Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 10.07.2013, Az.: VgK-20/2013

Vergabe des Neubaues eines Dalbenliegeplatzes mit Roll-On Roll-Off-Anlage europaweit im offenen Verfahren bei Ausschluss eines Angebots

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
10.07.2013
Aktenzeichen
VgK-20/2013
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 43513
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Nachprüfungsverfahren
der Bietergemeinschaft "XXXXXX,
...
wegen
EU-Vergabeverfahren Neubau eines Dalbenliegeplatzes mit Roll-On Roll-Off-Anlage XXXXXX
hat die Vergabekammer durch die Vorsitzende Regierungsdirektorin Dr. Raab, den hauptamtlichen Beisitzer Bauoberrat Peter und den ehrenamtlichen Beisitzer Baudirektor Ruthemann auf die mündliche Verhandlung vom 01.07.2013
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf XXXXXX € festgesetzt.

  4. 4.

    Die Antragstellerin hat der Antragsgegnerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragsgegnerin notwendig.

Begründung

I.

Die Vergabestelle und Antragsgegnerin hat mit EU-Vergabebekanntmachung vom XXXXXX die Herstellung einer beweglichen Rampe als Los 4 des Gesamtprojektes "Neubau eines Dalbenliegeplatzes mit Roll-on-/Roll-off-Anlage an der XXXXXX" europaweit im offenen Verfahren als Sektorenauftrag ausgeschrieben. Gemäß dem Vergabevermerk wurden die Kosten für das Gesamtprojekt auf ca. XXXXXX € (netto) geschätzt. Eine Kostenschätzung für das hier streitgegenständliche Los 4 enthielt die Vergabeakte zunächst nicht und wurde erst nach Aufforderung durch die Vergabekammer nachgereicht. Hiernach beliefen sich die Schätzkosten für das Los 4 auf XXXXXX € (netto).

Gemäß der Aufforderung zur Angebotsabgabe sollte der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot erfolgen. Hierbei sollte der Preis mit 90 % und die Bauzeit mit 10 % gewertet werden. Im Weiteren waren gemäß der Aufforderung zur Angebotsabgabe mit dem Angebot das Formblatt 221 oder wahlweise das Formblatt 222 (Angaben zur Preisermittlung) abzugeben. Soweit die Bieter beabsichtigten, Nachunternehmer einzusetzen, waren zudem die Formblätter 235 SV (Nachunternehmerverzeichnis) und 236 SV (Verpflichtungserklärung von Nachunternehmern) mit dem Angebot abzugeben. Diesbezüglich war unter der lfd. Nr. 7 der Bewerbungsbedingungen für die Vergabe von Bauleistungen Folgendes festgelegt:

"Beabsichtigt der Bieter, sich bei der Erfüllung eines Auftrages der Fähigkeiten anderer Unternehmen zu bedienen, muss er Art und Umfang der dafür vorgesehenen Leistungsbereiche in seinem Angebot bezeichnen. Das gilt auch, wenn von einem Nachunternehmer nur unwesentliche Teile der Leistung ausgeführt werden sollen."

Die Antragstellerin legte für beide Unternehmen der Bietergemeinschaft mit ihrem Angebot bezüglich der Preisermittlung das Formblatt 221 vor, unterließ es aber auf den Formblättern kenntlich zu machen, auf welches Unternehmen sich das jeweilige Formblatt bezog. Schließlich erklärte die Antragstellerin in dem Formblatt 235 SV, ausschließlich für die Position 1.7 (Korrosionsschutz) und den gesamten Titel 2 (E-Technik/Steuerung) Nachunternehmer einsetzen zu wollen. In der zugehörigen Verpflichtungserklärung 236 SV hatte die Firma XXXXXX erklärt, ihre Fähigkeiten in Bezug auf die Position 1.7 der Bietergemeinschaft zur Verfügung zu stellen, für den Titel 2 tat dies die Firma XXXXXX. Zusätzlich wurde in diesem Formblatt jedoch erklärt, dass die Fa. XXXXXX Leistungen im Bereich des Stahl- und Maschinenbaus erbringen sollte ("Los 4 Titel 1 teilw."). Die konkreten Positionen des Leistungsverzeichnisses, die durch die Fa. XXXXXX erbracht werden sollten, waren dort jedoch nicht benannt. Der Titel 1 des Leistungsverzeichnisses umfasste dabei 84 Einzelpositionen mit Einzelpreisen zwischen XXXXXX € und XXXXXX €. Der Gesamtwert dieses Titels belief sich nach dem Angebot der Antragstellerin auf über XXXXXX € (netto) und bildete damit den Schwerpunkt des Auftrages.

Insgesamt gaben fünf Bieter ein Angebot ab. Die Antragstellerin gab mit einer Angebotssumme von XXXXXX € (netto) das preisgünstigste Angebot ab.

Nach der formalen Prüfung der Angebote schloss die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 08.05.2013 alle Angebote von allen Bietern aus unterschiedlichen Gründen vom Verfahren aus und hob nachfolgend noch am gleichen Tage die Ausschreibung unter der Begründung auf, dass kein Angebot vorgelegen habe, das den Ausschreibungsbedingungen entsprochen habe. Das Angebot der Antragstellerin wurde aufgrund widersprüchlicher Angaben zu den Nachunternehmerleistungen in den Formblättern 235 SV und 236 SV und einer fehlenden Firmenzuordnung in den Formblättern 221 ausgeschlossen.

Die Antragstellerin rügte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 10.05.2013 sowohl den Ausschluss ihres Angebotes als auch die Aufhebung des Vergabeverfahrens als unverhältnismäßig und nicht der Sektorenverordnung entsprechend. Nachdem die Antragsgegnerin die Rüge ebenfalls mit anwaltlichem Schriftsatz vom 15.05.2013 zurückgewiesen hatte, beantragte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 29.05.2013 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.

