Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 19.02.2008, Az.: Not 16/07

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
19.02.2008
Aktenzeichen
Not 16/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 42444
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2008:0219.NOT16.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 21.05.2007

Tenor:

  1. Die Disziplinarverfügung des Präsidenten des Landgerichts Hildesheim vom 21. Mai 2007 (...) sowie die sie bestätigende Beschwerdeentscheidung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Celle vom 26. September 2007 (...) werden aufrechterhalten.

  2. Der Notar trägt die Kosten des Verfahrens sowie die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen.

Gründe

1

I.

1.

Der am ... 1958 geborene Notar ist seit dem ... 1986 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Am ... 2000 wurde er zum Notar im Bezirk des Oberlandesgerichts Celle mit dem Amtssitz in H. bestellt. Der Notar ist disziplinarrechtlich bisher nicht in Erscheinung getreten.

2

2.

Dem Notar werden in diesem Verfahren anlässlich der Beurkundung einer Generalvollmacht und eines Testamentes Verstöße gegen §§ 11, 28 BeurkG in zwei Fällen vorgeworfen. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

3

Nach einem Unfall hielt sich die am ... 1920 geborene Frau E.F., die vermögend, kinderlos und verwitwet war, zunächst vom 18. Juni bis 11. Juli 2000 im S. Krankenhaus H. auf. Bereits im Bericht des Krankenhauses vom 11. Juli 2000 wird bei Frau F. eine mittelschwere Demenzstörung vom Alzheimertyp diagnostiziert und darauf hingewiesen, die Patientin sei zeitlich und örtlich desorientiert, weshalb die Notwendigkeit einer Beaufsichtigung bestehe (Blattsammlung zum SH IV zum Verfahren ... LG Hildesheim). Nachdem Frau F. sich zunächst im Pflegeheim L. in H. aufhielt, wo sie sich indessen nicht wohl fühlte, veranlasste ihr Großneffe T.W., dass sie im August 2000 wieder in ihr Haus in der M. in H. zurückkehren konnte. Die notwendige ganztägige häusliche Pflege wurde gem. Arbeitsvertrag vom 9. August 2000 der am ... 1940 geborenen K.N. (SH zu ... StA Hildesheim) sowie zusätzlich ab 2001 einer Frau Sch. übertragen.

4

Am 13. September 2002 beurkundete der Notar in Anwesenheit von Frau F. und Frau N. zur UR-Nr. ... eine Generalvollmacht zugunsten von Frau N., in der es u.a. heißt (Bl. 19 - 22 SH I):

"...

  1. 1.

    Die Bevollmächtigte soll mich in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten vertreten und kann dazu alle Rechtshandlungen und Rechtsgeschäfte im Namen des Vollmachtgebers tätigen.

  2. 2.

    Bezgl. der vermögensrechtlichen Angelegenheiten erstreckt sich die Vollmacht ausdrücklich auf die Durchsetzung von Versorgungsansprüchen sowie die Verwaltung des Vermögens. Die Vollmacht umfasst ausdrücklich die Befugnis, jegliche Verfügungen über Grundvermögen vorzunehmen, insbesondere dieses zu belasten und/oder zu veräußern.

  3. 3.

    Die Vollmacht in persönlichen Angelegenheiten umfaßt ausdrücklich sowohl die Krankenfürsorge als auch die Entscheidung über die medizinische Behandlung. Die Bevollmächtigte ist befugt und berechtigt, sich von den behandelnden Ärzten alle Auskünfte erteilen und Gutachten vorlegen zu lassen, die für eine derartige Entscheidung erforderlich sind. Die Bevollmächtigte ist befugt, auch die Zustimmung für besonders risikoreiche Eingriffe gem. § 1904 BGB zu erteilen.

  4. 4.

    Die Bevollmächtigte ist ebenfalls bevollmächtigt, meinen Aufenthalt zu bestimmen, insbesondere auch über notwendig werdende Einweisungen in einem Krankenhaus oder Pflegeheim i.S. von § 1906 Abs. 1 BGB zu befinden und die Einwilligung in notwendige unterbringungsähnliche Maßnahmen gem. § 1906 Abs. 4 BGB zu erteilen, wenn ich dazu nicht mehr in der Lage sein sollte. Mir ist bekannt, daß die Bevollmächtigte in den Fällen, die in den §§ 1904, 1906 Abs. 1 u. 4 geregelt sind, ab dem 01.01.1999 die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts benötigt.

  5. 5.

    ...

  6. 6.

    Mir ist bewußt, daß diese Vollmacht umfassend und generell ist. Ich kann dem Bevollmächtigten jedoch jederzeit konkrete Weisungen erteilen. Die Bevollmächtigte ist verpflichtet, solche Weisungen zu befolgen.

  7. 7.

    Betreuungsverfügung

    Wenn und soweit neben der vorstehenden Vollmacht eine Betreuung erforderlich sein sollte, so soll Frau N. zu meiner Betreuerin bestellt werden.

  8. 8.

    Die vorstehende Generalvollmacht und das ihr zugrundeliegende Auftragsverhältnis bleiben in Kraft, wenn der Vollmachtgeber geschäftsunfähig geworden sein sollte oder nicht mehr lebt. Die Vollmacht ist aber stets widerruflich.

....

Den Gegenstandswert meines gegenwärtigen Vermögens gebe ich mit ca. 1 000 000,00 € an."

5

Im Vorspann zur Generalvollmacht heißt es zur Person von Frau F. ferner:

"Sie war nach Überzeugung des beurkundenden Notars zweifelsfrei geschäftsfähig, wie eine Sacherörterung ergeben hat."

6

Bereits am 15. September 2002 erteilte Frau N. Herrn W. Hausverbot und forderte ihn, der sich in der Vergangenheit auch um die finanziellen Verhältnisse von Frau F. gekümmert hatte, zur Herausgabe diverser Unterlagen und Sparbücher auf (Bl. 52 SH I). Ferner widerrief sie eine Herrn W. erteilte Bankvollmacht, wechselte die Schlösser des Hauses aus und änderte die bisherige Telefonnummer, ohne die neue jemanden mitzuteilen. Am 16. September 2002 regte der Neffe T.W. beim AG Hildesheim - Vormundschaftsgericht - die Einrichtung einer Betreuung für Frau F. an, weil sie unter den starken Einfluss von Frau N. geraten sei (Bl. 3f. SH I).

7

In einer ärztlichen Bescheinigung der Fachärztin für innere Krankheiten Dr. M. vom 10. Oktober 2002 heißt es u.a. (Bl. 5 SH I):

"Bei o.g. Patientin handelt es sich in erster Linie um eine Demenz vom Alzheimer Typ. Die Patientin muss rund um die Uhr beaufsichtigt werden. Hierzu haben sich zwei Pflegekräfte gefunden, da die Patientin nicht in der Lage ist, sich innerhalb und außerhalb ihres Hauses zurechtzufinden. Sie ist zeitlich und örtlich desorientiert. Sie ist nicht in der Lage, sich das Essen selbständig vorzubereiten, sich anzuziehen und hygienische Maßnahmen durchzuführen. ... Die Patientin ist in jeder Weise pflegebedürftig."

8

Am 18. Oktober 2002 suchte Frau B. von der Betreuungsstelle des Landkreises Hildesheim Frau F. in deren Wohnung auf und führte mit ihr ein Gespräch, bei dem auch die beiden Pflegerinnen N. und Sch. anwesend waren. Im Bericht vom 22. Oktober 2002 heißt es u.a. (Bl. 14 - 17 SH I):

"Ich habe Frau F. das Dokument (gemeint: die Generalvollmacht) vorgelegt und sie gebeten, mir die Gründe der Vollmachterteilung und den Ablauf zu schildern. Frau F. konnte sich nur vage an den Namen des Notars erinnern, der ihr bekannt vorkäme. Ansonsten konnte sie zu den Papieren keine Aussage machen. Offensichtlich wusste sie nicht, um welches Dokument es sich handelt. Selbst nach meiner Erklärung, dass sie eine von ihr beim Notar unterschriebene Generalvollmacht in der Hand habe, kam keine weitere Äußerung. Ebenfalls konnte Frau F. mir nicht sagen, ob sie persönlich zur Aufsetzung der Vollmacht in der Notar-Kanzlei war oder Herr T. zur Aufnahme in ihrem Haus war.

