Landgericht Braunschweig
Urt. v. 17.01.2018, Az.: 3 O 1138/16
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 17.01.2018
- Aktenzeichen
- 3 O 1138/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2018, 74493
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 123 BGB
- § 323 BGB
- § 434 BGB
- § 437 Nr 2 BGB
- § 826 BGB
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Aus den bindenden Feststellungen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) im bestandskräftigen Rückrufbescheid vom 15.10.2015 und der sich darauf beziehenden Freigabebestätigung des KBA ergibt sich für die zivilrechtliche Würdigung, dass es sich bei der in den betreffenden Fahrzeugen verwendeten, zu beseitigenden unzulässigen Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 um einen Sachmangel i. S. von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB handelt und dass die vom KBA freigegebene technische Überarbeitung durch ein Software-Update geeignet ist, diesen Mangel gem. § 439 Abs. 1, 1. Alt. BGB zu beseitigen, die Nachbesserung mithin möglich ist.
2. Der direkt mit dem Hersteller von Fahrzeug und Motor geschlossene Autokaufvertrag kann nicht wegen arglistigen Verschweigens der unzulässigen Abschalteinrichtung angefochten werden, weil es insoweit an einer Aufklärungspflicht des Herstellers als Verkäufer fehlte.
3. Ein Rücktritt vom Autokaufvertrag wegen des sog. Abgasskandals setzt auch beim Direkterwerb vom Hersteller von Fahrzeug und Motor voraus, dass diesem zuvor gem. § 323 Abs. 1 BGB erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt worden ist, die unter den gegebenen Umständen bis zu einem Jahr betragen kann. Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung ist in diesen Fällen weder nach §§ 326 Abs. 5, § 275 Abs. 1 BGB noch nach § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB oder § 440 S. 1 3. Alt. BGB entbehrlich.
4. Dem Käufer eines beim Hersteller von Fahrzeug und Motor direkt gekauften, vom sog Abgasskandal betroffenen Pkws steht gegen den Hersteller ein Schadensersatzanspruch weder aus Prospekt-, Vertrauens- oder Garantiehaftung noch aus unerlaubter Handlung zu.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: Wertstufe bis 35.000,00 €.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten im Zusammenhang mit dem sog. Abgasskandal die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe seines bei der Beklagten gekauften Autos.
Der Kläger erwarb im Juli 2015 über die Autohaus xxx, die für die Beklagte handelte, einen neuen xxx zum rabattierten Kaufpreis von 34.900,99 € (Rechnung der Beklagten vom 23.07.2015, Anlage K 1).
Dieser Pkw ist mit einem Dieselmotor der Baureihe xxx ausgestattet, deren Herstellerin ebenfalls die Beklagte ist. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) kam mit - nicht angefochtenem - Bescheid vom 15.10.2015 - xxx - (Anlage B 8) zu dem Ergebnis, dass diese Motoren mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausgerüstet seien, und ordnete als nachträgliche Nebenbestimmungen für die jeweils erteilten Typgenehmigungen gem. § 25 Abs. 2 EG-FGV an, dass die Beklagte zur Vermeidung des Widerrufs oder der Rücknahme der Typgenehmigungen verpflichtet ist, die unzulässigen Abschalteinrichtungen zu entfernen sowie geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen, was durch Beibringen geeigneter Nachweise zu belegen ist.
Vor diesem Hintergrund machte der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 23.11.2015 zunächst gegenüber der xxx Gewährleistungsansprüche geltend. Diese antwortete darauf mit Schreiben vom 26.11.2015 (Anlage K 33), dass alle betroffenen Fahrzeuge weiterhin technisch sicher, fahrbereit und uneingeschränkt im Straßenverkehr nutzbar seien, dass diese Fahrzeuge nach Abstimmung mit dem KBA ein technisches Update erhalten würden, dass die Beklagte dem KBA am 07.10.2015 einen Maßnahmenplan dafür vorgelegt habe, dass sie ihre Kunden sobald wie möglich näher über den Zeitplan und die erforderlichen Maßnahmen informieren werde, dass die Beklagte mit Hochdruck an diesen Lösungen arbeite und der Kläger schnellstmöglich über die geplanten Maßnahmen unterrichtet werde und dass das Zuwarten für den Kläger nicht nachteilig sei, weil sie ausdrücklich bis zum 31.12.2016 auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichte. Mit zeitlich darauf folgendem, nicht zu den Akten gereichtem Anwaltsschreiben setzte der Kläger der Beklagten eine Frist zur Nacherfüllung bis zum 08.01.2016 und erklärte nach Ablauf dieser Frist gegenüber der Beklagten mit ebenfalls nicht vorgelegtem Anwaltsschreiben die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung und zugleich den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Mit Schreiben vom 01.06.2016 (Anlage B 1) bestätigte das KBA unter Bezugnahme auf seinen Bescheid xxx vom 15.10.2015 (bei der Datumsangabe 14.10.2015 handelt es sich um einen offenbaren Übertragungsfehler), dass für die betroffenen Fahrzeugtypen aus xxx, der geforderte Nachweis inzwischen geführt worden und dass die von der Beklagten vorgestellte Änderung der Applikationsdaten geeignet sei, die Vorschriftsmäßigkeit der genannten Fahrzeuge herzustellen.
