Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.10.1997, Az.: VII 533/96

Zuordnung eines Grundstücks zu einem ruhenden land- und forstwirtschaftlichen Betrieb; Ausübung des Wahlrechts des Steuerpflichtigen zur Klärung der Aufgabe eines landwirtschaftlichen Betriebes

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
14.10.1997
Aktenzeichen
VII 533/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 16218
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1997:1014.VII533.96.0A

Fundstelle

  • DStRE 1998, 301-302 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Keine Erweiterung des Betriebsvermögens bei ruhendem Betrieb

Einkommensteuer 1994

In dem Rechtsstreit
hat der VII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 14. Oktober 1997,
an der mitgewirkt haben:
Richter am Finanzgericht als Vorsitzender ...
Richter am Finanzgericht ...
Richterin am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richter in ... Geschäftsführerin
ehrenamtlicher Richter Techniker
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Mit Pachtvertrag vom 29. September 1984 verpachteten die Kläger den bis dahin von ihnen selbst bewirtschafteten landwirtschaftlichen Betrieb in M. an ihren Sohn W. Die landwirtschaftlichen Flächen hatten eine Größenordnung von 52,7 ha. Der Pachtzins war auf 30.000 DM jährlich festgelegt.

2

Mit Vertrag vom 17. März 1990 erwarben die Kläger ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück in A. zu einem Kaufpreis von 620.000 DM. Dieses Grundstück hat eine Fläche von ca. 1 d ha. Die Kläger finanzierten den Kaufpreis teilweise durch einen Kredit bei der Raiffeisenbank in M. in Höhe von 400.000 DM. Dieses Grundstück war seinerzeit an einen Dritten verpachtet. Der Pachtvertrag lief bis zum 31. Oktober 1992. Danach überließen die Kläger das Grundstück in A. ihrem Sohn, der dies Grundstück seinerseits landwirtschaftlich nutzte. Der Pachtvertrag vom 29. September 1984 wurde diesbezüglich nicht geändert.

3

Die Kläger vereinbarten am 14. Dezember 1993 mit ihrem Sohn, daß dieser ab Januar 1994 eine verringerte Pacht, nämlich 900 DM monatlich zu zahlen habe.

4

Steuerrechtlich erklärten die Kläger hinsichtlich des verpachteten landwirtschaftlichen Betriebes nicht die Betriebsaufgabe. Demzufolge erklärten sie weiterhin Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Bezüglich des Grundstücks A. erklärten die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung für 1990 ebenfalls Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Der Beklagte hingegenänderte die Zuordnung und behandelte die Einkünfte als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, weil er annahm, daß die neu erworbene Fläche mangels Eigenbewirtschaftung nicht dem Betrieb zu dienen bestimmt gewesen sei. Entsprechend der Behandlung durch das Finanzamt erklärten die Kläger bezüglich des Grundstücks A. in den Jahren 1991 bis 1993 ebenfalls Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Für das Streitjahr 1994 erklärten die Kläger bezüglich des Grundstücks A. einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 21.110 DM. Neben Pachteinnahmen von 2.898 DM wurden als Werbungskosten Schuldzinsen in Höhe von 24.008 DM geltend gemacht. Der Beklagte übernahm diese Werte in die Steuerfestsetzung. Hinsichtlich des verpachteten landwirtschaftlichen Betriebes machten die Kläger - wie in den Vorjahren - auch im Streitjahr Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft geltend. Dabei berücksichtigten sie auch Absetzungen für Abnutzung. Der Beklagte wich insoweit von der Steuererklärung ab, als er wegen der vereinbarten Pachtpreisminderung dem Pachtverhältnis die steuerliche Anerkennung versagte und die Überlassung des Betriebes als Wirtschaftsüberlassung behandelte, mit der Folge, daß insoweit Einkünfte nach § 22 EStG angenommen wurden.

5

Die hiergegen nach erfolglosem Einspuchsverfahren erhobene Klage begründen die Kläger im wesentlichen wie folgt: Das in A. erworbene Grundstück gehöre zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, der weiterhin bestehe. Wenn der Beklagte wegen Nichtanerkennung des Pachtverhältnisses von einem Wirtschaftsüberlassungsvertrag ausgehe, so sei dennoch zu berücksichtigen, daß der ruhende land- und forstwirtschaftliche Betrieb weiterhin bestehe. Deswegen müßten im Rahmen der Einkunftsart Land- und Forstwirtschaft negative Einkünfte berücksichtigt werden, nämlich die gezahlten Schuldzinsen und die Absetzungen für Abnutzung für die Gebäude. Unter Berücksichtigung dieser Betriebsausgaben ergebe sich eine Einkommensteuer von 0 DM.

6

Die Kläger beantragen,

die Einkommensteuer 1994 auf 0 DM herabzusetzen.

7

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Zwar stünden den Klägern noch die Abschreibung für die überlassenen Wirtschaftsgebäude in Höhe von 7.803 DM als negative Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu. Dies führe jedoch nicht zu einer Herabsetzung der Einkommensteuer. Bezüglich des Grundstücks A. fehle es an einer Einkunftserzielungsabsicht. Die erzielbaren Pachten könnten die Schuldzinsen für den aufgenommenen Kredit auf Dauer nicht ausgleichen. Dementsprechend sei der bislang bei der angefochtenen Steuerfestsetzung berücksichtigte Verlust aus Vermietung und Verpachtung gegenzurechnen.

