Landgericht Braunschweig
Urt. v. 07.03.2018, Az.: 3 O 908/17

Abgasskandal; passive Stellvertretung; Nacherfüllungsfrist; Mitwirkungspflicht

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
07.03.2018
Aktenzeichen
3 O 908/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74054
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Ist der Autokaufvertrag mit dem Fahrzeughersteller über ein Autohaus im Rahmen eines sog. Agenturgeschäfts zustande gekommen, kann der Käufer Anfechtung und Rücktritt - bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen - nach § 164 Abs. 3 BGB (passive Stellvertretung) auch gegenüber dem Autohaus mit unmittelbarer Wirkung gegen den Fahrzeughersteller erklären.
2. Setzt der Autokäufer dem Autohaus als Vertreter des verkaufenden Fahrzeugherstellers im Zusammenhang mit dem sog. Abgasskandal eine angemessene Frist zur Mangelbeseitigung und bittet der Fahrzeughersteller den Käufer rechtzeitig vor Ablauf der Frist, sich umgehend zwecks Terminvereinbarung für das zur Verfügung stehende Software-Update mit einer autorisierten Werkstatt zur Verbindung zu setzen, ist die Fristsetzung wegen Verstoßes gegen die dem Käufer obliegende Mitwirkungsplicht wirkungslos, wenn der Käufer die Vereinbarung eines Werkstatt-Termins innerhalb der gesetzten Frist durch die Wahl eines ungeeigneten Weges zur kurzfristigen Terminvereinbarung (hier: nur acht Werkstatt-Tage vor Ablauf der Frist verfasstes und anschließend per Post versandtes Anwaltsschreiben mit Terminvorschlägen an das Autohaus, dessen Mitarbeiter der Käufer ist) selbst vereitelt.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: Wertstufe bis 35.000,00 €.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten im Zusammenhang mit dem sog. Abgasskandal die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe seines bei der Beklagten gekauften Autos.

Der Kläger kaufte durch Bestellung vom 11.12.2014 (Anlage K 5) und Auftragsbestätigung der Beklagten (Anlage K 2) im Rahmen eines Agenturgeschäftes über die xxx, deren Mitarbeiter er ist und die als Agentin für die Beklagte handelte, einen neuen Pkw xxx zum rabattierten Kaufpreis von 33.664,26 € (Rechnung der Beklagten vom 13.02.2015, Anlage K 5), der nach Zahlung des Kaufpreises im Februar 2015 an ihn ausgeliefert wurde.

Dieser Pkw ist mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 EU5 ausgestattet, deren Herstellerin ebenfalls die Beklagte ist. Das Kraftfahrt-Bundesamt (im Folgenden: KBA) kam mit - nicht angefochtenem - Bescheid vom 15.10.2015 - xxx - (Anlage B 9) zu dem Ergebnis, dass diese Motoren mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausgerüstet seien, und ordnete als nachträgliche Nebenbestimmungen für die jeweils erteilten Typgenehmigungen gem. § 25 Abs. 2 EG-FGV an, dass die Beklagte zur Vermeidung des Widerrufs oder der Rücknahme der Typgenehmigungen verpflichtet ist, die unzulässigen Abschalteinrichtungen zu entfernen sowie geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen, was durch Beibringen geeigneter Nachweise zu belegen ist.

Die Beklagte informierte den Kläger mit Rundschreiben aus Februar 2016 (Anlage K 3) darüber, dass der in seinem „Fahrzeug eingebaute Dieselmotor von einer Software betroffen ist, durch welche die Stickoxidwerte (NOx) im Vergleich zwischen Prüfstandlau (NEFZ) und realem Fahrbetrieb verschlechtert werden“, versicherte ihm, dass sein Fahrzeug technisch sicher, fahrbereit und ohne jegliche Einschränkung in gewohnter Weise nutzbar sei, dass sie mit Hochdruck an der Organisation der Rückrufmaßnahme durch zuständige Werkstätten arbeite, dass die Instandsetzung aufgrund der Vielzahl der zu entwickelnden technischen Lösungen in mehreren Stufen im Kalenderjahr 2016 erfolgen werde, dass die Reparaturmaßnahmen für das 2,0 l-Aggregat ab KW 09/16 in den Werkstätten starteten und er dann in einem weiteren Anschreiben von ihr noch einmal konkret aufgefordert werde, umgehend einen Termin mit einem autorisierten xxx Partner zur Durchführung der notwendigen Reparaturmaßname auf ihre Kosten zu vereinbaren.