Sie konnte mir ebenfalls nicht ihr Alter und ihr Geburtsdatum nennen, kannte jedoch ihre Anschrift und den Namen ihrer Hausärztin.

Wie sich die drei Frauen kennen gelernt hatten, konnte Frau F. ebenfalls nicht beantworten. Ebenso definierte sie die jetzige Jahreszeit als Winter und wusste den aktuellen Wochentag nicht. Ihren Ehemann hätte sie auf N. kennen gelernt. Sie selbst käme nicht aus H. Erst nach längerer Überlegung sagte sie, dass sie aus dem Westfälischen käme. Nach ihrer Aussage war sie früher auch berufstätig, allerdings wusste sie nicht mehr, in welchem Bereich sie gearbeitet hat. Zu einem in der Schrankwand stehenden eingerahmten Foto, das Frau F. mit einer Bekannten zeugt, konnte sie mir nicht sagen, wer die andere Dame sei.

Auf meine Frage, ob sie Medikamente einnimmt, erhielt ich von Frau F. einen verneinende Antwort. Frau N. berichte sie daraufhin. Frau F. erhält Medikamente für das Herz und zur Blutverdünnung.

...

Auf meine Frage, ob ein Testament vorläge, erhielt ich von Frau F. eine zustimmende Antwort. Meine weitere Frage, ob das Testament bei dem gleichen Anwalt erstellt wurde, der auch die Generalvollmacht beurkundet hat, antwortete Frau F. zustimmend. Sie wurde jedoch von Frau N. dahingehend berichtigt, dass das Testament bei RA Herrn G. vorläge. Wer in diesem Testament bedacht ist, sagte mir Frau F. nicht, nur dass sich diesbezüglich bald etwas ändern würde."

9

Zusammenfassend heißt es dann:

"Frau E.F. scheint zum jetzigen Zeitpunkt weder zur Person, Zeit und Ort ausreichend orientiert zu sein. Selbst das Langzeitgedächtnis scheint nicht immer abrufbar. Aufgrund meines persönlichen Eindrucks ist Frau F. nicht mehr in der Lage, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln und insbesondere die Auswirkungen der Generalvollmacht einzuschätzen, diese zu kontrollieren oder zu widerrufen. Weiterhin bestehen aufgrund meiner Recherchen ... erhebliche Zweifel an der Vollmachtsfähigkeit zum Zeitpunkt 18.09.2002, obwohl dies notariell von dem Notar, Herrn T., beurkundet worden ist."

10

Am 21. Oktober 2002 suchte die vom Vormundschaftsgericht beauftragte Fachärztin für Psychiatrie D. Frau F. auf. In einem ersten Schreiben vom 23. Oktober 2002 an das Vormundschaftsgericht führt sie aus, dass bei Frau F. eine mitte- bis schwere Demenz vorliege (Bl. 6 SH I). Es bestünden erhebliche Zweifel daran, dass Frau F. im September 2002 noch in der Lage gewesen sei, eine Generalvollmacht zu erfassen und zu erteilen.

11

Am 22. Oktober 2002 beurkundete der Notar in der Wohnung von Frau F. zur UR-Nr. ... ein Testament (Bl. 53 - 57 SH I). Einen entsprechenden Entwurf hatte er Frau F. bereits mit Schreiben vom 8. Oktober 2002 zugeleitet (SH zu ... StA Hildesheim). Die hierin vorgenommenen handschriftlichen Änderungen und Ergänzungen stammten nicht von Frau F., sondern von Frau N., was anhand der Handschrift auch ohne weiteres erkennbar war. In der Testamentsurkunde heißt es sodann:

"

  1. 1.

    Sämtliche vorhergehenden letztwilligen Verfügungen, insbesondere auch das am 18.07.1997 beurkundete Testament, widerrufe ich hiermit. Es sollen ausschließlich die nachfolgenden Regelungen gelten.

  2. 2.

    ...

  3. 3.

    Als Erben setze ich ein: K.N.

  4. 4.

    Sollte zum Zeitpunkt meines Ablebens der durch mich eingesetzte Erbe vorverstorben sein, sollen seine Abkömmlinge nach Stämmen je zu gleichen Teilen Ersatzerbe sein.

  5. 5.

    Frau R. Sch. ... erhält ein Vermächtnis in Höhe von 200 000,- €.

  6. 6.

    Als weiteres Vermächtnis sollen die nachstehenden Institutionen jeweils einen Betrag in Höhe von 10 000,- € erhalten: (es folgt eine Auflistung von 9 gemeinnützigen Einrichtungen).

    ...

  7. 11.

    Den Wert meines Vermögens gebe ich mit ca. 1 700 000,- € an."

12

Im Eingang zur Urkunde heißt es ferner:

"Wie eine ausführliche Sacherörterung ergeben hat, ist die Erschienene zur Überzeugung des beurkundenden Notars zweifelsfrei testierfähig."

13

In einem früheren Testament vom 18. Juli 1997 hatte Frau F. ihrem Großneffen T.W. ihr Grundstück in der M. in H. zugewandt und den Barnachlass an verschiedene Personen und Institutionen verteilt (Blattsammlung zum SH IV zu ... LG Hildesheim).

14

Mit Beschluss vom 24. Oktober 2002 bestellte das AG Hildesheim (26 XVII F 383) Rechtsanwalt Dr. F. zum vorläufigen Betreuer mit dem Aufgabenkreis "Sämtliche Angelegenheiten einschließlich Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Amts- und Geschäftspost" (Bl. 7f. SH I). Ferner wurde ein Einwilligungsvorbehalt für die Vermögenssorge angeordnet.

15

Am 29. Oktober 2002 erstattete die Sachverständige D. ein psychiatrisches Gutachten für das Vormundschaftsgericht, in dem es u.a. heißt (Bl. 25 - 44 SH I):

"... Während der Exploration war die Probandin freundlich und nach ihren Möglichkeiten kooperativ, oft wirkte sie ratlos und schaute hilfesuchend zu Frau N. Frau F. war nur zu basalen Daten wie Name, Geburtsname, Ort und Straße orientiert, ihr Alter, Tag, Datum, oder Bundesland konnte sie nicht angeben. Sie sei politisch interessiert und schaue täglich Nachrichten. Nach längerem Überlegen benannte sie die 20 Uhr Nachrichten, die sie immer schaue, korrekt mit Tagesschau, das Programm konnte nicht benannt werden. Bundeskanzler sei Schröder, die Partei oder irgendeine Partei konnte nicht genannt werden. Auch konnte die Probandin nicht das Buch nennen, in dem sie gerade lese. Auf Vorgabe "Rosamunde" wurde Pilcher korrekt genannt, als Inhalt des Buches wurde "Tagesschau" genannt.

Als typischen Tagesablauf schilderte die Probandin, dass sie den ganzen Tag Däumchen drehe. Sie stehe nicht zu früh auf, nicht zu spät, eine Uhrzeit konnte nicht angegeben werden. ... Was sie im Haushalt erledige, konnte nicht benannt werden. Um 13.00 Uhr esse sie zu Mittag, sie koche selber. Was sie an diesem Tag gegessen habe, war nicht eruierbar. ...

Ob sie Hilfestellung im Alltag habe, beantwortete sie erst verzögert: ja, Frau N. Eine 2. Person wurde zuerst verneint, auf korrigierenden Eingreifen von Frau N. wurde dann eine zweite Person von der Probandin bestätigt, die aber namentlich nicht benannt werden konnte. Wobei sie Hilfe brauche, konnte die Probandin nicht beschreiben, eigentlich mache sie alles selbst. ...

Sie sei noch nie krank gewesen, Die Frage nach stattgehabten Operationen beantwortete sie mit "irgendwas war mal, war aber auch schnell wieder weg". ... Die langjährige Hausärztin konnte namentlich nicht genannt werden. ...

Mit 21 Jahren habe sie das Abitur absolviert. Jahreszahlen waren nicht erhältlich. Danach habe sie als Apothekerin in H. /W. studiert. Anschließend habe sie als angestellte Apothekerin in verschiedenen Apotheken gearbeitet, sei in mehrere Städten gewesen, die sie nicht benennen konnte. Nach H. habe sie es nur zufällig verschlagen, hier habe sie nur in der M. gewohnt. Sie wohne hier zur Miete, die Höhe der Miete wisse sie nicht. Gearbeitet habe sie zuletzt in H., die Apotheke konnte sie nicht benennen, auch war nicht eruierbar, bis wann sie gearbeitet hat.

