Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 16.06.2004, Az.: 7 A 508/03

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
16.06.2004
Aktenzeichen
7 A 508/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 43468
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2004:0616.7A508.03.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 19.09.2007 - AZ: 7 LC 208/04

Fundstelle

  • JWO-VerkehrsR 2004, 244

Amtlicher Leitsatz

Ein Sonderlinienverkehr nach § 43 PBefG erfordert bestimmte Ausgangs- und Endpunkte und eine erkennbare zeitliche Ordnung der Fahrten.

Die Vorschrift des § 43 PBefG ist auch über § 2 Abs. 6 PBefG nur in geringem Maße erweiterbar.

Ein Flughafentransferverkehr, ein Frauentaxi und ein Anruf-Sammel-Taxi sind unter Berücksichtigung des § 2 Abs. 6 PBefG eher dem Mietwagenverkehr zuzuorden.

Erfüllt ein Mietwagenverkehr die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 PBefG ist er noch nicht allein deshalb zwingend als Linienverkehr im Sinne der §§ 42, 43 PBefG anzusehen.

Tenor:

  1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat.

    Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

    Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Klägerin ist mit Bescheid der Stadt O. vom 18. Dezember 2001 eine bis zum 31. Dezember 2005 befristete Genehmigung, die Verkehre Luftibus, Frauenmobil und Anruf-Sammel-Mobil (ASM) als Sonderform des Mietwagenverkehrs nach §§ 49 Abs. 4, 2 Abs. 6 PBefG zu betreiben, erteilt worden.

2

Der Luftibus, den die Klägerin seit 1993 anbietet, ist ein Zubringer zu den Flughäfen Bremen, Hannover, Hamburg und Münster/Osnabrück. Die Fahrgäste werden von einem von ihnen bestimmten Ort in O. oder der Umgebung der Stadt abgeholt. Auf der Rückfahrt werden sie an Shuttlehaltestellen des Flughafens abgeholt und bis zu dem von ihm angegebenen individuellen Fahrziel gebracht. Die Bestellung der Fahrten erfolgt telefonisch. Die Klägerin plant die Sammelfahrten zum Flughafen am Vorabend der Reise und teilt den einzelnen Kunden die konkrete Abholzeit mit. Die Rückfahrt erfolgt etwa 15 bis 30 Minuten nach der Landung des Flugzeuges. Die Fahrpreise sind degressiv nach der Anzahl der Personen, die sich gemeinsam für eine Fahrt anmelden, gestaffelt.

3

Das Frauenmobil hat die Klägerin seit 1991 betrieben. Die Nutzerinnen konnten in der Zeit von 20.45 Uhr bis 3.30 Uhr telefonisch eine Fahrt bestellen. Der Fahrpreis betrug einheitlich 3,50 Euro. Das Frauenmobil hat die Nutzerin an einem von ihr angegeben Ort innerhalb der Stadt O. abgeholt und zu einem beliebigen Fahrziel im Stadtgebiet befördert. Ein Fahrzeug ist innerhalb von 30 Minuten nach der Anforderung gekommen entsprechend der Planung der Sammelfahrten durch die Klägerin.

4

Beim ASM war vorgesehen, Fahrgäste in Sammelfahrten vom Kulturzentrum P.-F.-L. (...) in O. zu einem beliebigen Fahrziel innerhalb des Stadtgebietes zu befördern. Ein Veranstalter im ... konnte telefonisch die Teilnahme an dem ASM beantragen. Vor der Veranstaltung lagen dann Listen aus, nach deren Eintragungen die Klägerin die Sammelfahrten zusammenstellt hat. Die Fahrten haben 6,-- DM gekostet.

5

Mit Schreiben der Klägerin vom 15. August 2002 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass das Finanzamt O. der Ansicht sei, dass die oben genannten Verkehre keine Sonderformen des Linienverkehrs nach § 43 PBefG seien, so dass der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG nicht zur Anwendung käme. Sie bitte um Mitteilung der Rechtsauffassung der Beklagten.

6

Mit Schreiben der Beklagten vom 4. September 2002, welches sie im Folgenden als Entscheidung nach § 10 PBefG bezeichnet hat, stellte die Beklagte fest, dass sich die genannten Verkehre keiner der im PBefG genannten Verkehrsformen eindeutig zuordnen ließen. Bei der erforderlichen Beurteilung unter Berücksichtigung des § 2 Abs. 6 PBefG sei sie der Auffassung, dass in den drei Fällen die meisten Kriterien des Mietwagenverkehrs im Sinne des § 49 Abs. 4 PBefG erfüllt seien.

