Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 01.12.2003, Az.: 5 B 2982/03

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
01.12.2003
Aktenzeichen
5 B 2982/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 40709
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2003:1201.5B2982.03.0A

Amtlicher Leitsatz

Die Abstufung einer Bundesstraße zu einer Gemeindestraße verletzt nicht das kommunale Selbstverwaltungsrecht einer Nachbargemeinde.

Tenor:

  1. ...

Tatbestand:

1

I.

Die Antragstellerin wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Abstufungsverfügung.

2

Das Gemeindegebiet der Antragstellerin grenzt im Norden an das Gebiet der Beigeladenen zu 1), welches sich zwischen der östlich verlaufenden BAB 1 und der westlich verlaufenden BAB 29 befindet. Durch das Gebiet der Beigeladenen zu 1), insbesondere durch den Ort A... verläuft die Bundesstraße B 213, welche die BAB 1 bei der Autobahnauffahrt W... und die BAB 29 bei der Autobahnauffahrt A... kreuzt und so die kürzeste Verbindung zwischen den beiden Autobahnauffahrten darstellt. Die nach Süden in das Gebiet der Antragstellerin führende Landesstraße 880 kreuzt die B 213 bei Kilometer 35,245. Die Bundesstraße 213 wird in erheblichem Umfang von Schwerlastverkehr in Anspruch genommen. Eine Verkehrszählung ergab an der Zählstelle 436 westlich der Ortsdurchfahrt A... eine DTV-Kfz/24 h von 8.199, bei DTV-SV/24 h von 3.296, entsprechend einem Schwerlastverkehrsanteil von 40,02 %. An der Zählstelle 438 östlich der Ortsdurchfahrt A... wurde eine DTV-Kfz/24 h von 6.844 und bei DTV-SV/24 h von 2.701 ermittelt. Das entspricht einem Schwerlastverkehrsanteil von 39,47%. Im Bereich der Ortsdurchfahrt besteht ein Nachtfahrtverbot für LKW über 7,5 t.

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Mit Verfügung vom 28.04.2003 ( Nds.MBl. 2003, S.358 ) hat der Antragsgegner die Teilstrecke der B 213 von km 28,380 bis km 39,429 zu einer Gemeindestraße abgestuft, die zum Großteil in der Baulast der Beigeladenen zu 1) und zu einem geringen Teil in der Baulast der Beigeladenen zu 2) steht.

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Die Antragstellerin hat am 16. Juni 2003 hiergegen Klage erhoben. Die Beigeladene zu 1) hat am 04.06.2003 im Wege einer straßenverkehrsrechtlichen Anordnung ein Durchfahrtsverbot für Fahrzeuge mit zulässigem Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t für die Ortsdurchfahrt A... ausgesprochen. Mit weiterer Verfügung vom 17. Juli 2003 (Nds.MBl. 2003, S.528) hat der Antragsgegner die sofortige Vollziehung der Abstufungsverfügung vom 28.04.2003 angeordnet.

