Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 17.06.2004, Az.: 2 B 1293/04

Bürgerbegehren; Bürgerentscheid; inhaltliche Bestimmtheit; konkrete Maßnahmen; Kostendeckungsvorschlag; nachvollziehbarer Inhalt

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
17.06.2004
Aktenzeichen
2 B 1293/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 50618
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Der Inhalt der gestellten Frage muss sich aus der Sicht des Bürgers, des Verwaltungsausschusses, der u.a. anhand der Fragestellung über die Zulässigkeit des Begehrens zu entscheiden hat, und des Rates, der über die Abwendung des Entscheides entscheiden bzw. diesen vollziehen muss, mit hinreichender Eindeutigkeit und unter Zuhilfenahme der allgemeinen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB ohne besondere Vorkenntnisse aus dem Antrag einschließlich der Begründung ergeben.

2. Das Begehren muss grundsätzlich einen vollziehbaren Inhalt haben, sofern es sich nicht um eine Grundsatzentscheidung handelt, die ebenfalls durch ein Bürgerbegehren herbeigeführt werden darf, auch wenn es zur Umsetzung eines Bürgerentscheids jedenfalls dann noch weiterer Detailentscheidungen bedarf. Alle wesentlichen Fragen müssen aber auch insoweit Gegenstand des Bürgerbegehrens sein.

3. Enthält ein Antrag mehrere Fragen, die in einem inhaltlichen Zusammenhang stehen, führt die Unzulässigkeit einer der Fragen im Regelfall zur Unzulässigkeit des gesamten Begehrens.

Gründe

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1. Der Antrag der Antragsteller, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu verpflichten, das Bürgerbegehren „Kein städtisches Verwaltungszentrum in unser denkmalgeschütztes Bazargebäude am Kurplatz!“ unverzüglich zuzulassen, hilfsweise, den Antragsgegner zu verpflichten, das Bürgerbegehren hinsichtlich des von dem Antragsgegner für zulässig angesehenen Teils mit der Forderung: „Kein städtisches Verwaltungszentrum in unser denkmalgeschütztes Bazargebäude am Kurplatz und den sofortigen Stopp jeglicher Planung der Rathauspolitik, das Bazargebäude in ein lebloses Verwaltungszentrum mit der Stadtverwaltung und der Geschäftsverwaltung der städtischen Staatsbad GmbH umzubauen mit dem großen Rathaussaal im Wellenbad“, unverzüglich zuzulassen, hat keinen Erfolg.

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Die Sachentscheidung des Bürgerbegehrens lautet gemäß der Unterschriftsliste, die der Einleitungsanzeige vom 9. Februar 2004 beigefügt war:

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„WIR BÜRGER VON NORDERNEY - fordern mit unserer Unterschrift gemäß des § 22 b Niedersächsische Gemeindeordnung (NGO):

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1. die Erhaltung sowie die Neubelebung und den Ausbau der traditionellen Funktion des Bazargebäudes mit seinen Arkaden als Stätte von Handel und Wandel und von Kunst und Kultur für unsere Kurgäste und für uns Insulaner und somit folglich

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2. den sofortigen Stopp jeglicher Planung der Rathauspolitik, das Bazargebäude in ein lebloses, städtisches Verwaltungszentrum mit der Stadtverwaltung und der Geschäftsverwaltung der Staatsbad GmbH umzubauen und den großen Ratssaal ins Wellenbad!“

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Es kann dahin gestellt bleiben, ob der Hauptantrag schon teilweise unzulässig ist, weil der Rat der Stadt Norderney am 31. März 2004 u.a. beschlossen hat, dass das jetzige Rathaus weiterhin Standort der Stadtverwaltung bleiben soll. Denn die Antragsteller haben unwidersprochen vorgetragen, aus den inneren parteipolitischen Kreisen sei zu hören, dass der Stadtrat auch weiterhin den Plan verfolge, die Stadtverwaltung ebenfalls in das Bazargebäude zu verlegen. Denn der Hauptantrag ist jedenfalls unbegründet.