7

Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Klägerin ist mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 16. Januar 2003 zurückgewiesen worden. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden. Der Luftibus sei kein Linienverkehr im Sinne des § 42 PBefG. Ausgangs- und Endpunkt der Fahrten seien nicht immer gleich. Es handele sich nicht um eine regelmäßige, sondern um eine am Bedarf orientierte Beförderung. Es liege auch keine Sonderform des Linienverkehrs nach § 43 PBefG vor, da die in der Vorschrift erwähnten Personengruppen auch nicht annähernd gegeben seien. Es bestehe aber Ähnlichkeit mit dem Mietwagenverkehr, da lediglich das Kriterium der Anmietung im Ganzen nicht erfüllt sei. Der Mieter bestimme dagegen Zweck, Ziel und Ablauf der Fahrten. In Nordrhein-Westfalen würden Flughafentransfers nur dann als Linienverkehr genehmigt, wenn eine feste Fahrstrecke vorgesehen sei. Das Verwaltungsgericht Hannover habe in dem von der Klägerin angeführten Urteil vom 26. Februar 2001 keine Zuordnung eines Verkehrs zum Flughafen getroffen, sondern lediglich allgemein auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 2 Abs. 6 PBefG verwiesen. Auch aus dem von der Klägerin eingereichten Urteil des Oberlandesgerichts München vom 6. Oktober 1994 folge, dass es sich hier um Mietwagenverkehr handele. § 43 PBefG verlange regelmäßige Fahrten, d.h. diese müssten in einer erkennbaren zeitlichen Ordnung wiederholt werden. Es fehle hier auch an einer räumlichem Abgrenzung, weil Ausgangs- und Zielort bei jeder Fahrt variierten.

8

Auch das Frauenmobil sei am ehesten als Mietwagenverkehr anzusehen. Die Unkalkulierbarkeit der Fahrten belege, dass es keinen festen Fahrtablauf gebe. Entsprechendes gelte auch für das ASM. Es bestehe zudem keine Vergleichbarkeit mit Theaterfahrten, weil sich die Zielorte nach dem Fahrgastwunsch richteten und sich das Angebot allgemein an der Nachfrage orientiere. Es fehle deshalb auch insoweit an der erforderlichen Regelmäßigkeit der Fahrten.

9

Am 13. Februar 2003 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hat zunächst auch beantragt, die Beklagte zu verpflichten, die erwähnten Verkehre als Sonderformen des Linienverkehrs nach §§ 43, 2 Abs. 6 PBefG zu genehmigen. Insoweit hat die Klägerin die Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

10

Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor: Die von ihr betriebenen Verkehre seien nicht als Mietwagenverkehr im Sinne des § 49 PBefG, sondern als Sonderformen des Linienverkehrs nach §§ 43, 2 Abs. 6 PBefG anzusehen. Sie seien zwar auch nach ihrer Auffassung kein Linienverkehr im Sinne des § 42 PBefG. Es sei aber zur berücksichtigen, dass große Ähnlichkeiten mit den Sonderformen des Linienverkehrs nach § 43 PBefG bestünden. Es würden nur bestimmte Personengruppen befördert. Der Luftibus sei ausschließlich für Flugreisende bestimmt, das Frauenmobil nur für Frauen und das ASM für Besucher bestimmter Veranstaltungen im .... Hinsichtlich des ASM sei zudem zu berücksichtigen, dass kein wesentlicher Unterschied zur Gruppe der Theaterbesucher in § 43 Satz 1 Nr. 4 PBefG bestehe. Im Hinblick auf § 2 Abs. 6 PBefG sei keine vollständige Übereinstimmung mit § 43 PBefG erforderlich, sondern nur eine größtmögliche Entsprechung. Flughafenzubringer würden von den Bezirksregierungen in Nordrhein-Westfalen als Sonderlinienverkehr genehmigt. Die Bestimmung in § 43 Satz 2 PBefG, wonach die Regelmäßigkeit nicht dadurch ausgeschlossen werde, dass der Ablauf der Fahrten den wechselnden Bedürfnissen der Beteiligten angepasst werden dürfe, entspreche den Eigenschaften ihrer Verkehre. Haltestellen seien deshalb nicht notwendig. Eine räumliche Abgrenzung sei ebenfalls entbehrlich.

