Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 28.11.2003, Az.: 7 B 3684/03
alte Fahrklasse 3; Bestandschutz; Fahrerlaubnisklasse T; Fahrerlaubnisprüfung; neue Fahrerlaubnisklasse C1E; Neuerteilung,; Unterklasse CE 79; Verzicht auf Fahrprüfung
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 28.11.2003
- Aktenzeichen
- 7 B 3684/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 48294
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 20 FeV
- Anlage 3 zu § 6 Abs 7 FeV
- § 6 FeV
- § 5 Abs 1 StVZO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Bei der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangenem Entzug einer Fahrerlaubnis der Klasse 3 (alt: 1981), bestimmt sich der Umfang der neuen Fahrerlaubnis nicht nach Anlage 3 zu § 6 Abs. 7 FeV, insbesondere sind nicht die Klassen CE 79 und T zu erteilen.
Gründe
Mit seinem Hauptantrag begehrt der Antragsteller sinngemäß den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, seine Fahrerlaubnis der Klassen A, A1, B, BE, C1, C1E, M und L um die Klassen CE 79 und T - und zwar ohne vorherige theoretische und praktische Prüfung - zu erweitern. Mit seinem Hilfsantrag begehrt der Antragsteller eine auf 6 Monate befristete Erweiterung seiner Fahrerlaubnis um die genannten Klassen.
Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO das Vorliegen eines Anordnungsgrundes (Eilbedürftigkeit) sowie eines Anordnungsanspruchs (d. h. eines materiellen Anspruchs auf die geltend gemachte Regelung). An letzterem fehlt es hier. Als Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch kommen allein § 20 i.V.m. §§ 7 ff FeV in Betracht, denn dem Antragsteller ist die im Oktober 1981 erteilte Fahrerlaubnis (Klassen 1, 3 und 4) am 16. Februar 2000 entzogen worden, weil er der Aufforderung des Antragsgegners zur Teilnahme an einem Aufbauseminar nicht nachgekommen war. Nach § 20 Abs. 1 FeV gelten für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung die Vorschriften für die Ersterteilung. Im Hinblick auf die vom Antragsteller am 14. März 2000 beantragte Neuerteilung seiner Fahrerlaubnis galt und gilt deshalb grundsätzlich auch 15 FeV, wonach der Bewerber um eine Fahrerlaubnis seine Befähigung in einer theoretischen und einer praktischen Fahrprüfung nachzuweisen hat. Allerdings ist die Fahrerlaubnisbehörde nach § 20 Abs. 2 FeV berechtigt, auf eine solche Fahrprüfung zu verzichten, wenn keine Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Bewerber die erforderlichen theoretischen und praktischen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht mehr besitzt. Einen solchen Verzicht hat der Antragsgegner im Hinblick auf die Fahrerlaubnis der Klassen A, A1, B, BE, C1, C1E, M und L ausgeübt, die er dem Antragsteller am 06. Mai 2000 erteilte. Der Antragsgegner ist aber nunmehr weder berechtigt noch verpflichtet, die bestehende Fahrerlaubnis des Antragstellers um die weiteren Fahrerlaubnisklassen CE, gegebenenfalls mit der Schlüsselzahl 79 versehen, und T zu erweitern, ohne dass der Antragsteller zuvor seine Kenntnisse und Fähigkeiten in einer Fahrprüfung nachgewiesen hätte. Denn nach § 20 Abs. 2 S. 2 FeV ist ein Verzicht auf die Prüfung unzulässig, wenn seit der Entziehung der Fahrerlaubnis - wie hier - mehr als zwei Jahre verstrichen sind. Diese Vorschrift ist nicht abdingbar. Der Antragsgegner wäre selbst dann daran gebunden, wenn er den Antragsteller - wie dieser behauptet - tatsächlich bei Antragstellung fehlerhaft beraten hätte (siehe dazu OVG Lüneburg, Beschluss vom 09. Juli 1997 - 12 L 3292/97 - zit.n.juris; BVerwG, Beschluss vom 28. Dezember 1989 - 7 B 186/89 - NZV 1990, 125 f, zit.n.juris; VG Saarland, Urteil vom 05. Oktober 1999 - 3 K 348/97 - zit.n.juris). Denn die vorgenannte Vorschrift besteht im Interesse der Verkehrssicherheit. Ein Verzicht auf die Fahrprüfung kommt auch nicht nach § 76 Nr. 11a FeV, welcher zum 01. September 2002 eingefügt worden ist, in Betracht. Dort heißt es sinngemäß, dass Personen, denen eine vor dem 01. April 1980 erteilte Fahrerlaubnis der alten Klasse 3 entzogen wurde, im Rahmen der Neuerteilung nach § 20 FeV ohne Ablegung der hierfür erforderlichen Fahrerlaubnisprüfung auf Antrag außer der Klasse B auch die Klassen BE, C1 und C1E sowie die Klasse A1 erteilt werden können. Um diese Fahrerlaubnisklassen geht es dem Antragsteller aber nicht, da er sie bereits besitzt. Zudem hatte er seine ursprüngliche Fahrerlaubnis auch nicht vor dem 01. April 1980 erworben.
Zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten weist die Kammer auf Folgendes hin: Nachdem dem Antragsteller die Fahrerlaubnis im Februar 2000 rechtmäßig entzogen worden war, entfiel jeglicher Bestandsschutz, den eine bestehende Fahrerlaubnis genossen hätte (s. dazu BVerwG, Urteil vom 24. September 2002 - 3 C 18/02 - NJW 2003, 530 f, zit.n.juris). Dass sich der Umfang der dem Antragsteller im Mai 2000 neu zu erteilenden Fahrerlaubnis grundsätzlich dennoch nach dem Umfang der entzogenen Fahrerlaubnis richtete, lag in der Annahme begründet, er verfüge nach wie vor über die Kenntnisse und Fähigkeiten, die im Hinblick auf die jeweiligen Fahrerlaubnisklassen erforderlich waren. Dem Antragsteller war deshalb eine Fahrerlaubnis der Klassen zu erteilen, die den Klassen der entzogenen Fahrerlaubnis, allerdings auch seinem Antrag entsprach (Hentschel, StraßenverkehrsR, 36. Auflage, § 20 FeV, Rz 4). Der Antrag des Antragstellers war gerichtet auf die Fahrerlaubnisklassen A (unbeschränkt), B, BE, C1, C1E, M und L. Diese und auch die Fahrerlaubnisklasse A1 wurden ihm sodann erteilt.
Soweit der Antragsteller darauf hinweist, dass die ihm neu erteilte Fahrerlaubnis ihrem Umfang nach nicht der Fahrerlaubnis entspreche, die er vor der Entziehung besessen habe, ist dem zuzustimmen. Ein Unterschied besteht insbesondere im Hinblick auf schwere Züge/Kombinationen bestehend aus einem Kraftfahrzeug und einem Anhänger. Denn mit der neuen Fahrerlaubnisklasse C1E war und ist der Antragsteller nur berechtigt, Kraftfahrzeuge der Klasse C1 (maximal 7.500 kg) mit Anhängern zu führen, soweit die Gesamtmasse der Kombination 12.000 kg nicht übersteigt. Demgegenüber ist er mit der alten, ihm entzogenen Fahrerlaubnis der Klasse 3 berechtigt gewesen (s. dazu §§ 5, 18 StVZO in der am 16. Oktober 1981 geltenden Fassung), u.a. Züge/Kombinationen mit bis zu drei Achsen ohne Gesamtgewichtsbeschränkung zu führen, sowie Züge bestehend aus einem Kraftfahrzeug sowie einem zulassungsfreien Anhänger nach § 18 Abs. 2 Nr. 6 StVZO, wobei eine Gewichtsbeschränkung für den gesamten Zug ebenfalls nicht bestand. Mit anderen Worten ist der Antragsteller u. a. berechtigt gewesen, Züge/Kombinationen zu führen, bei denen das Zugfahrzeug nicht mehr als 7.5 t = 7.500 kg aufwies, deren Gesamtmasse aber ein Gewicht von 12.000 kg übersteigen konnte. Diese Fallgestaltung wird nicht von der neuen Fahrerlaubnisklasse C1E erfasst, sondern u.a. von der Fahrerlaubnisklasse CE, versehen mit der Schlüsselzahl 79 (C1E > 12000 kg, L < 3) (s. dazu Anlage 9 zu § 25 Abs. 3 . Ziff. II. a). 79 (C1E > 12000 kg, L < 3)), die dem Antragsteller im Falle der Umschreibung seiner alten Fahrerlaubnis nach Auskunft des Antragsgegners und entsprechend Anlage 3 zu § 6 Abs. 7 StVZO auf Antrag unproblematisch zugeteilt worden wäre. Der Umstand, dass diese Fahrerlaubnisklasse dem Antragsteller im Falle der Umschreibung zugeteilt worden wäre, hat jedoch nicht zur Folge, dass ihm diese Fahrerlaubnisklasse auch am 06. Mai 2000 hätte neu erteilt werden müssen. Der Antragsteller muss sich - wie bereits oben dargelegt - entgegenhalten lassen, dass er vor der Neuerteilung am 06. Mai 2000 keine Fahrerlaubnis mehr besessen hat, auf die sich ein Bestandsschutz hätte beziehen