Landgericht Braunschweig
Urt. v. 27.04.2018, Az.: 11 O 2709/17

Abgasskandal; deliktische Haftung bei Verschweigen von Mängeln, insbesondere durch den Hersteller

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
27.04.2018
Aktenzeichen
11 O 2709/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 73940
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand:

Die Klägerin macht im Rahmen des sog. „Abgasskandals“ im Zusammenhang mit einem PKW-Kauf gegen die Beklagte als Herstellerin Schadensersatzansprüche geltend.

Am 08.01.2011 erwarb die Klägerin gegen Zahlung 28.400 € von einer Privatfrau einen gebrauchten PKW xxx TDI. Verbaut ist darin ein Motor vom Typ EA 189.

Das Fahrzeug wurde aufgrund einer entsprechenden Typgenehmigung nach EU5 zugelassen.

Der Umfang der NOX-Emissionen des Fahrzeugs hängt u.a. davon ab, in welchem Umfang Abgase aus dem Auslassbereich des Motors über ein Abgasrückführungsventil in den Ansaugtrakt des Motors zurückgeleitet werden: Je mehr Abgase zurückgeführt werden, desto weniger Stickoxide werden emittiert. Die das Abgasventil steuernde Software des Motorsteuerungsgeräts erkennt, ob sich das Fahrzeug innerhalb oder außerhalb der Bedingungen des zur Erlangung der Typengenehmigung durchgeführten Testlauf nach dem NEFZ befindet, der aus fünf exakt vorgegebenen synthetischen Fahrkurven besteht. Befindet sich das Fahrzeug außerhalb der Bedingungen des NEFZ werden relativ weniger Abgase in den Ansaugtrakt des Motors zurückgeleitet als wenn sich das Fahrzeug innerhalb der Bedingungen des NEFZ befindet.

Das Kraftfahrtbundesamt (im Folgenden: KBA) als  zuständige Behörde erkannte in der genannten Software - die der Klägerin bei Abschluss des Kaufvertrages unbekannt war -  eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Ziffer 10 der VO (EG) 715/2017 und ordnete einen Rückruf an. Die Beklagte entwickelte daraufhin ein Softwareupdate, welches vom KBA mit Schreiben vom 01.06.2016 freigegeben wurde. Nachfolgend bot die Beklagte der Klägerin das kostenlose Aufspielen des Updates an, zuletzt - mit Schreiben aus Juli 2017 - unter Hinweis darauf, dass bei Nichtteilnahme an der Rückrufaktion eine Betriebsuntersagung gem. § 5 FZV durchgeführt werden könnte.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte Zug-um-Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs aus Deliktsrecht zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe des damals gezahlten Kaufpreises verpflichtet sei. Ihr sei ein Stickstoffausstoß vorgespiegelt worden, nämlich ein Stickstoffausstoß, welcher der Euro5-Norm auch tatsächlich entspricht, obwohl das Prüfungsverfahren mit Hilfe der streitgegenständlichen Software manipuliert gewesen sei. Die Beklagte habe sie - die Klägerin - auch über die Gültigkeit der Bescheinigungen im Sinne von §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV getäuscht. Das angebotene Softwareupdate sei ihr wegen möglicher Folgeschäden nicht zumutbar. Die Klägerin behauptet, ein von Stickoxidproblematik betroffenes Fahrzeug sei kaum zu verkaufen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 28.400 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2017 Zug um Zug gegen Rückgabe des xxx mit der FIN xxx zu zahlen und

2. die Beklagte zu verurteilen, sie von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.358,86 € gegenüber der xxx freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat der Klägerin mit Verfügung vom 20.02.2017 (Bl. 43 d. A.) rechtliche Hinweise erteilt, auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

I. Zum Klageantrag zu Ziffer 1.:

Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu:

1. Ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB scheidet aus.

a) Zunächst hat die Klägerin bereits keine relevante Täuschung dargelegt hat:

Die Klägerin ist nicht aktiv über die Einhaltung der Grenzwerte nach EU5 getäuscht worden. Das Problem der streitgegenständlichen Software liegt nicht in der Nichteinhaltung der Grenzwerte nach EU5, denn diese werden innerhalb der Parameter des NEFZ eingehalten und außerhalb der Parameter des NEFZ kommt es auf die Einhaltung der Grenzwerte nicht an (VG Düsseldorf, Urteil vom 24.01.2018, 6 K 12341/17, zit. nach juris, Rn. 309 ff.; LG Düsseldorf, Urteil vom 31.05.2017, 12 O 68/17, zit. nach juris, Rn. 109 ff., 124).