9

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte.

10

Dem Gericht haben die für die Kläger beim Beklagten geführten Steuerakten vorgelegen.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage ist unbegründet.

12

Zwar stehen den Klägern noch zusätzlich die Abschreibungen auf die Wirtschaftsgebäude in Höhe von 7.803 DM als negative Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu. Weil die Kläger von ihrem Wahlrecht, die Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebes zu erklären, keinen Gebrauch gemacht haben, fällt der durch die Abschreibungsbeträge dargestellte Wertverzehr im Rahmen der Einkunftsart Land- und Forstwirtschaft an. Dies führt jedoch nicht zu einer Herabsetzung der Einkommensteuer.

13

Im Rahmen der möglichen Saldierung hat das Gericht zu beachten, daß der bisher bei der Steuerfestsetzung berücksichtigte Verlust aus Vermietung und Verpachtung bezüglich des Grundstücks A. unberücksichtigt bleiben muß. Dieses Grundstück diente weder im Streitjahr noch erkennbar danach der Erkunftserzielung. Zu berücksichtigen ist, daß die Kläger das Grundstück ab Oktober 1992 ihrem Sohn tatsächlich überlassen haben und dieser das Grundstück im Rahmen seiner Landwirtschaft nutzt. Hinsichtlich der Überlassung gibt es jedoch keine Vereinbarung mit dem Sohn, wonach dieser hierfür eine Gegenleistung zu erbringen hätte. Eine solche Gegenleistung hat der Sohn auch nicht erbracht. Entgegen der Auffassung der Kläger kann nicht angenommen werden, ein Teil der bisherigen Pacht entfalle auf das Grundstück A. Dies gibt der schriftliche Pachtvertrag vom 29. September 1984 nicht her. Dieser Pachtvertrag ist anläßlich der Überlassung des Grundstücks A. nicht verändert worden. Insbesondere ist auch keine Änderung bezüglich der pachtweise überlassenen Grundstücksgröße erfolgt, die im Pachtvertrag mit 52,7 ha festgeschrieben war. Diese Pachtfläche hätte sich aber - folgte man der Auffassung der Kläger, wonach das Grundstück A. mitverpachtet gewesen wäre - beträchtlich vergrößert, ohne daß sich deshalb der Pachtzins insgesamt verändert hätte.

14

Entgegen der Auffassung der Kläger ist das Grundstück Auslage auch nicht Bestandteil des ruhenden landwirtschaftlichen Betriebes gewesen. Zwar haben die Kläger bezüglich dieses Grundstücks für 1990, dem Jahr des Erwerbs, Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erklärt. Nach Auffassung des Senats konnte das Grundstück aber nicht zulässigerweise dem ruhenden land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zugeordnet werden. Für den Fall der Verpachtung eines Betriebes gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs für den Betriebsinhaber ein Wahlrecht, ob er den Vorgang als Betriebsaufgabe behandeln und damit die Wirtschaftsgüter seines Betriebes unter Auflösung der stillen Reserven in das Privatvermögenüberführen will oder ob er das Betriebsvermögen während der Verpachtung fortführen und daraus Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielen will. Dieses Recht des Steuerpflichtigen findet nach der Rechtsprechung seine Rechtfertigung darin, daß die Einstellung der eigenen betrieblichen Tätigkeit im Falle der Verpachtung nicht endgültig sein muß, so lange die Möglichkeit der Wiederaufnahme durch die Beendigung des Pachtverhältnisses besteht. Die Rechtsprechung wollte damit zugunsten der Steuerpflichtigen vermeiden, daß bei der Betriebsverpachtung im ganzen zwangsläufig durch die Annahme einer Betriebsaufgabe steuerpflichtige stille Reserven aufgelöst werden, ohne daß dem Steuerpflichtigen Mittel zufließen, mit denen er die auf den Aufgabegewinn entfallende Einkommensteuer bezahlen könnte (vgl. BFH-Urteil vom 20. April 1989 IV R 95/87, BStBl II 1989, 863 m.w.N.).

15

Rechtfertig sich mithin das angesprochene Wahlrecht aus dem Umstand der Vermeidung der Auflösung stiller Reserven, so macht es systematisch keinen Sinn, daß das weiterzuführende Betriebsvermögen in einer Phase, in der der Steuerpflichtige selbst keine aktive betriebliche Tätigkeit als Land- und Forstwirt ausübt, um hinzuerworbene Vermögensgegenstände erweitert werden könnte. Denn diese erworbenen Wirtschaftsgüter tragen im Zeitpunkt des Erwerbs keine stillen Reserven in sich. Entscheidend bleibt, daß die Kläger im Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks A. nicht mehr aktiv einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterhielten. Deshalb war es ihnen nicht möglich, das erworbene Grundstück dem land- und forstwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen. Da die im Zusammenhang mit dem Grundstück A. angefallenen Zinsen höher sind als die noch zu berücksichtigenden Abschreibungsbeträge, verbleibt es bei der bislang festgesetzten Einkommensteuer mit der Folge, daß die Klage als unbegründet abzuweisen ist.

16

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

17

Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung.