Landgericht Braunschweig
Urt. v. 06.02.2018, Az.: 11 O 1175/17
Abgasskandal; Entbehrlichkeit der Fristsetzung zur Mangelbeseitigung; illegale Abschalteinrichtung; unerhebliche Pflichtverletzung
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 06.02.2018
- Aktenzeichen
- 11 O 1175/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2018, 73909
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 434 Abs 1 S 2 BGB
- § 323 Abs 5 S 2 BGB
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand:
Der Kläger macht im Rahmen des sog. „Abgasskandals“ im Zusammenhang mit einem PKW-Kauf gegen die Beklagte zu 1) als Verkäuferin und die Beklagte zu 2) als Herstellerin des verbauten Motors Zahlungsansprüche geltend.
Am 22.05.2013 erwarb der Kläger von der Beklagten zu 1) gegen Zahlung von 29.998 € einen erstmalig am 03.09.2012 zugelassenen PKW Audi A4 Avant TDI mit einer Laufleistung von 15.450 km. Verbaut ist darin ein Dieselmotor vom Typ EA 189. Das Fahrzeug wurde am 23.05.2013 an den Kläger übergeben.
Zur Finanzierung des Kaufpreises schloss der Kläger einen Darlehensvertrag mit der XXX Bank. Danach hatte der Kläger ab dem 01.06.2013 47 monatliche Darlehensraten von 210,49 € und am 01.05.2017 eine Schlussrate von 17.655,47 € zu zahlen. Parallel vereinbarte der Kläger mit der Beklagten zu 1) ein „Verbrieftes Rückgaberecht“. Danach verpflichtete sich die Beklagte zu 1) gegenüber dem Kläger, das Fahrzeug bei Einhaltung einer vertraglich vereinbarten Gesamtlaufleistung zum Kaufpreis in Höhe der o.g. Schlussrate zurückzukaufen und den Kaufpreis an die XXX Bank zur Begleichung der Schlussrate weiterzuleiten. Es wird Bezug genommen auf die Anlage K3a des Klägers und die Anlage B8 der Beklagten zu 1).
Laut EG-Übereinstimmungsbescheinigung verbraucht das Fahrzeug kombiniert 4,7 l Diesel auf 100 km.
Das Fahrzeug wurde aufgrund einer entsprechenden Typgenehmigung - deren rechtlicher Bestand zwischen den Parteien streitig ist - nach EU5 zugelassen.
Der Umfang der NOX-Emissionen des Fahrzeugs hängt davon ab, in welchem Umfang Abgase aus dem Auslassbereich des Motors über ein Abgasrückführungsventil in den Ansaugtrakt des Motors zurückgeleitet werden: Je mehr Abgase zurückgeführt werden, desto weniger Stickoxide werden emittiert. Die das Abgasventil steuernde Software des Motorsteuerungsgeräts erkennt, ob sich das Fahrzeug innerhalb oder außerhalb der Bedingungen des zur Erlangung der Typengenehmigung durchgeführten Testlauf nach dem NEFZ befindet, der aus fünf exakt vorgegebenen synthetischen Fahrkurven besteht. Befindet sich das Fahrzeug außerhalb der Bedingungen des NEFZ, werden relativ weniger Abgase in den Ansaugtrakt des Motors zurückgeleitet als wenn sich das Fahrzeug innerhalb der Bedingungen des NEFZ befindet.
Das Kraftfahrbundesamt (KBA) erkannte in der genannten - dem Kläger bei Abschluss des Kaufvertrages unbekannten - Software eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Ziff. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 und ordnete gem. § 25 Abs. 2 EG-FGV einen Rückruf an. Die Beklagte zu 2) entwickelte daraufhin eine Softwarelösung, die der Beklagten zu 1) kostenlos zur Verfügung gestellt wird und deren ebenfalls kostenloses Aufspielen dem Kläger seit Mai 2016 angeboten wurde.
Wegen einer Software, die Einfluss auf das Getriebe nimmt und so die Werte auf dem Prüfstand verfälscht (im Folgenden: Getriebesoftware), hat das KBA betreffend Modelle der Fahrzeuge Audi A7 und A8 einen Rückruf angeordnet.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 25.01.2016 hat der Kläger den streitgegenständlichen Kaufvertrag gegenüber der Beklagten zu 1) wegen arglistiger Täuschung angefochten, hilfsweise den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Eine Nachbesserung wurde abgelehnt. Es wird Bezug genommen auf die Anlage K2. Im Rahmen der Klageschrift wurden Anfechtung und Rücktritt noch einmal erklärt.
Am 02.05.2017 verkaufte der Kläger das Fahrzeug im Rahmen des o.g. „Verbrieften Rückgaberechts“ zum vereinbarten Rückkaufpreis an die Beklagte zu 1), die den Kaufpreis an die XXX Bank weiterleitete. Ferner wurde vereinbart, dass der Kläger für verursachte Schäden am Fahrzeug 350 € zu zahlen hat. Der Kläger behielt sich die weitere Geltendmachung von Ansprüchen im Rahmen des sog. „Abgasskandals“ ausdrücklich vor. Am 04.05.2017 wurde das o.g. Softwareupdate in der Werkstatt der Beklagten zu 1) aufgespielt.
Betreffend einen behaupteten erhöhten Kraftstoffverbrauches und eines entsprechend erhöhten CO2-Ausstoßes hat die Beklagte zu 1) die Einrede der Verjährung erhoben.
Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm gegen die Beklagte zu 1) - als deren Erfüllungsgehilfen gem. § 278 BGB die Verantwortlichen der Beklagten zu 2) anzusehen seien - ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises zustehe:
Primär ergebe sich ein Anspruch aus §§ 812 Abs. 1 S. 1 BGB, 123, 142 BGB, da er bei Abschluss des Kaufvertrages im Hinblick auf die streitgegenständliche Software arglistig getäuscht worden sei. Hierbei vertritt der Kläger die Auffassung, dass die Verantwortlichen der Beklagten zu 2) im Verhältnis zur Beklagten zu 1) nicht als Dritte im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB aufzufassen seien.
Daneben sei er - der Kläger - wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten, da das streitgegenständliche Fahrzeug in mehrerer Hinsicht mangelbehaftet sei:
- Zunächst stelle die streitgegenständliche Software - die den Verantwortlichen der Beklagten zu 2), aber auch den Verantwortlichen der Beklagten zu 1) zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages bekannt gewesen sei - einen Mangel dar.
- Einen weiteren Mangel stelle es dar, dass das Fahrzeug erheblich mehr verbrauche als von den Beklagten angegeben worden sei. Dazu behauptet der Kläger erstmalig im Schriftsatz des Klägervertreters vom 15.03.2017, dass das Fahrzeug im Rahmen einer kombinierten Nutzung 6,9 l Liter Diesel auf 100 km verbrauchen würde, was er - der Kläger - schon bald nach dem Kauf erkannt habe. Selbst unter den Bedingungen des NEFZ lägen die Verbrauchswerte mehr als 10% über den o.g. Angaben der Beklagten. Entsprechend seien auch die CO2-Abgaswerte überhöht.
- Auch das On-Board-Diagnosesystem (OBD) sei mangelhaft, weil funktionsuntauglich. Das OBD würde nämlich melden, dass das Abgassystem des Fahrzeugs ordnungsgemäß funktioniere, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall sei. Die Informationen stammten - so der Kläger - von den Staatsanwaltschaften in den USA.
- Schließlich verfüge das Fahrzeug über die o.g. illegale Getriebesoftware, wie sie auch in den Fahrzeugen der Modelle Audi A8 und A7 verbaut worden sei.
Der Kläger ist der Auffassung, dass er auch ohne vorherige Fristsetzung zur Mangelbeseitigung zum Rücktritt berechtigt sei; eine Fristsetzung sei nämlich unter einer Vielzahl von Aspekten entbehrlich gewesen:
- Betreffend die streitgegenständliche Software sei eine Fristsetzung zur Mangelbeseitigung zunächst deswegen nicht notwendig, weil eine Nachbesserung ernsthaft und endgültig verweigert worden sei.
- Auch sei eine Fristsetzung zur Mangelbeseitigung deswegen entbehrlich gewesen, weil im Zeitpunkt des Rücktrittes festgestanden habe, dass die Beklagte zu 1) eine angemessene Frist zur Nachbesserung ohnehin nicht würde einhalten können, so dass das Erfordernis der Fristsetzung eine reine Förmelei gewesen wäre.
- Eine Fristsetzung zur Nachbesserung sei weiter deswegen entbehrlich gewesen, weil das Fahrzeug auch danach zwingend stillzulegen sei, da die Typgenehmigung erloschen und die für das streitgegenständliche Fahrzeug ausgestellte EG-Übereinstimmungsbescheinigung unwirksam sei.
- Eine Fristsetzung zur Nachbesserung sei weiter deswegen entbehrlich, weil sich infolge des Updates der Kraftstoffverbrauch und der CO2-Ausstoß noch (weiter) erhöhen würden, ja insgesamt die Auswirkungen des von der Beklagten zu 2) entwickelten Softwareupdates noch nicht absehbar seien. So häuften sich nach den Erfahrungen des Chefs des Bundesverbandes der freien Werkstätten - XXX - die Probleme nach der Durchführung des Updates. Die häufigsten Probleme seien dabei defekte Abgasrückführungsventile mit Zusetzen des Dieselpartikelfilters als Folgeproblem. Das Nachlassen der Wirksamkeit des Dieselpartikelfilters könne auf der Autobahn dazu führen, dass das Fahrzeug quasi aus dem Nichts kein Gas mehr annehme, was „brandgefährlich“ sei.
- Eine Fristsetzung zur Mangelbeseitigung sei weiter deswegen entbehrlich, weil die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte auch nach Aufspielen des Softwareupdates im normalen Straßenverkehr nicht eingehalten werden würden, womit das Fahrzeug weiterhin nicht zulassungsfähig sein werde. Hinzu komme, dass einem Bericht der Internetseite Spiegel Online zu entnehmen sei, dass die vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge auch nach dem Softwareupdate über illegale Abschalteinrichtungen verfügten. Davon seien zwei Gutachter - voraussehend - schon 2015 ausgegangen. Die Abgasreinigung würde bei weniger als 15 Grad und mehr als 33 Grad Außentemperatur, sowie wenn das Auto über 250 m Seehöhe fährt, ausgeschaltet
Eine Fristsetzung sei betreffend die streitgegenständliche Software ferner entbehrlich,
- weil im Zeitpunkt der mit anwaltlichem Schreiben vom 25.01.2016 erklärten Rücktrittserklärung (mindestens) eine vom Kläger nicht hinzunehmende vorübergehende Unmöglichkeit vorgelegen habe,
- weil es dem Kläger nicht zuzumuten sei, eine Nachbesserung gerade durch diejenige - nämlich die Beklagte zu 2) - durchführen zu lassen, die ihn zuvor arglistig über die streitgegenständliche Software getäuscht habe,
- weil der Motor und der Rußpartikelfilter infolge des Softwareupdates einem erhöhten Verschleiß unterliegen würden bzw. dies mindestens nicht auszuschließen sei,
- weil das Fahrzeug infolge der sog. „Dieselskandals“ auch nach der Umrüstung immer einen merkantilen Minderwert aufweisen werde.