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Dabei kann offen bleiben, ob der Antragsgegner passivlegitimiert ist (vgl. i.d.S. Nds. OVG, Beschluss vom 27. Mai 1998 - 10 M 1723/98 -, Nds. VBl. 1998, 240; VG Oldenburg, Beschluss vom 3. August 2000 - 2 B 2600/00 -, den Beteiligten bekannt, im Übrigen V.n.b.; Wefelmeier in KVR-NGO, Kommentar, Stand: März 2004, § 22 b Rdnr. 56 m.w.N.) oder ob der Antrag gegen die Stadt Norderney zu richten gewesen wäre (vgl. i.d.S. Nds. OVG, Beschluss vom 24. März 2000 - 10 M 1986/00 -, Juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 27. Mai 2003 - 2 B 1747/03 -, Juris; das Nds. OVG änderte die zuletzt genannte Entscheidung mit Beschluss vom 11. August 2003 - 10 ME 82/03 -, NVwZ RR 2004, 62 f., ab, ohne aber die vom Verwaltungsgericht angenommene Passivlegitimation zu beanstanden). Denn unabhängig davon hat der Antrag keinen Erfolg. Aus diesem Grund hat das Gericht auch davon abgesehen, den Antragstellern einen entsprechenden gerichtlichen Hinweis gemäß § 86 Abs. 3 VwGO zu erteilen. Die Annahme im Schriftsatz der Gegenseite vom 29. März 2004, man gehe davon aus, dass richtiger Adressat des Antrages die Stadt Norderney sei, ist allerdings unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Antragsschrift nicht zutreffend.

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Eine einstweilige Anordnung kann nur ergehen, wenn sowohl ein Anordnungsgrund, d.h. die Dringlichkeit der begehrten Regelung, als auch ein Anordnungsanspruch, d.h. der Anspruch auf die begehrte Leistung, glaubhaft gemacht werden (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).

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Hier fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches. Das Bürgerbegehren nach der in diesem Verfahren erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ist aller Voraussicht nach zu Recht als unzulässig abgelehnt worden.

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Gemäß § 22 b Abs. 4 S. 1 NGO muss das Bürgerbegehren die gewünschte Sachentscheidung so genau bezeichnen, dass über sie im Bürgerentscheid mit Ja oder Nein abgestimmt werden kann. Eine genaue Bezeichnung der gewünschten Sachentscheidung setzt zwar nicht voraus, dass das Begehren in eine Frageform gekleidet ist oder die übliche Form einer Beschlussvorlage für eine Ratssitzung hat. Außerdem dürfen an die Formulierung auch keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. Der Inhalt der gestellten Frage muss sich aber aus der Sicht des Bürgers, des Verwaltungsausschusses, der u.a. anhand der Fragestellung über die Zulässigkeit des Begehrens zu entscheiden hat, und des Rates, der über die Abwendung des Entscheides entscheiden bzw. diesen vollziehen muss, mit hinreichender Eindeutigkeit und unter Zuhilfenahme der allgemeinen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB ohne besondere Vorkenntnisse aus dem Antrag einschließlich der Begründung ergeben (vgl. VG Hannover, Urteil vom 23. Februar 2000 - 1 A 3488/99 -, Nds. VBl. 2001, 101; Wefelmeier, a.a.O., Rdnr. 28, m.w.N.). Die Bürger müssen erkennen können, für oder gegen was sie ihre Stimme abgeben (vgl. Wefelmeier, a.a.O., Rdnr. 27). Außerdem muss es ausgeschlossen sein, dass ein Bürgerbegehren nur wegen seiner inhaltlichen Vieldeutigkeit und nicht wegen der eigentlich verfolgten Zielsetzung die erforderliche Unterstützung gefunden hat (vgl. Ritgen, NWVBl. 2003, 87 <90>). Insofern kommt eine „wohlwollende“ Auslegung entgegen der Auffassung der Antragsteller im Hinblick auf die große Bedeutung der Bestimmtheit der Fragestellung nicht in Betracht (vgl. Ritgen, a.a.O., <88>; Wefelmeier, a.a.O., Rdnr. 28; a.A. OVG Koblenz, Urteil vom 25. November 1997 - 7 A 12417/96 -, NVwZ 1998, 425 <427>, das ausführte, es sei Aufgabe des Rates im Zusammenhang insbesondere der Zulässigkeitsentscheidung, die dem Bürgerentscheid zugrundezulegende Frage in zulässiger Weise „zu fassen“). Ist die Fragestellung nicht bestimmt genug, so ist das Begehren unzulässig. Subjektive, im Laufe des Verfahrens erläuterte Vorstellungen der Initiatoren oder Vertreter sind unbeachtlich und es besteht auch keine Befugnis des Verwaltungsausschusses, das Begehren nachträglich im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Zulässigkeit zu konkretisieren, weil die Unterschriften ansonsten dem Gegenstand des Begehrens nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit zugerechnet werden könnten. Lediglich redaktionelle Klarstellungen sind zulässig (vgl. Wefelmeier, a.a.O., Rdnr. 28 a; Thiele, NGO, Kommentar, 5. Aufl. 1999, § 22 b Anm. 7). Darüber hinaus muss das Begehren, da der Bürgerentscheid die Wirkung eines Ratsbeschlusses hat, grundsätzlich einen vollziehbaren Inhalt haben (vgl. Wefelmeier, a.a.O., Rdnr. 27), sofern es sich nicht um eine Grundsatzentscheidung handelt, die ebenfalls durch ein Bürgerbegehren herbeigeführt werden darf, auch wenn es zur Umsetzung eines Bürgerentscheids jedenfalls dann noch weiterer Detailentscheidungen bedarf (vgl. BayVGH, Urteil vom 19. Februar 1997 - 4 B 96.2928 -, Juris (Orientierungssatz Nr. 1), danach veröffentlicht in BayVBl. 1997, 276 ff., und Beschluss vom 23. April 1997 - 4 ZE 97.1237 -, NVwZ 1998, 423 <424>; Wefelmeier, a.a.O., Rdnr. 15 a). Alle wesentlichen Fragen müssen aber auch insoweit Gegenstand des Bürgerbegehrens sein (vgl. Ritgen, a.a.O., <89>), so dass auch Grundsatzentscheidungen nicht lediglich abstrakter Natur sein dürfen, sondern ebenfalls hinreichend konkret sein müssen. Grundsatzentscheidungen stellen typischerweise Weichen stellende Entscheidungen des Gemeinderats z.B. über die Einleitung der Planung eines bestimmten Vorhabens, die Standortfrage oder wesentliche Einzelheiten der Gestaltung eines Projekts dar (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Juni 1990 - 1 S 657/90 -, Juris, danach veröffentlicht in DÖV 1990, 1030 <Kurzwiedergabe>). Im Übrigen müssen die Voraussetzungen der Absätze 2 - 5 bei Eingang des Bürgerbegehrens erfüllt sein (s. § 22 b Abs. 6 S. 1 NGO), so dass hier der 26. Februar 2004 der maßgebliche Zeitpunkt ist.