können. Entsprechend § 20 Abs. 1 FeV galten für ihn die Vorschriften für die Ersterteilung mit der Folge, dass ihm nur die in § 6 FeV normierten Fahrerlaubnisklassen zugeteilt werden konnten. Eine Unterklasse CE 79 benennt § 6 FeV nicht. Sie stellt eine Beschränkung der Fahrerlaubnisklasse CE dar, welche der Gesetzgeber lediglich für die Fälle der Umschreibung der alten Führerscheinklasse 3 zur Wahrung des Bestandsschutzes vorgesehen hat. In der Anlage 9 zu § 25 Abs. 3 FeV heißt es insoweit: „79 Nur Fahrzeuge, die im Rahmen der Anwendung von Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG den in Klammern angegebenen Spezifikationen entsprechen“. Die Richtlinie 91/439/EWG ist die Grundlage zur Einführung der neuen Fahrerlaubnisklassen gewesen. In Art. 2 der Richtlinie werden die neuen Fahrerlaubnisklassen enumerativ aufgeführt. Der deutsche Gesetzgeber hat sich mit der Neufassung der Fahrerlaubnisklassen in § 6 FeV daran orientiert. In Art. 10 der Richtlinie sind die nationalen Gesetzgeber ermächtigt worden, mit Zustimmung der Kommission Äquivalenzen festzulegen zwischen den Fahrerlaubnissen alten nationalen Rechts und den in der Richtlinie vorgegebenen neuen Fahrerlaubnisklassen. Davon hat der deutsche Gesetzgeber für bestehende Fahrerlaubnisse alten Rechts mit Anlage 3 zu § 6 Abs. 7 FeV Gebrauch gemacht. Für alle neu zu erteilenden Fahrerlaubnisse gelten die dort normierten Vergünstigungen dagegen mangels Bestandsschutzes grds. nicht. Folglich hätte der Antragsteller, um die gleichen Fahrzeuge wie mit der alten Fahrerlaubnisklasse 3 fahren zu dürfen, die Fahrerlaubnisklasse CE, unter Umständen auch D erwerben müssen. Da diese Fahrerlaubnisklassen ihrem Umfang nach nicht mit der alten Fahrerlaubnisklasse 3 übereinstimmen, sondern darüber hinausgehen, durfte der Antragsgegner dem Antragsteller diese Fahrerlaubnisklassen im Mai 2000 allerdings nicht ohne Fahrerlaubnisprüfung erteilen. Dies gilt auch in bezug auf den nunmehr gestellten Antrag des Antragstellers auf Erweiterung seiner Fahrerlaubnis. Was die vom Antragsteller begehrte Fahrerlaubnisklasse T betrifft, so ergibt bereits die Gesetzesbegründung (vgl Bundesratsdrucksache 443/98 S. 212 - 215, zu .Teil abgedruckt bei Hentschel, a.a.O., § 6 FeV, Rz 2), dass es sich hierbei um eine neue Fahrerlaubnisklasse handelt, der keine der alten Fahrerlaubnisklassen entspricht. Unter anderem berechtigt die Fahrerlaubnisklasse T zum Führen land- oder forstwirtschaftlicher Zugmaschinen ohne besondere Gewichtsbeschränkung, s. § 6 FeV. Demgegenüber berechtigte die alte Fahrerlaubnisklasse 3 lediglich zum Führen von Kraftfahrzeugen, mithin auch Zugmaschinen, bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von 7,5 t, vgl. § 5 Abs. 1 StVZO in der am 16. Oktober 1981 geltenden Fassung. Auch im Hinblick auf die Anzahl der Achsen sowie der mitgeführten Anhänger gelten nunmehr im Gegensatz zur früher für die Fahrerlaubnisklasse 3 geltenden Regelung keine Beschränkungen mehr, vgl. vgl. § 5 Abs. 1 StVZO in der am 16. Oktober 1981 geltenden Fassung. Deshalb war und ist der Antragsgegner nicht verpflichtet, dem Antragsteller die Fahrerlaubnisklasse T ohne Fahrerlaubnisprüfung zu erteilen bzw. die vorhandene Fahrerlaubnis um diese Klasse zu erweitern.