- Betreffend den bemängelten Kraftstoffverbrauch sei eine Fristsetzung zur Mangelbeseitigung entbehrlich, weil eine Mangelbeseitigung unmöglich sei.
- Betreffend das mangelbehaftete OBD-System sei eine Fristsetzung zur Mangelbeseitigung entbehrlich, weil die Beklagte eine solche gar nicht anbiete und diese auch gar nicht möglich sei.
Der Kläger ist weiter der Auffassung, dass ihm gegen die Beklagte zu 1) ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises auch aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281, 433, 434, 437 BGB und nach den Grundsätzen der Prospekthaftung zustehe.
Aber auch gegen die Beklagte zu 2) - so der Kläger weiter - stehe ihm unter eine Vielzahl von Aspekten ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises zu:
- (Auch) Die Beklagte zu 2) hafte zum einen nach den Grundsätzen der Prospekthaftung.
- Mit der Ausstellung einer unwirksamen - weil mindestens falsche Angaben zum Stickstoffausstoß enthaltenden - EG-Übereinstimmungsbescheinigung hafte die Beklagte zu 2) auch aus einer Garantie im Sinne von § 443 BGB. Ferner nehme die Beklagte zu 2) mit der Ausstellung der EG-Übereinstimmungsbescheinigung besonderes Vertrauen in Anspruch, welches zu einer entsprechenden Vertrauenshaftung führe. Da die Vorschriften über die EG-Übereinstimmungsbescheinigung auch drittschützenden Charakter hätten, hafte die Beklagte zu 2) wegen der Ausstellung einer unwirksamen Bescheinigung auch nach § 823 Abs. 2 BGB.
- Die Beklagte zu 2) sei ferner gem. §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB zum Schadensersatz verpflichtet:
Die Beklagte zu 2) habe die für die Typzulassung zuständigen Stellen über die wahren Schadstoffemissionen getäuscht und dadurch zu Unrecht eine Einstufung des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps nach EU5 erschlichen.
Die Beklagte zu 2) habe vor allem aber auch den Kläger in mehrfacher Hinsicht getäuscht:
- Aktiv habe die Beklagte zu 2) angegeben, das Fahrzeug unterfalle der einschlägigen Typgenehmigung, obwohl dies nicht der Fall sei. Tatsächlich sei die Typgenehmigung kraft Gesetzes erloschen.
- Auch habe die Beklagte zu 2) angegeben, das Fahrzeug unterfalle der EU5-Norm, insbesondere stoße es werde auf dem Rollenprüfstand nach dem NEFZ noch auf der Straße Schadstoffe aus, die die gesetzlichen Grenzwerte überschreiten. Jedenfalls habe die Beklagte angegeben, dass die Messung auf dem Rollenprüfstand nach dem NEFZ den Schadstoffausstoß im Realbetrieb wenigstens annähernd abbilde.
- Die Beklagte zu 2) habe falsche Angaben zum Stickoxidausstoß des Fahrzeugs gemacht.
- Ferner seien die Pflichtangaben zum Kraftstoffverbrauch und CO2-Ausstoß falsch. Falsch seien die Angaben dabei nicht deswegen gewesen, weil sie nicht den im offiziellen Testverfahren ermittelten Werten entsprochen hätten. Falsch seien die Angaben vielmehr gewesen, weil die im offiziellen Testverfahren ermittelten Werte nur mit der Hilfe der verfahrensgegenständlichen - unzulässigen - Software erreichbar gewesen wären. Ohne die unzulässige Software wären nämlich Kraftstoffverbrauch und CO2 Emissionen höher als in den Unterlagen (Werbung etc.) der Beklagten angegeben. Das streitgegenständliche Fahrzeug aber halte selbst die genannten falsch angegebenen Werte nicht ein, sondern stoße mehr als 10% mehr CO2 aus und verbrauche entsprechend mehr Kraftstoff als angegeben.
- Auch habe die Beklagte zu 2) konkludent falsche Angaben zum gesetzlich vorgeschriebenen On-Board-Diagnosesystem (OBD) gemacht, welches nämlich melden würde, dass das Abgassystem des Fahrzeugs ordnungsgemäß funktioniere, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall sei.
- Weiter habe die Beklagte zu 2) falsche Angaben zum Geräuschpegel gemacht.
- Auch würden die in der EG-Übereinstimmungserklärung genannten Stickoxidwerte und die dort genannten Angaben zum Geräuschpegel nicht dem geltenden europäischen Typgenehmigungsrecht entsprechen.
- Insgesamt habe die Beklagte zu 2) angegeben, dass das Fahrzeug voll funktionstüchtig sei und allen gesetzlichen Vorgaben entspreche.
- Schließlich habe die Beklagte zu 2) auch aktiv über die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung getäuscht.
Die Beklagte zu 2) habe auch durch Unterlassen getäuscht. Sie habe den Kläger nicht darüber informiert, dass das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen sei und die Gefahr der Entziehung der Zulassung gem. § 25 EG-FGV besteht.
- Der begehrte Anspruch auf Schadensersatz ergebe sich auch - zweifelsfrei - aus §§ 823 Abs. 2, 16 UWG, da die Beklagte zu 2) mit der Einhaltung der Schadstoffwerte nach EU-5 geworben habe, die nicht eingehalten werden, ja sogar den Anschein eines besonders schadstoffarmen Fahrzeugs erweckt habe.
- Die Beklagte zu 2) hafte auch aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 4 Nr. 11UWG aF und zwar vor folgendem Hintergrund: § 4 Nr. 11 UWG aF stelle eine Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB dar, wenn die Norm, gegen die im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG aF verstoßen werde, Schutzgesetzcharakter im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB habe. Die Schutzgesetzcharakter habenden Vorschriften, gegen die vorliegend im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG aF verstoßen worden seien, seien §§ 1, 5 PKW-EnVKV, weil die Angaben der Beklagte wie oben beschrieben unzutreffend gewesen seien
- Das Verhalten der Beklagten zu 2) sei - so der Kläger - auch sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB. Die Verantwortlichen der Beklagten hätten - u.a. aus Gewinnstreben - die Schädigung der Gesundheit, ja gar den Tod tausender Menschen in Kauf genommen und sich damit unter Erfüllung von gleich drei Mordmerkmalen mindestens des versuchten Mordes schuldig gemacht. Eine Schädigung des Vermögens aller Fahrzeugkäufer sei auch bewusst in Kauf genommen worden.
- Die Beklagte zu 2) hafte schließlich auch - so der Kläger - gem. § 831 BGB, da ihre Ingenieure die Tatbestände der §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB und des § 826 BGB erfüllt hätten.
Der Kläger behauptet, infolge des sog. „Abgasskandals“ habe das streitgegenständliche Fahrzeug einen Wertverlust erlitten. Zur Begründung der Höhe des Wertverlustes wird u.a. ausgeführt, dass eine Tochtergesellschaft der Beklagten - die XXX AG - die Rückstellungen für unvorhergesehene Wertverluste im Herbst 2015 um knapp 500 € je Fahrzeug erhöht habe und auch ein Autoanalyst von einem Wertverlust von mind. 500 € für jedes vom sog. „Abgasskandal“ betroffene Fahrzeug ausgehe. Gleichzeitig wird aber auch ausgeführt, dass derzeit die Preise nicht sinken würden. Zuletzt wird darauf verwiesen, dass der XXX und XXX Partnerverband bei Leasingrückläufern einen Verlust von je nach Typ bis zu 3.000 € beklagten würde gegenüber dem Restwert, mit dem man ein Fahrzeug vor der Dieselkrise kalkuliert habe.
Insgesamt ist der Kläger der Auffassung, dass er auch gegen die Beklagten zu 2) im Wege des Schadensersatzes einen Anspruch auf Rückzahlung des damals an die Beklagte zu 1) gezahlten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug-um-Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs habe. Da die Beklagten die zwischen den Parteien streitige Höhe der Nutzungsentschädigung darzulegen hätten und deren Umfang letztlich von der Einholung eines Sachverständigengutachtens bzw. einer Schätzung des Gerichts gem. § 287 ZPO abhänge, sei betreffend die Beklagte zu 2) die Erhebung einer Feststellungklage zulässig; dies auch deshalb, weil etwaige Steuerschäden und auch weitere Schäden drohten, die aufgrund der „Desinformationspolitik“ der Beklagten zu 2) derzeit nicht beziffert werden könnten. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang auch, dass dem Kläger wegen des bisher nicht erfolgten Aufspielens des Softwareupdates nunmehr behördliche Zwangsmaßnahmen drohten Da möglicherweise in einem Gerichtsverfahren ein Gutachten zum Zustand des Fahrzeugs vor dem Softwareupdate eingeholt werden müsse, sei der Kläger aber nicht in der Lage, eben jenes Softwareupdate durchführen zu lassen. Folglich müsse er gegen das behördliche Vorgehen Rechtsbehelfe einlegen, was Anwalts- und Prozessverfolgungskosten verursachen würden, die derzeit nicht beziffert werden könnten.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an ihn 29.998 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.01.2016 zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen Zahlung eines von der Beklagten zu 1) noch darzulegenden Wertersatzes statt Rückgabe des Fahrzeuges Audi A4 Avant 2.0 TDI, FIN: XXX und Zug-um-Zug gegen Zahlung einer von der Beklagten zu 1) noch darzulegenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des PKW,
2. festzustellen, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, ihm Schadenersatz zu leisten für alle Schäden, die aus der Manipulation des im Klageantrag zu Ziffer 1. genannten Fahrzeuges durch die Beklagte zu 2) resultieren,
3. festzustellen, dass sich die Beklagte zu 1) mit der Rücknahme des im Klageantrages zu Ziffer 1. genannten Fahrzeugs im Annahmeverzug befindet und
4. die Beklagten jeweils getrennt, nicht gesamtschuldnerisch zu verurteilen, ihn von den durch die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von jeweils 1.307,51 € freizustellen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie behaupten, das KBA habe die von der Beklagten zu 2) entwickelte Softwarelösung mit Bescheid vom 04.04.2016 freigegeben. Wegen des Inhalts des genannten Schreibens - dessen Existenz und Echtheit der Kläger bestreitet - wird Bezug genommen auf die Anlage B1 der Beklagten zu 2). Die Beklagte zu 1) behauptet ferner, dass die Entwicklung des o.g. Softwareupdates durch die Beklagte zu 2) und das Aufspielen des o.g. Softwareupdates auf das streitgegenständliche Fahrzeug runtergerechnet einen Aufwand von weniger als 100 € verursacht.