Mit Schreiben vom 01.06.2016 (Anlage B 1) bestätigte das KBA unter Bezugnahme auf seinen Bescheid xxx vom 15.10.2015 (bei der Datumsangabe 14.10.2015 handelt es sich um einen offenbaren Übertragungsfehler), dass für die betroffenen Fahrzeugtypen aus xxx (Verkaufsbezeichnungen: u. a. xxx), der geforderte Nachweis inzwischen geführt worden und dass die von der Beklagten vorgestellte Änderung der Applikationsdaten geeignet sei, die Vorschriftsmäßigkeit der genannten Fahrzeuge herzustellen.

Der Kläger forderte mit Anwaltsschreiben vom 27.09.2016 (Anlage K 4) die xxx wegen der Betroffenheit seines Fahrzeugs vom sog. Abgasskandal zur fachgerechten Mangelbeseitigung bis zum 15.11.2016 auf, drohte für den Fall, dass eine Instandsetzung innerhalb dieser Frist nicht erfolgen sollte, den Rücktritt vom Vertrag an und erklärte zugleich die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung. Die xxx antwortete darauf mit Schreiben vom 05.10.2016 (Anlage K 6), in dem sie ihr Bedauern darüber ausdrückte, dass dem Kläger durch die öffentliche Diskussion über die betreffende Software Unannehmlichkeiten entstanden seien, ihn an die Aussagen der Beklagten erinnerte, dass alle betroffenen Fahrzeuge weiterhin technisch sicher, fahrbereit und uneingeschränkt im Straßenverkehr nutzbar seien, ihm darüber hinaus mitteilte, dass die Beklagte dem KBA die konkreten technischen Maßnahmen bereits vorgestellt, das KBA die vorgeschlagenen Maßnahmen grundsätzlich bestätigt habe und für jeden Fahrzeugtyp individuelle Freigaben erteile, dass die 2,0 l-Aggregate lediglich ein Software-Update benötigten und dass die Bestätigung des KBA für verschiedene Modelle des xxx am 01.06.2016 erfolgt sei, sowie ihn bis zur konkreten Durchführung der Maßnahmen um Geduld und Verständnis bat, zumal das Zuwarten nicht nachteilig sei, weil sie ausdrücklich bis zum 31.12.2017 auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichtete.

Mit Rundschreiben aus Oktober 2016 (Anlage K 7) informierte die Beklagte den Kläger darüber, dass die benötigte Software zur Verfügung stehe, dass sein Fahrzeug nun umprogrammiert werden könne, dass die Maßnahme je nach Arbeitsumfang zwischen 30 Minuten und einer Stunde in Anspruch nehme, dass sie für ihn selbstverständlich kostenlos sei sowie dass bei Nicht-Teilnahme an der Rückrufaktion eine Betriebsuntersagung gem. § 5 FZV durchgeführt werden könne, und bat ihn darum, sich umgehend mit einem autorisierten Partner für xxx in Verbindung zu setzen, damit ein Termin vereinbart werden könne.

Unter Bezugnahme auf dieses Rundschreiben schlug der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 03.11.2016 (Anlage K 8) der xxx vor, das Software-Update in der „KW45, Montag bis Freitag ab 16:00 Uhr“ durchzuführen, bat um Bestätigung eines der genannten Termine oder um Alternativvorschläge. Mit Anwaltsschreiben vom 17.11.2016 (Anlage K 9) erklärte der Kläger gegenüber der xxx wegen ergebnislosen Ablaufs der bis zum 15.11.2016 gesetzten Nachbesserungsfrist den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte sie zur Rückabwicklung des Vertrages bis zum 28.11.2016 auf.

Mit Schreiben vom 14.11.2016 (Bl. 102d. A.), welches versehentlich an die xxx, xxx adressiert war und den Prozessbevollmächtigten des Klägers erst per Telefax vom 21.11.2016 zuging, teilte die xxx dem Kläger mit, dass sie für ihn als Termin für das Software-Updates den 23.11.2016, 17:00 Uhr, reserviert habe. Der Kläger, der sein Auto weiterhin ohne Einschränkungen nutzt, hat diesen Termin nicht wahrgenommen und das Software-Update auch nicht anderweitig durchführen lassen.

