Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 01.10.1997, Az.: VII 301/97

Abzug von Unterhaltszahlungen an im Ausland lebende Angehörige; Gemeinsame Veranlagung von Eheleuten zur Einkommensteuer; Voraussetzungen für das Vorliegen einer außergewöhnlichen Belastung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
01.10.1997
Aktenzeichen
VII 301/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 16190
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1997:1001.VII301.97.0A

Verfahrensgegenstand

Unterhaltszahlungen an im Ausland lebende Angehörige.

Einkommensteuer 1995

In dem Rechtsstreit hat
der VII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
am 1. Oktober 1997
durch
den Richter am Finanzgericht ... als Berichterstatter
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird auf Kosten der Kläger abgewiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist der Abzug von Unterhaltszahlungen an im Ausland lebende Angehörige.

2

Die Kläger sind Eheleute, die für das Streitjahr 1995 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Sie haben vier Kinder. Der aus Pakistan stammende Ehemann erzielte als Dolmetscher und Übersetzer Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Mit der Einkommensteuererklärung machte er Zahlungen an sechs in Pakistan lebende Angehörige - darunter seinen 1924 geborenen Vater und seine 1932 geborene Mutter - in Höhe von insgesamt 13.183 DM als außergewöhnliche Belastung geltend. Der Einkommensteuererklärung beigefügt war eine eidesstattliche Versicherung seines Vaters vom 15. Oktober 1996. Darin versicherte der Vater, neben einer Rente aus seiner früheren Tätigkeit als Polizeibeamter keine Einkünfte zu beziehen. Außerdem gab er an, daß er außer von dem Kläger auch von drei weiteren in Deutschland lebenden Söhnen finanziell unterstützt werde, wegen der weiteren Einzelheiten der Erklärung wird auf den Inhalt der eidesstattlichen Versicherung (Bl. 4 und 4 Rückseite der Einkommensteuerakte zu Steuernummer Bezug genommen.

3

Durch Einkommensteuerbescheid vom 16. Dezember 1996 ließ der Beklagte (das Finanzamt - FR -) nur einen Teilbetrag der Unterhaltszahlungen von 1.800 DM zum Abzug als außergewöhnliche Belastung zu. Dabei berücksichtigte er die Unterhaltszahlungen an den Vater, die Mutter und einen in Pakistan lebenden Bruder des Klägers mit jeweils 600 DM. Bei der Ermittlung des abzugsfähigen Betrages ging das FR von dem sich unter Berücksichtigung des Schreibens des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 11. Dezember 1989 IV B 6 - S 2365 - 28/89 (BStBl I 1989, 463) ergebenden Unterhaltshöchstbetrages von 2.400 DM je unterhaltener Person aus und setzte hiervon einen Teilbetrag von einem Viertel an, weil die Familie des Klägers außer von diesem selbst auch noch von dessen in Deutschland lebenden Brüdern unterhalten wurde. Die geltend gemachten leistungen an die Schwägerin, den Neffen und die Nichte des Klägers berücksichtigte das FR nicht, weil diese nicht zwangsläufig gewesen seien.

4

Nachdem der Kläger hiergegen Einspruch eingelegt hatte, wies das FR mit Schreiben vom 26. Februar 1997 darauf hin, daß der Abzug von Unterhaltszahlungen an im Ausland lebende Angehörige u.a. voraussetze, daß der Steuerpflichtige die Unterhaltsbedürftigkeit jeder unterhaltenen Person durch eine amtliche Bescheinigung der Heimatbehörden nachweise. Eine solche Bescheinigung habe der Kläger nicht vorgelegt. Die der Einkommensteuererklärung beigefügte eidesstattliche Versicherung seines Vaters reiche nicht aus.

5

Mit Schreiben vom 13. März 1997 machte der Kläger geltend, daß er die von dem FR geforderte amtliche Bescheinigung nicht vorlegen könne, da es in Pakistan keine Behörde gebe, die eine solche Bescheinigung auszustellen bereit sei.

6

Nachdem das FA die Steuerfestsetzung durch Bescheid vom 28. April 1997 wegen eines anderen Punktes geändert hatte, wies es den Einspruch der Kläger durch Einspruchsbescheid vom 29. April 1997 als unbegründet zurück.

7

Hiergegen richtet sich die Klage, mit der die Kläger ihr vorbringen aus dem Einspruchsverfahren wiederholen und vertiefen.

8

Die Kläger beantragen sinngemäß,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 1995 vom 16. Dezember 1996 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 28. April 1997 und des Einspruchsbescheides vom 29. April 1997 Unterhaltszahlungen in Höhe von 13.183 DM als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.

9

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10

Er hält an der dem angefochtenen Bescheid sowie seinem Einspruchsbescheid zugrundeliegenden Auffassung fest.