Das Gericht hat dem Kläger mit Verfügung vom 30.08.2017 (Bd. III, Bl. 2110 f.) gerichtliche Hinweise erteilt, auf die Bezug genommen wird. Die Klage war ursprünglich beim LG Aschaffenburg anhängig. Auf Antrag des Klägers hat das OLG Bamberg mit Beschluss vom 11.05.2017 das LG Braunschweig gem. § 36 ZPO als zuständiges Gericht bestimmt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist betreffend den Klageantrag zu Ziffer 2 unzulässig, im Übrigen unbegründet.
I. Zum Klageantrag zu Ziffer 2:
Betreffend den Klageantrag zu Ziffer 2 ist die Klage bereits nicht zulässig.
Dem Kläger mangelt es an einem Feststellungsinteresse, weil ihm eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar ist. Mangels Vollstreckbarkeit des Feststellungsurteils in der Hauptsache fehlt ein Feststellungsinteresse, falls der Kläger sein Leistungsziel genau benennen und deshalb auf Leistung klagen kann. Nicht zumutbar ist die Beachtung des beschriebenen Vorranges der Leistungsklage im Rahmen einer Schadensersatzklage dann, wenn der Kläger seinen Schaden nicht ohne Durchführung einer aufwendigen Begutachtung beziffern kann (BGH, Urt. vom 12.07.2005, VI ZR 83/04, zit. nach juris, Rn. 57) oder noch nicht beziffern kann, weil Art, Umfang, Dauer und Kosten der Schadensbehebung noch offen sind (BGH, Urt. vom 15.01.2008, VI ZR 53/07, zit. nach juris, Rn. 6). Keine der genannten Situationen ist vorliegend gegeben:
Der Kläger berühmt sich eines Anspruches auf Erstattung des - bekannten - Kaufpreises, ferner auch - in unklarer Höhe - eines infolge des sogenannten „Abgasskandals“ eingetretenen Wertverlustes. Einen (etwaigen) Wertverlust aber könnte der Kläger auch ohne eine aufwendige Begutachtung näher beziffern. Dies deshalb, weil der Kraftfahrzeugmarkt generell durch eine erhebliche Transparenz gekennzeichnet ist (vgl. zB die monatlichen sog. „Schwacke-Listen“) und die Preisentwicklung von gebrauchten Dieselfahrzeugen zudem - offenkundig, nämlich dem Gericht durch zuverlässige Presseberichte und Internetseiten bekannt (Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 291, Rn. 1) - unter besonderer medialer Aufmerksamkeit steht (zuletzt etwa der sog. „Dieselbarometer“).
Dem Grundsatz des Vorrangs der Leistungsklage steht auch nicht die Frage einer vom Kläger zu leistenden Nutzungsentschädigung entgegen. Der Kläger kann dieser Situation im Rahmen einer Leistungsklage durch einen Festbetragsabzug mit Anpassung spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung I. Instanz und entsprechender Teilerledigungserklärung nach § 91a ZPO begegnen (Vgl. für § 346 BGB Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl., Rn. 1187 ff.. Zum Teil wird auch ein Leistungsantrag auf Basis der sog. „Karlsruher Formel“ für zulässig erachtet.).
Nicht nachvollziehbar ist weiter, warum eine „Desinformationspolitik“ der Beklagten es dem Kläger unmöglich machen soll, einen ihm - also in seiner Sphäre entstandenen - Schaden zu beziffern.
Weiter verweist der Kläger auf mögliche Steuerschäden, indes ohne darzulegen, unter welchem Aspekt diese im Sinne der o.g. Rechtsprechung „offen“ sein sollen: Die zuständigen Steuerbehörden haben - soweit ersichtlich - bislang - weit über 2 Jahre nach Bekanntwerden des sog. „Abgasskandals“ - nichts in die vom Kläger befürchtete Richtung unternommen. Die Politik hat von vorneherein deutlich signalisiert, dass etwaige Steuerausfälle allenfalls vom Hersteller der betroffenen Fahrzeuge zu ersetzen sein werden.
Weiter liegt auch keine Situation vor, in der eine Feststellungsklage trotz des Vorranges der Leistungsklage ausnahmsweise dennoch zulässig ist, weil zu erwarten ist, dass die Beklagte schon auf ein Feststellungsurteil hin zahlen wird. Der Klägervertreter missversteht die von ihm insoweit zitierte Rechtsprechung. Feststellungsklagen werden unter dem vorgenannten Aspekt nur dann zugelassen, wenn es sich bei der Beklagten um eine Behörde handelt (BGH, Urteil vom 09.06.1983, III ZR 74/82, zit. nach juris, Rn. 15) - was vorliegend nicht der Fall ist - oder sich die Parteien ausdrücklich einig sind, einen Rechtsstreit durch eine Feststellungsklage klären zu lassen (BGH, Urteil vom 27.06.1995, XI ZR 8/94, zit nach juris, Rn. 18) - was vorliegend ebenfalls nicht der Fall ist -, oder schließlich, wenn die Beklagte wenigstens im Verlauf des Rechtsstreits die Zulässigkeit einer Feststellungsklage nie in Zweifel zieht (BGH, Urteil vom 30.05.1995, XI ZR 78/94, zit. nach juris, Rn. 17) - was vorliegend auch nicht der Fall ist: Die Beklagte hat betreffend den Klageantrag zu Ziffer 2 das Fehlen eines Feststellungsinteresses ausdrücklich moniert.
Ein Feststellungsinteresse besteht auch nicht im Hinblick auf die vom Kläger zitierte Notwendigkeit des gerichtlichen Vorgehens gegen behördliche Zwangsmaßnahmen und die damit verbundenen noch nicht bezifferbaren Kosten. Das Fahrzeug ist verkauft. Das Softwareupdate ist mittlerweile aufgespielt. Behördliche Zwangsmaßnahmen drohen damit nicht, schon gar nicht dem Kläger
II. Zum Klageantrag zu Ziffer 1:
Betreffend den Klageantrag zu Ziffer 1 ist die Klage zulässig, aber nicht begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 1) kein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises bzw. Zahlung von Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises zu:
1. Anspruch aus §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1, 346 Abs. 1 BGB
Ein Anspruch aus §§ 437 Nr. 2, 232 Abs. 1, 346 Abs. 1 BGB ist nicht schlüssig dargelegt:
a) „Mangelhaftes“ OBD:
Im Hinblick auf ein „mangelhaftes“ OBD scheitert ein Anspruch schon daran, dass der Kläger trotz eines entsprechenden Hinweises nicht vereinzelt dargelegt hat, woher er überhaupt die Information hat, dass ein diesbezügliches Problem existiert und das streitgegenständliche Fahrzeug davon betroffen ist. Die Darstellung des Klägers ist vor diesem Hintergrund - zumal angesichts der Darlegung der Beklagten, dass die vom Kläger zitierten Quellen die auf den europäischen Markt nicht übertragbaren Verhältnisse des amerikanischen Markts betreffen - als unzulässige sog. „Behauptung ins Blaue hinein“ zu qualifizieren.
Weiter hat der Kläger aber auch trotz eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises keine Umstände dargelegt, wonach eine unstreitig unterbliebene Fristsetzung zur Mangelbeseitigung entbehrlich war. Die schlichte - nicht untermauerte - Darlegung, eine Nachbesserung sei unmöglich, stellt sich prozessual erneut als eine unbeachtliche sog. „Behauptung ins Blaue hinein“ dar.
b) Getriebesoftware:
Im Hinblick auf eine unzulässige Getriebesoftware scheitert ein Anspruch daran, dass keine Anhaltspunkte dafür dargelegt wurden, dass diese Software auch im streitgegenständlichen Fahrzeug verbaut ist:
Zum einen ist nicht dargelegt, dass auch betreffend das streitgegenständliche Fahrzeug ein entsprechender Rückruf angeordnet wurde.
Zum anderen hat das KBA als zuständige Behörde mit Schreiben vom 04.04.2016 bestätigt, dass beim streitgegenständlichen Fahrzeugtyp nach dem Aufspielen des Softwareupdates keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festzustellen seien. Von der - klägerseits bestrittenen - Existenz dieser Freigabeerklärung geht das Gericht dabei - so diese nicht, weil aus einfach zugänglichen Quellen, nämlich zuverlässigen Presseberichten und Internetseiten ersichtlich, ohnehin offenkundig sein dürfte (vgl. dazu Zöller/Greger, a. a. O., § 291, Rn. 1) - aus, weil unstreitig ist, dass das KBA einen Rückruf angeordnet hat, die Beklagte zu 2) die Softwarelösung anbietet und beide vorgenannten Tatsachen im Wege des Indizienbeweises den Schluss darauf zulassen, dass die beklagtenseits vorgelegte Freigabeerklärung tatsächlich vom KBA stammt.
Die Darstellung des Klägers zum Vorhandensein der o.g. Getriebesoftware auch im streitgegenständlichen Fahrzeug ist vor diesem Hintergrund als unzulässige sog. „Behauptung ins Blaue hinein“ zu qualifizieren.
c) Kraftstoffverbrauch/CO2-Emissionen:
Hinsichtlich eines behaupteten überhöhten Kraftstoffverbrauches und damit verbundener überhöhter CO2-Emissionen scheitert ein Anspruch zunächst daran, dass eine Fristsetzung zur Mangelbeseitigung nicht erfolgt ist und der Kläger trotz eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises auch keine Umstände dargelegt hat, wonach eine unstreitig unterbliebene Fristsetzung zur Mangelbeseitigung entbehrlich war. Die schlichte - nicht untermauerte - Darlegung, eine Nachbesserung sei unmöglich, stellt sich prozessual als eine unbeachtliche sog. „Behauptung ins Blaue hinein“ dar.
Letztlich greift aber auch die von der Beklagten zu 1) erhobene Einrede der Verjährung:
Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 23.05.213 übergeben.
Der Kläger hat sich erstmalig im Schriftsatz des Klägervertreters vom 15.03.2017 auf den Mangel „Kraftstoffverbrauch“ berufen.
