Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 29.06.2004, Az.: 2 B 2628/04

Platzverweisung; Polizeivollzugsbeamter; sofortige Vollziehung

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
29.06.2004
Aktenzeichen
2 B 2628/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 50662
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Gründe

1

1. Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines - angeblich - erhobenen Widerspruches gegen die Platzverweisung der Polizeiinspektion (...) vom 21. Juni 2004 anzuordnen, soweit sie für das Hausgrundstück (...) ausgesprochen worden ist, hat keinen Erfolg. Entsprechendes gilt für den Hilfsantrag, die aufschiebende Wirkung anzuordnen, soweit die Platzverweisung (auch) für die Wohnung im Erdgeschoss des Hauses erlassen worden ist.

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Offen bleiben kann, ob der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu beurteilende Antrag bereits unzulässig ist, weil nicht ersichtlich ist, dass der Antragsteller entsprechend seinem Vorbringen tatsächlich Widerspruch erhoben hat. Jedenfalls teilte eine Mitarbeiterin der Antragsgegnerin am 25. Juni 2004 fernmündlich mit, bisher liege ihr kein Widerspruch vor, und auch dem Gericht wurde keine Kopie des Widerspruches übersandt. Denn selbst wenn man zugunsten des Antragstellers vom Gegenteil ausgeht, ändert dies nichts am Ergebnis.

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Ein Widerspruch hätte schon deshalb keine aufschiebende Wirkung, weil die Platzverweisung eine unaufschiebbare Maßnahme i.S.v. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO darstellt. Die Verfügung wurde durch einen Polizeivollzugsbeamten, nämlich einen Polizeikommissar (PK) (s. § 2 der Verordnung über die Laufbahnen des Polizeivollzugsdienstes des Landes Niedersachsen- PolNLVO - i.d.F. vom 8. Mai 1996 (GVBl. S. 237)) ausgesprochen (zur Zuständigkeit s. § 1 Abs. 2 Satz 1 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung - Nds. SOG - i.d.F. des Artikels 1 des Gesetzes vom 11. Dezember 2003 (GVBl. S. 414)) und nach dem der Polizeibehörde bekannten Sachverhalt ist die Annahme gerechtfertigt, dass die Maßnahme unaufschiebbar war. Rechtlich unerheblich ist es, dass sie schriftlich erging. Zwar wird die Auffassung vertreten, die schriftlich erlassene Polizeiverfügung begründe die Vermutung, dass die Zeit ausgereicht hätte, sie formgerecht für sofort vollziehbar zu erklären, so dass § 80 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO nicht anwendbar sei (Finkelnburg/Jank, Vorl. Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl. 1998, Rdnr. 697; VG Frankfurt, Beschluss vom 5. Oktober 1989 - V/2 H 1826/89 -, NVwZ 1990, 1100 <1101>). Hier ist indes zu berücksichtigen, dass die Verfügung nach Bekanntwerden des Sachverhalts umgehend erlassen und außerdem ein Formular verwendet wurde (vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 7. Juni 2002 - 2 B 2457/02 -, V.n.b.). Eine ausdrückliche Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß „§ 80 Abs.2 Nr.2 VwGO“ (s. Nr. 5 des Bescheides) war allerdings überflüssig.

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Für den Erfolg eines zulässigen Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ist entscheidend, ob im Einzelfall dem Interesse des Antragstellers am Schutz vor Schaffung ihn belastender vollendeter Tatsachen auf Grund eines möglicherweise rechtswidrigen Verwaltungsakts oder dem Interesse Dritter oder der Behörde an einer Durchführung der mit dem Verwaltungsakt angeordneten oder nur zugelassenen Maßnahmen auch vor einer abschließenden gerichtlichen Prüfung seiner Rechtmäßigkeit das größere Gewicht beizumessen ist. Im Rahmen der Interessenabwägung sind mit der im vorläufigen Verfahren gebotenen Zurückhaltung auch die Aussichten des Begehrens im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. Ist dessen Ausgang offen, ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO zu beachten, dass der Gesetzgeber den Sofortvollzug im Regelfall für geboten hält.