1920 habe sie geheiratet, ihr Mann heiße P. ... Wann und woran er verstorben oder wo er beerdigt ist, war nicht eruierbar. ... Zu ihren Finanzen waren keine Angaben erhältlich. Sie beziehe Rente. Als Währung wurde DM angegeben, mit dem Begriff Euro konnte sie nichts anfangen.... Was eine Vorsorgevollmacht sei, wisse sie nicht, sie habe auch keine. Auf Blicke von Frau N. korrigierte sie, dass diese das machen solle. Ob sie bei einem Anwalt etwas verfasst habe, wurde dann bejaht, bei wem sei ihr aber nicht erinnerlich."

16

Zum psychischen Befund führte die Sachverständige sodann aus:

"Die Probandin war wach und bewusstseinsklar. Im Kontakt war sie freundlich und nach ihren Möglichkeiten kooperativ, wirkte insgesamt aber häufig ratlos und konnte teils auch einfache Fragen nicht erfassen. Sie war nur noch zu basalen Daten orientiert, erhebliche Gedächtnisstörungen umfassten sowohl das Kurz- als auch das Langzeitgedächtnis. Neben Nichtbeantworten von Fragen waren auch Konfabulationen auffällig. Bei wiederholten Fragen waren die Antworten selten identisch. ... Konzentration, Auffassung und Merkfähigkeit waren drastisch reduziert. Die Psychomotorik war unauffällig, der formale Gedankengang und das Antriebsverhalten waren erheblich verlangsamt,... Eine kritische Einschätzung ihrer Lebenssituation oder ihrer Alltagskompetenzen war der Probandin nicht möglich."

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In der zusammenfassenden Beurteilung heißt es dann:

"Bei der Betroffenen liegen eine schwere psychische Erkrankung in Form einer fortgeschrittenen Demenz und eine körperliche Erkrankung in Form eines gutartigen Hirntumors vor. Die zeitlichen Kriterien für eine Demenz sind erfüllt, das testpsychologische und klinische Ausmaß entspricht einem mittleren bis schweren Ausmaß. Insgesamt ist die Probandin als hilflose Person anzusehen und in allen lebenspraktischen Dingen von fremder Hilfe abhängig. Körperlich befindet sie sich in guter Verfassung und ist sehr mobil.

Die Demenz entwickelt sich laut verschiedener fremdanamnestischer Angaben seit 3 - 5 Jahren, mit einer erheblichen Progredienz seit 2 Jahren. Die Schilderungen lassen vermuten, dass das Ausmaß der Demenz bereits vor 2 Jahren mittelschwer war, da die Probandin bereits da als hilflos eingestuft wurde. ... Der Verlauf wäre am

ehesten mit einer Demenz vom Alzheimer-Typ vereinbar.

Es gibt keine konkreten Angelegenheiten mehr, die die Betroffene selbst besorgen könnte. So wäre eine allumfassende Betreuung einschließlich Entgegennahme, Öffnen und Anhalten von Amts- und Geschäftspost dringend indiziert.

Im September 2002 wurde eine notariell beglaubigte Generalvollmacht erstellt, bevollmächtigt wurde Frau N. Es bestehen erhebliche Zweifel daran, dass Frau F. zu diesem Zeitpunkt noch in der Lage gewesen sein soll, eine Vollmacht zu erstellen. So sollte diese, wie bereits vorab mitgeteilt, umgehend durch eine Betreuung ersetzt werden. ...

Bei von Frau N. und von der Probandin bestätigtem Wunsch, eventuell eine Testamentsänderung zugunsten von Frau N. vorzunehmen, wäre aufgrund des Ausmaßes der Demenz eine Begutachtung zur Testierfähigkeit durch einen bisher nicht involvierten Psychiater empfehlenswert. ...

Da die Demenz bereits deutlich fortgeschritten ist und der Prozeß im allgemeinen progredient verläuft, ist davon auszugehen, dass das Unvermögen zur Besorgung der bezeichneten Angelegenheiten auf Dauer fortbestehen wird. ...

Eine sinnvolle Verständigung mit der Betroffenen ist nicht möglich. ...

Frau F. ist aufgrund der Demenz nicht mehr in der Lage, kritisch in ihrem Sinn zu urteilen und zu entscheiden. Fremdanamnestische Angaben lassen die Vermutung zu, dass wesentliche Entscheidungen für die Probandin bereits vor Beginn der

Demenz üblicherweise durch ihr vertraute Personen wesentlich beeinflusst wurden. Auch jetzt ergeben sich Hinweise auf eine erhebliche Beeinflussbarkeit, so dass zur Abwehr von erheblichem Schaden für das Vermögen der Probandin ein Einwilligungsvorbehalt für diesen Aufgabenbereich sinnvoll wäre."

18

Am 1. November 2002 führte der zuständige Betreuungsrichter eine Anhörung von

19

Frau F. durch. Im Protokoll heißt es (Bl. 45f. SH I):

20

Im Gespräch mit Frau F. zeigten sich erhebliche Gedächtnislücken. Es bestätigte sich insgesamt der Eindruck wie im Gutachten vom 29. Oktober 2002 dargestellt."

21

Der eingesetzte Betreuer, Rechtsanwalt Dr. F., erklärte in einer späteren Vernehmung im Strafverfahren gegen Frau N. (SH zu ... StA Hildesheim):

"Ich glaube am 29.10.02 hatte ich den 1. Kontakt mit Frau F. ... Frau F. saß nur da und reagierte so gut wie gar nicht. Frau F. hat nicht eine Frage beantwortet.Z.B. habe ich sie nach ihrem Ehemann gefragt, sie antwortet er arbeite noch, ich sagte ihr, er sei schon lange tot, dann reagierte sie nicht mehr. ...

Ich halte es für ausgeschlossen, dass man in einem Gespräch mit Frau F. nicht bemerkt, dass sie geschäftsunfähig ist, aufgrund ihrer Demenz."

22

Der Betreuer widerrief in der Folgezeit die Frau N. erteilte Generalvollmacht und entließ sie sowie Frau Sch. In der Zwischenzeit hatte Frau N. indessen aufgrund eines von ihr geschriebenen und von Frau F. unterschriebenen Überweisungsträgers bereits 109 000,- € von einem Konto von Frau F. abgehoben und im Ergebnis für ihre Zwecke verwendet. Weitere 10 300,- € hatte die Pflegerin Sch. zur Finanzierung eines PKW?s erhalten.

23

Der Betreuer erhob vor dem LG Hildesheim Klage gegen Frau N. und Frau Sch. auf Rückzahlung der von diesen erhaltenen Beträge. In einem hier von der Sachverständigen D. erstellten weiteren Gutachten vom 3. Oktober 2003 heißt es u.a. (Blattsammlung zum SH IV zu ... StA Hildesheim):

"Bei Frau F. sprechen Verlauf und klinische Beschreibungen der Defizite mindestens ab ca. März 1998 für einen mittelschweren Ausprägungsgrad der Demenz. Unter Einbeziehung aller vorhandenen Daten und Befunde ist entsprechend seit diesem Zeitpunkt (März 1998) Testier- und Geschäftsfähigkeit nicht mehr gegeben. ...

Bei der Annahme von luciden Intervallen geht man davon aus, dass bei bestehender Urteils- und Entscheidungsfähigkeit Störungen vorliegen, die zumindest zum Teil kurzfristig rückläufig sind. Bei Frau F. handelt es sich aber um eine Demenz vom Alzheimer-Typ, eine chronisch-progrediente, degenerative, irreversible Demenzform, die spontane Rückbildungen und entsprechend lucide Intervalle ausschließt."