Zum Zeitpunkt des nachfolgenden Zugangs dieses Schriftsatzes bei der Beklagten zu 1) - genauer: dem Beklagtenvertreter zu 1) - war der auf den genannten Mangel gestützte Anspruch auf Nacherfüllung bereits verjährt, §§ 438 Abs. 5, Abs. 1 Nr. 3, 437 Nr. 1, 218 BGB.
e) Motorsoftware:
Betreffend die streitgegenständliche Software scheitert ein Anspruch aus folgenden Gründen:
aa) Mangel:
Die Software stellt zwar einen Mangel der Kaufsache im Sinne von § 434 BGB dar:
Zunächst handelt es sich bei der streitgegenständlichen Software nach dem vorliegend zugrunde zu legenden Parteivorbringen um eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. v. von Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Ziff. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, genauer stellt das so programmierte Motorsteuerungsgerät eine solche Abschalteinrichtung dar:
Es ist zunächst ein Konstruktionsteil i. S. v. Art. 3 Ziff. 10 der VO.
Weiter ermittelt das Motorsteuerungsgerät i. S. v. Art. 3 Ziff. 10 der VO die Fahrzeuggeschwindigkeit, nämlich ob sich das Fahrzeug außerhalb des durch das NEFZ vorgegebenen „Geschwindigkeitsmusters“ befindet.
Dies dient i. S. v. Art. 3 Ziff. 10 der VO dazu, die Funktion eines Teils des Emissionskontrollsystems - den Durchlass des Abgasrückführungsventils - zu verändern, nämlich zu verringern:
Ein Teil des Emissionskontrollsystems i. S. v. Art. 3 Ziff. 10 der VO ist das Abgasrückführungsventil dabei vor folgendem Hintergrund: Eine Legaldefinition des Begriffes des Emissionskontrollsystems enthält die Verordnung nicht. Der Begriff wird in Art. 3 Ziff. 10 der VO im Singular mit der Maßgabe verwendet, dass es aus mehreren Teilen besteht, in Art. 5 Ziff. 2 der VO im Plural, woraus folgt, dass die Verordnung den Begriff des Emissionskontrollsystems zweideutig verwendet, nämlich iSv Art. 3 Ziff. 10 der VO als „Gesamtsystem“, in Art. 5 Ziff. 2 als einzelne Teile, als einzelne „Systeme“. Der Begriff wird in Art. 3 Ziff. 10 der VO weiter mit der Vorgabe aufgeführt, dass eine Verringerung der Wirksamkeit desselben verhindert werden soll. Das Emissionskontrollsystem als „Gesamtsystem“ soll also etwas bewirken und zwar etwas, was in einem zum Vergleich heranzuziehenden Bezugspunkt - der ausdrücklich nicht genannt ist, aber im Kontext nur der Testlauf nach den Parametern des NEFZ, der aus fünf synthetischen Fahrkurven besteht, sein kann - nicht verringert werden soll. Geprüft wird im Testlauf (u.a.) die Wirksamkeit der schadstoffreduzierenden Abgasbehandlung. Zum Emissionskontrollsystem als - s.o. - „Gesamtsystem“ iSv von Art. 3 Ziff. 10 der VO gehören damit alle Bauteile, die zur Wirksamkeit im vorgenannten Sinne beitragen. Das Abgasrückführungsventil aber trägt zur Wirksamkeit der schadstoffreduzierenden Abgasbehandlung bei, weil (auch) vom Umfang der Abgasrückführung die Bildung von Stickoxiden abhängt.
Die Veränderung - nämlich Verminderung - des Durchlasses des Abgasrückführungsventils führt schließlich dazu, dass die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems außerhalb der Bedingungen des NEFZ gegenüber dem Testmodus nach den synthetischen Parametern des NEFZ - der wie gesagt nicht ausdrücklich genannt ist, aber allein der maßgebliche erforderliche Bezugspunkt sein kann - verringert ist, weil bei nicht vermindertem Durchlass des Abgasrückführungsventils unter den Bedingungen des NEFZ die Bildung von Stickoxiden geringer ist.
Einen Mangel der Kaufsache stellt die streitgegenständliche Motorsoftware deswegen dar, weil zwar keine ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB dahingehend getroffen wurde, dass das gekaufte Fahrzeug über eine illegale Abschalteinrichtung nicht verfügen sollte, der Kläger aber angesichts des gesetzlich normierten Verbots von unzulässigen Abschalteinrichtungen im Sinne von § 434 Abs. 2 Nr. 2 BGB erwarten durfte, dass eine solche nicht verbaut ist.
bb) Keine Fristsetzung zur Mangelbeseitigung oder Entbehrlichkeit derselben:
Eine auf die Software gestützter Rücktritt scheitert indes schon daran, dass eine Fristsetzung zur Mangelbeseitigung nicht erfolgt ist und der Kläger gleichzeitig - trotz eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises - keine Umstände dargelegt hat, aufgrund derer eine Fristsetzung zur Mangelbeseitigung entbehrlich ist:
(a) Eine Fristsetzung zur Mangelbeseitigung ist nicht deswegen entbehrlich, weil die Beklagte zu 1) die Nachbesserung im Sinne von § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB ernsthaft und endgültig verweigert hat. An das Vorliegen einer ernsthaften und endgültigen Leistungsverweigerung sind strenge Anforderungen zu stellen. Die Weigerung des Schuldners muss als sein letztes Wort aufzufassen sein (Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 323, Rn. 18). Diesen Anforderungen genügt das Verhalten der Beklagten zu 1) nicht. Zwar wird das Vorliegen eines Mangels in Frage gestellt. Dennoch kommt kein Zweifel auf, dass die Beklagte zu 1) die streitgegenständliche Softwareproblematik beheben will.
(b) Eine Fristsetzung zur Mangelbeseitigung ist auch nicht entsprechend § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich, weil im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung feststand, dass die Beklagte zu 1) die streitgegenständliche Software innerhalb einer angemessenen Frist nachzubessern nicht in der Lage sein würde. Als der Kläger am 25.01.2016 anwaltlich vertreten den Rücktritt erklärte war eine Softwarelösung - was sich aus dem Schreiben selbst ergibt - bereits angekündigt. Die den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp betreffende Freigabeerklärung des KBA lag keine drei Monate später, nämlich am 04.04.2016 vor, wovon das Gericht aus o.g. Gründen ausgeht. Bereits im Mai 2016 wurde dem Kläger ein Aufspielen des Softwareupdate konkret angeboten (Vgl. zum sog. „Abgasskandal“ OLG München, Beschluss vom 23.03.2017, 3 U 4316/16, zit. nach juris, Rn. 14, wonach der Käufer für die Zurverfügungstellung der Software einen Zeitraum von bis zu 12 Monate hinnehmen muss.).
(c) Eine Fristsetzung zur Mangelbeseitigung ist auch nicht deswegen entbehrlich, weil das Fahrzeug auch nach Aufspielen der von der Beklagten zu 2) entwickelten Softwarelösung zwingend stillzulegen ist, weil die Typgenehmigung erloschen ist:
Die Typgenehmigung ist nicht (beschränkt auf das streitgegenständliche Fahrzeug, denn weiter würde die Wirkung der Vorschriften selbst im Falle ihres Eingreifens nicht gehen) gem. §§ 19 Abs. 7, Abs. 2 S. 2 Nr. 3 StVZO erloschen. Die genannten Vorschriften gelten nämlich nicht für den hier (allenfalls) vorliegenden Fall, dass ein Fahrzeug schon vor Inverkehrbringen durch den Hersteller nicht der maßgeblichen Typgenehmigung entspricht. Aus der Begründung zur damaligen Neufassung des § 19 Abs. 2 StVZO - vgl. BR-Drucksache 629/93, dort S. 15, 16 - folgt nämlich, dass diese Vorschrift ihrer Intention nach nur Änderungen von bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeugen erfassen sollte, denn nur insoweit wurde eine Regelungskompetenz erkannt. Dieses an der Entstehungsgeschichte der Norm orientierte Auslegungsergebnis wird durch eine systematische Auslegung eindrucksvoll unterstützt: So sieht § 19 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 7 StVZO ein - automatisches - Erlöschen der Typgenehmigung für den Fall vor, dass an dem Fahrzeug Änderungen vorgenommen werden, durch die eine - einfache - Gefährdung von Verkehrsteilnehmern zu erwarten ist. Würde dies auch für Änderungen vor Inverkehrbringen des Fahrzeugs durch den Hersteller gelten, würde die zeitlich nachfolgend in Kraft getretene Vorschrift des § 25 Abs. 3 Nr. 2 EG-FGV, welche den Widerruf der Typgenehmigung erst dann ermöglicht, wenn von dem Fahrzeug ein erhebliches Risiko für die Verkehrssicherheit ausgeht und der Behörde zumal noch ein Ermessen einräumt, keinen Sinn machen.
Die Typgenehmigung ist auch nicht analog §§ 19 Abs. 2, Abs. 2 S. 2 Nr. 3 StVZO erloschen. Angesicht der Regelung des § 25 Abs. 3 Nr. 1 EG-FGV besteht nämlich keine Regelungslücke. Im Übrigen wollte schon der europäische Gesetzgeber technische Veränderungen, die zu einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Emissionsminderungssystems führen, nicht zum Anlass nehmen, die Typgenehmigung des Fahrzeugs als Ganzes in Frage zu stellen (vgl. Art. 5 Ziff. 10 der VO (EG) 692/2008, der sich ausweislich der Überschrift zu Art. 5 ausdrücklich nur auf die in Art. 2 Ziff. 2 definierte Teiltypgenehmigung bezieht).
(d) Eine Fristsetzung zur Mangelbeseitigung ist auch nicht deswegen entbehrlich, weil das Fahrzeug auch nach Aufspielen der von der Beklagten zu 2) entwickelten Softwarelösung zwingend stillzulegen ist, weil die EG-Übereinstimmungsbescheinigung unwirksam ist. Der Kläger greift insoweit die anderweitig vertretene Rechtsauffassung auf, wonach die EG-Übereinstimmungsbescheinigung erloschen ist, weil das Fahrzeug nicht allen maßgeblichen Vorschriften entspricht. Diese Rechtsauffassung teilt das Gericht - losgelöst von der Frage, dass nicht ersichtlich ist, wie sich die vorgenannte Frage auf die Nutzbarkeit des Fahrzeugs auswirken soll - indes nicht:
Es ist bereits fraglich, ob die EG-Übereinstimmungsbescheinigung überhaupt die Erklärung enthält, dass das Fahrzeug allen maßgeblichen Vorschriften entspricht. Zwar soll sie nach der Legaldefinition in Art. 3 Ziff. 36 der Richtlinie 2007/46/EG und der ähnlich formulierten Zielbeschreibung in der VO (EG) 385/2009 eine Erklärung im vorgenannten Sinne darstellen. Das eigentliche Muster enthält eine solche Erklärung dann aber - jedenfalls ausdrücklich - doch nicht.