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Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über den Eilantrag ist es unter Berücksichtigung des Inhalts der dem Gericht vorliegenden Unterlagen nach der in diesem Verfahren nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung offen, ob ein - ggf. noch zu erhebender - Widerspruch gegen die Platzverweisung Erfolg haben würde.

6

Gemäß § 17 Nds. SOG kann die Polizei - in der angegriffenen Verfügung wurde übrigens noch (fälschlicherweise) § 17 Abs. 1 Satz 2 NGefAG genannt - zur Abwehr einer Gefahr jede Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten (Abs. 1 Satz 1). Betrifft eine Maßnahme nach Absatz 1 - wie hier - eine Wohnung, so ist sie nach § 17 Abs. 2 Nds. SOG gegen den erkennbaren oder mutmaßlichen Willen der berechtigten Person nur zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr zulässig (Satz 1). Die Polizei kann eine Person aus ihrer Wohnung verweisen und ihr das Betreten der Wohnung und deren unmittelbarer Umgebung für die Dauer von höchstens 14 Tagen verbieten, wenn dies erforderlich ist, um eine von dieser Person ausgehende gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben, Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung von in derselben Wohnung wohnenden Personen abzuwehren (Satz 2). Bei der Auslegung des § 17 Abs. 2 Nds. SOG kann auf die Beschreibung der verschiedenen Gefahrbegriffe in § 2 Nds. SOG zurückgegriffen werden. Dabei ist eine gegenwärtige Gefahr eine Gefahr, bei der die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder bei der diese Einwirkung unmittelbar oder in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht (s. § 2 Nr. lit. b) Nds. SOG), und eine erhebliche Gefahr eine Gefahr für ein bedeutsames Rechtsgut wie Bestand des Staates, Leben, Gesundheit, Freiheit, nicht unwesentliche Vermögenswerte sowie andere strafrechtlich geschützte Güter (s. § 2 Nr. lit. c) Nds. SOG). Ferner beschreibt § 2 Nr. lit. d) Nds. SOG eine Gefahr für Leib und Leben dahingehend, dass eine nicht nur leichte Körperverletzung oder der Tod einzutreten droht.

7

Hiervon ausgehend ist offen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 2 Sätze 1 und 2 Nds. SOG (noch) erfüllt sind.

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Unstreitig kam es am 20. Juni 2004 zu Handgreiflichkeiten in der von der (bisherigen) Lebensgefährtin des Antragstellers gemieteten Wohnung im Obergeschoss des Wohnhauses (...), das dem Antragsteller gehört. Streitig sind allerdings die näheren Umstände.

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So hat der Antragsteller in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 22. Juni 2004 vorgetragen, es sei abends zu einer Auseinandersetzung gekommen, als ihn seine Lebensgefährtin, nachdem er nach Hause gekommen sei, zunächst beschimpft und dann den Tisch und Stühle in der Küche umgeschmissen und zerstört habe. Als er sich im Flur befunden habe, sei sie mit einem Gegenstand, von dem er vermute, dass es sich um ein Stuhlbein oder um eine Stuhllehne gehandelt habe, auf ihn losgegangen. Er habe versucht, diesen Angriff abzuwehren und ihr den Gegenstand aus ihrer Hand zu schlagen. Dabei habe er sie geschubst, so dass sie nach hinten gefallen und gestürzt sei. Sie sei mit dem Hinterkopf gegen eine offen stehende Wohnungstür geschlagen. Die Verletzung seiner Lebensgefährtin habe er nicht gewollt und auch nicht vorhersehen können. Er habe lediglich die von ihr in der Hand gehaltene Waffe entfernen wollen. Ergänzend hat der Antragsteller ausgeführt, er habe die Erfahrung gemacht, dass seine Lebensgefährtin geradezu krankhaft eifersüchtig sei und leicht hysterisch oder cholerisch reagiere. Die Auseinandersetzung am 20. Juni 2004 sei von seiner Lebensgefährtin initiiert worden. Es treffe nicht zu, dass er unberechenbar sei und jemanden umbringen könne und seine Lebensgefährtin anlässlich früherer Situationen geschlagen oder verletzt gehabt habe. Zu derartigen Übergriffen sei es niemals gekommen. Die Mieterin der Erdgeschosswohnung habe gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten bestätigt, dass sie niemals von ihm - dem Antragsteller -, wie von seiner Lebensgefährtin behauptet, bedroht oder unter Druck gesetzt worden sei. Außerdem beruft sich der Antragsteller auf eine Erklärung der Mieterin der im Erdgeschoss seines Hauses gelegenen Wohnung und ihres Bruders vom 24. Juni 2004. Folgte man dem Vorbringen des Antragstellers und den Ausführungen im Schreiben vom 24. Juni 2004, läge aller Voraussicht nach der oben dargestellte Tatbestand des § 17 Abs. 2 Nds. SOG nicht vor.