Der Nachprüfungsantrag sei zulässig und begründet. Sowohl die Aufhebungsentscheidung wie auch die Entscheidung über den Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin seien vergaberechtswidrig. Es sei zwar zutreffend, dass - bei rein formaler Betrachtung - die Formblätter 235 SV und 236 SV hinsichtlich der dort jeweils ausgewiesenen Nachunternehmerleistungen nicht deckungsgleich gewesen seien. Richtig sei, dass der Leistungsbereich Stahl-/Maschinenbau im Formblatt 235 SV der Antragstellerin nicht ausgewiesen sei. Dieser Sachverhalt rechtfertige jedoch keinen Angebotsausschluss. Die Antragsgegnerin stütze ihre Ausschlussentscheidung auf § 26 Sektorenverordnung (SektVO). Diese Vorschrift enthalte weder die Beschreibung eines Sachverhaltes noch die Regelung einer Rechtsfolge, nach der ein Ausschluss vom Vergabeverfahren - anders als beispielsweise gemäß § 21 SektVO - verfügt werden dürfe. Ein Ausschlussgrund "widersprüchliche Angaben zu Nachunternehmerleistungen" könne § 26 SektVO schon seinem Wortlaut nach nicht zugeordnet werden. Erst recht könne § 26 SektVO keine Regelung darüber entnommen werden, dass ein etwaiger Angebotsausschluss obligatorisch sein solle. Dies, zumal der Verordnungsgeber mit Erlass der Sektorenverordnung lediglich eine sog. "1:1-Umsetzung" der Richtlinie 2004/17/EG verfolgt habe. Auch vor diesem Hintergrund verbiete es sich, in unklaren Angaben zum Nachunternehmereinsatz einen allgemeinen Ausschlussgrund zu sehen.

Darüber hinaus bewege sich der "unklare" Leistungsanteil der Fa. XXXXXX betragsmäßig bei lediglich XXXXXX € und damit im Vergleich zur Angebotssumme im Promillebereich. Es handele sich damit um einen äußerst geringfügigen Aspekt, der einen Angebotsausschluss nicht rechtfertigen würde. Hinzu komme, dass die von der Fa. XXXXXX zu erbringenden Teilleistungen sämtlich einen inhaltlichen und funktionalen Zusammenhang mit dem von der Fa. XXXXXX gleichfalls zu erbringenden Leistungsteil "E-Technik-Steuerung" aufwiesen, der Sache nach also einen einheitlichen Leistungsbereich betreffen würden. Für den Ausschluss des Angebotes bestehe schon insoweit objektiv keine sachliche Rechtfertigung.

Soweit die Antragsgegnerin in ihrer Rügeerwiderung vom 15.05.2013 weiter meine, dass eine Pflicht zur Aufklärung von Widersprüchen dem Vergaberecht weder im Sektorenbereich noch im Bereich der VOB/A und VOL/A entnommen werden könne und eine spätere Ergänzung von eingereichten Unterlagen dem Bieter die Möglichkeit eröffnen würde, sein Angebot nachzubessern, so könne auch dem nicht gefolgt werden. Die Antragsgegnerin hätte etwaig unklare Angaben zum Nachunternehmereinsatz auch aufklären müssen, bevor sie von der schärfsten Sanktion des Vergaberechts, dem Angebotsausschluss, Gebrauch machen dürfe. Dies schon aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und zumindest dann, wenn - wie hier - die Aufklärung der Nachunternehmerangaben nicht zu einer Angebotsänderung führe, insbesondere das wertungsrelevante Preis-Leistungs-Verhältnis unangetastet bleibe.

Auch die fehlende Firmenzuordnung im Formblatt 221 sei unschädlich. Abgesehen davon, dass die Antragstellerin diese Zuordnung aus der hier bereits vorliegenden Urkalkulation hätte entnehmen können, sei eine "Firmenzuordnung" im Formblatt 221 und auch in den sonstigen Vergabeunterlagen nirgends gefordert gewesen. Vielmehr sei in die erste Zeile des Formblattes 221 ausschließlich der Name des jeweiligen Bieters bzw. der Name der jeweiligen Bietergemeinschaft einzutragen gewesen. Auch hier gelte, dass ein Ausschluss des Angebotes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße.

Schließlich sei auch die mit Schreiben vom 08.05.2013 verfügte Aufhebung des Vergabeverfahrens vergaberechtswidrig. Die Antragsgegnerin habe ihre Aufhebungsentscheidung zunächst allein mit dem Umstand begründet, dass kein Angebot eingegangen sei, dass den Ausschreibungsbedingungen entsprochen habe. Dies sei jedoch objektiv unzutreffend. Das Angebot der Antragstellerin entspreche den Ausschreibungsbedingungen und sei auch dementsprechend zu werten; das Vergabeverfahren sei fortzuführen. Soweit die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang in ihrer Rügeerwiderung vom 15.05.2013 angeführt habe, dass aktuell geprüft werde, ob eventuell auch ein PPP-Projekt für die Erbringung der Leistungen in Betracht komme und/oder ob auch technische Optimierungen bei der Vergabe durchgesetzt werden können, sei dies unglaubwürdig. Es erscheine unrealistisch, ein bereits zu rund 50 % fertig gestelltes Bauvorhaben, also mitten in der Realisierungsphase, noch in ein PPP-Projekt umwandeln zu wollen. Auch bleibe völlig unklar, welche "technische Optimierung" die Antragsgegnerin überhaupt meine. Das gesamte Vorbringen der Antragsgegnerin betreffend die von ihr angeführten "Aufhebungsgründe" erweise sich als derart unsubstantiiert, dass von einer nicht stichhaltigen und in keiner Weise belastbaren Aufhebungsentscheidung gesprochen werden müsse. Der Vortrag der Antragstellerin rechtfertige auch im Anwendungsbereich der SektVO keinen Angebotsausschluss.

Die Antragstellerin beantragt:

  1. 1.

    Die Antragsgegnerin wird dazu verpflichtet, die Aufhebungsentscheidung zu widerrufen und das Vergabeverfahren nach näherer Maßgabe der Vergabekammer fortzuführen.

  2. 2.

    Es wird festgestellt, dass das Angebot der Antragstellerin nicht hätte von der Wertung ausgeschlossen werden dürfen.

  3. 3.

    Es wird festgestellt, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens rechtswidrig war und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt.

  4. 4.

    Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens und wird verpflichtet, der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten und damit auch ihre Anwaltskosten zu erstatten.

  5. 5.

    Der Antragstellerin wird Akteneinsicht gewährt, insbesondere hinsichtlich solcher Bestandteile der Vergabeakte, die sich zum Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin sowie zur Aufhebung des Vergabeverfahrens verhalten.

  6. 6.

    Die ausschreibungsgegenständliche Vergabeakte der Antragsgegnerin sowie der dazu gehörige Vergabevermerk werden zum Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens gemacht.

Die Antragsgegnerin beantragt:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag ist zu verwerfen bzw. zurückzuweisen, insbesondere

    a) ist die Antragsgegnerin nicht zu verpflichten, das Vergabeverfahren nach Maßgabe der Vergabekammer fortzuführen;

    b) ist nicht festzustellen, dass das Angebot der Antragstellerin nicht hätte von der Wertung ausgeschlossen werden dürfen;

    c) ist nicht festzustellen, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens rechtswidrig war und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt.

  2. 2.

    Der Antragstellerin sind die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen und die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin ist für notwendig zu erklären.

  3. 3.

    Der Antragstellerin wird nur eingeschränkt Akteneinsicht und nur in Bezug auf den Vergabevermerk gewährt.

Der Antrag der Antragstellerin sei unbegründet. Die Antragstellerin habe mit dem Nachprüfungsantrag zugegeben, dass die Angaben im Formblatt 235 SV und den eingereichten Formblättern 236 SV "nicht deckungsgleich" seien. Hierzu sei klarzustellen, dass es für die Antragsgegnerin nicht erkennbar gewesen sei, welche Teilleistungen nun tatsächlich von Nachunternehmern erbracht werden sollten. So wie die Formblätter abgegeben worden seien, sei es für den Auftraggeber vollkommen unverständlich gewesen, welcher Teil des Leistungsbereichs/Titel 1 von der Fa. XXXXXX übernommen werden sollte. Die Angaben zum Umfang der Nachunternehmerleistung seien auch nicht nur unwesentlich unklar. Die Antragsgegnerin habe auch nicht nur annähernd einschätzen können, welchen Bereich/welche OZ des Titel 1 von der Fa. XXXXXX "teilweise" übernommen werden sollten.

Im vorliegenden Fall sei die SektVO anzuwenden. Zwar stehe dem jeweiligen Auftraggeber mit dem Rechtsregime der SektVO grundsätzlich eine großzügigere und freiere Rechtsordnung für die Ausgestaltung der Vergabeverfahren zur Verfügung. Allerdings werde auch im Sektorenbereich kein rechtsfreier Raum eröffnet. Selbstverständlich seien auch hier die grundlegenden Prinzipien des Vergaberechts, wie das Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot sowie der Wettbewerbsgrundsatz einzuhalten. Zwar fehle in der aktuellen SektVO eine ausdrückliche Vorschrift, nach welcher Angebote, die unvollständig oder widersprüchlich sind, auszuschließen seien. Allerdings sei nach ständiger Rechtsprechung und einhelliger Kommentierung auch im Sektorenbereich der Grundsatz anzuwenden, dass unvollständige und wegen widersprüchlicher Angaben nicht wertungsfähige Angebote auszuschließen seien. Es bestehe für die Antragsgegnerin auch keine Pflicht, Widersprüche in den Vergabeunterlagen der Bieter aufzuklären. Eine Pflicht zur Aufklärung von Widersprüchen und Unklarheiten könne dem Vergaberecht weder im Sektorenbereich noch im Bereich der VOB/A noch VOL/A entnommen werden. Die Antragsgegnerin habe sich dafür entschieden, keine Bieter zur Aufklärung widersprüchlicher Angaben aufzufordern. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang angeführt habe, dass die Aufklärung im streitgegenständlichen Fall nicht sehr umfangreich gewesen wäre, so könne dies im Vorhinein gerade nicht abgeschätzt werden. Daher könne dieses Argument schlichtweg nicht greifen. Der Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin sei damit rechtmäßig erfolgt.

Auch die Aufhebung des Vergabeverfahrens sei rechtmäßig erfolgt. Die Aufhebungsentscheidung sei von der Antragsgegnerin zunächst vor dem alleinigen Hintergrund getroffen worden, dass kein wertbares Angebot vorgelegen habe. Hieran werde auch weiterhin festgehalten. Sollte wider Erwarten der Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin von der Vergabekammer als rechtswidrig qualifiziert werden, würde die Antragsgegnerin jedoch gezwungen sein, das Vergabeverfahren dennoch aufgrund der massiven Überschreitung des Budgets der Haushaltsmittel aufzuheben. Zur Finanzierung der Bezuschlagung des Angebotes der Antragstellerin würden rd. 600.000 € an Haushaltsmitteln fehlen. Dieser Entschluss zur hilfsweisen Aufhebung gemäß § 30 SektVO sei von der Antragsgegnerin bereits gefasst.