Sollte die EG-Übereinstimmungsbescheinigung eine Erklärung im vorgenannten Sinne tatsächlich enthalten, führt die inhaltliche Unrichtigkeit der Erklärung nicht zur Ungültigkeit der Bescheinigung. Die (auch nach den nationalen Vorschriften) maßgebliche Vorschrift über den Inhalt der EG-Übereinstimmungsbescheinigung - Art. 18 der Richtlinie 2007/46/EG - enthält nämlich lediglich eine Anzahl einzuhaltender Kriterien formaler Natur.
Dafür, dass die EG-Übereinstimmungsbescheinigung nicht materiell unwirksam ist, wenn das betroffene Fahrzeug nicht allen maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften entspricht, spricht auch die weitere Auslegung der Richtlinie:
Nach Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG werden der Verkauf und die Inbetriebnahme von Bauteilen ausdrücklich auch davon abhängig gemacht, dass diese den einschlägigen Rechtsakten entsprechen. Der komplette Fahrzeuge betreffende Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG enthält eine entsprechende Regelung jedenfalls seinem Wortlaut nach nicht. Weiter könnte zwar die Voraussetzung, dass (auch) ein Fahrzeug den einschlägigen Rechtsakten entsprechen muss, in Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG durch das - in Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie nicht vorkommende - Wort „gültig“ in Verbindung mit der Legaldefinition der Übereinstimmungsbescheinigung in Art. 3 Ziff. 36 der Richtlinie 2007/46/EG zum Ausdruck gebracht worden sein, zumal zunächst nicht recht ersichtlich sein könnte, aus welchem Grund der europäische Gesetzgeber bei Fahrzeugen anders als bei Bauteilen auf diese Voraussetzung verzichtet haben sollte. Zu beachten ist gleichzeitig aber die sprachliche Fassung des Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG: Die besondere Betonung der Voraussetzungen „dann und nur dann“ (in der englischen Fassung: „if and only if“) - zum Vergleich heißt es in Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG nur „nur dann“- legt nahe, dass es dem Gesetzgeber klar war, dass in Art. 28 im Vergleich zu Art. 26 Abs. 1 Richtlinie 2007/46/EG erhöhte Anforderungen erhoben werden. Ein Grund für die unterschiedliche Behandlung von kompletten Fahrzeugen und Bauteilen liegt gleichzeitig doch vor, nämlich darin, dass Adressat der Umsetzung von Art. 28 der Richtlinie 2007/46/EG nicht die Mitgliedstaaten selbst sind: Art. 28 regelt nur den Verkauf und die Inbetriebnahme von Bauteilen. Adressat von Art. 26 der Richtlinie 2007/46/EG sind bei dessen Umsetzung dagegen auch die Mitgliedstaaten selbst, da sie für die dort - auch - geregelte Zulassung der Fahrzeuge zuständig sind. Würde Art. 26 der Richtlinie voraussetzen, dass die Fahrzeuge nur zugelassen werden könnten, wenn sie allen rechtlichen Akten entsprechen, weil nur dann die EG-Übereinstimmungserklärung gültig wäre, würde dies (erneute) Prüfungspflichten begründen, was dem Ziel der Richtlinie, die Zulassung von Fahrzeugen zu vereinfachen, widersprechen würde.
Weiter folgt aus der Auslegung der die Richtlinie 2007/46/EG umsetzenden nationalen Vorschriften folgen, dass jedenfalls der nationale Gesetzgeber davon ausging, dass Unregelmäßigkeiten im Typgenehmigungsverfahren, wodurch der genehmigte Fahrzeugtyp nicht allen maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften entspricht, nicht zur Unwirksamkeit der EG-Übereinstimmungsbescheinigung führt:
Der Gesetzgeber hat den Fall vorhergesehen, dass bereits im Verkehr befindliche Fahrzeuge nicht vorschriftsmäßig sind: Es ermächtigt das KBA für diesen Fall in § 25 Abs. 2 EG-FGV, die Typgenehmigung nachträglich mit Nebenbestimmungen zu versehen. Betreffend die EG-Übereinstimmungserklärung fehlt eine entsprechende Regelung. Dies lässt den Schluss darauf zu, dass der Umstand, dass ein bereits im Verkehr befindliches Fahrzeug nicht vorschriftsmäßig ist, keine Auswirkungen auf die Übereinstimmungsbescheinigung haben sollte.
Weiter: Nach § 37 EG-FGV handelt ordnungswidrig, wer ein Fahrzeug entgegen § 27 EG-FGV ohne eine „gültige“ Übereinstimmungsbescheinigung anbietet oder in Umlauf bringt. Mit § 37 EG-FGV wollte der Gesetzgeber „die in § 27 EG-FGV enthaltenen Anforderungen besser durchsetzen“, ging gleichzeitig aber davon aus, dass „bestimmte Verstöße im Rahmen des Genehmigungsverfahrens wie die Vorlage gefälschter Prüfergebnisse oder technischer Spezifikationen oder sonstige unrichtige oder unvollständige Erklärungen“ bereits anderweitig sanktioniert werden und damit keiner Ahndung durch § 37 EG-FGV bedurften (vgl. BR-Drucksache 190/09, S. 57). Verstöße im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens sollen danach nicht § 37 EG-FGV unterfallen, also keinen Verstoß gegen § 27 EG-FGV darstellen, also die Gültigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung im Sinne von § 27 EG-FGV nicht tangieren.
(e) Eine Fristsetzung zur Nachbesserung ist auch nicht gem. §§ 326 Abs. 5, 275 Abs. 1 BGB deswegen entbehrlich, weil auch nach dem Update die maßgeblichen Grenzwerte im realen Straßenverkehr nicht eingehalten werden. Den maßgeblichen europarechtlichen Vorschriften wird bereits dann genügt, wenn das Fahrzeug - solange es keine unzulässigen Abschalteinrichtungen verwendet - unter den Testbedingungen nach dem - praxisfernen - NEFZ die maßgeblichen NOX-Grenzwerte einhält; die Einhaltung der Grenzwerte unter den üblichen Bedingungen des Straßenverkehrs wird nicht vorausgesetzt (im Ergebnis - mit deutlichen Worten - ebenso: LG Düsseldorf, Urteil vom 31.05.2017, 12 O 68/17, zit. nach juris, Rn. 109 ff., 124).
Zwar heißt es in Art. 5 Abs. 2 der VO (EG) 715/2007, dass - bei einem gleichzeitig angeordneten Verbot von Abschalteinrichtungen durch Art. 5 Abs. 3, freilich mit den dort genannten Ausnahmen - ein Fahrzeug so auszurüsten ist, dass es unter „normalen Betriebsbedingungen“ der Verordnung, aber auch - worauf zurückzukommen sein wird - ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Dies spricht auf den ersten Blick dafür, dass die Erreichung der maßgeblichen Grenzwerte im normalen Straßenverkehr erwartet wird. Verlangt wurde aber weiter bereits jetzt nicht, dass das Fahrzeug die Grenzwerte unter allen Betriebszuständen einhält, denn die Einführung eines solchen „not-to-exceed“-Regulierungskonzeptes sollte ausweislich Ziffer 15 der Erwägungen ausdrücklich erst für die Zukunft erwogen werden.
Durch Art. 3 Abs. 6 der VO (EG) 692/2008 - einer (genauer „die“, nämlich die wesentliche) Durchführungsmaßnahme im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der VO (EG) 715/2007, die nach Ziffer 2, letzter Satz ihrer Erwägungen die Anforderungen für die Typgenehmigung von Fahrzeugen nach EU5 und EU 6 festlegen (Betonung durch den Unterzeichner) soll - werden die Hersteller schließlich ausdrücklich nur noch verpflichtet zu gewährleisten, dass die im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens bei der Emissionsprüfung ermittelten Werte unter den in der Verordnung angegebenen Prüfbedingungen eingehalten werden. Dem europäischen Gesetzgeber war - vgl. die Erwägungen Ziffer 15 Zur VO (EG) 715/2007 - dabei bewusst, dass die im Typgenehmigungsverfahren nach dem NEFZ gemessenen Emissionen denen im praktischen Fahrbetrieb nicht unbedingt entsprechen würden.
(f) Eine Fristsetzung zur Mangelbeseitigung ist auch nicht im Sinne von §§ 326 Abs. 5, 275 Abs. 1 BGB deswegen entbehrlich, weil das streitgegenständliche Fahrzeug auch nach dem Aufspielen des Softwareupdates über (andere) illegale Abschalteinrichtungen verfügen wird. Die Angaben im Bericht des Nachrichtenportals Spiegel Online vom 03.08.2017 - auf den der Kläger diesbezüglich verweist - sind nicht hinreichend konkret und zuverlässig, um entgegen der Bestätigung des KBA eine illegale Abschalteinrichtung annehmen zu können. So ist von einer jetzt erfolgenden „kompletten Abschaltung“ der Abgasreinigung unter den dort genannten Umständen die Rede, wobei eine solche „komplette Abschaltung“ aber auch „bisher“ - also vor dem Softwareupdate - stattgefunden haben soll, was indes - knapp 2 Jahre nach Bekanntwerden des sog. „Abgasskandals“ - neu wäre.
(g) Eine Fristsetzung zur Nachbesserung ist nicht gem. §§ 326 Abs. 5, 275 Abs. 1 BGB entbehrlich, weil der Beklagten eine Nachbesserung im maßgeblichen Zeitpunkt der Rücktrittserklärung vorübergehend unmöglich war. Eine Leistung ist gem. § 275 Abs. 1 BGB unmöglich, wenn sie nach den Naturgesetzen oder nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht erbracht werden kann (Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 275, Rn. 14). Eine nur vorübergehende Unmöglichkeit steht dabei einer dauerhaften Unmöglichkeit nur dann gleich, wenn sie die Erreichung des Geschäftszwecks in Frage stellt und dem anderen Teil das Festhalten am Vertrag bis zum Wegfall des Leistungshindernisses nicht zuzumuten ist (Palandt/Grünberg, a. a. O., § 275, Rn. 11, m. w. N.). Eine Situation der vorbeschriebenen Art bestand vorliegend nicht: Im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung vom 25.01.2016 war eine Softwarelösung technisch entwickelbar (Zweifelnd OLG Köln, Beschluss vom 20.12.2017, 18 U 112/17, welches, ohne indes entsprechende Anknüpfungstatsachen zu benennen, davon ausgeht, dass Ende 2015 noch nicht feststand, ob der Hersteller eine Softwarelösung würde entwickeln können.). Einer Umsetzung stand allein noch die behördliche Genehmigung und die anschließende logistische Vorbereitung der Rückrufaktion entgegen. Eine darin allenfalls zu sehende vorübergehende Unmöglichkeit der Nachbesserung ist gleichzeitig nicht einer dauernden Unmöglichkeit gleichzusetzen, weil das Fahrzeug in der Zwischenzeit dem Sinn und Zweck des geschlossenen Kaufvertrages entsprechend weiter uneingeschränkt genutzt werden konnte.