Der Kläger ist der Ansicht, er sei von der Beklagten durch Inverkehrbringen des Fahrzeugs ohne Hinweis auf die Abschalteinrichtung und durch die Angabe der Schadstoffwerte in der Prospektwerbung, auf die er ein besonderes Augenmaß gelegt und deshalb auch die als besonders umweltschonend angepriesene Variante „BlueMotion“ bestellt habe, arglistig getäuscht worden und habe infolge der mit Anwaltsschreiben vom 27.09.2016 erklärten Anfechtung sowie des mit Anwaltsschreiben vom 17.11.2016 erklärten Rücktritts einen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückabwicklung des Kaufvertrages, den er ferner auf unerlaubte Handlung stützt.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 33.664,26 €, hilfsweise 33.412,67 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.11.2016 Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs xxx, Fahrzeugidentifikationsnummer xxx, zu zahlen;

2. festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 29.11.2016 mit der Rücknahme in Annahmeverzug befindet;

3. die Beklagte zu verurteilen, ihn vom nicht anrechenbaren Teil der außergerichtlichen Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV RVG zuzüglich Auslagen in Höhe von 860,97 € durch Zahlung an seine Prozessbevollmächtigten freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet, den Kläger getäuscht und geschädigt zu haben. Sie meint, es liege schon kein Mangel vor, jedenfalls aber sei der erklärte Rücktritt gegenüber der durch das Software-Update unproblematisch möglichen und zumutbaren Nachbesserung evident unverhältnismäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Beklagte hat zwar im Motorsteuergerät des klägerischen Fahrzeugs eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 verwendet (1.). Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückabwicklung des streitbefangenen Autokaufs jedoch weder aus §§ 812 Abs. 1, 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB (2.) noch aus §§ 434 Abs. 1, 437 Nr. 2, 323, 346 BGB (3.), aber auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB (4.) oder aus § 826 BGB (5.) zu. Mangels Begründetheit der Hauptforderung konnten auch die Klageanträge zu 2., und 3. keinen Erfolg haben.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der die Kammer folgt, sind Verwaltungsakte in den Grenzen ihrer Bestandskraft für andere Gerichte und Behörden bindend (vgl. hierzu und zum Folgenden: BGH NJW-RR 2007, 398, 399 [BGH 21.09.2006 - IX ZR 89/05] m. w. N.). Gerichte haben Verwaltungsakte deshalb, auch wenn sie fehlerhaft sein sollten, grundsätzlich zu beachten, solange sie nicht durch die zuständige Behörde oder durch ein zuständiges Gericht aufgehoben worden sind. Sie haben die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung oder Feststellung unbesehen, d. h. ohne eigene Nachprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes, zu Grunde zu legen. Durch den bestandskräftigen Rückrufbescheid des KBA vom 15.10.2015 und dessen Freigabebestätigung vom 01.06.2016 ist in diesem Sinne bindend festgestellt bzw. geregelt,

dass es sich bei der in den betreffenden Fahrzeugen verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 handelt;

dass die Beklagte zur Vermeidung des Widerrufs oder der Rücknahme der Typgenehmigungen verpflichtet ist, diese unzulässigen Abschalteinrichtungen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen, was durch Beibringen geeigneter Nachweise zu belegen ist;

dass für die betroffenen Fahrzeuge dieser Nachweis inzwischen geführt wurde und dass die von der Beklagten vorgestellte Änderung der Applikationsdaten geeignet ist, die Vorschriftsmäßigkeit der genannten Fahrzeuge herzustellen;

dass das KBA dabei folgende Sachverhalte mit folgenden Ergebnissen überprüft hat: keine unzulässigen Abschalteinrichtungen mehr, vorhandene Abschalteinrichtungen zulässig, Grenzwerte und andere Anforderungen an emissionsmindernde Einrichtungen eingehalten, ursprünglich vom Hersteller angegebene Kraftstoffverbrauchwerte und CO2-Emissionen in Prüfungen durch einen Technischen Dienst bestätigt, bisherige Motorleistung und maximales Drehmoment unverändert sowie bisherige Geräuschemissionswerte unverändert.

Aus diesen Feststellungen und Regelungen ergibt sich für die zivilrechtliche Würdigung

auf der einen Seite, dass es sich bei der unzulässigen, zu beseitigenden Abschalteinrichtung um einen Sachmangel i. S. von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB handelt, womit dem Kläger die Gewährleistungsrechte aus § 437 BGB eröffnet worden sind,

auf der anderen Seite aber auch, dass die vom KBA freigegebene technische Überarbeitung durch ein Software-Update geeignet ist, diesen Mangel gem. § 439 Abs. 1, 1. Alt. BGB zu beseitigen, die Nachbesserung mithin möglich ist (so im Ergebnis auch OLG Hamm, Beschluss vom 21.06.2016 - 28 W 14/16 -, juris Rn. 37).