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Die vom Antragsteller abgegebene Darstellung des Vorfalls gibt aber schon selbst bei isolierter Betrachtung zu Zweifeln an ihrer Richtigkeit Anlass. Denn es ist wenig verständlich, dass die Lebensgefährtin den Antragsteller beschimpft und geschrien und dann den Tisch und Stühle in der Küche umgeschmissen und zerstört haben soll, wenn es - wie er behauptet - zutreffend wäre, dass er ihr am 20. Juni 2004 abends nach seiner Rückkehr in die gemeinsame Wohnung mitgeteilt hätte, er sei bereit, den von ihm genannten Betrag von insgesamt etwa 400,00 € zu übernehmen, den seine Lebensgefährtin nach seiner Darstellung für „ Lose o. ä.“ zu bezahlen haben soll(te). Insofern lässt sich dem Vorbringen des Antragstellers kein plausibler Grund für das Verhalten seiner Lebensgefährtin entnehmen. Außerdem stehen seine Angaben nicht mit den Verletzungen im Einklang, die bei der Antragstellerin diagnostiziert worden sind. Nach einer ärztlichen Bescheinigung des Dr. med. (...) vom 21. Juni 2004 wurden ein Schädel-Hirn-Trauma, eine Kopfplatzwunde und Prellungen am Gesichtsschädel und am Kiefergelenk rechts diagnostiziert. In der Bescheinigung des Augenarztes Dr. (...) vom 21. Juni 2004 werden als Anamnese „Faustschlag auf re. Auge gestern“ und als Diagnosen eine Oberlidschwellung sowie ein Monokelhämatom - soweit lesbar - genannt. Ohne Schläge durch den Antragsteller, die über das von ihm eingeräumte „Verteidigungsverhalten“ hinausgehen, lassen sich die Prellungen sowie die Oberlidschwellung und ein Monokelhämatom kaum nachvollziehbar erklären.

