht nicht offensichtlich gewesen sein. Damit konnte ein entsprechender Hinweis an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin erst bei Vorlage an die zuständige Kammervorsitzende erwartet werden. Dieser Hinweis ist dann auch unverzüglich erfolgt (Bl. 207 d.A.). Zu diesem Zeitpunkt war die Frist zur Einlegung der Berufung jedoch bereits abgelaufen. Wollte man - wie der Prozessbevollmächtigte der Klägerin meint - gleichwohl eine frühere Vorlage oder Weiterleitungspflicht des unzuständigen Gerichts bejahen, würde die Verantwortung für die Ermittlung des tatsächlich zuständigen Berufungsgerichts der Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten insgesamt abgenommen und auf ein unzuständiges Gericht verlagert. Das Gericht kann aber mit der Prüfung seiner Zuständigkeit warten, bis die Akten vorgelegt werden.
Der Bundesgerichtshof hat im Übrigen die Rechtsfrage bereits wiederholt eindeutig in diesem Sinne entschieden (vgl. nur BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2005 - VIII ZB 125/04, NJW 2005, 3776 - die gegen diese Entscheidung eingelegte Verfassungsbeschwerde blieb erfolglos, s. BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2006 - 1 BvR 2558/05, NJW 2006, 1579; ebenso auch schon BGHZ 155, 46 ).
Der Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist war damit zurückzuweisen.
2. Der Senat weist die Klägerin vorsorglich darauf hin, dass gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO ihre Berufung als unzulässig zu verwerfen ist, weil - wie dargelegt - die Berufungsfrist gemäß § 517 ZPO nicht eingehalten worden ist. Darüber hinaus ist die Berufung auch unzulässig, weil der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Berufung mit Schriftsatz vom 26. Januar 2008 (Bl. 209 d.A.) bereits zurückgenommen hat. Die Zurücknahme der Berufung kann aber nicht widerrufen werden, es sei denn, es liegen Wiederaufnahmegründe vor, wofür aber nichts ersichtlich ist.
3. Die Kosten, die durch das Wiedereinsetzungsverfahren entstanden sind, hat die Klägerin zu tragen (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 27. Auf., § 238 Rdnr. 20).