2. Soweit der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 27.09.2016 gegenüber der xxx die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung erklärt hat, war die xxx zwar beim Abschluss des Vertrages als Vertreterin der Beklagten aufgetreten und der Kläger zudem in der Anlage zur Auftragsbestätigung der Beklagten ausdrücklich gebeten worden, sich „bei weiteren Fragen zu Abwicklung“ an seinen „zuständigen Verkäufer im Autohaus“ zu wenden, weshalb er nach § 164 Abs. 3 BGB (passive Stellvertretung) Erklärungen mit unmittelbarer Wirkung für und gegen die Beklagten gegenüber der xxx abgeben durfte. Gleichwohl ist die Anfechtungserklärung nicht wirksam geworden, weil die Beklagte den Kläger nicht i. S. von § 123 Abs. 1 BGB arglistig getäuscht hat.

Eine aktive Täuschungshandlung der Beklagten gegenüber dem Kläger ist weder hinreichend dargetan noch ersichtlich. Soweit sich der Kläger auf die Prospektwerbung der Beklagten beruft, hat er schon nicht dargetan, wann er welche Prospekte der Beklagten zur Kenntnis genommen hat. Es ist aber auch gerichtsbekannt, dass in den Verkaufsprospekten der Beklagten seinerzeit lediglich die Abgasnorm („Emissionsklasse“, hier: Euro 5), der Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen angegeben wurden. Durch die streitgegenständliche Motorsteuerungssoftware wird allein der Stickoxid(NOx)-Ausstoß beeinflusst, nicht hingegen der Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen. Wie das KBA in seiner Freigabebestätigung vom 01.06.2016 festgestellt hat, hat ein Technischer Dienst die ursprünglich vom Hersteller angegebenen Kraftstoffverbrauchwerte und CO2-Emissionen im Übrigen auch nach dem Software-Update für bestätigt befunden. Auch die Zulassung nach Euro 5 besteht fort. Konkrete, darüber hinausgehende Angaben der Beklagten, dass das klägerische Fahrzeug die Emissionsgrenzwerte nach Euro 5 im realen Straßenverkehr einhalte oder die Messung auf dem Rollenprüfstand nach dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) den Schadstoffausstoß im Realbetrieb wenigstens annähernd abbilde, hat der Kläger nicht dargelegt.

In Betracht kommt hier deshalb allein eine Täuschung durch arglistiges Verschweigen der verwendeten unzulässigen Abschalteinrichtung. Das Verschweigen von Tatsachen stellt jedoch nur dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsache eine Aufklärungspflicht besteht. Entscheidend dafür ist, ob der andere Teil nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte redlicherweise Aufklärung erwarten durfte. Grundsätzlich ist es Sache jeder Vertragspartei, ihre Interessen selbst wahrzunehmen. Das gilt insbesondere für den Kaufvertrag, der von gegensätzlichen Interessen geprägt ist. Es besteht daher keine allgemeine Pflicht, alle Umstände zu offenbaren, die für die Entschließung des anderen Teils von Bedeutung sein können. Es muss sich vielmehr um besonders wichtige Umstände handeln, die für die Willensbildung der anderen Seite offensichtlich von ausschlagender Bedeutung sind. Das gilt vor allem für Umstände, die den Vertragszweck vereiteln oder erheblich gefährden können oder geeignet sind, dem Vertragspartner erheblichen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 76. Aufl., § 123 Rn. 5, 5b m. w. N.).