Auch eine Täuschung über die Gültigkeit der Bescheinigungen gem. §§ 6, 27 EG-FGV ist nicht dargelegt. Die Klägervertreterin greift die anderweitig vertretene Rechtsauffassung auf, dass die EG-Übereinstimmungsbescheinigung für das Fahrzeug unwirksam ist, weil das Fahrzeug im Zeitpunkt der Zulassung nicht allen gesetzlichen Bestimmungen entsprach. Diese Rechtsauffassung trifft indes nicht zu (ausführlich: VG Düsseldorf, a. a. O., zit. nach juris, Rn. 290 ff.)

Problematisch an der streitgegenständlichen Software ist vielmehr, dass diese eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 der VO (EG) 715/2007 darstellt. Aktiv hat die Beklagte über das (Nicht-)Vorhandensein einer solchen illegalen Abschalteinrichtung nicht getäuscht; immerhin aber wurde eine solche verschwiegen.

Eine - strafrechtlich relevante - Täuschung durch Unterlassen setzt indes eine  - vorliegend nicht dargelegte - Garantenstellung gem. § 13 Abs. 1 StGB, nämlich voraus, dass der Täter als „Garant“ für die Abwendung des Erfolgs einzustehen hat, die es rechtfertigt, ein Unterlassen dem aktiven Tun gleichzustellen. Die Erfolgsabwendungspflichten beruhen auf dem Grundgedanken, dass eine bestimmte Person - zumal in besonderer Weise - zum Schutz des gefährdeten Rechtsgutes aufgerufen ist und dass alle übrigen Beteiligten auf das helfende Eingreifen dieser Person vertrauen und vertrauen dürfen (OLG Bamberg, Beschluss vom 08.03.2013, 3 Ws 4/12, zit. nach juris, Rn. 18). Der Täter muss rechtlich verpflichtet sein, den deliktischen Erfolg abzuwenden. Eine sittliche Pflicht oder die bloße Möglichkeit, den Erfolg zu verhindern, genügen nicht (BGH, Urteil vom 02.12.2014, VI ZR 501/13, zit. nach juris, Rn. 13).

Soweit es - wie vorliegend - um einen Kaufvertrag geht, wird eine Aufklärungspflicht bereits des Verkäufers - mit dem immerhin ein vertrauensbegründendes Vertragsverhältnis besteht - erst dann gesehen, wenn es um wertbildende Faktoren der Kaufsache von besonderem Gewicht geht (BayObLG, Beschluss vom 09.12.1993, 3 St RR 127/93, zit. nach juris, Rn. 24, 25; ausdrücklich ist dort auch von einem wucherhaften Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung die Rede).

Dazu „passt“, dass sich der Gesetzgeber bei Schaffung der Regelungen für das auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichtete Rücktrittsrecht der Figur des arglistig handelnden Verkäufers bewusst war, was aus §§ 218 Abs. 1 S. 1, 438 Abs. 3 S. 1, Abs. 1, 437 Nr. 1, 439 BGB folgt. Dennoch hat der Gesetzgeber nicht ausdrücklich geregelt, dass der Rücktritt im Falle eines arglistigen Verkäufers unabhängig von einer vorherigen Fristsetzung zur Mangelbeseitigung möglich ist und der arglistige Verkäufer damit nicht durch Nachbesserung eine Rückabwicklung des Kaufvertrages verhindern kann. Auch fehlt eine Regelung dahingehend, dass eine Berufung des arglistigen Verkäufers auf die Unerheblichkeit der Pflichtverletzung gem. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen ist. Entsprechend wird auch von der Rechtsprechung nur angenommen, dass die Arglist des Verkäufers eine Fristsetzung zur Mangelbeseitigung nur „in der Regel“ entbehrlich macht und auch nur „in der Regel“ eine Anwendung des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausschließt.  Würde man jegliches Verschweigen eines Mangels als ein eine Garantenstellung im Sinne von § 13 StGB auslösendes Verhalten ansehen, hieße es anzunehmen, dass der Gesetzgeber einen Käufer u.U. trotz eines strafrechtlich inkriminierten Verhaltens am Kaufvertrag festgehalten wollte, was ausgeschlossen sein dürfte.