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Abgesehen davon wäre ein anderes Ergebnis aller Vorsicht nach festzustellen, wenn das Vorbringen der Lebensgefährtin des Antragstellers zutreffend wäre. Sie gab gegenüber der Polizeiinspektion (...) (im Folgenden PI genannt) am 21. Juni 2004 sinngemäß an, der Antragsteller hab ihr im Jahre 2000 versprochen, sie zu heiraten, sobald sie von ihrem damaligen Mann geschieden sei. Sie habe für die Wohnung zwar einen Mietvertrag bekommen, glaube aber, dass der Antragsteller das nur gemacht habe, um vom Sozialamt Miete für sie zu kassieren. Wenn er Alkohol getrunken habe, werde er unberechenbar. Sie glaube, dann könne er jemanden umbringen. In der Vergangenheit sei sie öfter von ihm geschlagen worden. Das sei aber meist nicht so heftig gewesen wie am 20. Juni 2004. Etwa am 10. Januar - gemeint ist offenbar dieses Jahr (s. auch Stellungnahme der PI vom 23. Juni 2004) - sei sie jedoch schon einmal so heftig von ihm geschlagen worden, dass sie in den Städtischen Klinken habe ambulant behandelt werden müssen. Sie habe damals eine Tennisball große Beule am Hinterkopf gehabt. Die Mieterin im Erdgeschoss, die unter ihnen wohne, habe sich bei diesem Vorfall einmischen wollen und sei von ihm mit Schlägen bedroht worden. Am 20. Juni 2004 habe er sie gegen 21.00 Uhr angerufen und habe mit ihr essen gehen wollen. Als er dann gegen 21.30 Uhr nach Hause gekommen sei, sei er ganz eigenartig gewesen. Sie habe schon an seinen Augen gesehen, dass etwas nicht stimme. Sie glaube, er habe getrunken gehabt. Er habe Geld aus dem Wohnzimmer geholt und es vor ihr auf den Tisch gelegt und sie wiederholt aufgefordert, das Geld zu zählen. Da er es aber schon zweimal gezählt gehabt habe, habe sie seiner Forderung nicht entsprochen. Daraufhin habe er sie beschimpft und geschlagen. Es sei dann immer heftiger geworden. Er habe ihr jeweils mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen. Sie habe dann nur weg bzw. Hilfe rufen wollen. Sie habe Gegenstände nach ihm geworfen, um ihn auf Abstand zu halten. Einmal habe sie etwas aus dem Fenster werfen wollen, damit jemand die Polizei informiere. Dies habe aber nicht geklappt. Schließlich habe er sie an den Haaren in den Flur geschleift und weiter geschlagen. Dort sei sie nach einem Schlag vermutlich mit dem Hinterkopf gegen eine Türkante gefallen. Sie sei jedenfalls eine Weile ohne Bewusstsein gewesen und habe sich dabei eine ca. 7 cm lange Kopfplatzwunde zugezogen. Ergänzend heißt es in dem Bericht der PI vom 23. Juni 2004, man habe den Antragsteller gegen 14.30 Uhr am 21. Juni 2004 in der Obergeschosswohnung angetroffen. Der Antragsteller habe nach Belehrung keine Angaben zu dem Sachverhalt gemacht. Für die Schilderung seiner Lebensgefährtin spreche, dass ein im Flur zu vermutender Blutfleck auch tatsächlich an der beschriebenen Stelle habe aufgefunden werden können. Sie habe insgesamt ein Bild von stetig sich steigernder Gewalt in dieser Beziehung geschildert, wie sie für Fälle von häuslicher Gewalt typisch seien. Sie habe bisher auf die Hinzuziehung der Polizei verzichtet, da sie sich in einem Abhängigkeitsverhältnis zu dem Antragsteller begreife. Sie befürchte z. B., dass nun Nachzahlungsforderungen des Sozialamtes in Zusammenhang mit möglicherweise zu Unrecht bezogenen Mietzahlungen auf sie zukämen. Dennoch habe sie nun diesen Schritt gewagt, um, wie sie gesagt habe, ihre Kinder, die Zeugen der Gewalt würden, zu schützen. Am 25. Juni 2004 habe die Lebensgefährtin nochmals ihre Aussage vom 21. Juni 2004 wiederholt. Sie habe ausgesprochen eingeschüchtert gewirkt und bereits ein Gespräch mit dem Sozialamt der Stadt geführt. Sie wolle so schnell wie möglich die Wohnung verlassen. Da dieser Vorfall nicht der erste gewesen sei, wolle sie mit ihrem Lebensgefährten nicht länger zusammen leben.

