Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.10.1997, Az.: VI 461/92

Gewinnmindernde Berücksichtigung von Entgeltsminderungen; Behandlung von Rückvergütungen an landwirtschaftliche Betriebe als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA); Unrechtmäßigkeit einer durch das Mitgliedschaftsverhältnis veranlassten Rückgewähr der Gebühren

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
28.10.1997
Aktenzeichen
VI 461/92
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 16192
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1997:1028.VI461.92.0A

Fundstelle

  • DStRE 1998, 443-445 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Körperschaftsteuer 1983 und 1984

Amtlicher Leitsatz

Eine gemeinnützige Körperschaft kann im Rahmen ihres wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes Entgeltsminderungen gewinnmindernd berücksichtigen, soweit diese nicht durch das Mitgliedschaftsverhältnis veranlaßt sind.

In dem Rechtsstreit
hat der VI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 28. Oktober 1997,
an der mitgewirkt haben:
Präsident des Finanzgerichts ... als Vorsitzender
Richterin am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin Kauffrau Heese
ehrenamtlicher Richter Landwirt Söder
für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Aufhebung des Einspruchsbescheides vom 23. Juni 1992 und Änderung der Körperschaftsteuerbescheide 1983 und 1984 jeweils vom 10. Mai 1990 wird die Körperschaftsteuer 1983 auf 51.005 DM und 1984 auf 27.580 DM festgesetzt.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Rückvergütungen der Klägerin an landwirtschaftliche Betriebe, die ihrer Buchstelle angeschlossen sind, als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) zu behandeln sind.

2

Die Klägerin ist ein eingetragener Verein. Zweck des Vereins ist gemäß Satzung vom 25. Oktober 1950 die Berufsvertretung von Landwirten in den Altkreisen L., M. und A. (heute Landkreis E.) sowie dem Landkreis Grafschaft Bentheim. Wegen der Einzelheiten wird auf die Satzung vom 25. Oktober 1950 (Bl. 44 der Finanzgerichtsakte) Bezug genommen. Die Klägerin hat zur Zeit etwa 10.000 Mitglieder. Für ihre Verbandstätigkeit erhebt sie Mitgliedsbeiträge und ist gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 5 Körperschaftsteuergesestz (KStG) von der Körperschaftsteuer befreit.

3

Die Klägerin unterhält seit etwa 20 Jahren eine landwirtschaftliche Buchstelle mit Außenstellen in den zuvor genannten Altkreisen. Die Buchstelle ist eine rechtlich nicht selbständige Einrichtung der Klägerin, die aber organisatorisch unabhängig ist. Die Buchstelle erbringt Hilfeleistung in Steuersachen für land- und forstwirtschaftliche Betriebe durch Erstellung der Buchführung und Steuerberatung gegenüber Mitgliedern der Klägerin. Nichtmitglieder werden regelmäßig nur betreut, soweit verwandtschaftliche oder schuldrechtliche Beziehungen zwischen Mitglied und Nichtmitglied bestehen (z.B. Betreuung der Betriebe von Eheleuten, von denen nur ein Teil Mitglied ist; steuerliche Betreuung des Betriebspächters, wobei der Verpächter Mitglied ist). In den Streitjahren nahmen etwa 2.000 land- und forstwirtschaftliche Betriebe die Hilfeleistung der Buchstelle in Anspruch. Die Buchstelle schließt mit den einzelnen Landwirten Buchführungs- und Steuerberatungsverträge ab. Für ihre Leistungen erhebt sie Gebühren nach einer eigenen Kostenordnung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gebührenordnung (Bl. 44 f Einspruchsheftung) und einen exemplarischen Buchführungsvertrag (Bl. 56 der Finanzgerichtsakte) Bezug genommen. Auf diese Weise unterhält die Klägerin einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und ist damit sowohl körperschaftsteuer- als auch umsatzsteuerpflichtig.

4

Die von der Buchstelle erhobenen Gebühren setzten sich aus einer Grundgebühr und einer Abschlußgebühr zusammen. Die Grundgebühr ist abhängig von der Summe der gebuchten Kontozahlen und von der Höhe des Umsatzes des Betriebes. Für die Höhe der Abschlußgebühr sind der wirtschaftliche Gewinn des Betriebes und die Größe seiner landwirtschaftlichen Fläche maßgebend. Weder die Beratungsverträge noch die Gebührenordnung der Klägerin sehen eine Rückerstattung von Gebühren vor.