Die weitere „Entfernung“ der Beklagten zum Kläger im vorliegenden Fall - bei der Beklagten handelt es sich „nur“ um den Hersteller des verfahrensgegenständlichen Fahrzeugs - dürfte es schließlich sogar rechtfertigen, das Bestehen einer Aufklärungspflicht wenn nicht gar auszuschließen, so aber doch mindestens auf „Vollkatastrophen“  zu beschränken (s.u.), also auf Umstände, die dazu führen, dass der Kaufgegenstand (fast) wertlos ist oder nur erheblich eingeschränkt oder gar überhaupt nicht mehr genutzt werden kann. Letztendlich kann diese Frage aber dahinstehen:

Das Fahrzeug durfte und darf auch aktuell noch uneingeschränkt weiter genutzt werden. Soweit bei Nichtteilnahme am Rückruf künftig eine Entziehung der Zulassung droht, beruht dies auf einer eigenen Willensentscheidung der Klägerin, einem behördlich angeordneten Rückruf nicht nachzukommen. .

Die Klägerin hat auch nicht vereinzelt dargelegt, dass - was die Aufklärungspflicht eines Verkäufers ausgelöst hätte - die Fehlerhaftigkeit der verfahrensgegenständlichen Motorsteuerungssoftware am Markt einen wertbildenden Faktor von ganz besonderem Gewicht darstellt, dergestalt, dass es zu einem erheblichen Preisverfall der davon betroffenen Fahrzeuge gekommen ist. Trotz eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises hat die Klägerin pauschal behauptet, das Fahrzeug sei kaum mehr zu verkaufen Die Klägerin hätte aber der entgegenstehenden vereinzelten Darlegung der Beklagten entgegentreten müssen. Eine am Markt orientierte vereinzelte Darlegung wäre nämlich ggf. auch der Klägerin möglich, da der Kraftfahrzeugmarkt generell durch eine erhebliche Transparenz  gekennzeichnet ist (vgl. z.B. die monatlichen sog. „Schwacke-Listen“) und die Preisentwicklung von gebrauchten Dieselfahrzeugen zudem - offenkundig, nämlich dem Gericht durch zuverlässige Presseberichte und Internetseiten gekannt (Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 291, Rn. 1) unter besonderer medialer Aufmerksamkeit steht.

Auch aus pflichtwidrigem Vorverhalten Tun (Ingerenz) ergibt sich vorliegend schließlich keine Garantenpflicht zugunsten der Klägerin. Eine Pflichtwidrigkeit löst im Einzelfall nämlich nur dann eine Garantenpflicht aus, wenn die verletzte Norm gerade dem Schutz des fraglichen Rechtsgutes zu dienen bestimmt ist (Schönke/Schröder/Stree/Bosch, StGB, 28. Aufl., § 13, Rn. 35a mwN). Als pflichtwidriges Vorverhalten der Verantwortlichen der Beklagten kommt vorliegend allein ein Verstoß gegen die maßgeblichen europarechtlichen Normen, die den Einsatz von  illegalen Abschalteinrichtungen verbieten, in Betracht. Diese dienen indes ersichtlich nicht dem Schutz der hier allein betroffenen Vermögensinteressen der Klägerin, sondern gesamtgesellschaftlichen Zielen.