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Am 14. August 2003 hat die Antragstellerin beim erkennenden Gericht um vorläufigen Rechtschutz nachgesucht, um die aufschiebende Wirkung ihrer Klage wiederherstellen zu lassen. Sie ist der Ansicht, die von ihr im Klagewege angegriffene Abstufungsverfügung verletze ihre kommunale Planungshoheit. Durch die Abstufung der B 213 zur Gemeindestraße werde das überregionale Verkehrsnetz unterbrochen. Der umzuleitende Verkehr müsse daher von den Nachbargemeinden aufgenommen werden, die so zu straßenrechtlichen und straßenverkehrsrechtlichen Schritten gezwungen und damit in ihrer Planungshoheit beeinträchtigt würden. Dies sei hier insbesondere der Fall, weil die aus V... kommende L 880 in das zur Gemeindestraße abgestufte Teilstück der B 213 münde. Mit der Abstufung der B 213 sei der zwingende Netzzusammenhang eines geschlossenen Netzes aus Bundes- und Landesstraßen (§ 3 Abs.1 Nr.1 NStrG) zerstört und die Bedeutung der L 880 müsse erneut geprüft werden. Voraussichtlich sei dann auch eine Abstufung der L 880 zwischen A... und V... zur Gemeindestraße notwendig mit der Folge, dass die Antragstellerin hierfür Straßenbaulastträgerin werde und nicht unerhebliche finanzielle Belastungen auf sie zu kämen. Zudem sei anzunehmen, dass es zu einer Verlagerung des Schwerlastverkehrs kommen werde, da für Fahrzeuge die Möglichkeit bestehe, von Wildeshausen kommend auf der L 873 nach V... und von dort durch den Ortskern und über Sch... Richtung C... zu fahren. Eine besondere Problematik werde nach Einführung der streckenbezogenen LKW-Maut entstehen, da davon auszugehen sei, dass ein Großteil des Autobahnschwerlastverkehrs auf die Landstraßen verlagert werde. Der überregionale Transitverkehr zwischen Bremen und den Niederlanden könne dann das letzte kostenpflichtige Teilstück der Bundesautobahn meiden und durch die Ortschaft V... fahren. Damit werde die Planungshoheit der Antragstellerin verletzt und die Möglichkeiten der geplanten und teils schon in Angriff genommenen Ortskernsanierung verändert und verringert. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sei auch begründet, weil weder die Voraussetzungen für eine Abstufung nach dem Bundesfernstraßengesetz vorlägen noch es eine Zustimmung der ebenfalls betroffenen Gemeinde Emstek gebe, auf deren Gebiet sich der westliche Teil des abgestuften Teilstückes der B 213 befinde. Die Antragstellerin beantragt,

die Verfügung des Antragsgegners vom 30.07.2003 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 28.04.2003 wiederherzustellen.

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Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen.

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Er verteidigt die angefochtene Verfügung unter Hinweis auf die dort gegebene Begründung und betont insbesondere, dass die Antragstellerin kein Antragsrecht habe, weil sie in ihren Rechten durch die Abstufung nicht berührt werde. Zudem werde das Verkehrsnetz durch die Abstufung nicht unterbrochen und eine Verlagerung der Verkehrsströme nicht bewirkt, da eine ganztägige Sperrung der Ortschaft A... für den Schwerlastverkehr bereits seit März 2001 bestanden habe und damit eine Verlagerung dieses Verkehrs auf die Autobahnen bereits stattgefunden habe. Selbst wenn eine Verlagerung des Verkehrs auf die L 873 festzustellen wäre, sei eine finanzielle Belastung der Antragstellerin damit nicht verbunden, da sie für diese Landesstraße auch im Bereich der Ortsdurchfahrt V... weder straßenbaulast- noch verkehrsicherungspflichtig sei. Auch eine Änderung der Verkehrsbedeutung der L 880 durch die Abstufung der B 213 führe nicht zu einem unzulässigen Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der Antragstellerin, da der verfassungsrechtlich garantierte Kernbereich des Selbstverwaltungsrechts nicht berührt werde, wenn der Übergang der Straßenbaulast dem - verfassungsgemäßen - niedersächsischen Straßenrecht entspreche. Die Beigeladene zu 1) beantragt ebenfalls,

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den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abzulehnen.

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Die Beigeladene zu 1) vertritt ebenfalls die Ansicht, die Antragstellerin sei nicht antragsbefugt. An die Verletzung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts habe die Rechtsprechung hohe Anforderungen gestellt, die hier nicht erfüllt würden. Weder werde durch die Abstufung der B 213 eine hinreichend bestimmte Planung der Antragstellerin nachhaltig gestört, noch würden wesentliche Teile des Gemeindegebietes einer durchsetzbaren Planung entzogen oder kommunale Einrichtungen erheblich beeinträchtigt. Die Antragstellerin vermenge in unzulässiger Weise straßenrechtliche und straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen miteinander. Zudem handle es sich bei den von der Antragstellerin vorgetragenen Folgen der Abstufung des B 213 lediglich um hypothetische Annahmen. Eine Verlagerung des Schwerlastverkehrs auf zwischenörtliche Straßen sei nicht feststellbar. Ob die beabsichtigte Einführung der streckenbezogenen LKW-Maut dies mit sich bringen werde, sei nicht absehbar, werde aber von der Beigeladenen bezweifelt, da die Kosten für den höheren Zeitaufwand die Mautgebühren voraussichtlich übersteigen würden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners ergänzend Bezug genommen.

Gründe

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II.

Der nach § 80 Abs.5 VwGO zu beurteilende Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist statthaft, weil die durch die Erhebung der Klage gegen die Abstufungsverfügung ausgelöste aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO) mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung durch den Antragsgegner vom 30. Juli 2003 entfallen ist (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Der Antrag bleibt jedoch ohne Erfolg.

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Die Antragstellerin wird von den angegriffenen Verfügungen aller Voraussicht nach nicht in ihren Rechten verletzt.

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Rechtgrundlage der Abstufungsverfügung des Antragsgegners ist § 2 Abs.4 FStrG (In der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Februar 2003 (BGBl. I S. 286). Die Norm dient allein objektiven Interessen und vermittelt keinen Drittschutz (vgl. Marschall/Schroeter/Kastner, Bundesfernstraßengesetz, Kommentar, 5. Auflage, § 2 Rdnr. 63 m.w.N.).

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Die Beteiligten gehen zutreffend davon aus, dass sich eine Rechtsverletzung der Antragstellerin allein aus einer erheblichen Beeinträchtigung des verfassungsrechtlich geschützten kommunalen Selbstverwaltungsrechts (Art.28 Abs.2 Satz 1 GG) hier in Form der kommunalen Planungshoheit ergeben könnte. Eine solche Rechtsverletzung ist indes nicht ersichtlich.

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Eine Verletzung der kommunalen Planungshoheit ist in der Regel anzunehmen, wenn das Vorhaben eine hinreichend bestimmte Planung der Gemeinde nachhaltig stört, wesentliche Teile des Gemeindegebietes einer durchsetzbaren Planung entzieht oder kommunale Einrichtungen erheblich beeinträchtigt (BVerwG, U.v.16.12.1988 - 4 C 40.86 - BVerwGE 81, 95). Das Vorhaben muss also für die, eine Rechtsverletzung behauptende Gemeinde unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art haben (vgl. auch BVerwG, U.v. 15.12. 1989 - 4 C 36/86 - BVerwGE 84, 209). Ausgehend von diesen Grundsätzen vermögen die von der Antragstellerin ins Feld geführten Argumente eine Verletzung der kommunalen Planungshoheit nicht zu begründen:

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Durch die Abstufung des in Rede stehenden Teilstückes der B 213 zur Gemeindestraße wird die Antragstellerin nicht unmittelbar in ihren Rechten betroffen. Das Teilstück berührt die Fläche ihres Gemeindegebietes nicht. Die von der Antragstellerin geltend gemachten Befürchtungen, der Schwerlastverkehr werde nunmehr auf die L 873 Richtung V... ausweichen, sind einerseits lediglich nicht belegte Annahmen, andererseits wäre dies auch nicht Folge der - straßenrechtlichen - Abstufungsentscheidung, sondern allenfalls straßenverkehrsrechtlicher Anordnungen in A..., über welche aber in diesem Verfahren nicht zu entscheiden ist. Zudem hat der Antragsgegner unwidersprochen mitgeteilt, dass die verkehrsrechtlichen Beschränkungen bereits seit März 2001 in Kraft seien, mithin die von der Antragstellerin angenommene Verlagerung des Schwerlastverkehrs schon stattgefunden haben müsste und daher nicht Folge der Abstufungsentscheidung sein könnte. Soweit die Antragstellerin weiter annimmt, die Einführung der straßenbezogenen Nutzungsgebühr (LKW-Maut) werde eine Verlagerung des Schwerlastverkehrs auf die Landesstraßen nach sich ziehen, ist ebenfalls hypothetisch und derzeit nicht absehbar. Im Übrigen mangelt es insoweit an einer hinreichenden Kausalität zwischen einer solchen Belastung und der hier im Streit befindlichen Abstufungsentscheidung.