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Unterstellte man das Vorbringen der Lebensgefährtin des Antragstellers als wahr, wäre eine gegenwärtige Gefahr im Sinne von § 17 Abs. 2 Nds. SOG wohl anzunehmen, weil angesichts der geschilderten Ereignisse im Zusammenleben zwischen den beiden genannten Personen nach einer Rückkehr des Antragstellers in die Obergeschosswohnung in aller nächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wieder Streitigkeiten entstünden und es auf Grund dessen zu schwerwiegenden Übergriffen seitens des Antragstellers gegenüber seiner Lebensgefährtin kommen könnte. Entsprechendes würde nach summarischer Prüfung auch dann gelten, wenn der Antragsteller - entsprechend seinem Hilfsantrag - vorübergehend in ein Zimmer in der Wohnung im Erdgeschoss ziehen würde, das ihm nach eigenem Vorbringen zur Verfügung steht. Zwar behauptete der Antragsteller in der Antragschrift, beide Wohnungen bestünden getrennt von einander und es existierten auch getrennte Wohnungsschlüssel. Es bestehen aber nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben in der Stellungnahme der PI vom 23. Juni 2004 unzutreffend seien sollten, dass die Wohnungen im Erdgeschoss und im Obergeschoss nach Betreten des Hausflurs frei zugänglich seien. Dann aber wäre auch wohl anzunehmen, dass der Antragsteller der Lebensgefährtin begegnen würde mit der Folge, dass dann ebenfalls die beschriebene Gefahr bestünde, zumal der Antragsteller es seiner Lebensgefährtin zuschreiben dürfte, dass er vorübergehend die Obergeschosswohnung nicht bewohnen dürfte. Auffällig ist im Übrigen, dass der Antragsteller seine zuletzt dargestellte Behauptung nicht nochmals ausdrücklich in der eidesstattlichen Versicherung erwähnte. Unter den genannten Umständen dürfte die Wohnung im Erdgeschoss zur unmittelbaren Umgebung der Wohnung des Betroffenen im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 2 Nds. SOG gehören.

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Entgegen der Darstellung des Antragstellers erscheint die Aussage der Lebensgefährtin auch nicht deshalb als unglaubhaft, weil sie ihn nach seinem Vorbringen am 21. Juni 2004 mit ihren Kindern allein gelassen gehabt habe, während sie offenbar die Anzeige bei der Polizei erstattet und einen Arzt aufgesucht habe. Insofern kann der Grund für das Verhalten der Lebensgefährtin auch darin liegen, dass ihr in diesem Zeitraum keine andere Person zu Verfügung stand, die sich um ihre Kinder hätte kümmern können. Abgesehen davon konnte sie nach allgemeiner Lebenserfahrung offenbar annehmen, dass der Antragsteller ihren Kindern in dem genannten Zeitraum keine Gewalt antun würde, weil nicht ersichtlich ist, dass dies vorher auch schon geschehen war. Es kann auch zugunsten des Antragstellers davon ausgegangen werden, dass sich die Antragstellerin nach Anzeigeerstattung beispielsweise mehrfach per SMS („Ich liebe dich“) an ihn gewandt und gefragt habe, ob er bereit sei, mit ihr gemeinsam einen Arzt aufzusuchen. Denn ausgehend von ihrem Vorbringen erscheint es durchaus plausibel, dass sie sich aus ihrer Sicht in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Antragsteller befindet mit der Folge, dass sie ihn jedenfalls in gewissem Maße bis zu ihrem nach ihrer Aussage beabsichtigten Auszug „bei Laune halten“ möchte. Ein wesentliches Indiz, warum die Angaben der Lebensgefährtin trotz der eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers und der Erklärungen der Mieterin der Wohnung im Erdgeschoss und ihres Bruders glaubhaft seien könnten, ist der Umstand, dass die Lebensgefährtin ihre Angaben in Kenntnis des Umstandes gemacht hat, dass sie nun im Zusammenhang mit den beispielsweise befürchteten Nachzahlungsforderungen des Sozialamtes evtl. auch mit strafrechtlicher Verfolgung zu rechnen hat. Unverständlich ist darüber hinaus, dass der Antragsteller sinngemäß behauptete, die Mieterin der Wohnung im Erdgeschoss sei von einem Polizeibeamten vernommen worden und dieser habe auf die Angaben der Mieterin völlig erstaunt reagiert und gemeint, dass die Maßnahme nicht ergangen wäre, wenn deren Angaben vorher bekannt gewesen seien, die PI indes am 25. Juni 2004 vermerkte, die Mieterin sei bisher nicht (als Zeugin) angehört worden.

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Ferner ist im Zusammenhang mit der Erklärung der Mieterin der Wohnung im Erdgeschoss und ihres Bruders zu beachten, dass diese in gewisser Weise befangen seien könnten, weil Vermieter der Wohnung ebenfalls der Antragsteller ist und es im Übrigen - unterstellt man das Vorbringen der Lebensgefährtin als zutreffend - nachvollziehbar sein könnte, dass sich jedenfalls die genannte Mieterin eingeschüchtert fühlt und deshalb eine wohlwollende Erklärung abgegeben hat.