Darüber informierte die Beklagte den Kläger mit ihrer Klageerwiderung vom 22.09.2016 und teilte des Weiteren mit, dass die Software-Lösung für das streitgegenständliche Fahrzeug zur Verfügung stehe und der Kläger das Update der Motorsoftware bedenkenlos auf ihre Kosten vornehmen lassen könne. Der Kläger, der sein Auto weiterhin ohne Einschränkungen nutzt, hat davon bislang keinen Gebrauch gemacht.
Der Kläger ist der Ansicht, er sei von der Beklagten über die von ihr am Motorsteuergerät des streitgegenständlichen Fahrzeugs vorgenommene Softwaremanipulation arglistig getäuscht worden und habe infolge der erklärten Anfechtung des Kaufvertrages einen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückabwicklung, den er des Weiteren auf den zugleich erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag, ferner auf Schadensersatz statt der Leistung, auf die Grundsätze der Prospekthaftung, auf Vertrauens- bzw. Garantiehaftung sowie auf unerlaubte Handlung stützt.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 34.900,99 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.01.2016 zu zahlen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkws xxx;
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn Zinsen in Höhe von 4 % aus 34.900,99 € vom 30.047.2015 bis zum 14.01.2016 zu zahlen;
3. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Pkws im Annahmeverzug befindet;
4. die Beklagte zu verurteilen, ihn von den durch die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.419,07 € freizustellen;
5. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 728,01 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet, den Kläger getäuscht und geschädigt zu haben. Sie meint, es liege schon keine unzulässige Abschalteinrichtung vor. Der zugleich mit der Anfechtung erklärte Rücktritt sei aber nicht nur wegen Fehlen eines Mangels, sondern auch deshalb unwirksam, weil der Kläger ihr keine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Beklagte hat zwar - entgegen ihrer Ansicht - im Motorsteuergerät des klägerischen Fahrzeugs eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 verwendet (1.). Gleichwohl steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückabwicklung des streitbefangenen Autokaufs weder aus §§ 812 Abs. 1, 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB (2.) noch aus §§ 434 Abs. 1, 437 Nr. 2, 323, 346 BGB (3.), aus §§ 434 Abs. 1, 437 Nr. 3, 280 Abs. 3, 281 BGB (4.), aus den Grundsätzen der Prospekthaftung (5.), aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB bzw. § 443 BGB (6.), aber auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB (7.), i. V. m. §§ 6, 27 EG-FGV (8.), i. V. m. § 16 UWG (9.) bzw. § 4 Nr. 11 a. F. UWG (10.) oder aus § 826 BGB (11.) zu. Mangels Begründetheit der Hauptforderung konnten auch die Klageanträge zu 2., 3., 4. und 5. keinen Erfolg haben.
1.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der die Kammer folgt, sind Verwaltungsakte in den Grenzen ihrer Bestandskraft für andere Gerichte und Behörden bindend (vgl. hierzu und zum Folgenden: BGH NJW-RR 2007, 398, 399 [BGH 21.09.2006 - IX ZR 89/05] m. w. N.). Gerichte haben Verwaltungsakte deshalb, auch wenn sie fehlerhaft sein sollten, grundsätzlich zu beachten, solange sie nicht durch die zuständige Behörde oder durch ein zuständiges Gericht aufgehoben worden sind. Sie haben die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung oder Feststellung unbesehen, d. h. ohne eigene Nachprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes, zu Grunde zu legen. Durch den bestandskräftigen Rückrufbescheid des KBA vom 15.10.2015 und dessen Freigabebestätigung vom 01.06.2016 ist in diesem Sinne bindend festgestellt bzw. geregelt,
dass es sich bei der in den betreffenden Fahrzeugen verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 handelt;
dass die Beklagte zur Vermeidung des Widerrufs oder der Rücknahme der Typgenehmigungen verpflichtet ist, diese unzulässigen Abschalteinrichtungen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen, was durch Beibringen geeigneter Nachweise zu belegen ist;
dass für die betroffenen Fahrzeuge dieser Nachweis inzwischen geführt wurde und dass die von der Beklagten vorgestellte Änderung der Applikationsdaten geeignet ist, die Vorschriftsmäßigkeit der genannten Fahrzeuge herzustellen;
dass das KBA dabei folgende Sachverhalte mit folgenden Ergebnissen überprüft hat: keine unzulässigen Abschalteinrichtungen mehr, vorhandene Abschalteinrichtungen zulässig, Grenzwerte und andere Anforderungen an emissionsmindernde Einrichtungen eingehalten, ursprünglich vom Hersteller angegebene Kraftstoffverbrauchwerte und CO2-Emissionen in Prüfungen durch einen Technischen Dienst bestätigt, bisherige Motorleistung und maximales Drehmoment unverändert sowie bisherige Geräuschemissionswerte unverändert.