5

In den Streitjahren 1983 und 1984 setzte die Klägerin die Gebühren für die Steuerberatung zunächst aufgrund ihrer Gebührenordnung fest. Vor Ablauf des jeweiligen Jahres erkannte sie, daß die Buchstelle erhebliche Überschüsse erzielen würde. Da mit der Gebührenerhebung im wesentlichen eine Kostendeckung erreicht werden sollte, traf sie ab dem Jahr 1985 Vorkehrungen, um die Entstehung eines neuerlichen Überschusses von vornherein zu verhindern. Im Hinblick auf die Jahre 1983 und 1984 beschlossen die Geschäftsleitung der Buchstelle und der Vorstand der Klägerin, den buchführenden Betrieben einen Teil der erhobenen Gebühren zurückzuzahlen. Hierzu faßten die Gremien der Klägerin folgende Beschlüsse:

6

Vorstandssitzung vom 4. Oktober 1979 (Bl. 25 der Einspruchsheftung)

"Nach eingehender Diskussion faßte der Vorstand folgenden Beschluß: Soweit das Gebührenaufkommen der Buchführungsbetriebe Überschüsse erwarten läßt, sollen den Betrieben Gebühren erlassen bzw. anteilig Gebührenerstattungen gewährt werden."

7

Sitzung des Arbeitskreises Buchstelle vom 23. Februar 1984 (Bl. 31 der Einspruchsheftung)

"Herr H. legte vor:

1.
...

2.
Den vorläufigen Jahresabschluß der VEL-landwirtschaftliche Buchstelle zum 31.12.1983, der (vor Gewährung von noch zu beschließenden Umsatzrückvergütungen) einen Gewinn ausweist in Höhe von 432.302,12 DM"

8

Vorstandssitzung vom 27. Februar 1984 (Bl. 33 der Einspruchsheftung)

"Herr H. erläutert den Abschluß der Buchstelle 1983 sowie den Etatvorschlag für 1984. In der Diskussion wird empfohlen, eine Rückvergütung in Höhe von 404.000 DM aufgeteilt auf die bereits im Jahre 1982 buchführenden Betriebe, die auch Mitglieder der VEL sind, zu gewähren. Die Höhe der Vergütung wird im einzelnen 220 DM + MWSt betragen".

9

Sitzung des Arbeitskreises Buchstelle am 23. November 1984 (Bl. 35 der Einspruchsheftung)

"Es wurde das voraussichtliche Ergebnis der Buchstellen für 1984 erläutert. Danach wird auch für 1984 ein Überschuß von 500.000 DM erwartet. In Anlehnung an die Praxis von 1983 soll eine Umsatzrückvergütung gewährt werden, wobei die Höhe der Rückvergütung in Abhängigkeit von der Höhe der geleisteten Buchführungsgebühren berechnet werden soll".

10

Vorstandssitzung vom 14. Dezember 1984 (Bl. 38 der Einspruchsheftung)

"Herr B. trug das Ergebnis der Arbeitskreissitzung Buchstelle vom 14. Juni und 23. November 1984 vor. Die dortigen Beschlußempfehlungen wurden einstimmig zum Beschluß des Vorstandes erhoben."

11

Protokoll der Sitzung des Hauptausschusses der ... vom 21. März 1985 (Bl. 41 der Einspruchsheftung)

"Die vom Vorstand vorgeschlagene Rückvergütung beim Abschluß der Buchstelle wird einstimmig genehmigt und zustimmend zur Kenntnis genommen."

12

Auf der Grundlage dieser Beschlüsse erstattete die Klägerin für das Jahr 1983 Jedem buchführenden Betrieb einen Betrag von 220 DM zuzüglich 14 % Umsatzsteuer. Voraussetzung für eine Erstattung war, daß der einzelne Betrieb vor dem 1. Juli 1983 tatsächlich Kostenabschläge bezahlt hatte, mit seinen Zahlungen nicht im Rückstand war und der Buchführungsauftrag noch weiter bestand. Testbetriebe und Betriebe, die ihren Buchführungsauftrag gekündigt oder erst nach dem 30. Juni 1983 erteilt hatten, waren von der Rückvergütung ausgeschlossen.

13

Für das Jahr 1983 betrug die Rückvergütung insgesamt:

1.836 Betriebe × 220 DM =403.920,00 DM
zuzüglich 14 % Umsatzsteuer56.548,80 DM
Summe460.468,80 DM.
14

Da einige Landwirte den einheitlichen Vergütungsbetrag beanstandeten, berechnete die Klägerin die Rückvergütung für das Jahr 1984 mit Hilfe eines Umrechrnungsschlüssels (Verhältnis des Gesamtbetrages der Umsatzrückvergütung zum Gesamtbetrag der Buchführungserlöse, bezogen auf die von den einzelnen Landwirten tatsächlich gezahlten Gebühren). Die Rückvergütung für das Jahr 1984 betrug danach:

Vergütete Buchführungsgebühren442.998,04 DM
zuzüglich 14 % Umsatzsteuer62.015,69 DM
Summe505.013,73 DM.
15

Die Klägerin behandelte die Rückvergütungen in Höhe der Bruttobeträge als Betriebsausgaben. Nach Abzug dieser Beträge verblieb der Buchstelle noch ein Gewinn von 61.932,13 DM für 1983 und 85.761,07 DM für 1984.