Das legerere Vergaberechtsregime der SektVO lasse die Aufhebung und Einstellung des Vergabeverfahrens in erleichtertem Umfange zu. Hier würden nicht die in § 17 VOB/A bzw. § 20 EG VOL/A vorgegebenen "schwerwiegenden Gründe" für eine rechtmäßige Aufhebung gelten. Nach der SektVO sei nur ein willkürlicher Entschluss zur Aufhebung unzulässig oder eine nur zum Schein erfolgte Aufhebung. Die hilfsweise beabsichtigte Aufhebung wegen massiver Überschreitung der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel würde nicht willkürlich oder nur zum Schein erfolgen. Daher wäre auch diese hilfsweise Aufhebung gemäß SektVO wegen Vorliegens eines sachlichen Grundes rechtmäßig und daher sanktionslos durchzuführen.

Die Vergabekammer gewährte den Verfahrensbeteiligten in der mündlichen Verhandlung am 01.07.2013 Schriftsatznachlass bis zum 04.07.2013 und ersuchte die Antragsgegnerin um Ergänzungen zu ihrem Vergabevermerk betreffend das Erstellungsdatum sowie hinsichtlich in der mündlichen Verhandlung aufgetretener Fragen u. a. zur Entwicklung der Kostenschätzung. Die Antragsgegnerin übersandte am 04.07.2013 einen ergänzten Vergabevermerk, betonte dabei, der Vergabevermerk mit dem Enddatum 23.05.2013 habe alle entscheidungserheblichen Aspekte enthalten. Die Antragstellerin vertiefte unter dem gleichen Datum ihren Vortrag, wies u. a. darauf hin, dass die Frist für die Einreichung der Angebote unangemessen kurz gewesen sei.

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 01.07.2013 Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Die Antragstellerin ist durch die Entscheidung der Antragsgegnerin, das Angebot der Antragstellerin von der Angebotswertung auszuschließen und die Ausschreibung aufzuheben, nicht in ihren Rechten im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Die Antragsgegnerin hat das Angebot der Antragstellerin zu Recht gemäß § 26 SektVO von der Angebotswertung ausgeschlossen, weil die Antragstellerin in ihrem Angebot in den Formblättern 235 SV und 236 SV widersprüchliche Angaben zu dem Einsatz von Nachunternehmern gemacht hat. Eine Nachforderung von Unterlagen gemäß § 19 Abs. 3 SektVO kam insoweit nicht in Betracht. Die Antragsgegnerin hat die Ausschreibung gem. § 30 SektVO rechtmäßig aus sachlichem Grund aufgehoben, weil sie nach rechtmäßigem Ausschluss aller 5 Angebote kein wertungsfähiges Angebot vorliegen hatte.

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um eine öffentliche Auftraggeberin gemäß § 98 Nr. 4 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den verfahrensgegenständlichen Leistungen handelt es sich um die Vergabe des Neubaus eines Dalbenliegeplatzes mit Roll-On Roll-Off-Anlage, die von einem Auftraggeber i. S. d. § 98 Nr. 4 GWB vergeben wird und um einen Bauauftrag im Sektorenbereich, für den gemäß § 1 der Sektorenverordnung ein Schwellenwert von 5 Mio. € gilt. Die SektVO enthält in § 1 Abs. 2 eine dynamische Verweisung auf die europarechtlichen Schwellenwerte, die unmittelbar gelten. In der Verordnung (EG) 1251/2011 der Kommission vom 20. November 2011 zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG, 2004/18/EG und 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für Auftragsvergabeverfahren (vgl. ABl. L 319/43 v. 02.12.2011) sind die Schwellenwerte für die Anwendung des EU-Vergaberechts mit Wirkung vom 01.01.2012 festgesetzt worden. Der danach für Bauaufträge maßgebliche Schwellenwert von 5 Mio. Euro wird ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte überschritten. Im vorliegenden Vergabevermerk mit Enddatum 23.05.2013 ist festgehalten, dass die Antragsgegnerin den Gesamtwert des Auftrags XXXXXX Euro geschätzt hat.

Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie die Auffassung vertritt, die Antragsgegnerin habe ihr Angebot zu Unrecht von der Wertung ausgeschlossen und die Ausschreibung vergaberechtswidrig ohne sachlichen Grund aufgehoben sowie gegen den Transparenzgrundsatz des §§ 97 Abs. 1 GWB verstoßen. Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behaupte Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller die Umstände aufzeigen muss, aus denen sich die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen aber nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Auflage, § 107 GWB, Rdnr. 954). Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages, wenn der Bieter schlüssig einen durch die Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (vgl. BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/04; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz, GWB Vergaberecht, § 107, Rdnr. 35 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06, zitiert nach VERIS). Die Antragstellerin hat eine mögliche Beeinträchtigung ihrer Chancen auf den Zuschlag und damit einen möglichen Schaden schlüssig dargelegt, zumal sie im Falle der Berücksichtigung ihres Angebots für das streitbefangene Los 4 das preislich niedrigste Angebote abgegeben hätte.

Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gemäß § 107 Abs. 2 Nr. 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer den geltend gemachten Verstoß gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren gegenüber dem Auftraggeber unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht gemäß § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen. Die Antragstellerin wurde durch die Antragsgegnerin mit per Fax versandtem Schreiben vom 08.05.2013 darüber informiert, dass ihr Angebot zu dem streitbefangenen Los wegen unklarer Angaben in den Formblättern 235 SV und 236 SV von der Wertung ausgeschlossen wird. Ebenfalls am 08.05.2013 teilte die Antragsgegnerin den Bietern per Fax die Aufhebung des Vergabeverfahrens mit. Bereits mit anwaltlichen Schriftsatz vom 10.05.2013 rügte die Antragstellerin sowohl den Ausschluss ihres Angebotes als auch die Aufhebung des Vergabeverfahrens als unverhältnismäßig und nicht der Sektorenverordnung entsprechend. Die Rügen erfolgten unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung der vermeintlichen Vergaberechtsverstöße im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB. Nach Zurückweisung der Rüge durch die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin am 15.05.2013 legte die Antragstellerin am 29.05.2013 Nachprüfungsantrag ein, so dass auch die Frist des § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB gewahrt ist.