Aus diesen Feststellungen und Regelungen ergibt sich für die zivilrechtliche Würdigung
auf der einen Seite, dass es sich bei der unzulässigen, zu beseitigenden Abschalteinrichtung um einen Sachmangel i. S. von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB handelt, womit dem Kläger die Gewährleistungsrechte aus § 437 BGB eröffnet worden sind,
auf der anderen Seite aber auch, dass die vom KBA freigegebene technische Überarbeitung durch ein Software-Update geeignet ist, diesen Mangel gem. § 439 Abs. 1, 1. Alt. BGB zu beseitigen, die Nachbesserung mithin möglich ist (so im Ergebnis auch OLG Hamm, Beschluss vom 21.06.2016 - 28 W 14/16 -, juris Rn. 37).
2. Die gegenüber der Beklagten erklärte Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB ist nicht wirksam geworden.
Hinreichend dargetan hat der Kläger eine Täuschung seitens der Beklagten allein hinsichtlich der verwendeten unzulässigen Abschalteinrichtung. Insoweit ist aber keine aktive Täuschungshandlung der Beklagten ersichtlich, sondern allenfalls ein arglistiges Verschweigen der unzulässigen Abschalteinrichtung. Das Verschweigen von Tatsachen stellt nur dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsache eine Aufklärungspflicht besteht. Entscheidend dafür ist, ob der andere Teil nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte redlicherweise Aufklärung erwarten durfte. Grundsätzlich ist es Sache jeder Vertragspartei, ihre Interessen selbst wahrzunehmen. Das gilt insbesondere für den Kaufvertrag, der von gegensätzlichen Interessen geprägt ist. Es besteht daher keine allgemeine Pflicht, alle Umstände zu offenbaren, die für die Entschließung des anderen Teils von Bedeutung sein können. Es muss sich vielmehr um besonders wichtige Umstände handeln, die für die Willensbildung der anderen Seite offensichtlich von ausschlagender Bedeutung sind. Das gilt vor allem für Umstände, die den Vertragszweck vereiteln oder erheblich gefährden können oder geeignet sind, dem Vertragspartner erheblichen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 76. Aufl., § 123 Rn. 5, 5b m. w. N.).
Eine solche Aufklärungspflicht würde in der Tat dann bestehen, wenn, wie der Kläger meint, durch die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung die EG-Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug erloschen wäre oder deren Entziehung drohen würde. Das ist aber nicht der Fall. Nach § 19 Abs. 7 in Verbindung mit Abs. 2 StVZO erlischt die Betriebserlaubnis - in Form der Wirksamkeit der EG-Typgenehmigung für das einzelne Fahrzeug - zwar dann, wenn Änderungen vorgenommen werden, durch die das Abgas- oder Geräuschverhalten verschlechtert wird. Nach Auffassung der Kammer sind damit jedoch nur Veränderungen am Fahrzeug gemeint, die nach Abschluss des Produktionsprozesses vorgenommen werden. Hierfür spricht nicht nur der Wortlaut, sondern auch die historische Auslegung der Vorschrift. Der Gesetzgeber hat nämlich in der Bundesrats-Drucksache 629/93 zur 16. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, mit dem unter anderem § 19 Abs. 2 StVZO geändert wurde und ihre im Wesentlichen bis heute geltende Fassung erhielt, ausgeführt, dass „die bisherigen EWG-Vorschriften keine Aussagen über Veränderungen an bereits zugelassenen Fahrzeugen treffen“ und daher „gegenwärtig der Schluss gezogen werden [kann], dass den EG-Mitgliedstaaten die Regelungen von Veränderungen an bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeugen überlassen ist“. (vgl. Urteil der Kammer vom 31.08.2017 - 3 O 21/17 -, Rn. 117 ff., 137 ff.).
Auch droht keine Entziehung der Gesamtfahrzeug-Typgenehmigung, weil das KBA in seinem Bescheid vom 15.10.2015 sein gem. § 25 Abs. 3 EG-FGV zustehendes Ermessen gerade nicht dahingehend ausgeübt hat, dass es eine Entziehung der EG-Typgenehmigung in die Wege geleitet hat. Die Behörde ist vielmehr nach § 25 Abs. 2 EG-FGV vorgegangen und hat Nebenbestimmungen zur bestehenden Typgenehmigung angeordnet. Doch selbst eine Entziehung der Typgenehmigung hätte erst dann die Folge der Nichtnutzbarkeit des klägerischen Fahrzeugs, wenn die zuständige Landesbehörde daraufhin wiederum von dem ihr gem. § 5 FZV zustehenden Ermessen Gebrauch machen würde, die Nutzung des Fahrzeugs dauerhaft zu untersagen, was eine Entziehung der Zulassung beinhalten würde.
Dass die Verwendung der zwar unzulässigen, aber allein durch ein vom KBA freigegebenes Software-Update zu beseitigende Abschalteinrichtung auf andere Weise einen besonders wichtigen Umstand darstellt, ist weder hinreichend dargetan noch ersichtlich. Das gilt insbesondere für den vom Kläger behaupteten Verbleib eines merkantilen Minderwerts.
Für den Fall eines sog. Unfallwagens ist anerkannt, dass der Charakter des Fahrzeugs als Unfallwagen und ein damit verbundener merkantiler Minderwert als Mangel auch nach einer technischen Reparatur verbleibt (vgl. BGH, Urteil vom 10.10.2007 - VIII ZR 330/06 -, juris Rn. 23). Hintergrund dieser Rechtsprechung ist die am Gebrauchtwagenmarkt gewonnene Erfahrung, dass trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines Fahrzeugs bei einem großen Teil der Kaufinteressenten, vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Fahrzeuge besteht (so schon BGH, Urteil vom 29.04.1958 - VI ZR 82/57 -, juris Rn. 4). Diese Rechtsprechung ist jedoch auf die vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar, weil es im Zusammenhang mit dem sog. Abgasskandal an einer vergleichbaren am Markt gewonnenen Erfahrung fehlt.
Der Kläger hätte deshalb einen Preisverfall, der gerade auf die unzulässige Abschalteinrichtung zurückzuführen ist, konkret darlegen müssen. Das wäre ihm, wenn es eine solche Wertverschiebung denn gäbe, auch ohne Weiteres möglich gewesen, weil der Kraftfahrzeugmarkt generell schon sehr transparent ist (wie z. B. durch die sog. Schwacke-Liste) und die Preisentwicklung von gebrauchten Dieselfahrzeugen zudem unter besonderer medialer Aufmerksamkeit (wie z. B. durch das „DAT Diesel-Barometer“) steht. Ohne solche Anknüpfungstatsachen würde aber die dazu angebotene Einholung eines Sachverständigengutachtens auf einen im Zivilprozess nicht zulässigen Ausforschungsbeweis hinauslaufen.
3. Der Kläger hat auch nicht wirksam den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt, weil die der Beklagten zuvor gesetzte Frist zur Nacherfüllung zu kurz (a) und eine solche Fristsetzung hier nicht entbehrlich war (b).
a) § 323 Abs. 1 BGB bestimmt, dass der Gläubiger dem Schuldner vor seinem Rücktritt vom Vertrag erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt haben muss. Eine Frist zur Nachbesserung hat der Kläger dem Beklagten zwar in seinem zeitlich auf das Antwortschreiben der xxx vom 26.11.2015 folgenden Anwaltsschreiben bis zum 08.01.2016 gesetzt, so dass die der Beklagten gewährte Frist maximal sechs Wochen betrug. Diese Frist war aber unter den gegebenen Umständen zu kurz.
Die Kammer folgt der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München (Beschluss vom 23.03.2017 - 3 U 4316/16 -, juris Rn. 14), wonach im Zusammenhang mit dem sog. Abgasskandal eine Frist von bis zum einem Jahr als angemessen zu erachten ist. Das folgt aus der Erwägung, dass die Umrüstung aufgrund des sog. Abgasskandals nicht einzelne Fahrzeuge, sondern eine große Anzahl von Diesel-Pkw betrifft und dass die Nachrüstung in Abstimmung mit dem KBA erfolgt, was angesichts der Zahl der nachzurüstenden Fahrzeuge nicht überall gleichzeitig und gewissermaßen auf Zuruf geschehen kann, auch wenn der einzelne Nachrüstungsvorgang dem Vortrag der Beklagten zufolge nur ca. 24 Minuten in Anspruch nimmt (vgl. OLG Oldenburg, bislang nicht veröffentlichter Hinweisbeschluss vom 05.05.2017 - 6 U 46/17 -). Im vorliegenden Fall stand das am 01.06.2016 vom KBA freigegebene Software-Update für den klägerischen Pkw spätestens zum Zeitpunkt der Klageerwiderung vom 22.09.2016 zur Verfügung, so dass sein Fahrzeug innerhalb von zehn Monaten nach dem Antwortschreiben der xxx vom 26.11.2015 und zehn Monate vor Ablauf der zweijährigen Verjährungsfrist gem. § 438 Abs. 1 Nr. 3 u. Abs. 2 BGB, zu der die Beklagte im Übrigen bereits mit Schreiben an die Kläger-Vertreter vom 08.01.2016 (Anlage K 19) erklärt hatte, bis zum 31.12.2017 ausdrücklich auf die Erhebung der Verjährungsfrist zu verzichten, hätte nachgebessert werden können.
