Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 10.06.2004, Az.: 13 B 1332/04

altersangemessen; altersangemessene Teilhabe; Eingliederungshilfe; Eingliederungsstörung; fachärztliche Stellungnahme; Gutachten; legasthenie; psychische Störung; seelische Behinderung; Sprachheilzentrum; stationäre Unterbringung

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
10.06.2004
Aktenzeichen
13 B 1332/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 50619
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Gründe

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Der nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu beurteilende Antrag ist zulässig und begründet.

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Eine einstweilige Anordnung kann u.a. zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn eine Regelung zur Abwehr wesentlicher Nachteile oder aus sonstigen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass sowohl der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch die Eilbedürftigkeit der begehrten Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht werden (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

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1. Die Antragstellerin hat das Vorliegen eines Anordnungsanspruches glaubhaft gemacht. Sie hat gegen die Antragsgegnerin aller Voraussicht nach einen Anspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfe gemäß § 35 a SGB VIII auf Übernahme der Kosten für die beantragte und beabsichtigte stationäre Unterbringung im Sprachheilzentrum Werscherberg, Bissendorf im tenorierten Umfang.

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Nach § 35 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB VIII in der hier maßgeblichen Fassung vom 19. Juni 2001 (BGBl. I, 1046) haben Kinder oder Jugendliche Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Bei der gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ist davon auszugehen, dass hier beide Voraussetzungen des § 35 a Abs. 1 SGB VIII erfüllt sind.

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Die Abweichung der seelischen Gesundheit nach § 35 a Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII ist aufgrund der Diagnose eines Arztes, der über besondere Erfahrung in der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche verfügt, eines psychologischen Psychotherapeuten oder eines Kinder- und Jugendpsychotherapeuten festzustellen (Wiesner, Mörsberger, Oberloskamp, Struck, SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, Nachtrag zur 2. Auflage, zu § 35 a Rn. 16). Bei der Antragstellerin liegt unstreitig eine psychische Störung und Somatisierung bei Legasthenie vor. Dies ergibt sich bereits aus dem Feststellungsbescheid des Versorgungsamtes Oldenburg vom 26. August 2003 und steht in    Übereinstimmung mit den vorliegenden Befunden von Herrn Dr. T., Kinderhospital Osnabrück, vom 3. Juli 2003 und des Sachverständigen, des Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie H. vom 21. April 2003. Der Sachverständige H. bestätigt auch in seinem in dem gerichtlichen Verfahren erstellten Gutachten vom 9. Mai 2004 aus, dass bei der Antragstellerin eine seelische Behinderung vorliege, wobei er im Verhältnis zu seiner früheren Stellungnahme eine besorgniserregende negative Entwicklung diagnostiziert. Hinsichtlich der festgestellten seelischen Behinderung im Einzelnen wird auf den Inhalt des Sachverständigengutachtens des Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie H. vom 9. Mai 2004 Bezug genommen.