Das Rechtschutzbedürfnis der Antragstellerin ist trotz der erfolgten Aufhebung der Ausschreibung am 08.05.2013 gegeben. Denn auch im Sektorenbereich ist ein Auftraggeber bei einer Aufhebungsentscheidung nicht vollkommen frei. Jedenfalls bei fortbestehender Vergabeabsicht benötigt ein Auftraggeber einen sachlichen Grund für eine rechtmäßige Aufhebung, andernfalls wäre die Vergabekammer zur Aufhebung einer rechtswidrigen Aufhebung berechtigt, so dass die bei einer Aufhebung zu beachtenden rechtlichen Bindungen nicht nur für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen Bedeutung haben, sondern auch für eine Geltendmachung im Wege des Primärrechtsschutzes (vgl. dazu Lischka in Müller-Wrede, Sektorenverordnung - SektVO - Kommentar, § 30 Rdnr. 11). Die Antragsgegnerin hat ihren fortbestehenden Vergabewillen in ihrer Aufhebungsentscheidung am 08.05.2013 zum Ausdruck gebracht.

2. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet.

Die Antragstellerin ist durch die Entscheidung der Antragsgegnerin, das Angebot der Antragstellerin von der Angebotswertung auszuschließen und die Ausschreibung aufzuheben, nicht in ihren Rechten im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Die Antragsgegnerin hat das Angebot der Antragstellerin zu Recht gemäß § 26 SektVO von der Angebotswertung ausgeschlossen, weil die Antragstellerin in ihrem Angebot in den Formblättern 235 SV und 236 SV widersprüchliche Angaben zu dem Einsatz von Nachunternehmern gemacht hat. Eine Nachforderung von Unterlagen gemäß § 19 Abs. 3 SektVO kam insoweit nicht in Betracht, ebenso wenig war die Urkalkulation zur Ermittlung des genauen Umfanges des Nachunternehmereinsatzes heranzuziehen. Die Antragsgegnerin hat die Ausschreibung gem. § 30 SektVO rechtmäßig aus sachlichem Grund aufgehoben, weil sie nach rechtmäßigem Ausschluss aller 5 Angebote kein wertungsfähiges Angebot vorliegen hatte.

Die Antragsgegnerin ist bei der Bewertung der Angebote gemäß § 26 SektVO an Grundsätze des Vergaberechts wie Transparenzgrundsatz, Gleichbehandlungsgebot, Wettbewerbsgrundsatz, Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, Vertrauensschutzprinzip, Willkürverbot gebunden. Nach Auffassung der Vergabekammer hat sie sich bei dem Ausschluss des Angebots der Antragsstellerin an diese Grundsätze gehalten. Nach ständiger Rechtsprechung und einhelliger Kommentierung ist auch im Sektorenbereich der Grundsatz anzuwenden, dass unvollständige und wegen widersprüchlicher Angaben nicht wertungsfähige Angebote auszuschließen sind (von Wietersheim in Müller-Wrede, Sektorenverordnung - SektVO - Kommentar, § 26 Rdnr. 20 m. w. N.).

Das Angebot der Antragstellerin wurde wegen einer fehlenden Firmenzuordnung der beiden Unternehmen der Bietergemeinschaft in den vorgelegten Formblättern 221 und wegen widersprüchlicher Angaben zu den Nachunternehmerleistungen in den Formblättern 235 SV und 236 SV ausgeschlossen. Letzteres ist jedenfalls ausschlaggebend. Denn die Bietergemeinschaft hatte in dem Formblatt 235 SV erklärt, ausschließlich für die Position 1.7 (Korrosionsschutz) und den Titel 2 (E-Technik/Steuerung) Nachunternehmer einsetzen zu wollen. In der zugehörigen Verpflichtungserklärung 236 SV hatte die Firma XXXXXX erklärt, ihre Fähigkeiten in Bezug auf die Position 1.7 der Bietergemeinschaft zur Verfügung zu stellen, für den Titel 2 tat dies die Firma XXXXXX. Zusätzlich wurde in diesem Formblatt jedoch erklärt, dass die Fa. XXXXXX Leistungen im Bereich des Stahl- und Maschinenbaus erbringen sollte ("Los 4 Titel 1 teilw."). Die konkreten Positionen des Leistungsverzeichnisses, die durch die Fa. XXXXXX erbracht werden sollten, waren dort jedoch nicht benannt. Für die Vergabestelle war deshalb angesichts dieser nicht in Übereinstimmung zu bringenden Erklärungen nicht ersichtlich, welche konkreten Nachunternehmerleistungen die Fa. XXXXXX im Titel 1 erbringen sollte.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist dieser Widerspruch nicht wegen Geringfügigkeit unerheblich. Der Titel 1 des Leistungsverzeichnisses besteht aus insgesamt 84 Einzelpositionen und bildet mit einer Angebotssumme der Bietergemeinschaft für den gesamten Titel 1 von über XXXXXX € (netto) den Schwerpunkt des Auftrages. Die Arbeiten, die von der Fa. XXXXXX in diesem Titel durchgeführt werden sollten, sind nicht von untergeordneter Bedeutung. Es ist nicht die Aufgabe der Antragsgegnerin aus dem Tätigkeitsfeld der Fa. XXXXXX selbständig auf den Umfang der Leistungen dieser Nachunternehmerin zu schließen, wie die Antragstellerin es verlangt. Es wäre allerdings vergaberechtlich auch unerheblich, wenn es sich um unwesentliche Leistungen handeln würde, denn die Vergabestelle hatte bereits in den Bewerbungsbedingungen unter der Nr. 7 explizit darauf hingewiesen, dass auch bei unwesentlichen Teilen der Leistung der beabsichtigte Nachunternehmer anzugeben ist. Damit hat sie zum Ausdruck gebracht, dass ihr an präzisen Angaben gelegen ist.

Die Antragstellerin kann nicht damit durchdringen, dass die Angaben in den Formblättern 235 SV und 236 SV unzumutbar gewesen seien. Mangels Rüge ist sie mit diesem Vorbringen präkludiert. Auch ist es nicht zulässig, im Nachhinein die Angaben auf Formblatt 236 SV als unverbindlich zu deklarieren. Die Antragstellerin hat die Angaben auf beiden Formblättern zum Bestandteil ihres Angebots gemacht und ist daran gebunden.

Entsprechend musste die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin gemäß § 26 SektVO von der Wertung ausschließen. Aus Gründen der Transparenz und der Gleichbehandlung ist für diese Entscheidung kein Ermessen eröffnet.

Die Antragstellerin irrt mit ihrer Argumentation, die Vergabestelle habe die Nachunternehmerleistungen der Fa. XXXXXX ohne Schwierigkeiten aus der mit dem Angebot vorgelegten Urkalkulation entnehmen können. Die Urkalkulation eines Bieters ist nicht Teil seines Angebots. Auf den Seiten 1 und 2 des Angebots der Antragstellerin ist die Urkalkulation zu Recht nicht als Bestandteil des Angebots genannt, die Benennung im Angebotsanschreiben vermag nichts daran zu ändern. Da die Urkalkulation nicht zum Angebot gehört, muss sie nicht zu dessen Prüfung hinzugezogen werden. Entsprechend ist die Antragsgegnerin vorgegangen.

Festzuhalten ist also, dass die Kalkulation als rein interne Erwägung eines Bieters bereits nach den Grundsätzen des allgemeinen Vertragsrechts den Inhalt des verbindlichen Angebots gegenüber dem Auftraggeber nicht verändern kann. Speziell für die Frage von Nachunternehmerleistungen hat das Oberlandesgericht Rostock (Beschluss vom 08.03.2006, Az.: 17 Verg 16/05) entschieden: "Für die Frage der Vollständigkeit des Nachunternehmerverzeichnisses ist allein das Angebot lt. Leistungsverzeichnis maßgeblich. Bei der Kalkulation handelt es sich lediglich um Interna der Antragstellerin (OLG Brandenburg, Beschluss vom 13.09.2005, Verg W 9/05, VergabeR 2005, 770ff.). So beeinträchtigen auch Kalkulationsirrtümer die angebotenen Preise nicht (OLG Rostock, Beschluss vom 06.07.05, - 17 Verg 8/05 -). Unrichtige kalkulatorische Angaben hinsichtlich der Nachunternehmer können deshalb den Inhalt des allein maßgeblichen Nachunternehmerverzeichnisses nicht ändern (OLG Naumburg, Beschluss vom 22,09.2005, - 1 Verg 7/05 -, ZfBR 2005, 834ff. [OLG Naumburg 22.09.2005 - 1 Verg 7/05])." Dem ist nichts hinzuzufügen.

Maßgeblich ist demnach allein das Angebot der Antragstellerin laut Leistungsverzeichnis, da lediglich die dort angebotenen Leistungen Vertragsbestandteil werden würden.

Abgesehen davon ist es nicht die Aufgabe der Vergabestelle, den beabsichtigten Nachunternehmereinsatz eines Bieters aus der Urkalkulation zu recherchieren. Eine derartige Pflicht besteht auch (und gerade) nach der vorliegend anzuwendenden Sektorenverordnung nicht. Es ist vielmehr die Pflicht des Bieters, den von ihm beabsichtigten Nachunternehmereinsatz gegenüber dem Auftraggeber vollständig und widerspruchsfrei an der von diesem dafür vorgesehenen Stelle (hier den Formblättern 235 SV und 236 SV) zu erklären. Dies ist vorliegend nicht geschehen.

Es ist auch nicht zutreffend, dass der Nachunternehmereinsatz, wie von der Antragstellerin behauptet, "ohne großen Aufwand" anhand der Urkalkulation hätte aufgeklärt werden können. Die Urkalkulation der Firma XXXXXX umfasst 42 Seiten und allein im Titel 1 84 Positionen, die wiederum teilweise aus zahlreichen weiteren Unterpositionen bestehen. So besteht z. B. die von der Antragstellerin im Rahmen des Nachprüfungsantrages ins Feld geführte Position 1.1.0130 (XXXXX) aus drei Unterpositionen, von denen jeweils eine von der Firma XXXXXX, eine von der Firma XXXXXX und eine von dem Nachunternehmer XXXXXX erbracht werden sollte. Die Auswertung der gesamten Urkalkulation auf den beabsichtigten Nachunternehmereinsatz hätte somit einen erheblichen Aufwand verursacht und aller Voraussicht nach neue Fragen aufgeworfen, die nur mit einer insoweit unzulässigen Aufklärung zu beantworten gewesen wären.

Schließlich ist der Antragstellerin auch darin zu widersprechen, dass die Antragsgegnerin eine Pflicht zur Nachforderung fehlender Erklärungen und Nachweise gem. § 19 Abs. 3 SektVO traf. Das OLG Düsseldorf hat sich klar positioniert, indem es die Möglichkeit der Nachforderung auf Fälle beschränkt, in denen Nachweise fehlen oder formale Mängel aufweisen. Eine Möglichkeit zur "Nachbesserung" ist den Bietern nicht zu eröffnen (OLG Düsseldorf v. 17.12.2012 Az.: VII - Verg 47/12 -). Die erkennende Vergabekammer sieht die Nachforderungsmöglichkeiten ebenfalls restriktiv (z. B. Vergabekammer Niedersachsen, Beschluss v. 26.11.2012, Az. VgK 44/2012) und lehnt inhaltliche Nachbesserungen ab. In der streitigen Situation kommt es allerdings auf die Unterscheidung von körperlich fehlenden Unterlagen, körperlich bereits vorhandenen Unterlagen, formalen und materiellen Ergänzungen und die dazu entwickelten unterschiedlichen Lösungen in der Literatur und Rechtsprechung gar nicht an. Denn im Fall von widersprüchlichen Angaben ist eine Nachforderung schon denklogisch ausgeschlossen.

Es bleibt festzuhalten, dass die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin rechtmäßig ausgeschlossen hat, auch ohne dass ihr die Möglichkeit einer "Nachbesserung" zu eröffnen ist.

Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin die Ausschreibung rechtmäßig gem. § 30 Satz 1 SektVO aufgehoben. Sie hat mit Schreiben vom 08.05.2013 sämtliche Angebote von allen Bietern aus unterschiedlichen Gründen rechtmäßig vom Verfahren ausgeschlossen und nachfolgend die Ausschreibung unter der Begründung aufgehoben, dass kein Angebot den Ausschreibungsbedingungen entsprochen habe. Obgleich die Antragsgegnerin noch in der Bekanntmachung Nebenangebote zugelassen hat und deren Unzulässigkeit erst in der Aufforderung zur Angebotsabgabe festgehalten hat, war auch der Ausschluss der Bieterin, die lediglich ein Nebenangebot eingereicht hatte, rechtmäßig. Zwar war entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin eine Korrektur diesbezüglich nicht möglich sondern die Angabe in der Bekanntmachung maßgeblich. Aber Nebenangebote waren schon daher unzulässig, weil es an der Festlegung von Mindestbedingungen fehlte. Abgesehen von der Antragstellerin, deren Angebot rechtmäßig ausgeschlossen wurde, haben alle Bieter den Ausschluss ihrer Angebote und die nachfolgende Aufhebung ungerügt akzeptiert. Damit liegt ein sachlicher Grund für eine Aufhebung des Vergabeverfahrens i. S. d. § 30 SektVO vor.

Es kann demnach dahinstehen, ob auch eine Aufhebung des Vergabeverfahrens wegen Überschreitung des Budgets rechtmäßig wäre.

Die Dokumentation des Vergabeverfahrens genügt den Anforderungen des § 32 SektVO. Die Antragsgegnerin hat alle wesentlichen Entscheidungen, insbesondere die Gründe, die den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin und der Angebote der weiteren Bieter betreffen sowie den Grund für die Aufhebung der Ausschreibung, in ihrem fortlaufend vom 28.03.2013 bis zum 23.05.2013 erstellten Vergabevermerk zeitnah niedergelegt. Die in der mündlichen Verhandlung aufgekommenen Unklarheiten hinsichtlich des Anfangsdatums hat sie in ihrem auf Ersuchen der Vergabekammer eingereichten ergänzten Vergabevermerk nachvollziehbar geklärt.

Ergänzend weist die Vergabekammer darauf hin, dass die Antragsgegnerin § 19 Abs. 1 SektVO verletzt hat. Danach hat ein Auftraggeber dem Bieter auf dessen Anforderung die Vergabeunterlagen unverzüglich zur Verfügung zu stellen, jedoch spätestens am sechsten Kalendertag nach Eingang eines entsprechenden Antrages. Ausweislich der Anlage 5 zum Vergabevermerk hat die Antragsgegnerin hiergegen verstoßen, in dem sie die Unterlagen erst am 06.03.2013 versandte, ihr die Anforderung der Bieterin XXXXXX, Mitglied der Antrag stellenden Bietergemeinschaft, aber schon am 25.02.2013 vorlag, mithin zwei Kalendertage zu spät. Dieser Fehler ist jedoch nicht entscheidungserheblich. Denn die Auftraggeberin war aufgrund der am 07.09.2012 erfolgten Vorinformation über das Vorhaben berechtigt, die Eingangsfrist für die Angebote gem. § 18 Abs. 1 SektVO bis auf minimal 22 Tage zu verkürzen. Nach Vergabebekanntmachung vom 22.02.2013 sollten die Angebote bis zum 03.04.2013 vorliegen, die Angebotsfrist betrug damit 39 Kalendertage. Auch unter Berücksichtigung der verspäteten Versendung wurde die Minimalfrist von 22 Kalendertagen für die Bearbeitung damit nicht unterschritten. Die Bieterin XXXXXX hat wegen der verspäteten Zusendung der Unterlagen am 07.03.2013 per Fax Fristverlängerung für die Angebotsabgabe beantragt, aber die umgehende abschlägige Antwort der Antragsgegnerin rügelos akzeptiert. Zudem fehlt es an der Kausalität des Verstoßes gegen § 19 Abs. 1 SektVO für die widersprüchlichen Angaben zum Nachunternehmereinsatz im Angebot der Antragstellerin. Gleichwohl sollte die Antragsgegnerin in zukünftigen Ausschreibungen überdenken, ob derartig kurze Eingangsfristen bei einer komplexen Ausschreibung wirklich erforderlich sind, da die Antragsgegnerin letztlich alle Bieter wegen fehlerhafter Angebote ausschließen musste.