24

Das Landgericht holte im Zivilverfahren ein Sachverständigenverfahren des Gutachters R. vom 26. Januar 2005 ein (SH zu ... StA Hildesheim). Dieser kam zu dem Ergebnis, bei Frau F. habe seit Sommer 2000 eine erhebliche Hirnleistungsschwäche mit deutlichen Einbußen von Orientierung, Mnestik und Kognition vorgelegen. Er sei deshalb ohne Abstriche der Überzeugung, dass Frau F. spätestens in dem Jahr 2000 geschäftsunfähig war, somit auch außerstande ein Testament zu verfassen. In seiner Anhörung vor dem Landgericht am 19. April 2006 hat der Sachverständige erklärt, bei der Demenz von Frau F. habe es sich um einen langsam fortschreitenden schleichenden Prozess ohne zwischenzeitliche Zustandsänderung gehandelt (Blattsammlung zum SH IV zu ...). Der Begriff des luziden Intervalls sei bei Alzheimerpatienten wie Frau F. nicht zu beobachten.

25

Das Verfahren vor dem LG Hildesheim endete am 9. November 2006 mit dem Abschluss eines Vergleichs, in dem Frau N. sich u.a. zur Rückzahlung von 100 000,- € und Frau Sch. zur Zahlung von 4 000,- € an den Betreuer verpflichtete (Blattsammlung zum SH IV zu ...).

26

Die Staatsanwaltschaft erhob am 17. November 2003 und am 16. Juli 2004 Anklage gegen Frau N. Mit Beschluss vom 13. Juli 2005 verwies das AG Hildesheim die Sache an das LG Hildesheim und führte u.a. aus (Blattsammlung zum SH IV zu ... StA Hildesheim):

"Das Gericht hat umfänglich Beweis erhoben durch Vernehmung der von der Staatsanwaltschaft Hildesheim benannten Zeugen und weiterer Zeugen, welche zum überwiegenden Teil die Verteidigung dafür benannt hat, dass Frau F. im September/ Oktober 2002 geistig noch gut verfasst war und Willenserklärungen aller Art wirksam abgeben konnte sowie insbesondere testierfähig war. Anschließend hat die während der gesamten Beeisaufnahme anwesende Sachverständige, die Ärztin für Psychiatrie und Neurologie D., ihr Gutachten erstattet. Sie ist zu dem Ergebnis gelangt, dass Frau F. im September und Oktober 2002 an einer Demenz vom Alzheimer-Typ der Stufe II litt und - auch für medizinische Laien sofort erkennbar - geschäfts- und testierfähig war."

27

Mit Urteil vom 15. Juni 2006 verurteilte das LG Hildesheim (...) Frau N. zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren auf Bewährung wegen Betrug in Tateinheit mit Untreue und Urkundenfälschung (SH zu ...). In dem Urteil heißt es u.:

"... Spätestens Ende er 90er Jahre begann bei Frau F. ein altersbedingter hirnorganischer Abbauprozess, der dazu führte, dass sie sich immer schlechter allein zu Haus zurecht fand. Im Juni 2000 stürzte Frau F. auf ihrem Grundstück in einen Lichtschacht und wurde verletzt in ein Krankenhaus eingeliefert. Im Rahmen ihrer Behandlung wurde festgestellt, dass es ihr nicht mehr möglich sein würde, alleine zu leben, weil sie sich nicht mehr zurecht fand. Aus diesem Grund kam sie vom Krankenhaus aus nicht wieder nach Hause, sondern ging im Juni 2000 in das Seniorenheim L. in H. Dort fühlte sie sich jedoch sehr unwohl und konnte sich mit den neuen Lebensbedingungen nicht abfinden. Deshalb organisierte ihr Großneffe, T.W., der sich auch in den vergangenen Jahren schon um seine Großtante gekümmert hatte, eine Betreuung für diese in ihrem eigenen Haus, und Frau F. zog nach etwa einem Monat wieder zurück in die M. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war sie aufgrund der psychischen Erkrankung geschäfts- und testierunfähig. ..."

28

Zur Beurkundung vom 13 September 2002 heißt es:

"Frau F. war auch zu diesem Zeitpunkt aufgrund ihres geistigen Zustands nicht im Entferntesten in der Lage, die Bedeutung dessen, was beurkundet wurde und was sie in Gegenwart des Notars unterschrieb, zu erkennen."

29

sowie zur Beurkundung vom 22. Oktober 2002:

"Auch bzgl. des Testaments konnte Frau F. aufgrund ihres geistigen Zustands in keiner Weise überblicken und hatte keine Vorstellungen davon, welche Folgen die Beurkundung durch den Notar hatte und was ein Testament überhaupt bedeutete."

30

Ein gegen den Notar eingeleitetes Strafverfahren wurde durch die Staatsanwaltschaft Hildesheim am 2. Dezember 2005 und 21. Juni 2006 mangels hinreichenden Tatverdachtes eingestellt (SH zu 23 Js 18764-05 StA Hildesheim).

31

3.

Das Landgericht Hildesheim leitete 2003 ein Disziplinarverfahren gegen den Notar ein, zu dem dieser mehrfach, u.a. mit Schriftsätzen vom 12. Mai 2003 (Bl. 63 - 67 SH I), 23. Dezember 2003 (Bl. 80 - 85 SH I), 4. Februar 2004 (Bl. 107 - 112 SH I), 24. Juli 2006 (Bl. 124 - 128 SH I) und 27. April 2007 (Bl. 145 - 154 SH I) Stellung nahm. Er hat insbesondere vorgebracht, für ihn hätten sich bei der Beurkundung der Generalvollmacht sowie des Testamentes keine Anhaltspunkte für eine Geschäfts- oder Testierunfähigkeit von Frau F. ergeben. Bei der ersten Beurkundung habe er sie nach Personenstand, Kindern, Beruf, Urlaub und einigen Belanglosigkeiten gefragt, worauf er plausible Antworten erhalten habe. Dasselbe gelte für die weitere Beurkundung am 22. Oktober 2002. Hier sei ein Gespräch über die frühere berufliche Tätigkeit von Frau F. in einer Apotheke sowie über einen Aufenthalt in einem Pflegeheim geführt worden. Eine Verpflichtung, ohne konkrete Anhaltspunkte eine länger dauernde Überprüfung vorzunehmen, bestehe nicht. Auch anderen Beteiligten wie Mitarbeitern von Banken sei im fraglichen Zeitraum nichts aufgefallen. Grundsätzlich dürfe ein Notar von der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen ausgehen und müsse Nachforschungen nur bei Schwerkranken anstellen. Die Erkenntnismöglichkeiten eines Notars könnten auch nicht mit denen von Ärzten, Berufsbetreuern oder sonstigen fachkundigen Personen verglichen werden. Bei ihm habe nur ein punktueller Kontakt stattgefunden, wobei die Beurkundungen je ca. 30 Minuten gedauert hätten, die weit überwiegend durch das Vorlesen der Urkunden ausgefüllt gewesen seien. Der eigentliche Gesprächskontakt habe jeweils nur 5 - 15 Minuten gedauert. Es stehe i.ü. auch nicht fest, dass sich bei länger dauernden Gesprächen Anhaltspunkte für eine fehlende Geschäfts- oder Testierfähigkeit ergeben hätten. Insoweit sei auch unklar, welches pflichtgemäße Verhalten von dem Notar hier im einzelnen erwartet werde und was er für Fragen er hätte stellen müssen. Der Umstand, dass eine Vollmacht und ein Testament zugunsten einer außenstehenden Person erfolgten, sei bei alleinstehenden Menschen, die keinen Kontakt mehr zu entfernteren Verwandten hätten, auch nicht ungewöhnlich. Schließlich sei ihm auch nicht bekannt gewesen, dass Frau N. als Pflegerin für Frau F. tätig gewesen sei.

32

Mit Disziplinarverfügung vom 21. Mai 2007 verhängte der Präsident des Landgerichts Hildesheim gegen den Notar eine Geldbuße von 500,- €, weil er in zwei Fällen fahrlässig gegen seine Amtspflichten aus § 11 BeurkG und §§ 11, 28 BeurkG verstoßen habe (Bl. 156 - 169 SH I). Zur Begründung hat er ausgeführt, bei pflichtgemäßer Prüfung hätten dem Notar Anzeichen für eine fehlende Geschäfts- und Testierfähigkeit von Frau F. auffallen müssen, so dass er die Beurkundungen entweder hätte gar nicht vornehmen dürfen oder zumindest hätte Zweifel in der Urkunde anbringen müssen. Hier hätten, wie sich aus den verschiedenen Stellungnahmen von Ärzten, Betreuern, Betreuungsrichtern etc. im fraglichen Zeitraum ergebe, bereits einfachste Fragen vor den Beurkundungen bzw. im Beurkundungshauptverfahren dazu geführt, dass dem Notar sofort die fehlende Geschäfts- und Testierfähigkeit aufgefallen wäre. Der Notar sei auch deshalb zu einer eingehenden Prüfung verpflichtet gewesen, weil die Vollmachtereilung und die Testamentserrichtung zugunsten einer externen Pflegekraft von erheblicher Tragweite und die personelle Situation untypisch gewesen sei. Der Höhe nach sei eine Geldbuße von 500,- € angemessen.

33

Gegen diese ihm am 29. Mai 2007 zugestellte Disziplinarverfügung (Bl. 170 SH I) richtet sich die Beschwerde des Notars vom 28. Juni 2007 (Bl. 172 SH I), die er mit weiterem Schriftsatz vom 31. Juli 2007 begründet hat (Bl. 37a - 39a SH IV). Zur Begründung hat er ausgeführt, es sei nicht ersichtlich, aus welcher konkreten Handlungsweise sich ein schuldhafter Verstoß gegen eine Dienstpflicht ableiten lassen solle. Ein standardisiertes Testverfahren für einen Notar gebe es nicht. Frau F. habe bei den beiden Gesprächen immerhin ihr gestellte Fragen über Personenstand, Kinder, Beruf, Urlaub und berufliche Tätigkeit in einer Apotheke beantwortet. Ferner stehe nicht fest, ob eine Einhaltung der nicht näher umschriebenen Pflicht überhaupt zur Feststellung der Geschäftsfähigkeit geführt hätte. Der Notar könne auch nicht hinsichtlich seines Kenntnisstandes mit Berufsbetreuern, Ärzten etc. verglichen werden. Hier hätten gerade auch andere Geschäftspartner von Frau F. nicht deren Geschäftsunfähigkeit erkannt.

34

Frau F. ist zwischenzeitlich am ... 2007 verstorben.

35

Mit Bescheid vom 26. September 2007 wies der Präsident des Oberlandesgerichts die Beschwerde des Notars zurück (Bl. 65 - 81 SH IV). Zur Begründung hat er ausgeführt, bereits nach den eigenen Einlassungen des Notars habe eine Sachererörterung bezüglich auf den Inhalt der Generalvollmacht sowie des Testaments gerade nicht stattgefunden, sondern es sei nur über Belanglosigkeiten gesprochen worden. Angesichts des tatsächlich fortgeschrittenen Stadiums der Erkrankung von Frau F. hätte ein Erörtern der komplexen Rechtsfragen - Nachfragen zum Sinn und Zweck einer Generalvollmacht bzw. eines Testaments und der Bedeutung der Einzelregelungen - dem Notar mit Sicherheit aufgezeigt, dass Frau F. den Inhalt der Rechtsgeschäfte in keiner Weise zu erfassen vermochte. Jedenfalls hätten hier weitere Nachforschungen, gegebenenfalls unter Einschaltung eines Arztes, erfolgen müssen. Zu berücksichtigen sei ferner die besondere Situation einer annähernd 83-jährigen vermögenden Urkundsbeteiligten, die eine Vollmacht und ein Testament zugunsten einer externen Pflegekraft erteilt habe. Das habe Grund zu besonderer Sorgfalt sein müssen.

36

4.

Gegen diesen ihm am 11. Oktober 2007 zugestellten Bescheid (Bl. 83 SH I) richtet sich der am 9. November 2007 beim Oberlandesgericht eingegangene Antrag auf gerichtliche Entscheidung (Bl. 91 - 94 SH I). Der Notar bringt hierin sowie in seinem ergänzenden Schriftsatz vom 3. Januar 2008 (Bl. 15 - 19 Senatsakte) vor, es sei unklar, welche konkreten Anforderungen an ihn hier hinsichtlich der Prüfung der Geschäfts- und Testierfähigkeit gestellt werden sollten. Die Begriffe Vollmacht und Testament seien jedermann geläufig. Es sei daher nicht erforderlich, bei diesen relativ einfachen Urkundsgeschäften weitere Erkundigungen über die Geschäftsfähigkeit des Urkundsbeteiligten durch eine ausführlichere Befragung o.ä. einzuholen. Das gelte jedenfalls dann, wenn wie hier keine Anhaltspunkte dafür bestanden hätten, dass Frau F. den Inhalt der Urkunden nicht verstanden habe und sich keine Zweifel an der Geschäfts- und Testierfähigkeit ergeben hätten. Fragen zur Person, ihrem Geburtsort und ihrer früheren Berufstätigkeit habe Frau F. ohne weiteres beantworten können. Auch sei eine Vollmacht und ein Testament zugunsten einer dritten Personen beim Fehlen von näheren Angehörigen keineswegs ungewöhnlich. Ferner sei nicht ersichtlich, ob ein Erörtern der beurkundeten komplexen Rechtsfragen überhaupt die Erkrankung aufgezeigt oder zumindest Zweifel geweckt hätte. Ihm sei auch nicht bekannt gewesen, dass Frau N. als Pflegekraft für Frau F. tätig gewesen sei. Selbst bei vorhandenen Zweifeln hätte die Beurkundung durchgeführt und lediglich ein Vermerk über die Zweifel aufgenommen werden müssen.

37

Der Notar stellt (Bl. 91 SH IV),

38

den Antrag auf Entscheidung des Senats für Notarsachen bei dem Oberlandesgericht Celle.

39

Der Antragsgegner beantragt (Bl. 1 Senatsakte),

  1. den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.

40

Der Notar hätte bei korrekter Prüfung nicht zu dem Ergebnis gelangen dürfen, dass Frau F. geschäfts- bzw. testierfähig sei. Bei Erörterung der komplexen Rechtsfragen wäre aufgefallen, dass Frau F. den Sinn der Erklärungen in keiner Weise zu erfassen vermochte. Zu berücksichtigen sei hier auch die erhebliche juristische und wirtschaftliche Tragweite bei einer untypischen personellen Situation gewesen.

41

II.

1.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gem. § 96 BNotO i.V.m. § 32 Abs. 3 NDO zulässig. Insbesondere ist er innerhalb der Monatsfrist eingelegt worden, da dem Notar die Verfügung des Präsidenten des Oberlandesgerichts am 11. Oktober 2007 zugestellt wurde und sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung am 9. November 2007 beim Oberlandesgericht eingegangen ist. Der Senat entscheidet gem. § 32 Abs. 5 NDO ohne mündliche Verhandlung, weil der Sachverhalt hinreichend geklärt ist und von einer mündlichen Verhandlung keine zusätzlichen Erkenntnisse in tatsächlicher Hinsicht zu erwarten sind.

42

2.

Der Antrag ist unbegründet, weil der Notar in zwei Fällen fahrlässig gegen seine Amtspflichten aus § 11 BeurkG bzw. §§ 11, 28 BeurkG verstoßen hat, was als einheitlich zu wertendes Dienstvergehen nach § 95 BNotO die Verhängung einer Geldbuße von 500,- € rechtfertigt.

43

a)

Nach § 11 Abs. 1 Abs. 1 BeurkG soll ein Notar die Beurkundung ablehnen, wenn einem Beteiligten nach Überzeugung des Notars die erforderliche Geschäftsfähigkeit fehlt. Gem. § 11 Abs. 1 S. 2 BeurkG soll der Notar Zweifel an der erforderlichen Geschäftsfähigkeit eines Beteiligten in der Niederschrift feststellen. Ist ein Beteiligter schwer krank, so soll dies in der Niederschrift vermerkt und angegeben werden, welche Feststellungen der Notar über die Geschäftsfähigkeit getroffen hat (§ 11 Abs. 2 BeurkG). § 28 BeurkG erweitert diese Pflicht bei Verfügungen von Todes wegen dahingehend, dass der Notar seine Feststellungen zur Geschäftsfähigkeit des Erblassers in der Niederschrift vermerken soll. Die Vorschrift stellt eine Ergänzung von § 11 BeurkG dar und lässt deren Anwendungsbereich im übrigen unberührt (Eylmann/ Vaasen, BeurkG/BNotO, 2. Aufl., § 28 BeurkG Rdnr. 1, 5). Bei beiden Vorschriften handelt es sich, obwohl jeweils nur der Begriff "sollen" verwendet wird, um echte Amtspflichten des Notars im Beurkundungsverfahren (BayOblG DNotZ 1993, 471; Huhn/Schuckmann, BeurkG, 3. Aufl., § 11 Rdnr. 2).

44

Soweit es zunächst um die Geschäftsfähigkeit nach §§ 11 BeurkG geht, die maßgeblich für die Beurkundung der Generalvollmacht am 13. September 2002 war, darf ein Notar bei der Beurkundung von Erklärungen eines Volljährigen im Grundsatz zwar davon ausgehen, dass der Beteiligte geschäftsfähig ist (BayOblG, a.a.O.; Eylmann/Vaasen, a.a.O., Rdnr. 2; Winkler, BeurkG, 15. Aufl., § 11 Rdnr. 3, 8; Huhn/ Schuckmann, a.a.O., Rdnr. 12). Zu weiteren Nachforschungen ist der Notar allerdings verpflichtet, wenn er aufgrund des Verhaltens des Beteiligten oder wegen sonstiger Umstände Zweifel an dessen Geschäftsfähigkeit haben muss ( OLG Celle OLGR 1995, 110; OLG Frankfurt DNotZ 1978, 506; Eylmann/ Vaasen, a.a.O., Rdnr. 4, 6; Huhn/Schuckmann, a.a.O., Rdnr. 13). Das kommt in Betracht bei fehlender zeitlicher und/oder örtlicher Orientierung des Betroffenen, fehlender Einsicht in die Auswirkungen der Entscheidung, nicht gegebene intellektuelle Aufnahmefähigkeit etc.

45

Entsprechend enthält auch § 11 Abs. 2 BeurkG eine ausdrückliche Einschränkung des Grundsatzes, dass der Notar von der Geschäftsfähigkeit volljähriger Personen ausgehen kann. Bei schwerer Erkrankung, wozu nicht nur körperliche, sondern gerade auch psychische Erkrankungen zählen, ist der Notar in besonderem Umfang verpflichtet, die Geschäftsfähigkeit des Beteiligten zu prüfen. Da er in der Regel nicht über die erforderlichen medizinischen Kenntnisse verfügt, wird sich die Beiziehung eines Arztes oder einer anderen kompetenten Person empfehlen (Eylmann/ Vaasen, a.a.O., Rdnr. 6; Winkler, a.a.O., Rdnr. 14; § 28 Rdnr. 10; Huhn/ Schuckmann, a.a.O., Rdnr. 19). Dieser Verpflichtung zur Feststellung der Geschäftsfähigkeit von schwer kranken Personen kann der Notar auch nicht dadurch entgehen, dass er es bereits an hinreichenden Ermittlungen dazu fehlen lässt, ob ein Beteiligter überhaupt schwer krank ist oder nicht. Der Notar muss deshalb zunächst durch geeignete Befragungen und Erörterungen ermitteln, ob eine Person schwer krank im Sinne von § 11 Abs. 2 BeurkG ist, was gerade bei psychischen Erkrankungen nicht ohne weiteres erkennbar ist. Insofern wird in der Regel ein längeres Gespräch erforderlich sein. Überzeugt sich der Notar, dass einem Beteiligten die erforderliche Geschäftsfähigkeit fehlt oder hätte er diese Überzeugung bei sachgerechter Prüfung gewinnen müssen, so hat er die Beurkundung abzulehnen (Winkler, a.a.O., Rdnr. 11).

46

Im Rahmen der Testierfähigkeit nach § 28 BeurkG, welche hier maßgebend für die Beurkundung vom 22. Oktober 2002 ist, hat der Notar sich ebenfalls nach pflichtgemäßem Ermessen ein eigenes Urteil über die Geschäftsfähigkeit des Urkundsbeteiligten zu bilden (Eylmann/Vaasen, § 28, Rdnr. 3). § 28 BeurkG stellt insoweit die verfahrensrechtliche Sicherstellung von § 2229 Abs. 4 BGB dar. Hiernach kann, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, kein Testament errichten. Die erforderlichen Feststellungen seitens des Notars sind hierbei nicht in erster Linie bei der Begrüßung oder dem einleitenden Gespräch, sondern im Rahmen des Beurkundungshauptverfahrens zu treffen, weil der Notar beim Vorlesen und Erörtern im Rahmen seiner Belehrungen nach § 17 BeurkG die Verständnisfähigkeit des Erblassers am besten einschätzen kann (Eylmann/Vaasen, a.a.O.). Nach § 17 Abs. 1 BeurkG hat der Notar den Willen der Beteiligten zu erforschen, den Sachverhalt zu klären, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäftes zu belehren und ihre Erklärungen klar und unzweideutig in der Urkunde wiederzugeben. Hierbei soll er darauf achten, dass Irrtümer und Zweifel vermieden sowie unerfahrene und ungewandte Beteiligte nicht benachteiligt werden. Erst recht gilt dies, wenn einem Beteiligten die Geschäfts- und Testierfähigkeit fehlt. Insbesondere bei alten oder schwer kranken Personen wird der Notar deshalb erreichbare Feststellungen sachverständiger Dritter einzuholen haben. Insoweit muss sich der Notar zumindest durch eine eingehende Unterhaltung mit dem Erblasser von dessen Testierfähigkeit überzeugen (Huhn/Schuckmann, § 28 Rdnr. 8; Winkler, § 28 Rdnr. 10).

47

b)

Auf dieser Grundlage hat der Notar sowohl bei der Beurkundung der Generalvollmacht am 13. September 2002 als auch des Testamentes am 22. Oktober 2002 fahrlässig gegen seine Amtspflichten verstoßen, weil er die Beurkundungen wegen erkennbarer Geschäfts- und Testierfähigkeit der Beteiligten E.F. hätte ablehnen, jedenfalls aber Zweifel in der Niederschrift vermerken müssen. Beides ist indessen nicht geschehen. Vielmehr hat der Notar im Gegenteil im Eingang zur Generalvollmacht vermerkt, Frau F. sei nach Überzeugung des beurkundenden Notars zweifelsfrei geschäftsfähig, wie eine Sachererörterung ergeben habe. Im Testament heißt es ferner, eine ausführliche Sachererörterung habe ergeben, dass Frau F. zur Überzeugung des Notars zweifelsfrei testierfähig sei. Beide Feststellungen waren offenkundig unrichtig.

48

aa)

Tatsächlich war Frau F., wie sich aus übereinstimmenden Feststellungen von Ärzten, Betreuern, Richtern und Sachbearbeitern von Behörden ergibt, im fraglichen Zeitraum September/Oktober 2002 weder geschäfts- noch testierfähig, was auch für den Notar als medizinischen Laien bei hinreichend sorgfältiger Prüfung vor und während des Beurkundungshauptverfahrens ohne weiteres festzustellen gewesen wäre. Es liegt außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit, dass nur diesen Personen, nicht aber dem Notar die erheblichen demenzbedingten Einschränkungen von Frau F. aufgefallen sind.