11

Mit Schriftsätzen vom 4. Juli 1997 und vom 11. September 1997 (Bl. 16 bzw. 23 der Gerichtsakte) haben die Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet und sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage ist nicht begründet. Über den von dem FA bereits berücksichtigten Betrag von 1.800 DM hinaus können die von dem Kläger geltend gemachten Unterhaltszahlungen nicht als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden.

13

Nach § 33 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen dadurch zwangsläufig entstehen, daß er eine Person unterhält, die das 18. Lebensjahr vollendet hat und für die weder er noch eine andere Person Anspruch auf einen Kinderfreibetrag hat, bis zu einem Betrag von 7.200 DM vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen. Ist die unterhaltene Person nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, so können die Aufwendungen nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnisses des Wohnsitzstaates der unterhaltenen Person notwendig und angemessen sind (§ 33 a Abs. 1 Satz 4 EStG). Nach dem BMF-Schreiben vom 11. Dezember 1989 (a.a.O.) beträgt der Höchstbetrag, wenn die unterhaltene Person in Pakistan lebt, ein Drittel des in § 33 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Betrages. Nach dieser Regelung, die eine zutreffende Auslegung des Gesetzes enthält (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6. November 1987 III R 164/85, BStBl II 1988, 423 betreffend die Ländergruppeneinteilung in dem BMF-Schreiben vom 26. Oktober 1979 IV B - S 23/65 - 85/79, BStBl I 1979, 622) beträgt der abzugsfähige Höchstbetrag je unterhaltener Person im Streitfall 2.400 DM.

14

Auch in diesem Umfang sind Unterhaltszahlungen allerdings nur dann abzugsfähig, wenn sie zwangsläufig entstehen, d.h., der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, sittlichen oder tatsächlichen Gründen nicht entziehen kann (§ 33 Abs. 2 i.V.m. § 33 a Abs. 1 Satz 1 EStG). Ob und inwieweit dies der Fall ist, ist nach inländischen Maßstäben zu beurteilen (§ 33 a Abs. 1 Satz 4, letzter Satzteil EStG). Hiernach können die Unterhaltsleistungen des Klägers allenfalls insoweit als zwangsläufig angesehen werden, als sie seinen Eltern bzw. seinem Bruder zugute gekommen sind. Gegenüber den anderen Unterhaltsempfängern bestand weder eine rechtliche noch eine sittliche Unterhaltsverpflichtung. Eine rechtliche Unterhaltspflicht besteht nach deutschem bürgerlichen Recht nur im Verhältnis zwischen Ehegatten sowie zwischen Verwandten in gerader Linie (§§ 1360 und 1601 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Zu den hiernach unterhaltsberechtigten Personen gehörten die Schwägerin sowie die Nichte und der Neffe des Klägers nicht. Eine sittliche Unterhaltsverpflichtung im Sinne des § 33 Abs. 2 EStG besteht nur dann, wenn sie ähnlich einer Rechtspflicht von außen her als eine Forderung oder zumindest Erwartung der Gesellschaft an den Steuerpflichtigen herantritt (BFH, Urteil vom 27. Februar 1987 III R 209/81, BStBl II 1987, 432). Bei Anlegung dieses Maßstabs war der Kläger unter Berücksichtigung seines relativ geringen Einkommens sowie der Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seiner Ehefrau und seinen eigenen Kindern zu Unterhaltszahlungen an seine Schwägerin und sowie seinen Neffen und seine Nichte nicht verpflichtet.

15

Soweit es sich um die Zahlungen an die Eltern sowie den Bruder des Klägers handelt, sind die Leistungen - da auch die Brüder des Klägers zu deren Unterhalt beigetragen haben - nach § 33 a Abs. 1 Satz 5 EStG nur zu dem Teil abziehbar, der dem Anteil seiner Leistungen am Gesamtbetrag der Leistungen entspricht. Da sich weder aus dem Vorbringen des Klägers noch aus der von ihm vorgelegten eidesstattlichen Versicherung seines Vaters ergibt, daß er in größerem Umfang als seine Brüder zum Unterhalt der in Pakistan lebenden Familienangehörigen beigetragen hat, kann der Kläger seine Unterhaltsleistungen allenfalls in Höhe eines Viertels des sich unter Anwendung des § 33 a Abs. 1 Satz 4 ergebenden Höchstbetrages als außergewöhnliche Belastung abziehen. Dies entspricht einem Betrag von insgesamt 1.800 DM.

16

Da das FR die geltend gemachten Unterhaltszahlungen in diesem Umfang bereits berücksichtigt hat, kann die Klage schon aus diesem Grund keinen Erfolg haben. Auf die Frage, ob der Nachweis der Bedürftigkeit der im Ausland lebenden Personen auch dann nur durch Vorlage einer amtlichen Bescheinigung der Heimatbehörde erbracht werden kann, wenn es eine hierzu bereite Behörde nicht gibt, kommt es nicht mehr an.

17

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung abzuweisen.

18

Die Revision ist nicht zugelassen worden.