b) Im Übrigen und entsprechend hat die Klägerin auch nicht dargelegt, dass ihr wegen der streitgegenständliche Software durch Vertragsschluss ein Schaden entstanden ist. Der Umstand, dass jemand durch eine Täuschung zu einem Vertragsschluss bewegt wurde, von dem er in Kenntnis der Täuschung abgesehen hätte, begründet nicht ohne weiteres einen Schadensersatzanspruch auf Freistellung von den Verpflichtungen aus dem Vertrag. Voraussetzung ist vielmehr, dass Leistung und Gegenleistung objektiv nicht gleichwertig sind oder aber - bei objektiver Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung  - die Leistung für den Getäuschten trotzdem nicht voll brauchbar ist (so auch OLG Braunschweig, Beschluss vom 11.01.2018, 7 U 155/17). Denn § 263 StGB schützt das Vermögen und nicht die Verfügungsfreiheit des Getäuschten (BGH, Urteil vom 24.02.1983, 1 StR 550/82, zit. nach juris, Rn. 5). Umstände der genannten Art hat die Klägerin nicht dargelegt. Konkrete Angaben zum Wert von Leistung und Gegenleistung wären dabei auch deswegen notwendig, weil die Klägerin noch nicht einmal vereinzelt darlegt, dass die Preise von vom sog. „Abgasskandal“ betroffene Fahrzeuge selbst weit über 2 Jahre nach Bekanntwerden desselben gerade wegen der streitgegenständlichen Softwareproblematik sinken.

2. Ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages im Wege des Schadensersatzes gem. § 826 BGB scheidet ebenfalls aus:

a) Zunächst ist bereits eine sittenwidrige Schädigung nicht dargelegt:

Der Verstoß gegen die ein Verbot von illegalen Abschalteinrichtungen vorsehende VO (EG) 715/2007 ist nicht geeignet, einen Schadenersatzanspruch der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des sittenwidrigen Verhaltens auszulösen: Für Ansprüche aus unerlaubten Handlungen - auch für solche aus § 826 BGB - gilt, dass die Ersatzpflicht auf solche Schäden beschränkt ist, die in den Schutzbereich des verletzten Ge- oder Verbots fallen (BGH, Urteil vom 11.11.1985, II ZR 109/84, zit. nach juris, Rn. 15). Die VO (EG) 715/2007 dient nicht dem Schutz des von der Klägerin geltend gemachten Vermögensinteresses.

Die vorgenannte Frage kann aber sogar dahinstehen. Letztlich geht es um die Frage, ob das Verschweigen von Mängeln durch einen Hersteller einen Anspruch aus § 826 BGB auszulösen vermag. Die Kammer geht diesbezüglich davon aus, dass allenfalls das Verschweigen von schwerwiegenden Mängeln durch den Hersteller, denen der Markt eine ganz erhebliche Bedeutung beimisst oder die dazu führen, dass das Fahrzeug unkorrigierbar nur erheblich eingeschänkt oder gar gar nicht mehr genutzt werden kann, den Vorwurf der Sittenwidrigkeit zu begründen vermag. Dies beruht auf folgenden Überlegungen:

Schon zwischen Vertragspartnern rechtfertigt das Verschweigen eines Umstandes, der für Vertragsschluss relevant ist,  nicht ohne weiteres den Vorwurf eines Sittenverstoßes, sondern nur dann, wenn eine Seite der anderen zu entsprechender Offenbarung verpflichtet ist. Eine Offenbarungspflicht entsteht, wenn die andere Seite nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eine Mitteilung erwarten durfte. Eine vollumfängliche Information über alle Belange des Geschäftes darf der Vertragspartner nach Treu und Glauben nicht erwarten; es besteht also keine allgemeine Offenbarungspflicht. Im Vertragsrecht ist zunächst jedes Privatrechtssubjekt für die Verteidigung seiner Interessen selbst verantwortlich. Das gilt insbesondere für den Kaufvertrag, der von gegensätzlichen Interessen geprägt ist: Jeder möchte möglichst viel für sich selbst rausholen. Die Grenze des nach der Verkehrsauffassung Hinnehmbaren ist erst dann überschritten ist, wenn es um erhebliche wertbildende Umstände beim Kaufvertragsabschluss geht (so ausdrücklich Palandt/Sprau, BGB, 77. Aufl., § 826, Rn. 20; Bamberger/Roth, BGB,3. Aufl., § 826, Rn. 23, Fn. 148; m Ergebnis auch Staudinger/Oechsler, BGB, 2014, § 826, Rn. 159, der zunächst nur betreffend erhebliche Umstände eine Aufklärungspflicht annimmt, einen verborgenen Sachmangel dann als regelmäßig erheblichen Umstand bezeichnet, um dann nur Fälle aufzuzählen, in denen es um erhebliche wertbildende Faktoren geht; ähnlich auch BayObLG, Beschluss vom 09.12.1993, 3 St RR 127/93, zit. nach juris, Rn. 24, indes für die Aufklärungspflicht im Rahmen von § 263 StGB, s.o.).