49

So wird bereits im Bericht des S. Krankenhauses H. vom 11. Juli 2000 darauf verwiesen, Frau F. sei zeitlich und örtlich desorientiert und leide an einer mittelschweren Demenzstörung. Auch in einer Bescheinigung der Fachärztin für innere Krankheiten Dr. M. vom 10. Oktober 2002 wird darauf verwiesen, Frau F. sei wegen Demenz zeitlich und örtlich desorientiert und müsse rund um die Uhr beaufsichtigt werden. Frau B. von der Betreuungsstelle des Landkreises stellte anlässlich ihres Besuches am 18. Oktober 2002 erhebliche Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit von Frau F. fest, die zu Person, Zeit und Ort nicht ausreichend orientiert war. Sie konnte etwa ihr Alter, das Geburtsdatum, den Wochentag oder die Art ihrer früheren Berufstätigkeit nicht nennen. Zum Inhalt der von ihr erst am 13. September 2002 unterschriebenen Generalvollmacht konnte sie keine verwertbaren Angaben machen. Ebenfalls wusste sie nicht, wie sie ihre Pflegerinnen N. und Sch. kennen gelernt hatte. Besonders deutlich kommen die ohne weiteres erkennbaren Ausfallerscheinungen ferner in dem Bericht der Fachärztin für Psychiatrie D. vom 29. Oktober 2002 zum Ausdruck, die Frau F. am 21. Oktober 2002, d.h. nur einen Tag vor der Beurkundung des Testaments durch den Notar, aufgesucht hatte. Frau D. konnte hier feststellen, dass Frau F. bereits zu Basisdaten nur teilweise orientiert war, weil sie zwar Name, Geburtsnahme, Ort und Straße nennen konnte, ihr Alter, das Datum sowie das Bundesland, in dem sie lebt, dagegen nicht benennen konnte. Nicht einmal den Titel des vor ihr liegenden Buches, welches sie nach ihren Angaben gerade lese, vermochte sie zu nennen. Ferner vermochte sie nicht zu sagen, wann und wo ihr Ehemann verstorben ist und wo er beerdigt wurde. Angaben zu ihren finanziellen Verhältnissen waren nicht zu erzielen. Ebenso gab sie fälschlich an, sie lebe in dem von ihr bewohnten Haus lediglich zur Miete. Zusammenfassend kam die Ärztin D. deshalb zu dem Ergebnis, eine sinnvolle Verständigung mit Frau F. sei nicht möglich gewesen, da sie häufig ratlos wirkte und teils auch einfache Fragen nicht zu erfassen vermochte. Eine kritische Einschätzung ihrer Lebenssituation sei ihr nicht möglich.

50

Weiter hat der Betreuungsrichter bei einer Anhörung am 1. November 2002 erhebliche Gedächtnislücken bei Frau F. festgestellt. Besonders markant ist ferner, dass der Betreuer, Rechtsanwalt Dr. F., bei einem Gespräch mit Frau F. am 29. Oktober 2002 feststellte, sie habe nicht eine einzige Frage richtig beantwortet und habe sogar erwähnt, ihr tatsächlich bereits verstobener Ehemann sei noch berufstätig. Insoweit hat der Betreuer auch vermerkt, er halte es für ausgeschlossen, dass man in einem Gespräch mit Frau F. deren Geschäftsunfähigkeit aufgrund Demenz nicht bemerke.

51

bb)

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Notar bei sachgerechter Erfüllung seiner sich aus §§ 11, 17, 28 BeurkG ergebenden Pflichten die Geschäfts- und Testierunfähigkeit von Frau F., die Im Zeitpunkt der Beurkundungen bereits annähernd 83 Jahre alt war, ebenfalls ohne weiteres hätte erkennen und deshalb die Beurkundungen ablehnen bzw. Vermerke hinsichtlich der Zweifel an der Geschäfts- und Testierfähigkeit anbringen müssen. Keinesfalls durfte er dagegen Feststellungen des Inhalts aufnahmen, Frau F. sei nach seiner Überzeugung "zweifelsfrei geschäftsfähig" bzw. eine ausführliche Sacherörterung habe ergeben, dass sie "zweifelsfrei testierfähig" sei. Der Umstand, dass sich für den Notar nach seiner Einlassung bei den beiden Gesprächen keine Anhaltspunkte für eine fehlende Geschäfts- und Testierfähigkeit von Frau F. ergeben hatten, kann deshalb nur auf fehlender Sorgfalt bei der Erfüllung der ihm obliegenden Amtspflichten beruht haben, soweit sein Vorbringen angesichts der diametral entgegengesetzten Feststellungen zahlreicher anderer Personen im maßgeblichen Zeitraum überhaupt für glaubwürdig erachtet wird.

52

So hat der Notar bereits in seiner ersten Einlassung vom 12. Mai 2003 angegeben, bei der Beurkundung der Generalvollmacht am 13. September 2002 habe er Frau F. nach Personenstand, Kindern, Beruf, Urlaub und einigen Belanglosigkeiten gefragt, wozu sie Antworten gegeben habe, die auch zur Motivlage der Erteilung der Generalvollmacht gepasst hätten. Weder bei der Begrüßung noch bei der Besprechung der Personalien und dem Gespräch habe sich ein Anhaltspunkt ergeben, weitergehende Fragen zu stellen. Bei der Beurkundung des Testaments am 22. Oktober 2002 habe er sich auf seine früheren Feststellungen bei der Beurkundung der Generalvollmacht verlassen und aus Höflichkeit noch ein Gespräch über ihre frühere berufliche Tätigkeit in H. sowie den Aufenthalt in einem Pflegeheim geführt. Diese Einlassung entspricht im Kern den Angaben, die der Notar in dem gegen ihn gerichteten Strafverfahren in seiner Einlassung vom 12. Mai 2006 abgegeben hat. Dort ist ebenfalls angegeben, der Notar habe kein intellektuelles Gespräch mit Frau F. geführt. Unter Bezugnahme auf eigene Aussagen des Notars als Zeuge im Strafverfahren gegen Frau N. wird dort weiter ausgeführt, anlässlich des Beurkundungstermins für das Testament sei über Banalitäten gesprochen worden. Es sei ein allgemeines Gespräch gewesen, bei dem der Notar keine gezielten Fragen gestellt habe. Soweit in den Urkunden von einer Sachererörterung die Rede sei, handele es sich um eine Floskel. In seiner weiteren schriftlichen Einlassung vom 27. April 2007 hat der Notar ausgeführt, die beiden Beurkundungen von jeweils einer knappen Stunde seien weit überwiegend durch sein Vorlesen und seine Erörterungen geprägt gewesen. Der eigentliche Gesprächskontakt habe zwischen 5 und 15 Minuten gedauert.

53

Diese eigenen Einlassungen des Notars zeigen, dass eine Sacherörterung bzw. gar eine ausführliche Sacherörterung, wie sie hier auch im Rahmen der Prüfungs- und Belehrungspflicht nach § 17 BeurkG vorgeschrieben wird, eben gerade nicht stattgefunden hat. Hätte der Notar im einzelnen den Sachverhalt geklärt und Frau F. über die rechtliche Bedeutung und Tragweite ihrer komplexen juristischen Erklärungen belehrt, so wäre ihm spätestens im Rahmen des Beurkundungshauptverfahrens aufgefallen, dass Frau F. überhaupt nicht überblickte, welche Erklärungen sie mit der Generalvollmacht und dem Testament abgab und was diese im einzelnen bedeuteten. Dann wäre dem Notar wie den anderen Beteiligten im fraglichen Zeitraum beim Führen näherer Gespräche ebenfalls nicht verborgen geblieben, dass Frau F. in keiner Weise überblickte, welche Art von Erklärungen sie überhaupt abgab. Die Beurkundung bei einer annähernd 83-jährigen Frau kann sich demgegenüber nicht auf wenige Angaben zu ihren persönlichen Verhältnissen bei der Einleitung des Gesprächs beschränken, wobei i.ü. bereits hier durch andere Personen, mit den Frau F. Kontakt hatte, erhebliche Ausfälle festgestellt worden waren und sie etwa nicht in der Lage war, Angaben zu ihrem Alter, ihrem verstorbenen Ehemann oder ihren finanziellen Verhältnissen zu machen. Erforderlich wäre demgegenüber ein Gespräch gewesen, bei dem die Hintergründe der Beurkundungen zumindest dem Grunde nach angesprochen sowie die komplexen Rechtsfragen im Hinblick auf Sinn und Zweck einer Generalvollmacht und eines Testamentes im einzelnen erörtert werden. Dann wäre angesichts der mittelschweren bis schweren Demenz, unter der Frau F. bereits 2002 litt, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ihre fehlende Geschäfts- und Testierfähigkeit augenscheinlich geworden.

54

Der Notar kann sich auch nicht darauf berufen, er habe mit Frau F. nur punktuellen Kontakt gehabt und verfüge nicht über das Erfahrungswissen von Ärzten, Betreuern oder Betreuungsrichtern. Darum geht es indessen überhaupt nicht, sondern um die Erfüllung der dem Notar selbst nach §§ 11, 17, 28 BeurkG obliegenden ureigenen Amtspflichten. Hierbei kommt es auch nicht darauf an, ob die Begriffe Generalvollmacht und Testament jedermann geläufig sind, so dass es nicht erforderlich sei, bei derart relativ einfachen Urkundsgeschäften weitere Erkundigungen über die Geschäfts- und Testierfähigkeit einzuholen. Wer im Sinne von § 11 Abs. 2 BeurkG schwer krank ist, hier in Form einer mittelschweren bis schweren Demenz, kann

55

eben auch die Bedeutung von Vollmacht und Testament nicht erfassen.