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Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist auch die zweite Tatbestandsvoraussetzung des § 35 a Abs. 1 SGB VIII erfüllt. Die Kammer geht davon aus, dass als Folge der altersuntypischen Abweichung in der seelischen Gesundheit die Teilhabe der Antragstellerin am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Tatbestandsvoraussetzung des § 35 a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 SGB VIII müssen kumulativ erfüllt sein. Dies bedeutet, dass für einen Anspruch auf Eingliederungshilfe gemäß § 35 a SGB VIII die Feststellung der Abweichung der seelischen Gesundheit nicht ausreicht. Die Abweichung der seelischen Gesundheit muss vielmehr Folgeerscheinungen aufweisen, die zu einer Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft führen bzw. eine solche Beeinträchtigung erwarten lassen. Entscheidend ist damit, ob die seelischen Störungen nach Breite, Tiefe und Dauer so intensiv sind, dass sie die Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft beeinträchtigen. Bei bloßen Schulproblemen und auch bei Schulängsten, die andere Kinder teilen, sind daher die Voraussetzungen des § 35 a SGB VIII regelmäßig nicht erfüllt. Während die Feststellung der Abweichung der seelischen Gesundheit von dem für das Lebensalter typischen Zustand in die Kompetenz des Arztes oder Psychotherapeuten fällt, ist der zweite Schritt eine individualisierte Feststellung, die auf Beiträgen aller am Hilfeplanungsprozess Beteiligten beruhen kann und die von den Fachkräften im Jugendamt federführend getroffen wird. Für die Leistungsbewilligung nach § 35 a SGB VIII reicht es also nicht aus, dass ein Facharzt bzw. Psychotherapeut nach Satz 1 die Grundvoraussetzung - also eine Abweichung des Zustandes der seelischen Gesundheit, die mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate dauern wird - feststellt, sondern auf dieser Basis muss dann die soziale Beeinträchtigung der Eingliederung - insbesondere in Schule, Gleichaltrigengruppe etc. - beschrieben werden, welche sich aus der nach ICD-10 klassifizierten Problematik ergibt (Wiesner u.a., a.a.O., Nachtrag zu § 35 a Rn. 18; LPK, Kinder- und Jugendhilfe, Kommentar, 2. Aufl. 2003, § 35 a Rn. 8a). Dies folgt bereits - und darauf weist die Antragsgegnerin zutreffend hin - aus der amtlichen Begründung zu § 35 a SGB VIII i.d.F. vom 19. Juni 2001 (BT-Drucksache 14/5074, S. 121). Dort ist ausgeführt, dass mit der Neuformulierung der Leistungstatbestand an die Terminologie des Neunten Buches, insbesondere den dortigen Begriff der Behinderung (§ 2) angepasst werde. Der Bedarf an Leistungen bei einer (drohenden) Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (Abs. 1 Nr. 2) werde vom Jugendamt nach Maßgabe des § 36 festgestellt. Dies bedeutet aber nicht, dass die Frage, ob die Voraussetzungen des § 35 a Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII im Einzelfall erfüllt sind, allein dem Beurteilungsspielraum des Jugendamtes unterliegt und der gerichtlichen Kontrolle entzogen ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 24. Juni 1999 (Az. 5 C 24/98, BVerwGE 109, 155 ff.) zwar ausgeführt, dass es sich bei der Entscheidung über die Notwendigkeit und Geeignetheit der Hilfe um das Ergebnis eines kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozesses unter Mitwirkung des Kindes bzw. des Jugendlichen und mehrerer Fachkräfte handelt, welches nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt, jedoch eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthält, die fachlich vertretbar und nachvollziehbar sein muss. Das Bundesverwaltungsgericht führt in dieser Entscheidung aber weiter aus, dass die verwaltungsgerichtliche Überprüfung sich darauf zu beschränken hat, ob allgemeingültige fachliche Maßstäbe beachtet worden sind, ob keine sachfremden Erwägungen eingeflossen sind und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt worden sind (so auch Wiesner u.a., a.a.O., § 36 SGB VIII Rn. 50). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist es der Antragstellerin gelungen, auch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 35 a Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII glaubhaft zu machen.