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Ausgehend von diesen Maßstäben ist das Bürgerbegehren hinsichtlich des Antrages zu Nr. 1 inhaltlich zu unbestimmt. Dabei ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass das Gericht zugunsten der Antragsteller davon ausgegangen ist, dass der Inhalt der Anzeige vom 9. Februar 2004 die gewünschte Sachentscheidung des Bürgerbegehrens, die auf der Unterschriftsliste abgedruckt ist, nicht modifizieren sollte, sondern lediglich eine Interpretation der Sachentscheidung durch die Antragsteller darstellt. Zweifel könnten sich allerdings deshalb ergeben, weil es in der Anzeige selbst heißt:

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„Das Bürgerbegehren fordert die Erhaltung und Neubelebung des Bazargebäudes am Kurplatz mit seinen Arkaden als traditioneller Ort für Handel und Wandel sowie kultureller Unterhaltung für unsere Inselgäste und für uns Norderneyer.

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Dem gemäß wendet sich das Bürgerbegehren auch gegen das städtische Vorhaben, das Bazargebäude am Kurplatz zu einem Verwaltungszentrum mit der Stadtverwaltung und der Geschäftsleitung der Staatsbad GmbH auszubauen.“

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Dieser Text weicht hinsichtlich beider Teilforderungen vom Text der in der Unterschriftenliste enthaltenen Anträge ab. Letztendlich kann diese Frage aber offen bleiben, weil der Antrag der Antragsteller auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unabhängig hiervon keinen Erfolg hat.