56

Der Notar hatte hier auch deshalb besonderen Anlass zu weiteren Nachforschungen, weil die Beurkundungen von erheblicher wirtschaftlicher und juristischer Tragweite waren und eine atypische Personenkonstellation betrafen. Frau F. verfügte über erhebliches Vermögen. In der Generalvollmacht war der Wert des Vermögens mit 1,0 Mill. € angegeben, im Testament mit 1,7 Mill. €. Der spätere Betreuer hat dann in seiner Aufstellung vom 9. November 2002 sogar ein Vermögen im Wert von ca. 2,1 Moll. € verzeichnet. Begünstigter der Generalvollmacht und des Testamentes war dagegen nicht eine Person, der Frau F. infolge familiärer Verbundenheit nahe stand, sondern eine externe Pflegekraft, die erst seit 2 Jahren bei ihr beschäftigt war. Soweit der Notar sich dahin eingelassen hat, ihm sei nicht bekannt gewesen, dass Frau N. als Pflegekraft für Frau F. tätig gewesen sei, und er sei lediglich von einem freundschaftlichen Verhältnis ausgegangen, steht das bereits der ersten Einlassung des Notars vom 12. Mai 2003 entgegen, Frau N. habe für ihn wie eine Haushaltshilfe gewirkt. Jedenfalls hätte der Notar hier näher klären müssen, ob Frau F. sich der Tragweite ihrer Erklärungen im Hinblick auf die Einsetzung einer familienfremden Person als Erbin und deren Bestellung zur Generalbevollmächtigten überhaupt bewusst war. Immerhin sind Frau N. durch die zunächst beurkundete Generalvollmacht umfangreichste Befugnisse übertragen worden, die eine Vertretung in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten vorsah einschließlich von Verfügungen über Grundvermögen, medizinische Behandlung, Aufenthaltsbestimmungsrecht etc. Ferner sollte die Vollmacht sogar dann in Kraft bleiben, wenn Frau F. geschäftsunfähig wird. Hier wäre es, um einen persönlichen Eindruck davon zu bekommen, inwieweit Frau F. die Reichweite ihrer Erklärungen überhaupt erfasst, erforderlich gewesen, das Gespräch gegebenenfalls zunächst alleine mit ihr zu führen, nachdem sie zu dem Termin am 13. September 2002 in Begleitung von Frau N. erschienen war. Der Notar hat hier in einer Stellungnahme vom 27. April 2007 selbst eingeräumt, bei dem ersten Gesprächskontakt sei Frau N. dauerhaft mit anwesend gewesen und habe ggfs. das Gespräch in eine geeignete Richtung gelenkt bzw. bei dem Drohen entsprechender Ausfallerscheinungen entgegengewirkt, was er aber nicht erkannt habe. Eine sachgerechte Erörterung hätte angesichts des Alters von Frau F. hier mithin ohne die Anwesenheit des Begünstigten erfolgen sollen.

57

Auch soweit es um die Beurkundung des Testaments am 22. Oktober 2002 in der Wohnung von Frau F. ging, in der auch Frau N. anwesend war, wäre eine intensivere Erörterung über die mit der Testamentsänderung verbundenen Rechtsfolgen angesichts des Alters von Frau F. schon deshalb angezeigt gewesen, weil der Notar Frau F. am 8. Oktober 2002 zunächst nur den Entwurf eines Testaments zugesandt hatte, in dem die wesentliche Rubrik über die Erbeinsetzung offen gelassen war. Der Notar hatte dann eine handschriftliche Ergänzung des Testamentes zurückerhalten, woraus sich u.a. die Erbeinsetzung zugunsten von Frau N. ergab, und danach den Beurkundungstermin vereinbart. Hier hätte bei dem Beurkundungstermin mit Frau F. erörtert werden sollen, wer eigentlich die handschriftlichen Ergänzungen vorgenommen hat. Unstreitig stammten diese von Frau N. Aus einem Vergleich mit der Unterschrift unter die Generalvollmacht vom 13. September 2002 oder anderen Schriftproben hätte der Notar ohne weiteres erkennen können, dass diese wesentlichen Zusätze im Testament gerade nicht von Frau F. stammten.

58

Insgesamt hätte der Notar deshalb bei den beiden Beurkundungen am 13. September 2002 und 22. Oktober 2002 bei einer Erörterung der mit der Erteilung der Generalvollmacht und des Testaments zusammen hängenden Fragen, auch unter Berücksichtigung der jeweiligen Einzelregelungen, erkennen können, dass Frau F. geschäfts- und testierunfähig ist. Deren fehlende geistige Wahrnehmungsfähigkeit infolge mittlerer bis starker Demenz ist von den übrigen Beteiligten im Zeitraum Sommer bis Herbst 2000 bei einer näheren Beschäftigung mit Frau F. sofort erkannt worden. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Notar diese bei korrekter Prüfung unter Erfüllung seiner Pflichten aus §§ 11, 17, 28 BeurkG nicht aufgefallen wäre.

59

Es ist auch nicht davon auszugehen, dass Frau F. sich zwischenzeitlich während der beiden Beurkundungen in einem "lichten Augenblick" mit der Folge uneingeschränkter Geschäfts- und Testierfähigkeit befunden hätte. Insoweit hat die Ärztin für Psychiatrie D. in ihrem Gutachten vom 3. Oktober 2003 ausgeführt, bei Frau F. habe es sich um eine Demenz vom Alzheimer-Typ gehandelt, eine chronisch-progredriente, degenerative, irreversible Demenzform, die spontane Rückbildungen und lucide Intervalle ausschließe. Auch der Sachverständige R. hat in seinem Gutachten vom 26. Januar 2005 für das LG Hildesheim bestätigt, dass es sich bei der Demenz von Frau F. um einen langsam fortschleichenden Prozess ohne zwischenzeitliche Zustandsänderung handele, bei dem lucide Intervalle nicht zu beobachten seien.

60

c)

Der Notar hat damit in zwei Fällen gegen § 11 BeurkG und §§ 11, 28 BeurkG verstoßen. Dieses nach § 95 BNotO einheitlich zu behandelnde Dienstvergehen hat er auch schuldhaft, nämlich fahrlässig begangen. Bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt hätte er - wie oben im einzelnen dargelegt - ohne weiteres erkennen können und müssen, dass Frau F. am 13. September 2002 und am 22. Oktober 2002 nicht geschäfts- und testierfähig war.

61

3.

Auch die Verhängung einer Geldbuße von 500,- € als Disziplinarmaßnahme nach § 97 Abs. 1 BNotO ist nicht zu beanstanden. Insbesondere musste hier durch die Notaraufsicht nicht nur mit einem Verweis reagiert werden. Der Notar hat in zwei Fällen in gravierendem Umfang gegen seine sich aus §§ 11, 28 BeurkG ergebenden Amtspflichten verstoßen. Durch die beiden Beurkundungen waren erhebliche Vermögenswerte betroffen und es war nur dem schnellen Eingreifen des Großneffen T.W. von Frau F. zu verdanken, dass eine Betreuung eingerichtet und dem weiteren kriminellen Handeln von Frau N. vorgebeugt werden konnte.

62

Zu Gunsten des Notars ist in Rechnung zu stellen, dass er bisher disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist, das Disziplinarverfahren sich inzwischen bereits über einen Zeitraum von annähernd 5 Jahren erstreckt und das Strafverfahren gegen ihn eingestellt wurde. Ferner ist es zu den finanziellen Schädigungen durch Frau N. infolge der Abhebungen von 109 000,- € sowie weiteren 10 300,- € nicht gerade durch Verwendung der Generalvollmacht gekommen. Auch wurde durch Frau N. zwischenzeitlich auf Erbansprüche verzichtet. Insgesamt erscheint wegen dieser zugunsten des Notars sprechenden Umstände eine am unteren Ende der bis 50 000,- € reichenden Skala verhängte Geldbuße von 500,- € als ausreichend, aber auch erforderlich.

63

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 96 BNotO, 114, 115 NDO. Gegen die Entscheidung des Senats ist ein Rechtsmittel nicht gegeben, § 105 BNotO, § 31 Abs. 4 S. 2 NDO.