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Die Kammer vermag auch der Argumentation der Antragstellerin nicht zu folgen, eine Verletzung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts liege darin, dass die Abstufung der B 213 zwangsläufig zu einer Abstufung der L 880 zur Gemeindestraße führe mit der Folge, dass die Antragstellerin dafür straßenbaulastpflichtig werde und erhebliche Belastungen zu tragen habe. Auch wenn die L 880 aufgrund der Abstufung der B 213 voraussichtlich ihre Verkehrsbedeutung verlieren wird und zur Gemeindestraße abzustufen sein wird, verletzt dies das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht nicht. Die Kammer folgt insoweit der Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Urt.v.14.02.1994 - 12 L 7201/91 - , DVBl. 1994, S.1203), das zu einer derartigen Fragestellung ausgeführt hat:

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"Die Gemeinden sind nicht davor geschützt, dass ihnen weitere Aufgaben auferlegt werden, die Kosten verursachen. Entspricht der Übergang der Straßenbaulast den Vorschriften des Niedersächsischen Straßengesetzes, so ist der verfassungsrechtlich geschützte Kernbereich des Selbstverwaltungsrechts nicht berührt, weil die Vorschriften des Niedersächsischen Straßengesetzes mit Verfassungsrecht (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) zu vereinbaren sind. Das gilt auch für § 7 NStrG. Mit dieser Vorschrift erreicht das Niedersächsische Straßengesetz, dass diejenige Körperschaft die Straßenbaulast trägt, die dieser Pflicht am nächsten steht. Deshalb ist es gerechtfertigt, Straßen, die überwiegend dem Verkehr innerhalb einer Gemeinde oder zwischen benachbarten Gemeinden dienen oder zu dienen bestimmt sind, als Gemeindestraßen einzuordnen (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 NStrG); für diese Straßen tragen die Gemeinden die Straßenbaulast. An den Nachweis der jeweiligen Funktionen sind im Hinblick auf Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG besondere Anforderungen nicht zu stellen; der Nachweis der jeweiligen Funktion ist nach den Vorschriften des Niedersächsischen Straßengesetzes unabhängig davon zu führen, ob es sich um eine Gemeindestraße, eine Kreisstraße, eine Landesstraße oder eine Bundesstraße handelt."

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Verletzt aber die Abstufung einer Landesstraße zu einer Gemeindestraße nicht das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde, so kann dies notwendig erst recht nicht für eine Entscheidung gelten, die erst zur Änderung der Verkehrsbedeutung führt. Der Gemeinde werden hier nicht gewissermaßen "schleichend" neue staatliche Aufgaben zugewiesen oder zur Erledigung übertragen, auch wenn mit einer späteren Abstufung erhebliche finanzielle Folgen verbunden sein sollten. Denn der Bestand des kommunalen Straßennetzes durch Gemeindestraßen ist gerade traditionelle Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft, so dass es sich nicht um eine Aufgabenverlagerung handelt, sondern die zuständige staatliche Stelle ihre eigene Aufgabe aufgrund tatsächlich geänderter Verhältnisse für erledigt erklärt (vgl. BVerwG, Beschl.v. 22.12 1994 - 4 B 114.94 - NVwZ 1995, S.700). Wenn dies sogar bei der Abstufung einer Landesstraße zur Gemeindestraße für die Gemeinde gilt, welche aufgrund der Entscheidung zukünftig die Straßenbaulast zu tragen hat, muss es erst recht gelten, wenn - wie hier - die Abstufungsentscheidung eine Gemeinde nur mittelbar trifft, weil durch sie - voraussichtlich - eine andere Landesstraße (L 880) ihre Verkehrsbedeutung zu verlieren droht und dann ebenfalls zur Gemeindestraße abgestuft werden müsste.

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Nach allem musste dem Antrag der Erfolg versagt bleiben.

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