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In der Antragsschrift heißt es zwar, die hinreichende Bestimmtheit ergebe sich aus dem klar erkennbaren, konkreten, sachlichen Ziel des darin enthaltenen Handlungsauftrages an die Stadt Norderney, nämlich das Bazargebäude in seiner traditionellen und auch gegenwärtigen Funktion als eine Stätte von Handel und Wandel und von Kunst und Kultur zu erhalten und neu zu beleben bzw. auszubauen, wie sie auch in der städtischen Bauleitplanung festgelegt und zusätzlich auch in der Begründung des Bürgerbegehrens angeführt sei. Die 1274 Bürger Norderneys - in späteren Schriftsätzen ist allerdings von 1275 Bürgern die Rede -, die das Bürgerbegehren mit ihrer Unterschrift unterstützt hätten, hätten die Forderung auch so verstanden und sie auch nur so nach dem objektiven Erklärungsinhalt der Forderung verstehen können. Entsprechend sei auch diese Forderung des Bürgerbegehrens aus sich heraus verständlich und inhaltlich nachvollziehbar. Anlass zu Missverständnissen habe diese Forderung des Bürgerbegehrens daher auch bei keinem der Norderneyer Bürger gegeben. Dieses Vorbringen verhilft den Antragstellern indes nicht zum Erfolg. Ein der Nr. 1 des Antrages entsprechender Beschluss des Rates würde zwar eine Grundsatzentscheidung darstellen mit der Folge, dass es rechtlich unerheblich wäre, dass sie nicht sofort vollziehbar wäre. Die wesentlichen Fragen werden insoweit aber nicht hinreichend konkretisiert. So fehlt es an der Angabe jedenfalls hinreichend konkreter Maßnahmen, die sich die Initiatoren des Bürgerbegehrens zum Zwecke der Erhaltung sowie der Neubelebung und des Ausbaus der traditionellen Funktion des Bazargebäudes vorgestellt haben. Träte eine Entscheidung entsprechend Nr. 1 des Antrages an die Stelle eines Ratsbeschlusses, verbliebe der ausführenden Stelle im Hinblick auf die Erhaltung sowie Neubelebung und den Ausbau der traditionellen Funktion des Bazargebäudes ein zu großer Spielraum zum Treffen eigener Entscheidungen. Konkrete Maßnahmen lassen sich auch der Begründung des Bürgerbegehrens nicht entnehmen. Im Wesentlichen heißt es dort lediglich, bei einer Neubelebung des Bazargebäudes als Stätte von Handel und Wandel für ihre Inselgäste und für die Norderneyer wären durch eine umfassende, gewerbliche Vermietung dort zudem erhebliche Einnahmen zu erzielen. Dem Begehren lässt sich jedoch nicht in ausreichendem Maße entnehmen, dass die Entscheidung lediglich auf eine umfassende gewerbliche Vermietung abzielen soll. Insofern ist es auch rechtlich unbeachtlich, dass die Antragsteller sinngemäß geltend gemacht haben, die Pressenachricht in der Norderneyer Badezeitung vom 23. März 2004 zeige klar und deutlich, dass auch der Antragsgegner wie ebenfalls die Unterzeichner des Bürgerbegehrens genau den Sinn und Zweck der unter Nr. 1 genannten Forderung und der damit verbundenen Maßnahmen, nämlich Ladengeschäfte in dem Bazargebäude als „Stätten von Handel und Wandel“ zu schaffen, erkannt habe. In der Nachricht hieß es, es würden Ladenmieter gesucht, trotz der Ablehnung des Begehrens aus formalen Gründen werde der Bürgermeister nicht müde zu betonen, dass das Anliegen ernstgenommen würde, und aus der Not eine Tugend machend versuchten derzeit die Verantwortlichen in Gesprächen mit Norderneyer Geschäftsleuten, Interessenten für noch zu schaffende Ladenflächen in den Arkaden zu finden. Abgesehen davon kommt es auf den Inhalt der Pressenachricht jedenfalls unmittelbar schon deshalb nicht an, weil Beurteilungszeitpunkt der 26. Februar 2004 ist. Im Übrigen ist nicht in ausreichendem Maße glaubhaft gemacht worden, dass die Bürger der Stadt Norderney den Antrag zu Nr. 1 in entsprechender Weise verstanden haben.