Eine solche Aufklärungspflicht würde dann bestehen, wenn durch die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung die EG-Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug erloschen wäre oder deren Entziehung drohen würde. Das ist aber nicht der Fall. Nach § 19 Abs. 7 in Verbindung mit Abs. 2 StVZO erlischt die Betriebserlaubnis - in Form der Wirksamkeit der EG-Typgenehmigung für das einzelne Fahrzeug - zwar dann, wenn Änderungen vorgenommen werden, durch die das Abgas- oder Geräuschverhalten verschlechtert wird. Nach Auffassung der Kammer sind damit jedoch nur Veränderungen am Fahrzeug gemeint, die nach Abschluss des Produktionsprozesses vorgenommen werden. Hierfür spricht nicht nur der Wortlaut, sondern auch die historische Auslegung der Vorschrift. Der Gesetzgeber hat nämlich in der Bundesrats-Drucksache 629/93 zur 16. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, mit dem unter anderem § 19 Abs. 2 StVZO geändert wurde und ihre im Wesentlichen bis heute geltende Fassung erhielt, ausgeführt, dass „die bisherigen EWG-Vorschriften keine Aussagen über Veränderungen an bereits zugelassenen Fahrzeugen treffen“ und daher „gegenwärtig der Schluss gezogen werden [kann], dass den EG-Mitgliedstaaten die Regelungen von Veränderungen an bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeugen überlassen ist“. (vgl. Urteil der Kammer vom 31.08.2017 - 3 O 21/17 -, juris Rn. 117 ff., 137 ff.).

Auch droht keine Entziehung der Gesamtfahrzeug-Typgenehmigung, weil das KBA in seinem Bescheid vom 15.10.2015 sein gem. § 25 Abs. 3 EG-FGV zustehendes Ermessen gerade nicht dahingehend ausgeübt hat, dass es eine Entziehung der EG-Typgenehmigung in die Wege geleitet hat. Die Behörde ist vielmehr nach § 25 Abs. 2 EG-FGV vorgegangen und hat Nebenbestimmungen zur bestehenden Typgenehmigung angeordnet. Doch selbst eine Entziehung der Typgenehmigung hätte erst dann die Folge der Nichtnutzbarkeit des klägerischen Fahrzeugs, wenn die zuständige Landesbehörde daraufhin wiederum von dem ihr gem. § 5 FZV zustehenden Ermessen Gebrauch machen würde, die Nutzung des Fahrzeugs dauerhaft zu untersagen, was eine Entziehung der Zulassung beinhalten würde.

Dass die Verwendung der zwar unzulässigen, aber allein durch ein vom KBA freigegebenes Software-Update zu beseitigende Abschalteinrichtung auf andere Weise einen besonders wichtigen Umstand darstellt, ist weder hinreichend dargetan noch ersichtlich. Das gilt insbesondere für den vom Kläger behaupteten Verbleib eines merkantilen Minderwerts.

Für den Fall eines sog. Unfallwagens ist anerkannt, dass der Charakter des Fahrzeugs als Unfallwagen und ein damit verbundener merkantiler Minderwert als Mangel auch nach einer technischen Reparatur verbleibt (vgl. BGH, Urteil vom 10.10.2007 - VIII ZR 330/06 -, juris Rn. 23). Hintergrund dieser Rechtsprechung ist die am Gebrauchtwagenmarkt gewonnene Erfahrung, dass trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines Fahrzeugs bei einem großen Teil der Kaufinteressenten, vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Fahrzeuge besteht (so schon BGH, Urteil vom 29.04.1958 - VI ZR 82/57 -, juris Rn. 4). Diese Rechtsprechung ist jedoch auf die vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar, weil es im Zusammenhang mit dem sog. Abgasskandal an einer vergleichbaren am Markt gewonnenen Erfahrung fehlt.

Der Kläger hätte deshalb einen Preisverfall seines xxx, der gerade auf die unzulässige Abschalteinrichtung und nicht etwa auf die Diesel-Kraftfahrzeugen allgemein, d. h. unabhängig vom sog. Abgasskandal drohenden, nach den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.02.2018 (BVerwG 7 C 26.16 und 7 C 30.17) ausnahmsweise möglichen kommunalen Verkehrsverbote zurückzuführen ist und der auch durch das für ihn kostenlose Software-Update nicht revisibel ist, konkret darlegen müssen. Ohne solche Anknüpfungstatsachen würde die dazu angebotene Einholung eines Sachverständigengutachtens auf einen im Zivilprozess nicht zulässigen Ausforschungsbeweis hinauslaufen.

3. Der Kläger hat auch nicht mit seinem Anwaltsschreiben vom 17.11.2016 wirksam den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt. Er hat der Beklagten zwar mit seinem - ebenfalls an die xxx gerichteten, jedoch gem. § 164 Abs. 3 BGB unmittelbar gegen die Beklagte wirkenden (siehe oben I. 2., erster Absatz) - Anwaltsschreiben vom 27.09.2016 eine unter den gegebenen Umständen angemessene Frist zur Nacherfüllung i. S. von § 323 Abs. 1 BGB bis zum 15.11.2016 gesetzt, weil zu diesem Zeitpunkt die Freigabebestätigung des KBA vom 01.06.2016 bereits vorlag und im Oktober 2016 dann auch das betreffende Software-Update zur Verfügung stand. Diese Fristsetzung war im Ergebnis aber wirkungslos, weil der Kläger der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht nicht hinreichend nachgekommen ist (vgl. Palandt-Grüneberg, a. a. O., § 323 Rn. 15 m. w. N.).