Dadurch, dass der Kläger den Rücktritt zu früh erklärt hat, hat er sich darüber hinaus um die Möglichkeit gebracht, nach Ablauf einer angemessenen Frist, in die sich die zu kurze Frist umgewandelt hätte, wirksam den Rücktritt zu erklären (vgl. OLG Oldenburg, a. a. O.).
b) Der Kläger hätte folglich nur dann wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten können, wenn eine Fristsetzung ausnahmsweise ganz entbehrlich gewesen wäre. Vorliegend ist jedoch keiner der hier in Betracht kommenden Ausnahmetatbestände erfüllt.
aa) § 326 Abs. 5 i. V. m. § 275 Abs. 1 BGB berechtigt zum Rücktritt ohne vorherige Fristsetzung, wenn die Nacherfüllung unmöglich ist. Das ist vorliegend nicht der Fall, weil durch die Freigabebestätigung des KBA vom 01.06.2016 festgestellt ist, dass der in der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung bestehende Mangel durch die von der Beklagten vorgestellte Änderung der Applikationsdaten behoben wird und dass dadurch auch keine Nachteile für Grenzwerte und andere Anforderungen an emissionsmindernde Einrichtungen, ursprünglich vom Hersteller angegebene Kraftstoffverbrauchwerte und CO2-Emissionen, bisherige Motorleistung und maximales Drehmoment sowie bisherige Geräuschemissionswerte verbleiben.
Zwar lag zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung diese Freigabebestätigung noch nicht vor. Eine nur vorübergehende Unmöglichkeit der Nacherfüllung kann einer dauerhaften Unmöglichkeit aber nur dann gleichgestellt werden, wenn sie die Erreichung des Geschäftszwecks in Frage stellt und dem anderen Teil das Festhalten am Vertrag bis zum Wegfall des Leistungshindernisses nicht zugemutet werden kann (vgl. Palandt-Grünberg, BGB, 76. Aufl., § 275 Rn. 11 m. w. N.). Eine solche Situation bestand vorliegend nicht. Vielmehr wusste der Kläger aus dem Antwortschreiben der Autohaus xxx vom 26.11.2015, dass er sein - weiterhin technisch sicheres und fahrbereites - Fahrzeug ohne jegliche Einschränkung in gewohnter Weise weiter nutzen durfte, dass es ein technisches Update nach Abstimmung mit dem KBA erhalten würden und dass er schnellstmöglich über den Zeitplan und die erforderlichen Maßnahmen unterrichtet werde würde.
Ein verbleibender merkantiler Minderwert wäre ebenfalls zwar geeignet, die Unmöglichkeit der Nachbesserung zu begründen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 30.06.2016 - 7 W 26/16 -, juris Rn. 7). Insoweit fehlt es hier aber, wie bereits ausgeführt (siehe oben I. 2.), an einem entsprechenden substantiierten Vorbringen.
bb) Nach § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB ist eine Fristsetzung entbehrlich, wenn im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen. Das kommt hier unter zwei Gesichtspunkten in Betracht, nämlich dem des arglistigen Verschweigens des Mangels und dem der Befürchtung, dass das Software-Update entweder nicht erfolgreich sein oder zu Folgemängeln führen könnte. Beide Gesichtspunkte dringen im Ergebnis aber nicht durch.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 08.12.2006 - V ZR 249/05 -, juris m. w. N.) ist der Käufer im Regelfall berechtigt, gem. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB sofort vom Kaufvertrag zurückzutreten, wenn der Verkäufer dem Käufer einen Mangel bei Abschluss des Kaufvertrages arglistig verschwiegen hat. Soweit hier wieder ein arglistiges Verschweigen der unzulässigen Abschalteinrichtung und des damit verbundenen Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 in den Blick kommt, gebietet § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB gleichwohl eine Abwägung der beiderseitigen Interessen, weshalb auch der BGH ausdrücklich nur von einem „Regelfall“ spricht. Hinter diesem Regelfall steht die Erwägung, dass eine arglistige Täuschung die für die Nacherfüllung erforderliche Vertrauensgrundlage in der Regel beschädigt. Der Käufer hat dann ein berechtigtes Interesse daran, von einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Verkäufer Abstand zu nehmen, um sich vor eventuellen weiteren Täuschungsverboten zu schützen (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 13). Demgegenüber handelt es sich bei der vorliegenden Konstellation insofern um einen Sonderfall, als die von der Beklagten angebotene Nachbesserung in Abstimmung mit dem KBA, d. h. der dafür zuständigen, unabhängigen Bundesbehörde und damit unter staatlicher Aufsicht erfolgt. Die Befürchtung vor einem neuerlichen Täuschungsversuch ist vor diesem Hintergrund von vornherein unbegründet.
Die bloße Möglichkeit oder Befürchtung, dass nach der (ersten) Nachbesserung Mängel verbleiben oder neue Mängel entstehen, begründet nicht die Entbehrlichkeit einer Fristsetzung zur Mangelbeseitigung. Diese Möglichkeit hat der Gesetzgeber vielmehr in § 440 S. 2 BGB ausdrücklich berücksichtigt. Danach gilt eine Nachbesserung jedenfalls grundsätzlich erst nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen. Der Käufer hat das beschriebene Risiko also zunächst hinzunehmen. Die Rechte aus § 437 Nr. 2 BGB bleiben ihm für den Fall, dass die durchgeführte Nachbesserung fehlschlagen sollte, unbenommen.
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang insbesondere auf eine mögliche Lebenszeitverkürzung von Motorbauteilen verweist, kommt hinzu, dass die Beklagte dem Kläger bei Abschluss des Kaufvertrages gar keine Zusagen betreffend die Lebensdauer von Motorbauteilen gemacht hat, die darüber hinausgehen, dass auftretende Mängel innerhalb der gesetzlichen Gewährleistung beseitigt werden. Der Nacherfüllungsanspruch des Käufers kann aber nicht weiter reichen als der ursprüngliche Erfüllungsanspruch.
cc) Der in § 440 S. 1 3. Alt. BGB geregelte Ausnahmetatbestand der Entbehrlichkeit einer Fristsetzung, wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung diesem unzumutbar ist, setzt schon begrifflich voraus, dass die Nacherfüllung als solche möglich ist. Daraus und aus der verwendeten Formulierung „außer in den Fällen des … § 323 Abs. 2 bedarf es der Fristsetzung auch dann nicht“ ergibt sich, dass es sich um eine Spezialregelung für Fälle handelt, die nicht schon von den §§ 326 Abs. 5 und 323 Abs. 2 BGB erfasst werden. Unter welchem Gesichtspunkt danach § 440 S. 1 3. Alt. BGB hier noch einschlägig sein sollte, ist nicht ersichtlich.
4. Aus den gleichen Gründen scheiden auch kaufrechtliche Schadensersatzansprüche nach §§ 434 Abs. 1, 437 Nr. 3, 280 Abs. 3, 281 BGB aus. § 281 BGB setzt nämlich ebenfalls den erfolglosen Ablauf einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung voraus, und der in § 281 Abs. 2 BGB geregelte Ausnahmetatbestand entspricht dem des § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB (siehe oben I. 3. b) bb)).
5. Für die von der Rechtsprechung für den nicht gesetzlich regulierten und organisierten sog. Grauen Kapitalmarkt entwickelten Grundsätze der Prospekthaftung ist beim Autokauf neben dem Gewährleistungsrecht, das ohnehin schon durch § 434 Abs. 1 S. 3 BGB Prospektangaben zur Beschaffenheit zählt, kein Raum. Die Prospekthaftung geht davon aus, dass der Emissionsprospekt in der Regel die einzige Informationsquelle des Anlegers ist. Nur unter der Voraussetzung, dass die durch den Prospekt vermittelte Information vollständig und richtig ist, kann der Kunde die ihm angebotene Kapitalanlage objektiv beurteilen und sein Anlagerisiko, das ihm ohnehin verbleibt, richtig einschätzen (vgl. BGH, Urteil vom 31.05.1990 - VII ZR 340/88 -, juris Rn. 14). Anders als bei Kapitalanlagen steht für die Entscheidung über den Erwerb eines bestimmten Fahrzeugs eine Vielzahl verschiedener Informationsquellen zur Verfügung. Der Kaufinteressent kann sich etwa in diversen Autotest- und Fachzeitschriften sowie im Internet über das jeweilige Fahrzeug informieren und ein ihn interessierendes Fahrzeug anschauen und sogar probefahren (vgl. Urteil der Kammer vom 31.08.2017 - 3 O 21/17 -, juris Rn. 56).
6. Aus der am 20.11.2014 von der Beklagten für sein Fahrzeug ausgestellten EG-Übereinstimmungsbescheinigung (Anlage R 21a) ergibt sich anders, als der Kläger meint, weder eine Haftung aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB noch aus § 443 BGB.
Eine Beeinflussung der Vertragsverhandlungen durch die EG-Übereinstimmungsbescheinigung scheidet schon deshalb aus, weil diese zeitlich erst nach Vertragsschluss in Erfüllung dessen zusammen mit dem Fahrzeug übergeben worden ist. Durch die Entgegennahme der Übereinstimmungsbescheinigung durch den Kläger ist aber auch keine selbständige Garantie i. S. von § 443 BGB zustande gekommen, weil der Übereinstimmungsbescheinigung weder ihrem Wortlaut noch ihrem Zweck nach ein solcher Erklärungs- und Rechtsbindungswillen beigemessen werden kann.
Ihrem Wortlaut nach wird in der EG-Übereinstimmungsbescheinigung, die nicht einmal an den Käufer adressiert ist, sondern gem. § 6 Abs. 1 S. 1 EG-FGV lediglich dem Fahrzeug beizufügen ist, nur „bestätigt“, dass der streitgegenständliche xxx mit dem in der Genehmigung beschriebenen Typ übereinstimmt. Der Zweck der Übereinstimmungsbescheinigung besteht in der Vereinfachung und Formalisierung des Zulassungsverfahrens: Die Zulassungsbehörden sollen allein aufgrund der vorgelegten Übereinstimmungsbescheinigung das jeweilige Fahrzeug zulassen (§ 6 Abs. 3 S. 1 FZV), d. h. ohne die vom KBA im Genehmigungsverfahren geprüften materiellen Anforderungen erneut prüfen zu müssen. Die Übereinstimmungsbescheinigung dient also allein dazu, die problemlose Zulassung des jeweiligen Fahrzeugs zu gewährleisten.
Vor diesem Hintergrund bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Beklagte mit der Ausstellung der EG-Übereinstimmungsbescheinigung im Sinne einer selbständigen Garantie zu einer über die gesetzliche Mängelgewährleitung hinausgehenden Haftung verpflichten wollte (vgl. Urteil der Kammer vom 31.08.2017, a. a. O., Rn. 37 ff., 51, 176).
7. Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch aus § 823 BGB i. V. m. § 263 StGB wäre zunächst wiederum eine Täuschung des Klägers durch die Beklagte. Wie bereits ausgeführt (siehe oben I. 2.), kommt hier allein eine Täuschung durch Unterlassen der Aufklärung über die unzulässige Abschalteinrichtung in Betracht.
Ein Betrug durch Unterlassen setzt eine Garantenstellung gem. § 13 Abs. 1 StGB voraus, d. h. dass der Täter als „Garant“ für die Abwendung des Erfolgs einzustehen hat. Soweit es - wie hier - um Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit einem Kaufvertrag geht, wird eine solche Aufklärungspflicht beim Verkäufer erst dann gesehen, wenn es um wertbildende Faktoren der Kaufsache von ganz besonderem Gewicht geht (vgl. BayObLG, Beschluss vom 09.12.1993 - 3 St RR 127/93 -, juris Rn. 24 f.). Wie bereits im Zusammenhang mit der Anfechtung (§§ 812 Abs. 1, 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB) ausgeführt (s. o. I. 2.), trifft das auf die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht zu.
Eine Garantenpflicht der Beklagten zugunsten des Klägers ergibt sich auch nicht aus pflichtwidrigem Vorverhalten (Ingerenz). Die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung stellt zwar ein pflichtwidriges Vorverhalten dar. Eine Pflichtwidrigkeit löst im Einzelfall aber nur dann eine Garantenpflicht aus, wenn die verletzte Norm gerade dem Schutz des fraglichen Rechtsgutes zu dienen bestimmt ist (vgl. Schönke/Schröder-Stree/Bosch, StGB, 28. Aufl., § 13 Rn. 35a m. w. N.). Den Erwägungsgründen (1) bis (6) und (27) der verletzten Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ist zu entnehmen, dass diese nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen dient, sondern der Weiterentwicklung des Binnenmarkts durch Harmonisierung der technischen Vorschriften über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich ihrer Emissionen, insbesondere mit dem Ziel der erheblichen Minderung der Stickstoffoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte. Der vom Kläger geltend gemachte Vermögensschaden fällt daher nicht in den Schutzbereich dieser Norm.
Damit scheidet ein Schadensersatzanspruch wegen Betruges aus.
8. Entsprechendes gilt für § 823 BGB Abs. 2 i. V. m. §§ 6, 27 EG-FGV. Denn unabhängig davon, ob die Beklagte diese Vorschriften verletzt hat, fehlt ihnen der von § 823 Abs. 2 BGB vorausgesetzte Schutzgesetzcharakter. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (EuGH-Vorlage vom 09.04.2015 - VII ZR 36/15 -, juris Rn. 20, 23) ist eine Norm als Schutzgesetz anzusehen, wenn sie nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zu Gunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mit gewollt hat. Bei Vorschriften, die - wie hier die EG-FGV - Richtlinien umsetzen, kommt es nach der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung insoweit maßgeblich auf den Inhalt und Zweck der Richtlinie - hier der Richtlinie 2007/46/EG - an.