Der von der Antragstellerin gestellte Antrag auf Zurückversetzung des Verfahrens in den Zustand vor Abgabe der Angebote ist abzulehnen. Die Vergabekammer kann sich gem. § 114 GWB nicht über den rechtmäßigen Ausschluss des Angebots der Antragstellerin hinwegsetzen. Gemäß § 114 GWB entscheidet die Vergabekammer, ob der Antragsteller in seinen Rechten verletzt ist und trifft die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist zwar an die gestellten Anträge nicht gebunden und kann auch von Amts wegen auf das Verfahren einwirken, § 114 Abs. 1 Satz 2 GWB. Dennoch ist die Vergabekammer nicht berechtigt, ungeachtet einer Rechtsverletzung des Antragstellers auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einzuwirken. § 114 Abs. 1 Satz 2 GWB erlaubt keine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle (OLG Rostock, Beschluss vom 08.03.2006, Az.: 17 Verg 16/05; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.06.2005, AZ: Verg5/05; Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Aufl., § 114, Rdnr. 1073). Denn die Vergabekammer hat gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 GWB Maßnahmen zu treffen, die geeignet sind, "eine Rechtsverletzung zu beseitigen".

Der Nachprüfungsantrag ist daher zurückzuweisen.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB in der seit dem 24.04.2009 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 27 des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009, BGBl. I, S. 790). Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt nach wie vor 2.500 €, die Höchstgebühr nunmehr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.

Es wird eine Gebühr in Höhe von XXXXXX € gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt XXXXXX € (brutto). Dieser Wert entspricht dem Angebot der Antragstellerin für das streitbefangene Los 4 und damit ihrem Interesse am Auftrag.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt.

Bei einem Auftragswert von XXXXXX € ergibt sich eine Gebühr in Höhe von XXXXXX €.

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten für Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

Die in Ziffer 2 des Tenors geregelte Kostentragungspflicht folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin keinen Erfolg hatte.

Die in Ziffer 4 des Tenors geregelte Pflicht zur Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin ergibt sich aus § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB i. V. m. § 80 VwVfG. Danach war festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragsgegnerin im konkreten Verfahren erforderlich war.

Die anwaltliche Vertretung des öffentlichen Auftraggebers im Nachprüfungsverfahren gehört nach der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht (mehr) grundsätzlich zu den notwendigen Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung. Grundsätzlich ist der Auftraggeber gehalten, im Rahmen seiner Möglichkeiten vorhandenes juristisch geschultes Personal auch im Nachprüfungsverfahren einzusetzen.

Auftragsbezogene Rechtsfragen aus dem Bereich der VOL/A oder VOB/A wird regelmäßig das mit der Vergabe betraute Personal sachkundig beantworten können, sodass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts regelmäßig nicht notwendig sein wird, wenn auftragsbezogene Fragen Gegenstand des Nachprüfungsverfahren sind. Denn dann ist, zumindest bei größeren Auftraggebern, die die Vergaben nicht nur in Einzelfällen ausführen, der Kernbereich der Tätigkeit betroffen, deren Ergebnisse zu rechtfertigen eine Vergabestelle grundsätzlich auch ohne anwaltlichen Beistand in der Lage sein muss (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 14.11.2012, Verg 8/11; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.01.2011, Verg 60/10; OLG Celle, Beschluss vom 09.02.2011, 13 Verg 17/10; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.06.2010, 15 Verg 4/10; OLG München, Beschluss vom 11.06.2008, Verg 6/08, und vom 28.02.2011, Verg 23/10). Andererseits ist das Vergaberecht eine komplexe Rechtsmaterie mit Vorschriften aus sowohl nationalem Recht als auch dem Europarecht, die nicht immer im Gleichklang stehen. Soweit der Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens daher hauptsächlich rechtliche Probleme des GWB betrifft, ist im Einzelfall die anwaltliche Vertretung des Antragsgegners durchaus angemessen.

Bei der Abwägung der Einzelfallumstände ist also zu berücksichtigen, ob die Problematik des Nachprüfungsverfahrens mehr auf auftragsbezogenen Sach- und Rechtsfragen beruht und der öffentliche Auftraggeber über juristisch hinreichend geschultes Personal verfügt, welches zur Bearbeitung der im jeweiligen Nachprüfungsverfahren relevanten Sach- und Rechtsfragen in der Lage ist; dann soll eher keine Notwendigkeit bestehen. Wenn aber zu den auftragsbezogenen Rechtsfragen weitere, nicht einfach gelagerte Rechtsfragen hinzutreten, spricht dies wieder eher für die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts.

Nach dieser Maßgabe war es für die Antragsgegnerin im vorliegenden Vergabeverfahren notwendig, einen Bevollmächtigten zu beauftragen, denn der Nachprüfungsantrag betraf nicht allein Probleme des gewöhnlichen materiellen, in den Vergabe- und Vertragsordnungen geregelten Vergaberechts, das eine Vergabestelle nach der oben zitierten aktuellen Rechtsprechung zumindest in der Regel auch ohne anwaltlichen Beistand rechtlich bewerten, einordnen und vertreten muss. Hier war die sehr spezielle Sektorenverordnung (SektVO) anzuwenden.

Im Rahmen der Begründetheitsprüfung nach der SektVO war die grundsätzliche Frage zu klären, ob der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin zu Recht erfolgt ist und damit auch die in der Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage der Nachforderungspflicht. Weiter war die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Ausschreibung zu beurteilen. Diese Fragen bedurften einer umfassenden und fundierten Entgegnung insbesondere vor dem Hintergrund, dass Nachprüfungsverfahren unter einem erheblichen Beschleunigungs- und Zeitdruck stehen. In der Niederlassung XXXXXX steht kein Jurist zur Verfügung. Die Antragsgegnerin beschäftigt lediglich in ihrer Zentrale eine Juristin, die für alle Niederlassungen zuständig und nicht mit dem Vergaberecht befasst ist.

Es war daher festzustellen, dass für die Antragsgegnerin die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten mit entsprechenden prozessualen Kenntnissen notwendig war.

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von XXXXXX unter Angabe des Kassenzeichens

XXXXXX

auf folgendes Konto zu überweisen:

XXXXXX.

Dr. Raab
Ruthemann
Peter