Mit ihrem Rundschreiben aus Oktober 2016, mit der die Beklagte den Kläger darüber informierte, dass die benötigte Software zur Verfügung stehe und dass sein Fahrzeug nun für ihn kostenlos umprogrammiert werden könne, sowie ihn darum bat, sich umgehend mit einem autorisierten Partner für xxx in Verbindung zu setzen, damit ein Termin vereinbart werden könne, hat die Beklagte rechtzeitig vor Ablauf der vom Kläger gesetzten Frist alles getan, was sie selbst zur Mangelbeseitigung tun musste. Nun war es an dem Kläger, einen Termin innerhalb der von ihm selbst gesetzten Frist mit einem xxx Partner seiner Wahl zu vereinbaren und das Software-Update durchführen zu lassen. Anstatt aber die sich aufdrängende Möglichkeit zu ergreifen, mit der xxx, seinem eigenen Arbeitgeber, direkt vor Ort einen solchen Termin zu vereinbaren, wählte er einen für Werkstatt-Termine völlig unüblichen und vor dem Hintergrund der mit Anwaltsschreiben vom 27.09.2016 bereits wirksam gesetzten Frist auch unnötigen Weg, sich schriftlich mit am 03.11.2016 - einem Donnerstag und damit nur noch acht Werkstatt-Tage vor dem Ablauf der gesetzten Frist am Dienstag, dem 15.11.2016 - verfassten und anschließend per Post versandten Anwaltsschreiben an die xxx zu wenden und dieser einen Termin für die Folgewoche (07. bis 11.11.2016) vorzuschlagen. Auf diese Weise hat er es geradezu provoziert und damit selbst zu vertreten, dass es innerhalb der Nacherfüllungsfrist nicht mehr zu dem von der Beklagten bereits im Oktober angebotenen Software-Update gekommen ist. Auch wenn die xxx mit ihrem Schreiben vom 14.11.2016 noch versucht hat, innerhalb der Frist zu antworten und mit dem Kläger einen zeitnahen Termin zu vereinbaren, dieses Schreiben aber offenbar infolge eines eigenen Büroversehens zunächst an eine andere, eine Vielzahl von Autokäufern gegen die Beklagte im sog. Abgasskandal vertretende Anwaltskanzlei (xxx) versandt und es nach Aufklärung dieses Irrtums erst nach Ablauf der Frist und daraufhin erfolgter Rücktrittserklärung mit Anwaltsschreiben vom 17.11.2016 am 21.11.2016 an die Klägervertreter gefaxt wurde, ändert das nichts daran, dass der Kläger durch die Wahl eines ungeeigneten Weges zur Vereinbarung eines kurzfristigen Werkstatt-Termins eine fristgemäße Nachbesserung letztlich selbst vereitelt und damit gegen seine Mitwirkungspflicht verstoßen hat.

Der Kläger hätte folglich nur dann wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten können, wenn eine vorherige Fristsetzung ausnahmsweise entbehrlich gewesen wäre. Vorliegend ist jedoch keiner der hier in Betracht kommenden Ausnahmetatbestände erfüllt:

a) § 326 Abs. 5 i. V. m. § 275 Abs. 1 BGB berechtigt zum Rücktritt ohne vorherige Fristsetzung, wenn die Nacherfüllung unmöglich ist. Das ist vorliegend nicht der Fall, weil durch die Freigabebestätigung des KBA vom 01.06.2016 festgestellt ist, dass der in der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung bestehende Mangel durch das Software-Update behoben wird und dass dadurch auch keine Nachteile für Grenzwerte und andere Anforderungen an emissionsmindernde Einrichtungen, ursprünglich vom Hersteller angegebene Kraftstoffverbrauchwerte und CO2-Emissionen, bisherige Motorleistung und maximales Drehmoment sowie bisherige Geräuschemissionswerte verbleiben. Zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung lagen sowohl diese Freigabebestätigung als auch die Mitteilung der Beklagten an den Kläger vor, dass die für sein Fahrzeug benötigte Software zur Verfügung stand.