(h) Eine Fristsetzung zur Mangelbeseitigung war vorliegend auch nicht im Sinne von § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB deshalb entbehrlich, weil die Nachbesserung zwingend durch denjenigen durchgeführt werden muss, der den Mangel arglistig verschwiegen hat.
Soweit der Kläger pauschal behauptet, der Beklagten zu 1) sei die streitgegenständliche Software bekannt gewesen, stellt sich dies als eine unzulässige sog. „Behauptung ins Blaue hinein“ dar: Angesichts der vom Kläger selbst dargestellten internationalen Entwicklung des sog. „Abgasskandals“ hätte er vereinzelt darlegen müssen, woher er der Erkenntnis hat, dass Markenhändler wie die Beklagte zu 1) instruiert waren.
Eine etwaige Kenntnis der Verantwortlichen der Beklagten zu 2) von der streitgegenständlichen Software muss sich die Beklagte zu 1) nicht zurechnen lassen, da jene nicht Erfüllungsgehilfen der Beklagte zu 1) gem. § 278 Abs. 1 BGB waren. Beim Kaufvertrag ist schon der Lieferant - der die Beklagte zu 2) noch nicht einmal war - im Verhältnis zum Käufer nicht Erfüllungsgehilfe, da die Pflicht des Verkäufers sich nicht auf die Herstellung der Kaufsache erstreckt (Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 278, Rn. 13, m. w. N.). Soweit OLG Köln, Beschluss vom 20.12.2017, 18 U 112/17 einem Vertragshändler das Verhalten des Herstellers wegen der bestehenden dauerhaften Geschäftsbeziehung zurechnet, fehlt es an einer gesetzlichen Anknüpfung.
Schließlich führt das arglistige Verschweigen eines Mangels nur in der Regel dazu, dass die für eine Nacherfüllung erforderliche Vertrauensgrundlage entfällt und damit keine Veranlassung besteht, dem Verkäufer nach Entdecken des Mangels durch den Käufer eine zweite Chance zu gewähren (BGH, Urteil vom 09.01.2008, VIII ZR 210/08, zit. nach juris, Rn. 19). Würde man eine der Beklagten zu 1) irgendwie zurechenbare Arglist annehmen, ließe der Umstand, dass die Nachbesserung in Absprache und unter Aufsicht der zuständigen Behörde erfolgt, eine Ausnahme vom vorgenannten Grundsatz zu.
(i) Eine Fristsetzung ist auch nicht im Sinne von § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB deswegen entbehrlich, weil der Kläger befürchtet, dass das beabsichtigte Software-Update zu Folgemängeln führen wird.
Dem klägerseits zitierten Bericht des XXX ist diesbezüglich zunächst nichts zu entnehmen. Vielmehr gibt der Genannte dort selbst an, dass er nicht sicher angeben kann, ob die dort genannten - vereinzelten, denn nur 4% der Fahrzeuge waren betroffen - Probleme tatsächlich auf das Softwareupdate zurückzuführen sind.
Das vom Kläger im Zusammenhang mit seinen Angaben zu den Ausführungen des XXX weiter zitierte Sicherheitsproblem macht eine Fristsetzung zur Mangelbeseitigung ebenfalls nicht entbehrlich, weil dieses Problem schon nach der eigenen Darstellung des Klägers beim Dieselpartikelfilter generell - also losgelöst vom Softwareupdate - auftreten kann. Zur Wahrscheinlichkeit des zitierten Sicherheitsproblems ergibt sich im Übrigen schon aus dem vom Klägervertreter insoweit nicht vollständig zitierten Bericht des MDR, dass Problemen mit dem Dieselpartikelfilter ein Defekt des Abgasrückführungsventil vorhergeht, welches durch ein Aufleuchten der Motor-Kontrolllampe angezeigt wird.
Schließlich hat der Gesetzgeber die Möglichkeit, dass auch nach der (ersten) Nacherfüllung Mängel verbleiben oder entstehen, in § 440 S. 2 BGB vorhergesehen, wonach eine Nachbesserung (jedenfalls grundsätzlich, wobei vorliegend kein Grund ersichtlich ist, von diesem Grundsatz abzuweichen) erst nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen gilt. Der Kläger hat das von ihm beschriebene Risiko also zunächst hinzunehmen. Der Rücktritt vom Kaufvertrag bleibt ihm für den Fall, dass die durchgeführte Nachbesserung fehlschlagen sollte, unbenommen (Vgl. LG Münster, Urteil vom 05.04.2017, 10 O 359/16, zit. nach juris, Rn. 118. Im Ergebnis unter dem Stichwort „Vorrang der Nacherfüllung“ LG Düsseldorf, Urteil vom (24.10.2016, 21 O 10/16, zit. nach juris, Rn. 33.).
(j) Eine Fristsetzung ist auch nicht im Sinne von § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB deswegen entbehrlich, weil infolge des Software-Updates eine Herabsetzung der Lebensdauer wesentlicher Motorenbauteile eintritt oder wenigstens zu befürchten ist.
(aa) Zunächst ist die genannte Behauptung - prozessual - unbeachtlich, da sie sich vor folgendem Hintergrund als sog. „Behauptung ins Blaue hinein“ darstellt:
- Das Kraftfahrtbundesamt hat mit Schreiben vom 04.04.2016 - von dessen Existenz das Gericht aus o.g. Gründen ausgeht - bestätigt, dass die Grenzwerte betreffend Dauerhaltbarkeit von emissionsmindernden Einrichtungen nach Aufspielen des Softwareupdates eingehalten werden.
- Zudem sind Langzeiterfahrungen über die Auswirkungen des Softwareupdates nicht dargelegt.
- Die behaupteten bereits in anderen Fällen eingetretenen Probleme müssen nicht auf das Softwareupdate zurückzuführen sein, sondern können im Ansatz schon vor dem Update vorhanden gewesen sein, wofür spricht, dass sie sehr zeitnah nach dem Update eingetreten sind und selbst nach der Darstellung der Klägerin nicht der Regelfall sind.
(bb) Würde man die o.g. Behauptung des Klägers prozessual beachten, wäre weiter zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu 1) dem Kläger bei Abschluss des Kaufvertrages keine Zusagen betreffend die Lebensdauer von Motorenbauteilen gemacht hat, die darüber hinausgehen, dass auftretende Mängel innerhalb der gesetzlichen Gewährleistung beseitigt werden. Der Nacherfüllungsanspruch des Käufers aber kann nicht weiter reichen als der ursprüngliche Erfüllungsanspruch (für den Nachlieferungsanspruch BGH, Urteil vom 17.12.2012, VIII ZR 226/11, zit. nach juris, Rn. 24). Eine Verkürzung der Lebensdauer von Motorenbauteilen wird der Kläger daher erst im Falle deren Realisierung im Umfang ggf. bestehender Gewährleistungsansprüche geltend machen können.
(k) Eine Fristsetzung zur Nachbesserung ist schließlich auch nicht gem. §§ 326 Abs. 5, 275 Abs. 1 BGB entbehrlich, weil das Fahrzeug auch nach einem Softwareupdate mit einem merkantilen Minderwert behaftet bleibt:
Für den Fall eines sog. Unfallwagens ist anerkannt, dass ein Rücktritt auch ohne vorherige Fristsetzung zur Nachbesserung gem. § 326 Abs. 5, 275 Abs. 1 BGB möglich ist, weil der Charakter des Fahrzeugs als Unfallwagen und ein damit verbundener merkantiler Minderwert auch nach einer technischen Reparatur verbleibt (BGH, Urteil vom 10.10.2007, VIII ZR 330/06, zit. nach juris, Rn. 23; BGH, Urteil vom 07.06.2006, VIII ZR 209/05, zit. nach juris, Rn. 17). Hintergrund dieser Rechtsprechung ist die über Jahrzehnte gewonnene Erfahrung, dass trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines Fahrzeugs bei einem großen Teil des Publikums, vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Fahrzeuge besteht (so schon BGH, Urteil vom 29.04.1958, VI ZR 82/57, zit nach juris, Rn. 4).
Ob die vorgenannte Rechtsprechung auf die vorliegende Fallkonstellation übertragbar ist, erscheint bereits äußerst fraglich, weil eine vergleichbare langjährige Erfahrung, dass sich der Umstand, dass ein Fahrzeug vom sog. „Abgasskandal“ betroffen war, nicht korrigierbar auf dessen Verkäuflichkeit preismindernd auswirkt, fehlt.
Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen, weil der Kläger einen Wertverlust nicht hinreichend vereinzelt dargelegt hat. Zunächst ging er selbst davon aus, dass aktuell die Preise nicht sinken. Zuletzt zitierte er dann einen Vertreter des Volkswagen und Audi Partnerverbandes, wobei sich indes aus dem Vortrag nicht ergibt, dass der dort beklagte Minderwert von bis zu 3.000 € gerade auf der streitgegenständlichen Software und nicht etwa darauf beruht, dass Dieselfahrzeuge generell aus anderen Gründen in der Gunst der Käufer nachgelassen haben. Eine vereinzelte Darstellung eines etwaigen auf die streitgegenständliche Software zurückzuführenden Preisverfalls wäre dem Kläger dabei angesichts der Transparenz des Kraftfahrzeugmarktes möglich gewesen.
cc) Unverhältnismäßigkeit gem. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB:
Schließlich ist im vorliegenden Fall das Rücktrittsrecht des Klägers auch gem. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen, weil die in der Mangelhaftigkeit der Kaufsache liegende Pflichtverletzung - abzustellen ist vorliegend allein auf die streitgegenständliche Motorsoftware, da der Kläger nicht dargelegt hat, dass mit dem OBD-System oder einer illegalen Getriebesoftware weitere Mängel vorhanden sind, und er sich auf den Mangel „Kraftstoffverbrauch“ wegen der Verjährungseinrede der Beklagten zu 1) nicht mehr berufen kann - unerheblich ist.