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Des Weiteren lässt sich sowohl dem Antrag zu Nr. 1 als auch der Begründung nicht entnehmen, dass das Bazargebäude jedenfalls in der jüngeren Vergangenheit offenbar auch anders als nur als Stätte von Handel und Wandel und von Kunst und Kultur genutzt wurde. Vermittelt wird dagegen der Eindruck der zuletzt genannten Art der Nutzung und auch die vorstehend wieder gegebenen Ausführungen aus der Antragsschrift („das Bazargebäude in seiner traditionellen und auch gegenwärtigen Funktion“) sprechen dafür. Insofern ergibt sich aus dem Antrag zu Nr. 1 und der Begründung nicht mit hinreichender Deutlichkeit, was konkret unter Handel und Wandel sowie Kunst und Kultur verstanden werden soll. In der „Bürgerinformation“ zum Bürgerbegehren der Aktionsgemeinschaft „Klar zur Wende“ wird ausgeführt, die althergebrachte Nutzung habe sich gewandelt. Während zunächst die Büroräume der Kurtaxabteilung zum Georgsgarten eingerichtet worden seien, habe die Kurverwaltung die Norderney Card-Serviceabteilung, das Veranstaltungs- und Theaterbüro sowie das Reisebüro in den bisherigen Bereich der Souvenirläden platziert. Die Umbauten für diesen Bereich seien erst im letzten Jahr abgeschlossen worden. Für die Läden und Geschäfte sei kein Platz mehr gewesen, obwohl es viele Bewerber dafür gegeben habe. Sie hätten sich anderweitig orientieren müssen. Wenn im Bazargebäude Handel und Wandel stattfinden sollten, müssten flankierende Maßnahmen eine solche Umstrukturierung begleiten. Nachdem der Antragsgegner (ebenfalls) darauf hingewiesen hatte, dass ein Teil des Erdgeschosses des Bazargebäudes auch heute schon durch die Servicestelle der Staatsbad Norderney GmbH und damit für Verwaltungszwecke genutzt werde, erwiderten die Antragsteller zwar, die Servicestelle sei keine Verwaltungseinrichtung, sondern eine reine Dienstleistungsstelle für den Kurgast. Der von ihnen genannte Verkauf von Kurkarten stellt aber ebenso wie beispielsweise die Ausstellung einer Gewerbekarte oder Meldebescheinigung eine Verwaltungstätigkeit dar, auch wenn diese - aus der Sicht des Kurgastes - ebenfalls als Dienstleistung bezeichnet werden kann. Außerdem deutet Überwiegendes darauf hin, dass die Initiatoren das Reisebüro im Bazargebäude nicht wünschen, obwohl es vertretbar erscheint, die Tätigkeit eines Reisebüros zum Bereich Handel und Wandel, Kunst und Kultur zu rechnen. In der Bürgerinformation heißt es nämlich auch „Apropos Reisebüro: Die Kurverwaltung betreibt in dem Bazargebäude direkt am Kurplatz - also in Bestlage - ein Reisebüro, um Reisen in alle Welt zu vermitteln. - Völlig unverständlich, da es doch darum geht, die Betten auf der Insel zu bewerben und zu belegen. Das Reisebüro gehört nicht zu den betriebsnotwendigen Einrichtungen des Staatsbades, in ganz Deutschland sind das privat geführte Einrichtungen. Am Anfang allen Dienens und Verdienens steht das hier auf der Insel zu vermietende Bett.“ Jedenfalls zeigen sich im Hinblick auf die genannten Begriffe Handel und Wandel, Kunst und Kultur auch insoweit Abgrenzungsprobleme.

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Die Antragsteller haben darüber hinaus zwar auch mit Schriftsatz vom 1. April 2004 vorgetragen, seit vielen Jahrzehnten werde bislang das Bazargebäude in Übereinstimmung mit der Forderung des Bürgerbegehrens und auch gemäß der hierfür bestehenden Bauleitplanung von 1993 und des danach festgelegten Kurzonencharakters dieses Baugebietes der Stadt Norderney für die Unterbringung von Personal des Staatsbades, von Musikern des in der Sommersaison aufspielenden Kurorchesters und von auf Norderney auftretenden Künstlern u.s.w. genutzt. Dieses sei unstreitig und im Übrigen auch mit der „Bürgerinformationsschrift“, S. 1, glaubhaft gemacht. Nach dem Willen der das Bürgerbegehren unterzeichnenden Bürger und der Nr. 1 des Begehrens auf Erhaltung und Neubelebung des Bazargebäudes in seiner traditionellen Funktion als Stätte von Handel und Wandel solle diese Art der baulichen, bauleitplangemäßen Nutzung des Bazargebäudes und seines Obergeschosses auch zukünftig so sein. Ihr Bürgerbegehren wende sich somit zugleich gegen das Vorhaben der Stadt Norderney und ihrer Eigengesellschaft „Staatsbad Norderney GmbH“, die bisherige Wohnnutzung des Obergeschosses des Bazargebäudes in eine Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäudenutzung zu ändern, die rechtswidrig und zudem baugenehmigungspflichtig und nur in einem Kerngebiet gemäß § 7 Baunutzungsverordnung zulässig sei. Diese Ausführungen sind indes im Rahmen der Auslegung des Antrages zu Nr. 1 des Bürgerbegehrens nicht berücksichtigungsfähig. In der Begründung des Bürgerbegehrens wird nämlich die zuletzt beschriebene langjährige Nutzung offenbar des Obergeschosses des Bazargebäudes - im Schriftsatz vom 1. April 2004 ist allerdings von der „Nutzung des Bazargebäudes und dessen OG“ die Rede (S. 2) - nicht konkret dargestellt.