Ein verbleibender merkantiler Minderwert wäre zwar ebenfalls geeignet, die Unmöglichkeit der Nachbesserung zu begründen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 30.06.2016 - 7 W 26/16 -, juris Rn. 7). Insoweit fehlt es hier aber, wie bereits ausgeführt (siehe oben I. 2., letzter Absatz), an einem entsprechenden substantiierten Vorbringen.

b) Nach § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB ist eine Fristsetzung entbehrlich, wenn im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen. Das kommt hier unter zwei Gesichtspunkten in Betracht, nämlich dem des arglistigen Verschweigens des Mangels und dem der Befürchtung, dass das Software-Update entweder nicht erfolgreich sein oder zu Folgemängeln führen könnte. Beide Gesichtspunkte dringen im Ergebnis aber nicht durch.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 08.12.2006 - V ZR 249/05 -, juris m. w. N.) ist der Käufer im Regelfall berechtigt, gem. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB sofort vom Kaufvertrag zurückzutreten, wenn der Verkäufer dem Käufer einen Mangel bei Abschluss des Kaufvertrages arglistig verschwiegen hat. Soweit hier wieder ein arglistiges Verschweigen der unzulässigen Abschalteinrichtung und des damit verbundenen Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 in den Blick kommt, gebietet § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB gleichwohl eine Abwägung der beiderseitigen Interessen, weshalb auch der Bundesgerichtshof ausdrücklich nur von einem „Regelfall“ spricht. Hinter diesem Regelfall steht die Erwägung, dass eine arglistige Täuschung die für die Nacherfüllung erforderliche Vertrauensgrundlage in der Regel beschädigt. Der Käufer hat dann ein berechtigtes Interesse daran, von einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Verkäufer Abstand zu nehmen, um sich vor eventuellen weiteren Täuschungsverboten zu schützen (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 13). Demgegenüber handelt es sich bei der vorliegenden Konstellation insofern um einen Sonderfall, als die von der Beklagten angebotene Nachbesserung in Abstimmung mit dem KBA, d. h. der dafür zuständigen, unabhängigen Bundesbehörde und damit unter staatlicher Aufsicht erfolgt. Die Befürchtung vor einem neuerlichen Täuschungsversuch ist vor diesem Hintergrund von vornherein unbegründet.

Die bloße Möglichkeit oder Befürchtung, dass nach der (ersten) Nachbesserung Mängel verbleiben oder neue Mängel entstehen, begründet nicht die Entbehrlichkeit einer Fristsetzung zur Mangelbeseitigung. Diese Möglichkeit hat der Gesetzgeber vielmehr in § 440 S. 2 BGB ausdrücklich berücksichtigt. Danach gilt eine Nachbesserung jedenfalls grundsätzlich erst nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen. Der Käufer hat das beschriebene Risiko also zunächst hinzunehmen. Die Rechte aus § 437 Nr. 2 BGB bleiben ihm für den Fall, dass die durchgeführte Nachbesserung fehlschlagen sollte, unbenommen.

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang insbesondere auf einen erhöhten Verschleiß verweist, kommt hinzu, dass die Beklagte dem Kläger bei Abschluss des Kaufvertrages gar keine Zusagen betreffend die Lebensdauer von Bauteilen gemacht hat, die darüber hinausgehen, dass auftretende Mängel innerhalb der gesetzlichen Gewährleistung beseitigt werden. Der Nacherfüllungsanspruch des Käufers kann aber nicht weiter reichen als der ursprüngliche Erfüllungsanspruch.

c) Der in § 440 S. 1 3. Alt. BGB geregelte Ausnahmetatbestand der Entbehrlichkeit einer Fristsetzung, wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung diesem unzumutbar ist, setzt schon begrifflich voraus, dass die Nacherfüllung als solche möglich ist. Daraus und aus der verwendeten Formulierung „außer in den Fällen des … § 323 Abs. 2 bedarf es der Fristsetzung auch dann nicht“ ergibt sich, dass es sich um eine Spezialregelung für Fälle handelt, die nicht schon von den §§ 326 Abs. 5 und 323 Abs. 2 BGB erfasst werden. Unter welchem Gesichtspunkt danach § 440 S. 1 3. Alt. BGB hier noch einschlägig sein sollte, ist nicht ersichtlich.

4. Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch aus § 823 BGB i. V. m. § 263 StGB wäre zunächst wiederum eine Täuschung des Klägers durch die Beklagte. Wie bereits ausgeführt (siehe oben o. I. 2.), kommt hier allenfalls eine Täuschung durch fehlende Aufklärung über die unzulässige Abschalteinrichtung, mithin eine Täuschung durch Unterlassen in Betracht.

Ein Betrug durch Unterlassen setzt eine Garantenstellung gem. § 13 Abs. 1 StGB voraus, d. h. dass der Täter als „Garant“ für die Abwendung des Erfolgs einzustehen hat. Soweit es - wie hier - um Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit einem Kaufvertrag geht, wird eine solche Aufklärungspflicht beim Verkäufer erst dann gesehen, wenn es um wertbildende Faktoren der Kaufsache von ganz besonderem Gewicht geht (vgl. BayObLG, Beschluss vom 09.12.1993 - 3 St RR 127/93 -, juris Rn. 24 f.). Nach den obigen Ausführungen zur Anfechtung (siehe oben I. 2.), trifft das auf die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht zu.

Eine Garantenpflicht der Beklagten zugunsten des Klägers ergibt sich auch nicht aus pflichtwidrigem Vorverhalten (Ingerenz). Die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung stellt zwar ein pflichtwidriges Vorverhalten dar. Eine Pflichtwidrigkeit löst im Einzelfall aber nur dann eine Garantenpflicht aus, wenn die verletzte Norm gerade dem Schutz des fraglichen Rechtsgutes zu dienen bestimmt ist (vgl. Schönke/Schröder-Stree/Bosch, StGB, 28. Aufl., § 13 Rn. 35a m. w. N.). Den Erwägungsgründen (1) bis (6) und (27) der verletzten Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ist zu entnehmen, dass diese nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen dient, sondern der Weiterentwicklung des Binnenmarkts durch Harmonisierung der technischen Vorschriften über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich ihrer Emissionen, insbesondere mit dem Ziel der erheblichen Minderung der Stickstoffoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte. Der vom Kläger geltend gemachte Vermögensschaden fällt daher nicht in den Schutzbereich dieser Norm.

Damit scheidet ein Schadensersatzanspruch wegen Betruges aus.

5. Auch für eine Haftung aus § 826 BGB reicht allein der - feststehende - Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht aus. Der Bundesgerichtshof hat vielmehr schon 1985 entschieden (Urteil vom 11.11.1985 - II ZR 109/84 -, juris Rn. 15 m. w. N.), dass für Ansprüche aus unerlaubter Handlung allgemein gilt, dass die Ersatzpflicht auf solche Schäden begrenzt ist, die in den Schutzbereich des verletzten Ge- oder Verbots fallen und dass auf eine derartige Eingrenzung der Haftung, um das Haftungsrisiko in angemessenen und zumutbaren Grenzen zu halten, auch im Rahmen des § 826 BGB nicht verzichtet werden kann. Wie bereits ausgeführt (siehe oben I. 4.), dient die EG-Verordnung aber nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen.

Damit verbleibt auch insoweit allenfalls eine Täuschung durch Verschweigen der unzulässigen Abschalteinrichtung. Das Verschweigen eines Umstandes rechtfertigt aber nicht ohne Weiteres den Vorwurf eines Sittenverstoßes, sondern nur dann, wenn eine Seite der anderen zu entsprechender Offenbarung verpflichtet ist. Eine Offenbarungspflicht entsteht, wenn die andere Seite nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eine Mitteilung erwarten durfte. Auch innerhalb einer vertraglichen Beziehung darf der Vertragspartner nach Treu und Glauben nicht eine vollumfängliche Information über alle Belange des Geschäftes erwarten. Es besteht keine allgemeine Offenbarungspflicht, weil im Vertragsrecht zunächst jedes Privatrechtssubjekt für die Verteidigung seiner Interessen selbst verantwortlich ist. Die Grenze des nach der Verkehrsauffassung Hinnehmbaren ist auch im Rahmen von § 826 BGB erst dann überschritten, wenn es um erhebliche wertbildende Umstände beim Kaufvertragsabschluss geht (vgl. Palandt-Sprau, a. a. O., § 826 Rn. 20 m. w. N.). Auch hierzu gelten die obigen Ausführungen zur Anfechtung (siehe oben I. 2.) entsprechend.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

III.

Die im Beschlusswege erfolgte Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in § 48 GKG, § 3 ZPO.