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Die Kammer ist aufgrund des Sachverständigengutachtens davon überzeugt, dass aufgrund der festgestellten seelischen Behinderung der Antragstellerin deren Teilhabe am Leben in der Gesellschaft i.S.v. § 35 a Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII beeinträchtigt ist. Der Sachverständige H. hat die Beweisfrage in dem gerichtlichen Beweisbeschluss vom 19. April 2004 mit seinem Gutachten vom 9. Mai 2004 vollständig und überzeugend beantwortet. Das Gericht hat keine Zweifel an der Verwertbarkeit dieses Gutachtens. Das Gutachten ist sachlich richtig, widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Der Sachverständige H. hat unter Auswertung aller ihm vorgelegten Unterlagen und einer eigenen Exploration am 28. April 2004 im Ergebnis festgestellt, dass bei der Antragstellerin eine seelische Behinderung vorliegt, wobei die von ihm im Einzelnen genannten Störungen derzeit und für die Zukunft eine altersangemessene Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verhinderten. Das Gutachten des Sachverständigen vom 9. Mai 2004 steht im Übrigen im Einklang mit den weiteren dem Gericht vorliegenden Gutachten und Stellungnahmen. So hat bereits der Chefarzt der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie -psychotherapie, Dr. T., Kinderhospital Osnabrück, in seiner Kinder- und jugendpsychiatrischen Stellungnahme vom 3. Juli 2003 unter anderem ausgeführt, dass die Antragstellerin psychisch, d.h. psychovegetativ und psychosozial völlig verhärtet sei. Es sei zu massiven Somatisierungsproblemen gekommen (zu Überlaufenkompresis z.B.). Zusammenfassend könne er auf der Grundlage der kompetenten Vorbefunde die Diagnose einer schweren seelischen Beeinträchtigung treffen. Die ergänzende Untersuchung im Sprachheilzentrum Werscherberg habe deutlich gemacht, dass bei der Antragstellerin erhebliche, vorwiegend internalisierende Wesensbeeinträchtigungen vorlägen. Das Gutachten von Dr. T. steht auch in Übereinstimmung mit der früheren fachärztlichen Stellungnahme des Sachverständigen H. vom 21. April 2003. Dieser führte u.a. aus, dass sich deutliche seelische Auswirkungen in Form von psychischen Störungen, nämlich von Kontrollstörungen, Stimmungsveränderungen und Konzentrationsschwierigkeiten ergäben. Des weiteren hat das Versorgungsamt Oldenburg mit Bescheid vom 26. August 2003 bei der Antragstellerin einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 festgestellt hat, wobei in der Begründung ausgeführt wird, dass sich diese Entscheidung auf folgende Funktionsbeeinträchtigungen stützt: „Psychische Störung und Somatisierung bei Legasthenie“. Auch die Mutter der Antragstellerin hat - wie sich beispielsweise aus einem Vermerk der Antragsgegnerin vom 3. Juni 2003 ergibt - auf Problemlagen wie Allergien, Magenprobleme, Rückzug des Kindes und Einkotproblematik hingewiesen. Die Antragstellerin erlebe eine schwierige Erziehungssituation zwischen Vater und Mutter. Sie habe stark erhöhte Angstwerte, es fresse die Angst in sich rein, es reagiere schnell aggressiv. Diesbezüglich führt Dr. T. in seiner kinder- und jugendpsychiatrischen Stellungnahme vom 3. Juli 2003 aus, es sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin, bezogen auf die Ursprungsfamilie, eine Fülle von Auseinandersetzungen mit Auswirkungen bis in die Gegenwart erlebe und nicht selten im Zentrum der Streitigkeiten der leiblichen Eltern stehe. Dafür, dass derzeit die Teilnahme der Antragstellerin am Leben in der Gesellschaft i.S.v. § 35 a Abs. 1 Nr. 2 BSHG VIII beeinträchtigt ist, sprechen auch die Ausführungen in der Stellungnahme der AWO, Sprachheilzentrum Werscherberg, vom 22. April 2004. Die problematische Situation der Antragstellerin wird detailliert beschrieben. Zusammenfassend wird festgestellt, dass es sich insgesamt bei der Antragstellerin um eine erhebliche psychische Störung handele, die mit einer Teilleistungsstörung, die von generalisierten Lernstörungen gekennzeichnet sei und von sehr hohem emotionalen und sozialen Druck begleitet werde. Insgesamt scheine die Antragstellerin sowohl von ihrer emotionalen Befindlichkeit und ihren sozialen Möglichkeiten als auch von ihrem Leistungsverhalten in einer Situation zu sein, die sie überfordere und ihr kaum noch Möglichkeiten ließe, sich entsprechend ihrer Fertigkeiten und Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Maßgeblich für die Entscheidung des Gerichtes sind weiter die überzeugenden Ausführungen in dem Sachverständigengutachten des Arztes für Kinder- und Jungendpsychiatrie und -psychotherapie H. vom 9. Mai 2004, der die derzeitige Situation der Antragstellerin ausführlich beschreibt. In dem Sachverständigengutachten vom 9. Mai 2004 ist diesbezüglich u.a. ausgeführt:

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„Insgesamt kann von deutlichen seelischen Beeinträchtigungen des Mädchens gesprochen werden. Sie äußern sich im Rückzug aus altersangemessenen sozialen Kontakten, in primärer Kontaktstörung (Blickkontakt), in Ängstlichkeit, in aggressiven Durchbrüchen im familiären Bereich sowie in der Verweigerung von Leistungsbereitschaft und verbalen Konfliktlösungsversuchen. Außerdem liegen deutliche Somatisierungsstörungen vor. Die schulischen Misserfolge, sowie die Misserfolge im Kontaktbereich haben inzwischen zu gravierenden Selbstwertmängeln und zu einer konsektutivresignativen Haltung bei Leistungsanforderungen aller Art geführt. Inzwischen machen sich Strukturmängel bemerkbar, die eine altersangemessene psycho-soziale Entwicklung des Mädchens verhindern. Die seelische Beeinträchtigung und die Leistungsstörungen des Kindes haben im Verein mit der schwierigen familiären Situation und der unförderlichen Elternschaft (mangelnde Kommunikation und Uneinigkeit der Elternhaltung) zu einer Erschöpfung der mütterlichen Ressourcen geführt, welche in eine Tiefgreifende Beziehungsstörung zwischen Mutter und Tochter mit inzwischen deutlichen Ausstoßungstendenzen einmündet. Man muss von einer inzwischen erheblichen psycho-sozialen Retadierung des Mädchens ausgehen. Diese besteht seit zumindest einem Jahr (der Zeitraum, den ich überblicke). Es zeigen sich bislang keine Möglichkeiten im familiären oder ambulanten therapeutischen Bereich auf, diesen Entwicklungsrückstand zu kompensieren und auszugleichen. Die Beeinträchtigungen haben mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ihre Hauptursache in der legasthenietypischen Wahrnehmungsstörung, welche einen angemessenen Schulerfolg verhindern. Sie führen zu einer bereits heute manifesten Eingliederungsstörung und mangelhaften Teilhabe an einem altersangemessenen gesellschaftlichen Leben und werden sich mit Sicherheit, falls keine geeigneten Fördermaßnahmen und Unterstützungen in Gang kommen, verstärken.“