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Die Unzulässigkeit des Antrages zu Nr. 1 führt dazu, dass das Bürgerbegehren insgesamt unzulässig ist. Deshalb kann dahin stehen, ob der Antrag zu Nr. 2 zulässig ist. Dies könnte deshalb zweifelhaft sein, weil im Antrag von einem „leblosen“ Verwaltungszentrum die Rede ist, wertungsbedürftige Begriffe aber keine verschiedenen Deutungen zulassen dürfen (vgl. Wefelmeier, a.a.O., Rdnr. 28 m.w.N.). Die Koppelung mehrerer Fragestellungen in einem Bürgerbegehren kann zwar ausnahmsweise zulässig sein, wenn die Fragen in einem inneren Zusammenhang stehen und nach dem Willen der Initiatoren nur einheitlich beantwortet werden können (vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 3. August 2000 - 2 B 2600/00 -, den Beteiligten bekannt, im Übrigen V.n.b.; Wefelmeier, a.a.O., Rdnr. 27 a). Enthält ein Antrag aber mehrere Fragen, die in einem inhaltlichen Zusammenhang stehen, führt die Unzulässigkeit einer der Fragen im Regelfall zur Unzulässigkeit des gesamten Begehrens. Die nachträgliche Erforschung des „wahren“ Willens der Unterzeichner eines Bürgerbegehrens verbietet sich jedenfalls im Regelfall, weil „die lediglich teilweise Aufrechterhaltung eines originären und demokratischen Votums der Bürgerschaft und die damit verbundene Ersetzung des tatsächlich manifest gewordenen Willens des gemeindlichen Trägerorgans durch die Annahme eines hypothetischen Willens, der sich auf die Gültigkeit allein eines Teils der getroffenen Entscheidung richtet [...] schon mit Blick auf die notwendige Berechenbarkeit demokratischer Entscheidungsprozesse, das Vertrauen in den unverfälschten Bestand ihrer Ergebnisse sowie dem daraus resultierenden besonderen Bedürfnis nach Rechtssicherheit und -klarheit jedenfalls an strenge Voraussetzungen geknüpft sein“ muss (VG Münster, Beschluss vom 2. März 1998 - 1 L 98/98 -, V.n.b., zitiert von Ritgen, a.a.O. <90>; vgl. auch OVG Koblenz, Urteil vom 25. November 1997 - 7 A 12417/96 -, NVwZ 1998, 425 <427>, das sinngemäß ausführte, dass mit der Zulassung nur bezüglich des „positiven Teils“ der Initiative der enge sachliche Zusammenhang aufgelöst wäre, in dem die Frage auf den Unterschriftslisten nun einmal gestellt sei und es könne daher vorliegend auch nicht ausgeschlossen werden, dass nur in dem in der Frage formulierten inhaltlichen Zusammenhang mit der Ablehnung eines - angeblichen - Auftrags die hinreichende Unterstützung durch Unterschriften zusammengetragen worden sei; a.A. offenbar VGH München, Urteil vom 16. März 2001 - 4 B 99.318 -, Juris, danach veröffentlicht in BayVBl. 2001, 565 f., das darlegte, zwar sei der entfallene Teil der Fragestellung von Anfang an rechtlich unzulässig gewesen, dieser Teil sei jedoch nach seinem objektiven Erklärungsinhalt, wie er von den Unterzeichnern habe verstanden werden können und müssen, gegenüber der übrigen Fragestellung ebenfalls nicht dermaßen verselbstständigt, dass er - für sich - den entscheidenden Anstoß für die Unterschriften unter das Begehren gegeben hätte). Hiervon ausgehend lässt sich nicht in ausreichendem Maße feststellen, dass die Unterzeichner das Begehren auch ohne seinen unzulässigen Inhalt im erforderlichen Umfang unterstützt hätten. Ausgehend vom Empfängerhorizont handelt es sich bei den Anträgen zu Nr. 1 und Nr. 2 um zwei gleichwertige Teilforderungen, die untrennbar miteinander dadurch verknüpft sind, dass es am Ende des Antrages zu Nr. 1 heißt „und somit folglich“. Die Antragsteller machen zwar sinngemäß geltend, der Antrag zu Nr. 2 habe einen eigenständigen Inhalt, so dass er trotz eines inhaltlichen Zusammenhangs von dem als unzulässig angesehenen Antrag zu Nr. 1 nicht weiter berührt werde. Aus der Begründung des Bürgerbegehrens werde deutlich, dass die für unzulässig erachtete Teilforderung des Bürgerbegehrens lediglich nur eine näher konkretisierte Unterforderung der Hauptforderung „Kein städtisches Verwaltungszentrum in unser denkmalgeschütztes Bazargebäude am Kurplatz!“ darstelle. Der Begründung des Bürgerbegehrens lässt sich indes nicht in ausreichendem Maße entnehmen, dass der Antrag zu Nr. 1 lediglich den Charakter einer Unterforderung hat, deren Unzulässigkeit für die Bürger bei Kenntnis dieses Umstandes höchstens eine unerhebliche Bedeutung gehabt hätte. Abgesehen davon ist der Vortrag der Antragsteller hinsichtlich der Bedeutung des Antrages zu Nr. 1 auch nicht in vollem Umfang stimmig. Denn im Schriftsatz vom 1. April 2004 ist sinngemäß von der „wichtige(n) Teilforderung“ der Nr. 1 des Antrages die Rede. Darüber hinaus erweckt auch der Inhalt der oben bereits dargestellten Anzeige vom 9. Februar 2004 den Eindruck, dass das Bürgerbegehren zwei gleichwertige Teilforderungen beinhaltet (und auch beinhalten soll), die wegen der Verwendung des Wortes „Demgemäß“ in einem inhaltlichen Zusammenhang stehen.