Dazu „passend“: Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte das arglistige Verschweigen von Mängel durch den Verkäufer nicht zwingend zu einer Rückabwicklung des Kaufvertrages führen (s.o.). Würde man wegen des Verschweigens von Mängeln uneingeschränkt einen Schadensersatzanspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages nach § 826 BGB eröffnen, würde der vorgenannte gesetzliche Wille missachtet werden.

Zu beachten ist weiterhin: Die vorgenannten Argumente gelten schon im Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer, die miteinander ein gewisses Vertrauen begründend über einen Vertrag miteinander verbunden sind, welches der arglistige Verkäufer „verrät“. Im Verhältnis des Herstellers zum Käufer fehlt es an an dieser vertrauensbegründenden Verbindung, die der Hersteller durch Verschweigen des Mangels „verraten“ würde.

Schließlich hat der Gesetzgeber durch Einführung des ProdHaftG eine Haftung des Herstellers für fehlerhafte Produkte eingeführt. Das wirtschaftliche Nutzungs- und Äquivalenzinteresse des Käufers, dass die Sache keine Mängel aufweist, sollte dadurch aber gerade nicht geschützt werden (Palandt/Sprau, BGB, 77. Aufl., § 3 ProdHaftG, Rn. 1).

Wenn

- das arglistige Verschweigen von Mängeln durch den Verkäufer nicht in jedem Fall einen Anspruch aus § 826 BGB auslösen soll,

- obwohl dort ein gewisses Vertrauensverhältnis „verraten“ wird, welches der Hersteller nicht „verraten“ kann und

- der Gesetzgeber auf die Einführung einer Haftung des Herstellers für das Nutzungs- und Äquivalenzinteresse des Käufers verzichtet hat,

erscheint es im Ergebnis sachgerecht, eine Haftung des Herstellers für verschwiegene Mängel über § 826 BGB nur für die o.g. besonders schweren Fälle anzunehmen.

Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen. Die Klägerin hat bereits nicht vereinzelt dargelegt, dass - was die Aufklärungspflicht eines Verkäufers ausgelöst hätte - die Fehlerhaftigkeit der verfahrensgegenständlichen Motorsteuerungssoftware am Markt einen wertbildenden Faktor von erheblichem Gewicht darstellt. Soweit bei Nichtteilnahme am Rückruf künftig eine Entziehung der Zulassung droht, beruht dies auf einer eigenen Willensentscheidung der Klägerin.

Im Übrigen und entsprechend hat die Klägerin auch nicht dargelegt, dass ihr durch die streitgegenständliche Software ein Schaden entstanden ist. Die obigen Ausführungen zu §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB gelten entsprechend (OLG Braunschweig, a. a. O.).

II. Zum Klageantrag zu Ziffer 2):

Da die Klägerin keinen Anspruch auf Schadenersatz hat, befindet sich die Beklagte auch nicht mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Verzug.

III. Zum Klageantrag zu Ziffer 3):

Mangels Anspruchsgrundlage - s.o. - steht der Klägerin gegen die Beklagte auch kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu.

IV. Prozessuale Nebenentscheidungen:

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

V. Streitwert: Wertstufe bis 30.000 €.