11

Es handele sich nicht um Mietwagenverkehr i.S.d. § 49 Abs. 4 PBefG. Die Sammelfahrten würden nach den Wünschen aller Kunden koordiniert. Die Bestimmung von Zweck, Ziel und Ablauf der Fahrten werde nicht schon allein deshalb durch die Kunden vorgenommen, weil diese den Fahrtwunsch äußerten. Die Voraussetzungen seien nur gegeben, wenn jede Fahrt individuell nach den Wünschen des Kunden durchgeführt werde. Von Bedeutung sei ferner, dass das Fahrzeug nicht im Ganzen angemietet werde. Sie nehme wie beim Linienverkehr in Kauf, dass Fahrten durchgeführt würden, die nicht voll ausgebucht seien. Außerdem sei sie, wie beim Linienverkehr, Vertragspartner voneinander unabhängiger Personen oder Gruppen. Nach Urteilen des Oberlandesgerichts München vom 6. Oktober 1994 und des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. Februar 1994 sei bei einer Anmietung eines Flughafentransferbusses durch den Veranstalter im Ganzen ein Mietwagenverkehr gegeben. Im Gegensatz dazu würden ihre Verkehre individuell bestellt. Das Verwaltungsgericht Hannover habe in einem Urteil vom 26. Februar 2001 entschieden, dass beim Flughafentransfer die Fahrzielbestimmung durch den Anbieter gegen einen Mietwagenverkehr spreche. Der Verkehr mit Mietwagen liege nicht näher, weil die drei Verkehre keine von deren Eigenschaften erfüllten.

12

Nach der BT-Drs. 15/2238 vertrete die Bundesregierung die Auffassung, dass Frauennachttaxis und Shuttleverkehre als Linienverkehrsergänzung und damit nach § 8 Abs. 2 PBefG als ÖPNV anzusehen seien. ÖPNV sei immer Linienverkehr. Das Frauenmobil sei eine Linienverkehrsergänzung, weil es auf Initiative und im Auftrag der Stadt O. durchgeführt worden sei. Das ASM sei auf Betreiben des ... eingerichtet worden, nachdem die VWG den Linienverkehr über die Peterstraße eingestellt habe. Der Luftibus sei als Linienverkehrsergänzung auf Initiative und zunächst auch im Auftrag der Weser-Ems-Busverkehr GmbH durchgeführt worden.

13

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 4. September 2002 und deren Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2003 aufzuheben, und die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass es sich bei den Verkehren Luftibus, Frauenmobil und Anruf-Sammel-Mobil um Sonderformen des Linienverkehrs nach § 43 PBefG i.V.m. § 2 Abs. 6 PBefG handelt.

14

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

15

Sie verweist im Wesentlichen auf die ergangenen Bescheide.

16

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

17

Das Verfahren war gem. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat.

18

Im Übrigen ist die Klage jedenfalls unbegründet.

19

Die Beteiligten gehen (1.) zu Recht davon aus, dass die in Rede stehenden Verkehre der Klägerin keine der im PBefG vorgesehen Verkehrsformen vollständig entsprechen, insbesondere auch keine Sonderformen des Linienverkehrs im Sinne des § 43 PBefG sind, und deshalb eine Zuordnung nach § 2 Abs. 6 PBefG erforderlich ist. Insoweit scheidet (2.) eine entsprechende Anwendung des § 43 PBefG jedoch im Hinblick auf grundsätzliche Erwägungen aus. Die Verkehre der Klägerin sind (3.) eher dem Mietwagenverkehr nach § 49 Abs. 4 PBefG als dem Linienverkehr im Sinne des § 42 PBefG zuzuordnen. Die von der Klägerin angeführten gerichtlichen Entscheidungen und auch die Bestimmung des § 8 Abs. 2 PBefG vermögen (4.) an der Beurteilung nichts zu ändern.

20

1. Die Verkehre der Klägerin sind kein Sonderlinienverkehr im Sinne des § 43 PBefG.

21

Ein Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen ist nach § 42 PBefG gegeben, wenn eine zwischen bestimmten Ausgangs- und Endpunkten eingerichtete regelmäßige Verkehrsverbindung besteht, auf der Fahrgäste an bestimmten Haltestellen ein- und aussteigen können. Nach Satz 2 der Vorschrift ist nicht Voraussetzung, dass ein Fahrplan mit bestimmten Abfahrts- und Ankunftszeiten vorliegt und Zwischenhaltestellen bestehen. § 43 Satz 1 PBefG sieht vor, dass unabhängig davon, wer den Ablauf der Fahrten bestimmt, auch der Verkehr, der unter Ausschluss anderer Fahrgäste der regelmäßigen Beförderung von (1.) Berufstätigen zwischen Wohnungs- und Arbeitsstelle (Berufsverkehr), (2.) Schülern zwischen Wohnung und Lehranstalt (Schülerfahrten), (3.) Personen zum Besuch von Märkten (Marktfahrten) oder (4.) Theaterbesuchern dient, als Linienverkehr gilt. Nach Satz 2 der Bestimmung wird die Regelmäßigkeit nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Ablauf der Fahrten wechselnden Bedürfnissen der Beteiligten angepasst wird.

22

Die drei Verkehre der Klägerin betreffen nicht die in § 43 Satz 1 PBefG aufgeführten Fallgruppen. Dies gilt auch hinsichtlich des ASM, weil im ... nicht nur Theateraufführungen, sondern auch zahlreiche andere kulturelle und politische Veranstaltungen stattfinden.

23

Ferner fehlt es an der auch in dieser Vorschrift ausdrücklich vorausgesetzten Regelmäßigkeit der Fahrten. Zwar ist insoweit unerheblich, wer den Ablauf der Fahrten bestimmt und falls dieser den wechselnden Bedürfnissen der Beteiligten angepasst wird. Damit hat der Gesetzgeber das Vorliegen der Übrigen für den Linienverkehr im Sinne des § 42 PBefG erforderlichen Merkmale, die die Regelmäßigkeit der Fahrten begründen, gerade nicht vollständig, sondern nur teilweise als entbehrlich angesehen. Die anderen Kriterien müssen dagegen erfüllt sein, weil sonst eine Rechtfertigung, die Verkehre des § 43 PBefG wie Linienverkehr zu behandeln, nicht besteht.

24

In räumlicher Hinsicht ist deshalb erforderlich, dass die Fahrten bestimmte Ausgangs- und Endpunkte aufweisen (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. September 1972 - VII C 6.71 - BVerwGE 40, 331333; OLG Köln, Beschluss vom 2. Februar 1993 - Ss 16/93 [Z] - VRS 85, 143144; OLG Düsseldorf Urteil vom 17. Februar 1994 - 2 U 208/93 -S. 19). Daneben bedarf es auch in zeitlicher Hinsicht einer erkennbaren Ordnung der Fahrten (vgl. dazu allgemein: Bidinger, Personenbeförderungsrecht, Anm. 3 c zu § 42 PBefG).

25

Keiner der hier in Rede stehenden Verkehre der Klägerin hat feste Ausgangs- und Endpunkte. Es fehlt auch an einer Regelmäßigkeit in zeitlicher Hinsicht, weil die Fahrten nur durchgeführt werden, wenn an die Klägerin konkrete Wünsche herangetragen werden.

26

2. Eine Anwendung des § 43 PBefG scheidet hier auch in Verbindung mit § 2 Abs. 6 PBefG aus. Nach der zuletzt genannten Vorschrift können Beförderungen, die in besonders gelagerten Einzelfällen nicht alle Merkmale einer Verkehrsform erfüllen, nach denjenigen Vorschriften dieses Gesetzes genehmigt werden, denen diese Beförderungen am meisten entsprechen. Dabei ist keine rein mathematische Zuordnung vorzunehmen, sondern eine wertende Betrachtung erforderlich.

27

§ 43 PBefG ist nach der Auffassung der Kammer über § 2 Abs. 6 PBefG nur in geringem Maße erweiterbar. § 43 PBefG enthält als Sondervorschrift enumerativ aufgeführte Einzelfälle. Es wird im Wege einer gesetzlichen Fiktion bestimmt, dass besondere Formen des Gelegenheitsverkehrs wie Linienverkehr behandelt werden sollen. Würde die Vorschrift in Anwendung des § 2 Abs. 6 PBefG nochmals wesentlich erweitert, müssten Beförderungsformen als Linienverkehr angegeben werden, die mit dem in § 42 PBefG beschriebenen Grundfall kaum noch Ähnlichkeit hätten (BayObLG, Beschluss vom 29. Juni 2000 - 3 Ob Owi 51/2000 - NZV 2000, 424; VG Stuttgart, Urteil vom 25. November 1988 - 10 K 2142/87 - NZV 1989, 447448; Bidinger, a.a.O., Anm. 1 zu § 43).

28

Eine Ausdehnung des § 43 PBefG über die Vorschrift des § 2 Abs. 6 PBefG ist danach nur möglich, wenn die fraglichen Verkehre den in § 43 PBefG genannten Fällen so nahe kommen, dass eine unterschiedliche Behandlung unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht mehr vertretbar ist (vgl. zu einem solchen Fall: FG Neustadt, Urteil vom 1. April 2003 - 2 K 2866/99 -juris betr. Kindergartenfahrten, die wie Schülerfahrten nach § 43 Satz 1 Nr. 2 PBefG behandelt werden).

29

Hier ist festzustellen, dass alle drei in Rede stehenden Verkehre der Klägerin die Voraussetzungen des § 43 PBefG in erheblichem Umfang nicht erfüllen. In Bezug auf die in § 43 Satz 1 PBefG erwähnten Fallgruppen, kann allenfalls für das ASM eine starke Ähnlichkeit mit den in Nr. 4 genannten Theaterfahrten angenommen werden. Es fehlt den drei Verkehren zudem - wie oben unter 1. ausgeführt - in räumlicher und zeitlicher Hinsicht an der erforderlichen Regelmäßigkeit.

30

3. Es ist somit unter Berücksichtigung des § 2 Abs. 6 PBefG zu beurteilen, ob die Verkehre der Klägerin eher als Linienverkehr im Sinne des § 42 PBefG oder als Gelegenheitsverkehr mit Mietwagen (§§ 46 Abs. 2 Nr. 3, 49 Abs. 4 PBefG) anzusehen sind. Gelegenheitsverkehr mit Mietwagen ist die Beförderung von Personen mit Personenkraftwagen, die nur im Ganzen zur Beförderung gemietet werden und mit denen der Unternehmer Fahrten ausführt, deren Zweck, Ziel und Ablauf der Mieter bestimmt.

31

Für eine Nähe der Verkehre der Klägerin zu einem Linienverkehr spricht, dass die Anmietung der Fahrzeuge im Regelfall nicht durch eine Person im Ganzen erfolgt, sondern die Verkehre als Sammelfahrten durchgeführt werden. Auch bestimmt die Klägerin Zweck, Ziel und Ablauf der Fahrten beim Luftibus und beim ASM insoweit mit, als feste Abfahrts- oder Endhaltestellen bestehen. Außerdem koordiniert sie die Fahrtwünsche der Mieter und legt dadurch den genauen Verlauf einer Fahrt fest. Auch die festen Fahrpreise sind eher ein Element des Linienverkehrs.

32

Die überwiegenden Gesichtspunkte sprechen jedoch nach Ansicht des Gerichts für die Zuordnung zum Mietwagenverkehr. Es fehlt bei allen Verkehren der Klägerin entweder eine Abfahrts- oder eine Zielhaltestelle. Beim Frauenmobil ist weder ein fester Ausgangs- noch ein bestimmter Endpunkt vorgesehen. Die Mitbestimmung der Fahrgäste bei der Durchführung der Fahrten ist stärker als der Einfluss der Klägerin. Ohne eine Bestellung der Fahrten durch zumindest eine Person werden die Fahrten nämlich gar nicht durchgeführt. Außerdem werden die Fahrgäste zu individuell bestimmten Zielen gebracht, bzw. von dort abgeholt. Die konkrete Fahrtroute hängt hiervon in erheblichem Maße ab. Dies hat auch zur Folge, dass ein wesentliches Element des Linienverkehrs, die erkennbare zeitliche Ordnung der Fahrten, fehlt. Daraus ergibt sich, dass die Verkehre der Klägerin erheblich von individuellem Bedarf abhängen. Schließlich werden stets nur bestimmte Personen befördert, die die Fahrten zuvor bei der Klägerin bestellt haben.

33

4. Die von der Klägerin angeführten Gerichtsentscheidungen vermögen eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Aus den Urteilen des OLG München vom 6. Oktober 1994 (- 6 U 7011/93 -) und des OLG Düsseldorf vom 17. Februar 1994 (- 2 U 208/93 -S. 18 ff.) ergibt sich, dass bei der Reservierung eines Flughafentransferfahrzeuges durch ein Unternehmen, welches die Plätze weiter auf seine Kunden verteilt, eine Anmietung im Ganzen erfolgt und Ziel, Zweck und Ablauf der Fahrten durch den Mieter bestimmt werden, mithin ein Mietwagenverkehr im Sinne des § 49 Abs. 4 Satz 1 PBefG vorliegt. Der von der Klägerin gezogene Gegenschluss, in allen anderen Fällen eines Flughafentransfers müsse Linienverkehr vorliegen, ist nicht zwingend. Es ist zu bedenken, dass - wie unter 3. im Einzelnen ausgeführt - eine Gesamtbeurteilung aller den Linien- und den Gelegenheitsverkehr abgrenzenden Kriterien erforderlich ist. Im Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 26. Februar 2001 - 5 A 791/99 - ist hinsichtlich der Zuordnung eines Flughafentransfers nach § 2 Abs. 6 PBefG keine Entscheidung getroffen worden. Die Bezirksregierungen in Nordrhein-Westfalen, auf die die Klägerin sich beruft, nehmen bei Verkehr zum Flughafen ausweislich der Verwaltungsvorgänge Sonderlinienverkehr nach §§ 43, 2 Abs. 6 PBefG nur dann an, wenn feste Haltestellen vorhanden sind.

34

Auch § 8 Abs. 2 PBefG steht der gerichtlichen Beurteilung nicht entgegen. Nach der Vorschrift ist öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) auch Verkehr mit Taxen und Mietwagen, der die in § 8 Abs. 1 PBefG genannten Linienverkehre ersetzt, ergänzt oder verdichtet. Dies lässt nicht den Schluss zu, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die von § 8 Abs. 2 PBefG erfassten Verkehre als Linienverkehr im Sinne der §§ 42, 43 PBefG ggf. in Verbindung mit § 2 Abs. 6 PBefG behandelt werden müssen.

35

§ 8 Abs. 1 PBefG bestimmt einzelne Formen des Linienverkehrs zum ÖPNV. Die Erweiterung in § 8 Abs. 2 PBefG war gerade deswegen notwendig, weil auch bestimmte Verkehre einbezogen werden sollen, die Gelegenheitsverkehr sind. Anderenfalls wäre § 8 Abs. 2 PBefG entbehrlich. Hätte der Gesetzgeber insoweit daraus weitergehende personenbeförderungsrechtliche Konsequenzen ziehen wollen, hätte eine Anpassung der §§ 42, 43 PBefG nahegelegen. Die Einbeziehung von bestimmten Gelegenheitsfahrten in den ÖPNV hat zudem in erster Linie planungs- und subventionsrechtliche Konsequenzen, die im Regionalisierungsgesetz (Art. 4 des Eisenbahnneuordnungsgesetzes vom 27. Dezember 1993, BGBl. I S. 2378) und im Niedersächsischen Nahverkehrsgesetz vom 28. Juni 1995 (Nds. GVBl. S. 180), geändert durch Gesetz vom 20. November 2001 (Nds GVBl. S. 701), im Einzelnen geregelt sind.

36

Der Klägerin ist allerdings einzuräumen, dass die Bundesregierung in der von ihr eingereichten Bundestagsdrucksache 15/2238 (S. 2 und 6) ÖPNV und Linienverkehr weitgehend gleichsetzt. Dieser Rechtsaufassung vermag sich das Gericht jedoch aus den obigen Gründen nicht anzuschließen. Es sei in diesem Zusammenhang auch daran erinnert, dass für die in dem erwähnten Dokument angesprochenen Steuervergünstigungen nach § 25 Abs. 1 Nr. 4 a lit. b MinöStG maßgebend ist, ob Linienverkehr im Sinne der §§ 42, 43 PBefG vorliegt. Der Begriff des ÖPNV hat insoweit keine rechtliche Bedeutung.