Die Beurteilung der Frage, ob eine Pflichtverletzung unerheblich im genannten Sinne ist, erfordert eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls, wobei auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen ist (BGH, Urteil vom 28.05.2014, VIII ZR 94/13, zit. nach juris. Rn. 16). Indiziert wird die Erheblichkeit jedenfalls in der Regel durch einen Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB (BGH, Urteil vom 06.02.2013, VIII ZR 374/11, zit. nach juris, Rn. 16). Bei behebbaren Mängeln ist - zumal zentral - auf die Kosten der Mangelbeseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis abzustellen. Bei nicht behebbaren Mängel ist auf die von diesen ausgehenden funktionelle und ästhetische Beeinträchtigung abzustellen (Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 323, Rn. 23) Ansonsten ist etwa auch die Schwere des Verschuldens des Schuldners abzustellen, wobei bei Arglist - wiederum nur in der Regel - eine unerhebliche Pflichtverletzung zu verneinen ist.
Das Gericht geht davon aus, dass die Beklagte zu 1) die Beweislast für die Unerheblichkeit der Pflichtverletzung im Sinne von § 323 Abs. 5 S. 2 BGB zu trägt (OLG Hamm, Urteil vom 09.06.2015, I-28 U 60/14, zit. nach juris, Rn. 65; von Staudinger/Schwarze, BGB, Neubearb. 2015, § 323, Randziffer F4; a. A. OLG Koblenz, Beschluss vom 27.09.2017, 2 U 4/17, zit. nach juris, Rn. 26, wonach sich aus § 323 BGB eine Beweislastumkehr ergeben soll.).
Ob ein Mangel im Sinne der o.g. Rechtsprechung behebbar ist, richtet sich danach, ob der Verkäufer im maßgeblichen Zeitpunkt der Rücktrittserklärung zur Beseitigung desselben konkret in der Lage ist; ob ihm die Mängelbeseitigung möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt noch gelingen kann, ist ohne Belang (BGH, Urteil vom 06.02.2013, VIII ZR 374/11, zit. nach juris, Rn. 18; BGH, Urteil vom 26.10.2016, VIII ZR 240/15, zit. nach juris, Rn. 29).
Vorliegend stellte die streitgegenständliche Motorsoftware im maßgeblichen Zeitpunkt der Rücktrittserklärung einen nicht behebbaren Mangel im Sinne der genannten Rechtsprechung dar, da noch nicht einmal eine behördliche Freigabe des Updates vorlag.
Funktionelle Beeinträchtigungen waren im Zeitpunkt des Rücktritts mit der Software nicht verbunden. Das Fahrzeug konnte gefahren werden. Schritte in Richtung der Entziehung der Typgenehmigung, die nachfolgend zu einer Nutzungsuntersagung gem. § 5 FZV durch die zuständigen Landesbehörden hätten führen können, waren vom KBA nicht eingeleitet worden.
Ein Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB liegt nicht vor (s.o.).
Eine zur Verneinung einer unerheblichen Pflichtverletzung führende Arglist der Beklagten zu 1) ist nicht zu berücksichtigten. Eine etwaige Kenntnis der Verantwortlichen der Beklagten zu 2) von der streitgegenständlichen Software muss sich die Beklagte zu 1) nicht zurechnen lassen (s.o.).
Im Rahmen der Abwägungsentscheidung ein Insolvenzrisiko anzunehmen, erscheint betreffend beide Beklagten spekulativ (anders aber OLG Köln, Beschluss vom 20.12.2017, a. a. O.).
Eine Mangelbeseitigung war schließlich auch nicht auf Dauer unmöglich:
Sie war technisch möglich (s. o.). Auf die Frage, ob das Fahrzeug nach dem Aufspielen des Updates die Grenzwerte im normalen Straßenverkehr einhält, kommt es nicht an (s. o.).
Dass eine Mangelbeseitigung nicht möglich war, weil das Fahrzeug auch nach dem Update mit einem merkantilen Minderwert behaftet bleibt, ist - losgelöst von der Frage, ob die entsprechende Rechtsprechung zum sog. „Unfallwagen“ auf die vorliegende Fallkonstellation überhaupt übertragbar ist - ebenfalls nicht dargelegt (s.o.).
2. Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281, 433, 434, 437 BGB
Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 1) auch aus §§ 280 Abs. 1, 3, 281, 433, 437 BGB kein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises zu und zwar
- betreffend das „OBD-System“, weil bereits ein Mangel nicht hinreichend vereinzelt dargelegt wurde, ferner keine Fristsetzung zur Mangelbeseitigung erfolgt ist und auch keine Umstände dargelegt sind, aufgrund derer eine solche entbehrlich ist;
- betreffend den „Kraftstoffverbrauch“, weil keine Fristsetzung zur Mangelbeseitigung erfolgte, auch keine Umstände, aufgrund derer eine solche entbehrlich ist, dargelegt wurden, und, weil die Einrede der Verjährung greift;
- betreffen die „Getriebesoftware“, weil bereits ein Mangel nicht hinreicht vereinzelt dargelegt wurde und
- betreffend die „Software“, weil keine Umstände dargelegt wurden, aufgrund derer eine Fristsetzung zur Mangelbeseitigung entbehrlich ist, und. weil die insoweit vorliegende Pflichtverletzung im Sinne von § 281 Abs. 1 S 3 BGB - es gelten dieselben Maßstäbe wie bei § 323 Abs. 5 S. 2 BGB (Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 281, Rn. 47), so dass auf die diesbezüglichen obigen Ausführungen verwiesen werden kann - unerheblich war.
3. Anspruch nach den Grundsätzen der Prospekthaftung:
Ein Anspruch auf Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt einer (nicht spezialgesetzlich geregelten) Prospekthaftung gem. §§ 311, 241 Abs. 2 BGB ist nicht schlüssig dargelegt. Eine Haftung im vorgenannten Sinne wurde von der Rechtsprechung für den sog. „grauen“, nicht organisierten Kapitalmarkt vor dem Hintergrund entwickelt, dass in jenem Markt das Emissionsprospekt die einzige Informationsquelle für den interessierten Kapitalanleger darstellt. Nur wenn die dortigen Angaben vollständig und richtig sind, kann der Interessent die ihm angebotene Kapitalanlage objektiv beurteilten und vor allem sein Anlagerisiko richtig einschätzen (vgl. BGHZ 111, 114 ff.). Im vorliegenden Fall eines Autokaufs ist die Grundsituation gänzlich anders. Der Kunde kann sich nicht nur aus Verkaufsprospekten, sondern auch aus Testberichten einer Vielzahl einschlägiger Zeitschriften informieren. Ferner kann er sich ein vergleichbares Fahrzeug im Showroom anschauen und ggf. sogar Probe fahren.
4. Ansprüche im Zusammenhang damit, dass die Beklagte zu 2) Erfüllungsgehilfe der Beklagten zu 1) sein soll:
Ein Anspruch scheidet schließlich auch aus, soweit der Kläger - wobei die Anspruchsgrundlagen unklar bleiben - einen Anspruch gegen die Beklagte zu 1) unter dem Gesichtspunkt sieht, dass die Beklagte zu 2) als ein Erfüllungsgehilfe gem. § 278 BGB der Beklagten zu 1) anzusehen sei (s.o.).
5. Anspruch aus §§ 812 Abs. 1. S. 1, 142 Abs. 1, 123 Abs. 1 1. Alt. BGB:
Ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises aus §§ 812 Abs. 1. S. 1, 142 Abs. 1, 123 Abs. 1 1. Alt. BGB wegen des arglistigen Verschweigens von Mängeln scheidet ebenfalls aus:
Soweit der Kläger pauschal behauptet, der Beklagten zu 1) sei die streitgegenständliche Software bekannt gewesen, stellt sich dies als eine unzulässige sog. „Behauptung ins Blaue hinein“ dar: Angesichts der vom Kläger selbst dargestellten internationalen Entwicklung des sog. „Abgasskandals“ hätte er vereinzelt darlegen müssen, woher er der Erkenntnis hat, dass Markenhändler wie die Beklagte zu 1) instruiert waren.
Eine etwaige Arglistig der Verantwortlichen der Beklagten zu 2) wird der Beklagten zu 1) nicht zugerechnet, weil es sich bei den Verantwortlichen der Beklagten zu 2) im Verhältnis zur Beklagten zu 1) um Dritte im Sinne von § 123 Abs. 2 BGB handelt. Wer Dritter im Sinne von § 123 Abs. 2 BGB ist, ist umstritten. Nach der Rspr. des BGH ist Dritter nicht der vom Erklärungsgegner des Anfechtenden beauftragte Verhandlungsführer oder Verhandlungsgehilfe, die die Beklagte zu 2) vorliegend ersichtlich nicht war. Darüber hinaus scheidet als Dritter im Sinne von § 123 Abs. 2 BGB auch derjenige aus, der wegen seiner engen Beziehungen zum Erklärungsgegner des Anfechtenden als dessen Vertrauensperson erscheint oder aufgrund besonderer Umstände nach Billigkeitsgesichtspunkten im Einzelfall selbst eine Person, die nicht Vertreter oder Vertrauensperson des Erklärungsgegners ist oder zu sein scheint. Indes sind auch die letztgenannten Personen nur dann keine Dritte im Sinne von § 123 Abs. 2 BGB, wenn sie an den konkreten Vertragsverhandlungen beteiligt waren (BGH, Urteil vom 06.07.1978, III ZR 63/78, zit. nach juris, Rn. 28). Anknüpfungspunkt für die Zurechnung des Verhaltens eines Dritten ist nämlich der Umstand, dass der Erklärungsgegner des Anfechtenden sich bei den Vertragsverhandlungen und der mit der Erfüllung der mit deren Aufnahme bestehenden Pflicht, den Vertragspartners nicht zu täuschen, einer anderen Person bedient. Die Beklagte zu 2) aber hat vorliegende an den Vertragsverhandlungen nicht konkret mitgewirkt (Im Ergebnis für das vorliegende Verhältnis zwischen Vertragshändler und Hersteller ebenso und deutlich: OLG Hamm, Beschluss vom 19.06.2017, 2 U 39/17, zit. nach juris, Rn. 14 ff.).
III. Zum Klageantrag zu Ziffer 3.:
Betreffend den Klageantrag zu Ziffer 3. ist die Klage zulässig, aber nicht begründet. Da der Kläger gegen die Beklagte zu 1) keinen Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises hat, befindet sich die Beklagte zu 1) mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs nicht im Annahmeverzug.
IV. Zum Klageantrag zu Ziffer 4.:
Ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen zwecks Durchsetzung eines Anspruchs auf Rückzahlung des Kaufpreises/Zahlung von Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises entstandenen Rechtsanwaltskosten steht dem Kläger gegen die Beklagten zu 1) und 2) nicht zu:
1. Anspruch gegen die Beklagte zu 1):
Ein Ausgleich von Rechtsanwaltskosten nach § 439 Abs. 2 BGB kommt nur in Betracht, soweit diese zur Auffindung des zu beseitigenden Mangels notwendig waren (OLG Nürnberg, Urteil vom 20.02.2017, 14 U 199/16, zit. nach juris, Rn. 49; für §§ 634, 635 BGB auch BGH, Urteil vom 17.02.1999, X ZR 40/96, zit. nach juris, Rn. 10). Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 25.01.2016 stand nicht im Zusammenhang mit Auffindung von der Ursache von Mangelerscheinungen und der Klärung der Verantwortlichkeit für den Mangel.
Ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB scheidet aus, das es sich bei den Rechtsanwaltskosten der streitgegenständlichen Art um typische Verzögerungsschäden handelt, die nur unter den zusätzlichen Bedingungen der §§ 280 abs. 2, 286 BGB zu erstatten sind.
Ein Anspruch aus §§ 280, 286 11BGB scheidet aus, weil die Beklagte zu 1) im Zeitpunkt der außergerichtlichen Beauftragung des Klägervertreters mit der Rückzahlung des Kaufpreises/Zahlung von Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises nicht in Verzug war.
Mangels eines Anspruches dem Grunde nach - s.o. - steht dem Kläger auch im Übrigen unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes kein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu.
2. Anspruch gegen die Beklagte zu 2):
a) Ansprüche im Zusammenhang mit einer unwirksamen EG-Übereinstimmungsbescheinigung:
Ein Anspruch scheidet aus, da bereits nicht ersichtlich ist, warum die Beklagte zu 2) - die XXX AG -, die nicht Herstellerin des verfahrensgegenständlichen Fahrzeugs ist, dem verfahrensgegenständlichen Fahrzeug eine EG-Übereinstimmungsbescheinigung beigefügt haben soll.
b) Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB:
Ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB scheidet aus.
a) Zunächst hat der Kläger keine relevante Täuschung dargelegt:
Eine aktive Täuschung der Beklagten zu 2) - der Volkswagen AG - betreffend das verfahrensgegenständliche Fahrzeug - einen XXX - hat der Kläger nicht dargelegt.
Eine strafrechtlich relevante Täuschung durch Unterlassen wiederum setzt eine - vorliegend nicht dargelegte - Garantenstellung gem. § 13 Abs. 1 StGB, nämlich voraus, dass der Täter als „Garant“ für die Abwendung des Erfolgs einzustehen hat, die es rechtfertigt, ein Unterlassen dem aktiven Tun gleichzustellen. Die Erfolgsabwendungspflichten beruhen auf dem Grundgedanken, dass eine bestimmte Person - zumal in besonderer Weise - zum Schutz des gefährdeten Rechtsgutes aufgerufen ist und dass alle übrigen Beteiligten auf das helfende Eingreifen dieser Person vertrauen und vertrauen dürfen (OLG Bamberg, Beschluss vom 08.03.2013, 3 Ws 4/12, zit. nach juris, Rn. 18). Der Täter muss rechtlich verpflichtet sein, den deliktischen Erfolg abzuwenden. Eine sittliche Pflicht oder die bloße Möglichkeit, den Erfolg zu verhindern, genügen nicht (BGH, Urteil vom 02.12.2014, VI ZR 501/13, zit. nach juris, Rn. 13). Soweit es - wie vorliegend - um einen Kaufvertrag geht, wird eine Aufklärungspflicht bereits des Verkäufers- mit dem immerhin ein Vertragsverhältnis besteht - erst dann gesehen, wenn es um wertbildende Faktoren der Kaufsache von ganz besonderem Gewicht geht (BayObLG, Beschluss vom 09.12.1993, 3 St RR 127/93, zit. nach juris, Rn. 24, 25; ausdrücklich ist dort auch von einem wucherhaften Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung die Rede). Die weitere „Entfernung“ der Beklagten zu 2) zum Kläger im vorliegenden Fall - bei der Beklagten zu 2) handelt es sich „nur“ um einen Lieferanten des Herstellers des verfahrensgegenständlichen Fahrzeugs - dürfte es sogar rechtfertigen, das Bestehen einer Aufklärungspflicht wenn nicht gar auszuschließen, so aber doch mindestens auf „Vollkatastrophen“ zu beschränken, also auf Umstände, die dazu führen, dass der Kaufgegenstand (fast) wertlos ist oder überhaupt nicht mehr genutzt werden kann. Letztendlich kann diese Frage aber dahinstehen:
Der Kläger hat nicht vereinzelt dargelegt, dass - was die Aufklärungspflicht eines Verkäufers ausgelöst hätte - die Fehlerhaftigkeit der verfahrensgegenständlichen Software und die sonstigen beschriebenen Probleme am Markt einen wertbildenden Faktor von ganz besonderem Gewicht darstellen, dergestalt, dass es zu einem erheblichen Preisverfall der davon betroffenen Fahrzeuge gekommen ist (s.o.)
Ferner hat der Kläger auch nicht dargelegt, dass das Fahrzeug überhaupt nicht mehr genutzt werden darf. Insbesondere ergibt sich dies nicht aus dem Umstand, dass die Typgenehmigung automatisch erloschen ist oder mindestens zwingend widerrufen werden muss:
Die Typgenehmigung ist nicht (beschränkt auf das streitgegenständliche Fahrzeug, denn weiter würde die Wirkung der Vorschriften selbst im Falle ihres Eingreifens nicht gehen) gem. §§ 19 Abs. 7, Abs. 2 S. 2 Nr. 3 StVZO erloschen (s.o.)
Die Typgenehmigung ist auch nicht analog §§ 19 Abs. 2, Abs. 2 S. 2 Nr. 3 StVZO erloschen (s.o.).
Auch aus pflichtwidrigem Vorverhalten Tun (Ingerenz) ergibt sich vorliegend schließlich keine Garantenpflicht zugunsten des Klägers. Eine Pflichtwidrigkeit löst im Einzelfall nämlich nur dann eine Garantenpflicht aus, wenn die verletzte Norm gerade dem Schutz des fraglichen Rechtsgutes zu dienen bestimmt ist (Schönke/Schröder/Stree/ Bosch, StGB, 28. Aufl., § 13, Rn. 35a mwN). Als pflichtwidriges Vorverhalten der Verantwortlichen der Beklagten zu 2) kommt vorliegend allein ein Verstoß gegen die maßgeblichen europarechtlichen Normen, die den Einsatz von Abschalteinrichtungen verbieten, in Betracht. Diese dienen indes ersichtlich nicht dem Schutz der hier allein betroffenen Vermögensinteressen der Klägerin, sondern gesamtgesellschaftlichen Zielen, nämlich der Weiterentwicklung des Binnenmarkts durch Harmonisierung der technischen Vorschriften über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen sowie der Sicherstellung eines hohen Umweltschutzniveaus.
c) Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 16 UWG:
Ein Anspruch scheidet schon deswegen aus, da der Kläger nicht eine werbende Äußerung der Beklagten zu 2) - der Volkswagen AG - betreffend das verfahrensgegenständliche Fahrzeug - einen Audi - vereinzelt dargelegt hat.
d) Anspruch aus § 826 BGB:
Ein Anspruch aus § 826 BGB, namentlich eine sittenwidrige Schädigung ist ebenfalls nicht dargelegt:
Soweit die Verantwortlichen der Beklagten zu 2) nach Auffassung des Klägers gegen §§ 211, 212, 223 ff. BGB verstoßen haben, ist dies nicht geeignet, einen Schadenersatzanspruch des Klägers unter dem Gesichtspunkt des sittenwidrigen Verhaltens auszulösen: Für Ansprüche aus unerlaubten Handlungen - auch für solche aus § 826 BGB - gilt, dass die Ersatzpflicht auf solche Schäden beschränkt ist, die in den Schutzbereich des verletzten Ge- oder Verbots fallen (BGH, Urteil vom 11.11.1985, II ZR 109/84, zit. nach juris, Rn. 15). Die genannten Vorschriften dienen - sicher - nicht dem Schutz des vom Kläger geltend gemachten Vermögensinteresses.
Ob weiter schon der Verstoß gegen die VO EG 715/2007 an sich sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB ist, kann dahinstehen, da die Verordnung ebenfalls nicht dem Schutz des hier geltend gemachten Vermögensinteressen dient (s.o.).
Als Ansatzpunkt für eine Haftung nach § 826 BGB kommt schließlich noch das Verschweigen von Umständen, die für den Kaufentschluss des Klägers von Relevanz waren, allen voran also das Verschweigen der verfahrensgegenständlichen Software in Betracht. Das Verschweigen eines Umstandes aber rechtfertigt nicht ohne weiteres den Vorwurf eines Sittenverstoßes, sondern nur dann, wenn eine Seite der anderen zu entsprechender Offenbarung verpflichtet ist. Eine Offenbarungspflicht entsteht, wenn die andere Seite nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eine Mitteilung erwarten durfte. Selbst innerhalb einer - vorliegend noch nicht einmal bestehenden - vertraglichen Beziehung darf der Vertragspartner nach Treu und Glauben nicht eine vollumfängliche Information über alle Belange des Geschäftes erwarten; es besteht also keine allgemeine Offenbarungspflicht. Im Vertragsrecht ist zunächst jedes Privatrechtssubjekt für die Verteidigung seiner Interessen selbst verantwortlich. Das gilt insbesondere für den Kaufvertrag, der von gegensätzlichen Interessen geprägt ist: Jeder möchte möglichst viel für sich selbst rausholen. Die Grenze des nach der Verkehrsauffassung Hinnehmbaren ist erst dann überschritten ist, wenn es um erhebliche wertbildende Umstände beim Kaufvertragsabschluss geht (so ausdrücklich Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl., § 20 Rn. 20; Bamberger/Roth, BGB,3. Aufl., § 826, Rn. 23, Fn. 148, dabei wird - zutreffend - auch auf sich ansonsten ergebende Wertungswidersprüche zu §§ 123, 124 BGB hingewiesen; im Ergebnis auch Staudinger/Oechsler, BGB, 2014, § 826, Rn. 159, der zunächst nur betreffend erhebliche Umstände eine Aufklärungspflicht annimmt, einen verborgenen Sachmangel dann als regelmäßig erheblichen Umstand bezeichnet, um dann nur Fälle aufzuzählen, in denen es um erhebliche wertbildende Faktoren geht und im Übrigen an anderer Stelle (Rn. 149) ebenfalls auf drohende Wertungswidersprüche zu §§ 123, 124 BGB hinweist; ähnlich auch BayObLG, Beschluss vom 09.12.1993, 3 St RR 127/93, zit. nach juris, Rn. 24, indes für die Aufklärungspflicht im Rahmen von § 263 StGB, s.o.). Solche Umstände oder gar „Vollkatastrophen“ sind vorliegend nicht dargelegt (s.o.).
V. Prozessuale Nebenentscheidungen:
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
VI. Streitwert: Wertstufe bis 65.000 €