Den Erwägungsgründen (2), (4) und (23) zufolge bezweckt die Richtlinie 2007/46/EG die Vollendung des Binnenmarkts und dessen ordnungsgemäßes Funktionieren. Darüber hinaus sollen die technischen Anforderungen in Rechtsakten harmonisiert und spezifiziert werden, wobei die Rechtsakte vor allem auf eine hohe Verkehrssicherheit, hohen Gesundheits- und Umweltschutz, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung abzielen. An keiner Stelle lässt sich hingegen ein Hinweis dafür finden, dass der Richtliniengeber darüber hinaus den Schutz des einzelnen Fahrzeugerwerbers bzw. -besitzers gegen Vermögensbeeinträchtigungen im Blick hatte. Auch der nationale Gesetzgeber hat in der Begründung zur EG-FGV (S. 36 der BR-Drucks. 190/09) in Übereinstimmung damit ausführt, dass die Richtlinie dem Abbau von Handelshemmnissen und der Verwirklichung des Binnenmarktes der Gemeinschaft dienen und die EG-FGV darüber hinaus zur Rechtsvereinfachung und zum Bürokratieabbau beitragen soll (vgl. Urteil der Kammer vom 31.08.2017, a. a. O., Rn. 189 ff.).
9. Soweit der Kläger seine Schadensersatzforderung auf § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 16 UWG stützt, dient § 16 UWG zwar ohne Zweifel dem Schutz des Verbrauchers. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die Beklagte i. S. von § 16 Abs. 1 UWG den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorrufen wollte. Der Vorwurf des Klägers geht im Kern dahin, dass die Beklagte mit der Einhaltung der Grenzwerte der Euro 5-Norm geworben hat. Diese mussten aber alle vergleichbaren Fahrzeuge am Markt einhalten. Damit wäre also kein besonderer Vorteil angepriesen.
10. Ob § 4 Nr. 11 UWG in der Fassung vom 03.03.2010 auch ein Schutzgesetz i. S. von § 823 Abs. 2 BGB darstellt, kann hier dahinstehen, weil die Beklagte jedenfalls nicht gegen Vorschriften verstoßen hat, deren Einhaltung § 4 Nr.11 a. F. UWG schützt. §§ 1, 4, 5 Pkw-EnVKV gebieten lediglich, dass die im Typgenehmigungsverfahren erzielten Kraftstoffverbrauchs- und Emissionswerte zu nennen sind (vgl. Begriffsbestimmungen in § 2 Nr. 5 u. 6 Pkw-EnVKV). Der Kläger bezweifelt aber selbst nicht, dass die genannten Werte im Typgenehmigungsverfahren (Fahrkurven des NEFZ) erzielt wurden.
11. Auch für eine Haftung aus § 826 BGB reicht allein der - feststehende - Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht aus. Der Bundesgerichtshof hat vielmehr schon 1985 entschieden (Urteil vom 11.11.1985 - II ZR 109/84 -, juris Rn. 15 m. w. N.), dass für Ansprüche aus unerlaubter Handlung allgemein gilt, dass die Ersatzpflicht auf solche Schäden begrenzt ist, die in den Schutzbereich des verletzten Ge- oder Verbots fallen und dass auf eine derartige Eingrenzung der Haftung, um das Haftungsrisiko in angemessenen und zumutbaren Grenzen zu halten, auch im Rahmen des § 826 BGB nicht verzichtet werden kann. Wie bereits ausgeführt (siehe oben I. 7.), dient die EG-Verordnung aber nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen.
Damit verbleibt auch insoweit allenfalls eine Täuschung durch Verschweigen der unzulässigen Abschalteinrichtung. Das Verschweigen eines Umstandes rechtfertigt aber nicht ohne Weiteres den Vorwurf eines Sittenverstoßes, sondern nur dann, wenn eine Seite der anderen zu entsprechender Offenbarung verpflichtet ist. Eine Offenbarungspflicht entsteht, wenn die andere Seite nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eine Mitteilung erwarten durfte. Auch innerhalb einer vertraglichen Beziehung darf der Vertragspartner nach Treu und Glauben nicht eine vollumfängliche Information über alle Belange des Geschäftes erwarten. Es besteht keine allgemeine Offenbarungspflicht, weil im Vertragsrecht zunächst jedes Privatrechtssubjekt für die Verteidigung seiner Interessen selbst verantwortlich ist. Die Grenze des nach der Verkehrsauffassung Hinnehmbaren ist auch im Rahmen von § 826 BGB erst dann überschritten, wenn es um erhebliche wertbildende Umstände beim Kaufvertragsabschluss geht (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 76. Aufl., § 826 Rn. 20 m. w. N.). Auch hierzu gelten die Ausführungen zur Anfechtung (siehe oben I. 2.) entsprechend.
II.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
III.
Die im Beschlusswege erfolgte Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in § 48 GKG, § 3 ZPO.