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Abgesehen davon ist es nicht ausgeschlossen, dass die von der Mieterin und ihrem Bruder wiedergegebenen Aussagen des Antragstellers und des Sohnes der Lebensgefährtin vom 20. Juni 2004 mit dem Verhalten der Lebensgefährtin durchaus in Einklang zu bringen sind. Denn sie hat - wie bereits ausgeführt - selbst eingeräumt, sie habe Gegenstände nach dem Antragsteller geworfen und einmal habe sie sogar etwas aus dem Fenster werfen wollen, damit jemand die Polizei informiere. In der Erklärung der Mieterin und ihres Bruders vom 24. Juni 2004 wird im Wesentlichen sinngemäß ausgeführt, am 20. Juni 2004 hätten sie und ihr Bruder gegen 21.00 Uhr eine laute Auseinandersetzung zwischen dem Antragsteller und seiner Lebensgefährtin gehört. Da sich ihre Wohnung im Erdgeschoss befinde, hätten sie ihre Flurtür aufgemacht um zu hören, was los sei. Sie hätten die Lebensgefährtin hysterisch schreien und lautes Gepolter gehört. Gleichzeitig habe der 12jährige Sohn der Lebensgefährtin gerufen „Mama hör auf, was soll das“, und der Antragsteller habe gerufen „Warum machst du das?“ Der Antragsteller habe „irgendetwas von Essen gehen“ gesagt und die Lebensgefährtin habe „irgendetwas von Geld (scheiß Kohle)“ geschrien, worauf ihr Geschrei und das Gepolter immer lauter geworden seien. Sie selbst habe von unten hinauf gerufen „Was ist da los? Geht das auch leiser?“, worauf der Antragsteller geantwortet habe „Halt dich da raus und mach die Tür zu.“ Sie seien in ihre Wohnung gegangen und hätten die Flurtür zu gemacht. Im gleichen Moment hätten sie den 12jährigen Sohn und den Antragsteller rufen hören „Schnell einen Krankenwagen“. Ihr Bruder - und damit nicht der Antragsteller, wie dieser aber behauptete - habe einen Krankenwagen gerufen und sie sei hochgelaufen. Die Lebensgefährtin habe auf dem Flur gelegen und der Antragsteller und der 12jährige Sohn hätten daneben gekniet. Die Küche sei völlig verwüstet gewesen. Ein Fernseher habe vor dem zerbrochenem Fenster auf dem Boden gelegen, Tisch und Stühle seien umgeschmissen gewesen. In der Küche habe Geld verstreut gelegen, das von den Kindern aufgehoben und weggelegt worden sei. Nachdem der Antragsteller und die Lebensgefährtin im Krankenhaus gewesen seien, habe sie mit dem 12jährigen Sohn aufgeräumt. Dabei habe er ihr noch einmal in kurzen Zügen den Vorgang erzählt. Seine Mutter sei total ausgerastet und habe mit allem, was zu fassen gewesen sei, nach dem Antragsteller geworfen, ohne Rücksicht darauf, dass der Junge ebenfalls mit im Raum gestanden und noch einige Teile aufgefangen habe. Sie habe ihn gefragt, worum es denn gegangen sei, und er habe gesagt „Ich weiß nur was von Essen gehen“.