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Es ist von der Antragstellerin auch glaubhaft gemacht, dass allein die begehrte Hilfe notwendig und geeignet ist. Der Sachverständige H. hat in seinem Gutachten vom 9. Mai 2004 hinsichtlich der konkreten Hilfe eindeutig ausgeführt, dass er alle denkbaren ambulanten Maßnahmen auch in Kombination für nicht ausreichend erachte. Er halte hingegen eine stationäre heilpädagogisch-fundierte Förderbehandlung und -therapie für erforderlich und geeignet, wie sie beispielsweise im Sprachheilzentrum Werscherberg der Arbeiterwohlfahrt zur Verfügung gestellt werde. Stationäre Maßnahmen der Kinder- und Jugendpsychiatrie deckten den Bedarf an Förderung und Therapie nur teilweise ab und seien in diesem Fall nicht geeignet.

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Die Einwendungen des Jugendamtes der Antragsgegnerin vermögen demgegenüber nicht zu überzeugen. Die Kammer hat den Eindruck, dass das Jugendamt der Antragsgegnerin - wie auch die letzte Stellungnahme vom 1. Juni 2004 zeigt - dem Fall nach wie vor nicht gerecht wird. Die dem Gericht vorliegenden Gutachten und Stellungnahmen, insbesondere aber das Sachverständigengutachten des Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie H. vom 9. Mai 2004 beschreiben eindeutig die seelische Behinderung der Antragstellerin und die derzeit damit verbundene Problematik gerade auch im Hinblick auf deren Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Die vom Jugendamt der Antragsgegnerin angebotene Hilfe zur Erziehung wird dieser Situation nicht gerecht. Das Jugendamt der Antragsgegnerin hat offensichtlich den Fall der Antragstellerin von Beginn an nicht hinreichend erfasst. So lassen beispielsweise Art und Weise der Entscheidungsfindung im Jugendamt der Antragsgegnerin unter Berücksichtigung des Vermerks vom 28. Mai 2003 („so ist der Lauf der Dinge ...“) Zweifel aufkommen, ob die Entscheidung unter Ausschluss sachfremder Erwägungen zustande gekommen ist. Gleiches gilt für die Hinweise der Antragsgegnerin auf Kostengesichtspunkte (unter Beifügung eines Zeitungsausschnittes vom 22. März 2004).

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Auch das weitere Vorbringen der Antragsgegnerin vermag nicht zu überzeugen. Die Aussagen in den Schulzeugnissen hinsichtlich des Sozialverhaltens der Antragstellerin sind sicherlich für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 35 a Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII von Bedeutung. Sie müssen aber im Kontext mit den übrigen Aussagen, Gutachten, Stellungnahmen etc. gesehen und gewürdigt werden. Die gegen das Gutachten des Sachverständigen H. vom 9. Mai 2004 vorgebrachten Einwände (vgl. Stellungnahme vom 1. Juni 2004) vermögen nicht zu überzeugen. Der Sachverständige hat offensichtlich alle ihm zur Verfügung gestellten Gutachten, fachärztlichen Stellungnahmen etc. berücksichtigt und gewürdigt. Auch die von ihm durchgeführte Exploration ist offensichtlich in nicht zu beanstandender Weise durchgeführt worden. Aufgrund des Alters der Antragstellerin ist es durchaus plausibel, dass die Exploration im Beisein deren Mutter durchgeführt wurde.

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2. Die Antragstellerin hat auch den erforderlichen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ein weiteres Abwarten ist der Antragstellerin nicht zuzumuten.

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Die Kammer spricht in Übereinstimmung mit dem Vorschlag in der Kinder- und jugendpsychiatrischen Stellungnahme von Dr. T. die Hilfe im Wege der einstweiligen Anordnung für ein Jahr zu.