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Rechtlich unerheblich ist es, ob die beiden Anträge auch zulässig gewesen wären, wenn sie durch die genannten Worte nicht miteinander untrennbar verknüpft worden wären. Denn entscheidend kommt es auf den Inhalt des Bürgerbegehrens an.

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Aus alledem ergibt sich darüber hinaus, dass auch der Hilfsantrag der Antragsteller keinen Erfolg hat.

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Offen bleiben kann deshalb, ob der Antrag zu Nr. 1 auch deshalb unzulässig ist, weil nach dem Inhalt des Schreibens der Stadt Norderney vom 12. März 2004 aufgrund der Eigentums- und Pachtverhältnisse des Bazargebäudes die von der Staatsbad Norderney GmbH geforderten Maßnahmen nicht zu realisieren wären, weil nicht der Rat der Stadt Norderney nach § 40 Abs. 1 NGO zuständig sei oder sich die Beschlussfassung auch nicht vorbehalten und demzufolge auch kein Bürgerentscheid eine entsprechende Ratsentscheidung ersetzen könne.

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Dahin gestellt bleiben kann außerdem, ob der Kostendeckungsvorschlag des Bürgerbegehrens den Anforderungen des § 22 b Abs. 4 Satz 2 NGO genügt, auch wenn insoweit vom Antragsgegner keine Einwendungen erhoben worden sind. Das Nds. OVG hat zum Kostendeckungsvorschlag in seinem Beschluss vom 11. August 2003 ausgeführt:

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„Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts genügt das von den Antragstellerinnen initiierte Bürgerbegehren den Anforderungen des § 22 b Abs. 4 Satz 2 NGO insoweit nicht, als es einen nach den gesetzlichen Bestimmungen durchführbaren Vorschlag zur Deckung der mit der Ausführung der Entscheidung verbundenen Kosten oder Einnahmeausfälle enthalten muss. Das Gesetz verlangt mithin Angaben darüber, welche Kosten (auf der Ausgabenseite) mit der Maßnahme verbunden sind und wie diese (auf der Einnahmenseite) im Rahmen des Haushaltsrechts gedeckt werden können. Mit dem Verwaltungsgericht geht der Senat davon aus, dass die Anforderungen an den Kostendeckungsvorschlag nicht überspannt werden dürfen, weil die Antragsteller regelmäßig nicht über das Fachwissen einer Behörde verfügen (Beschl. d. Sen. v. 24.3.2000 - 10 M 986/00 -, NdsVBl. 2000, 195). Deshalb genügen überschlägige, aber schlüssige Angaben über die geschätzte Höhe der anfallenden Kosten und die Folgen der Umsetzung der Maßnahme für den Gemeindehaushalt. Soweit die Maßnahme nicht nur einmalige Herstellungs- oder Anschaffungskosten verursacht, sind für darüber hinaus entstehende Folgekosten auch insoweit eine zu beziffernde Prognose und ein Vorschlag zur Deckung dieser Kosten notwendig (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 6.7.1982 - 1 S 1526/81 -, VBlBW 1983, 269 ff.; Hessischer VGH, Urt. v. 28.10.1999 - 8 UE 3683/97 -, DVBl. 2000, 929). Bei der Bewertung dieser Prognose ist jedoch zu beachten, dass angesichts der Krise der öffentlichen Haushalte der Kostenfaktor der die Realisierung eines kommunalen Projekts maßgeblich bestimmende Gesichtspunkt ist. Deshalb darf der Aspekt der finanziellen Realisierbarkeit nicht vernachlässigt werden. Damit die Bürger und Bürgerinnen sich ihrer Verantwortung bei der Abstimmung bewusst werden, ist eine möglichst umfassende Information über die finanziellen Folgen eines Projekts unerlässlich. Dies schließt die Beschreibung der Mittel und Wege ein, auf denen sie aufgebracht werden sollen (vgl. Ritgen, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid, Baden-Baden 1997, S. 142). Ob dazu auch eine Information über die mit dem Verzicht auf das vom Rat beschlossene Projekt verbundenen Aufwendungen, die sich bei Realisierung des Alternativvorschlags als nutzlos erweisen, gehört, wie von Ritgen (a.a.O., S. 144) mit beachtlichen Gründen angenommen wird, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung; denn auch wenn diese nutzlos aufgewendeten Planungskosten als Folgekosten des von den Antragstellerinnen favorisierten Alternativvorschlags ausgeklammert werden, genügt ihr Kostendeckungsvorschlag hinsichtlich der Folgekosten nicht den Anforderungen des § 22 b Abs. 4 Satz 2 NGO.“

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Ausgehend von diesen Erwägungen könnte sich die Frage stellen, ob die Bürger nicht auch darüber hätten aufgeklärt werden müssen, dass die Stadt Norderney im Falle der Schaffung eines gemeinsamen Verwaltungsstandortes am Kurplatz/Bazargebäude davon ausgeht, dass die Kosten um ca. 2,2 Mill. EUR durch den Verkauf des Rathausgrundstücks mit aufstehendem Gebäude reduziert werden können, so dass sich eine zu finanzierende Investitionssumme in Höhe von etwa 1,1 Mill. EUR ergäbe (s. Vermerk vom 13. Februar 2004). Auffällig ist des Weiteren, dass die Sanierungskosten für das Bazargebäude für eine anderweitige Nutzung von der Stadt in dem genannten Vermerk mit 1,2 Mill. EUR und im Bericht in der Zeitung Ostfriesischer Kurier vom 23. Januar 2004 unter Berufung auf die - dem Gericht nur unzureichend und insoweit nicht vorliegende - Machbarkeitsstudie des Architekten und öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen (...) sogar mit rund 2 Mill. EUR angegeben wurden, während im Bürgerbegehren insoweit Kosten in Höhe von rd. 1,0 Mill. EUR genannt werden. Darüber hinaus wäre im Falle der Entscheidungserheblichkeit eventuell zu überprüfen gewesen, ob die Angabe in der Begründung des Bürgerbegehrens zutreffend ist, dass sich die Kosten für die Integration der Geschäftsverwaltung der Staatsbad GmbH ins Rathaus allenfalls auf ca. 300.000,00 EUR belaufen würden. Denn im oben genannten Vermerk wird nicht nur ein Betrag in Höhe von 300.000 bis 400.000 EUR „(ohne oder mit Fahrstuhl)“ für den Umbau des Rathauses ohne Aufstockung und Erweiterung genannt, sondern es ist - abhängig von den Maßnahmen - auch von Kosten in Höhe von rd. 1,6 Mill. EUR (jeweils unter sinngemäßem Hinweis auf die Expertise des Dipl.-Ing. und Architekten (...), die dem Gericht ebenfalls nur unzureichend und insoweit nicht vorliegt) bzw. 2,0 Mill. EUR (unter sinngemäßem Hinweis auf die o.g., insoweit dem Gericht auch nicht übersandte Machbarkeitsstudie) die Rede, wobei es hinsichtlich der zuletzt genannten Betrages heißt, dass insoweit nicht dargestellt worden sei, welche Maßnahmen mit dieser Summe finanziert werden sollten (s. auch o.g. Bericht des Ostfriesischen Kuriers, in dem die Kosten für die Sanierung des Rathauses und des Bazargebäudes mit über 4 Mill. EUR beziffert werden). Schließlich erscheint es jedenfalls nach dem Kommentar in der Zeitung Ostfriesischer Kurier vom 23. Januar 2004 nicht ausgeschlossen, dass der Finanzierungsvorschlag im Bürgerbegehren nicht realistisch ist. Im Kommentar heißt es, dass es zwar sicher schön wäre, das denkmalgeschützte Haus mit wirtschaftlichem Leben zu füllen, also mit schicken kleinen Geschäften und gastronomischen Betrieben. Nur habe das aber schon in den letzten 20 Jahren nicht geklappt, und es gebe kein Indiz dafür, dass es in nächster Zeit klappen werde.