16

Unterstellt man das Vorbringen der Lebensgefährtin des Antragstellers als zutreffend, wäre das Ermessen nach summarischer Prüfung unter Berücksichtigung der Erwägungen der Antragsgegnerin wohl noch in ausreichendem Maße ausgeübt worden, auch wenn für die Zukunft zu wünschen wäre, dass die Erwägungen gerade im Hinblick auf die angeordnete Dauer der Platzverweisung von zwei Wochen etwas ausführlicher ausfielen. Wie sich § 17 Abs. 2 Satz 2 Nds. SOG entnehmen lässt, darf das Betretungsverbot für die Dauer von höchstens 14 Tagen ausgesprochen werden. Nicht ersichtlich ist es, dass die Dauer von 14 Tagen der Regelfall sein soll. In dem Formular, das für die angegriffene Verfügung verwendet worden ist, heißt es allerdings unter „4.“ „bis (in der Regel 14 Tage)“, wobei handschriftlich die Zahl „7“ durch die Zahl „14“ ersetzt wurde. Es ist aber nicht in ausreichendem Maße erkennbar, dass die Antragsgegnerin von dieser falschen rechtlichen Grundlage ausgegangen ist. Sie hat ausgeführt, dass der Platzverweis erforderlich, gerechtfertigt und verhältnismäßig sei, ergebe sich aus der Würdigung der Gesamtumstände, was sie im Einzelnen detailliert ausgeführt hat. Insbesondere ist sie in diesem Zusammenhang auf die nach dem Vorbringen der Lebensgefährtin in der Vergangenheit erfolgten Übergriffe und darauf eingegangen, dass sich die Platzverweisung für das gesamte Wohngebäude als gerechtfertigt erweise, weil die Wohnungen im Erdgeschoss und im Obergeschoss nach dem Betreten des Hausflures frei zugänglich seien. Außerdem hat sie auf den Vermerk der PI vom 25. Juni 2004 Bezug genommen, in dem es heißt, es sei der Lebensgefährtin auch nicht zumutbar, dass sie mit ihren beiden Kindern ins Frauenhaus gehe, damit der Antragsteller die Wohnung aufsuchen könne, und es erscheine zumindest äußerst zweifelhaft, ob es ihr zumutbar sei, dass der Antragsteller in der unteren Wohnung im Zweifamilienhaus wohne. Man könne nicht ausschließen, dass der Antragsteller, wenn er seine bisherige Lebensgefährtin sehe, wieder extrem reagieren könne. Selbst wenn es aber offen wäre, ob die bisherigen Ermessenserwägungen ausreichend wären, ergäbe sich kein anderes Ergebnis. Denn es ist nicht ersichtlich, dass das Ermessen - auch im Hinblick auf die angeordnete Dauer der Platzverweisung - im Ergebnis nicht fehlerfrei ausgeübt werden könnte.

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Hiervon ausgehend sind die Interessen des Antragstellers, vom Vollzug vorläufig verschont zu bleiben, mit den gegenläufigen öffentlichen Interessen bzw. denen seiner Lebensgefährtin gegeneinander abzuwägen. Als Ergebnis ist festzustellen, dass das Interesse der Lebensgefährtin am Schutz vor schwerwiegenden Übergriffen einer möglicherweise - insbesondere nach der Einnahme von Alkohol - gewalttätigen Person überwiegt, zumal sie mit zwei ihrer vier Kinder (10 und 12 Jahre alt) die Wohnung bewohnt. Außerdem geht das Gericht davon aus, dass der Antragsteller seiner bisherigen Lebensgefährtin körperlich überlegen ist, mit der Folge, dass sie einen größeren Schutz als der Antragsteller verdient. Das Interesse des Antragstellers, die bisherige gemeinsame Wohnung auch nicht für wenige Tage verlassen zu müssen, ist demgegenüber auch unter Berücksichtigung des grundrechtlichen Schutzes der Wohnung gemäß Art. 13 GG und des Umstandes, dass er Eigentümer des Hausgrundstücks ist, als geringer einzustufen. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller gegenüber den Polizeibeamten selbst vortrug, er werde in ein Hotel ziehen. Nicht ersichtlich ist, dass sein Interesse, seinen Pflichten als Hauseigentümer bis zum 5. Juli 2004 nachkommen zu wollen, von beachtlicher Bedeutung ist, weil er dies in diesem Eilverfahren selbst nicht mehr als Grund angeführt hat, das Haus wieder betreten zu wollen. Abgesehen davon wäre es auch zumutbar für ihn, für den noch kurzen Zeitraum eine andere Person mit der Erfüllung der Pflichten zu beauftragen, zumal nicht ersichtlich ist, dass die Pflichten besonders arbeitsintensiv wären. Des Weiteren fällt die Interessenabwägung aus den oben genannten Gründen auch hinsichtlich des Hilfsantrages zu Ungunsten des Antragstellers aus.