16

Der Beklagte setzte die Körperschaftsteuer 1983 und 1984 zunächst mit Bescheiden vom 17. Juli 1985 und 11. Juni 1986 fest. Hiergegen legte die Klägerin am 26. Juli 1985 und 2. Juli 1986 aus im Klageverfahren nicht mehr geltend gemachten Gründen Einspruch ein. Noch während des Einspruchsverfahrens fand bei der Klägerin eine Außenprüfung für die Jahre 1981 bis 1985 statt. Der Beklagte gelangte dabei zu der Auffassung, daß die Rückvergütungen an die buchführenden Betriebe als vGA gemäß § 8 Abs. 3 KStG anzusehen seien. Er erhöhte das Einkommen der Klägerin deshalb wie folgt:

19831984
DMDM
vGA460.468505.014
Umsatzsteuernachzahlung lt. Außenprüfung./. 56.548./. 62.015
Gewerbesteuerrückstellung lt. Außenprüfung./. 53.446./. 58.617
Summe350.474384.382.
17

Mit Bescheiden vom 10. Mai 1990 setzte der Beklagte die Körperschaftsteuer für 1983 auf 254.515 DM und für 1984 auf 250.780 DM fest. Den hiergegen erhobenen Einspruch der Klägerin sowie die Einsprüche gegen die ursprünglichen Bescheide wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 23. Juni 1992 als unbegründet zurück.

18

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin vom Ansatz einer vGA abzusehen. Zur Begründung trägt sie vor, daß sie aufgrund der §§ 21 ff BGB und durch die Satzung des Vereins sowie die Vorstandsbeschlüsse verpflichtet gewesen sei, den buchführenden Landwirten einen Teil der entstandenen Überschüsse zurückzuzahlen. Als Idealverein dürfe sie sich nur in sehr eingeschränktem Umfange wirtschaftlich betätigen und vor allem keine Gewinne erzielen. So würde sie für ihre steuerberatenden Dienstleistungen auch keine Gebühren nach der Steuerberatergebührenverordnung berechnen, sondern lediglich ein die Kosten deckendes Entgelt erheben. Zur Vereinfachung des Gebühreneinzuges sei sie dabei in den Jahren 1983 und 1984 von einer eigenen Gebührentabelle ausgegangen. Die auf diese Weise erwirtschafteten Überschüsse habe sie weder vorausgesehen noch beabsichtigt. Da ihre Mitglieder aufgrund der §§ 21 ff BGB einen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Rückzahlung der Überschüsse gehabt hätten, habe sie ihnen diese zurückgewährt.

19

Die Annahme einer VGA gehe auch deshalb fehl, weil die Rückvergütung der gezahlten Buchführungsentgelte nicht durch das Mitgliedschaftsverhältnis, sondern durch das bestehende Auftragsverhältnis veranlaßt worden sei. Eine Gewinnausschüttung könne nur angenommen werden, wenn alle Mitglieder von der Auszahlung profitiert hätten. Tatsächlich aber hätten nur diejenigen landwirtschaftlichen Betriebe Vergütungen erhalten, die zuvor selbst Gebühren entrichtet hätten. Die alleinige Veranlassung der Rückzahlung durch das Auftragsverhältnis werde auch dadurch deutlich, daß nur diejenigen Mitglieder Rückvergütungen erhalten hätten, die das Auftragsverhältnis noch nicht gekündigt hätten. Wäre dagegen das Mitgliedschaftsverhältnis kausal für die Rückvergütung gewesen, hätten auch die Mitglieder Rückzahlungen erhalten müssen, die zum Zeitpunkt der Auszahlung das Auftragsverhältnis bereits beendet hatten.

20

Werde dem Klagantrag entsprochen, seien zwar die Gewerbsteuerrückstellungen, nicht aber die Umsatzsteuerrückstellungen aufzulösen, über die Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuernachzahlungen müsse erst im ausstehenden Klageverfahren vor dem Niedersächsischen Finanzgericht (Az. V 231/92) entschieden werden. Eine Entscheidung in der Körperschaftsteuersache habe keine unmittelbare Auswirkung auf die Höhe der Umsatzsteuer.

21

Die Klägerin beantragt,

die verdeckten Gewinnausschüttungen in Höhe von 460.468 DM für 1983 und in Höhe von 505.014 DM für 1984 rückgängig zu machen und deshalb die Körperschaftsteuer für 1983 auf 51.005 DM und für 1984 auf 27.580 DM herabzusetzen.

22

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

23

Er ist der Auffassung, daß die Rückvergütungen durch das Mitgliedschaftsverhältnis veranlaßt und deshalb als vGA zu behandeln seien. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter eines nicht wirtschaftlichen Vereins hätte keine Rückvergütungen vorgenommen, da er hierzu nicht verpflichtet gewesen wäre. Eine solche Handhabung sei bei nicht wirtschaftlichen Vereinen unüblich und nicht durch die Zielsetzung des Vereins gedeckt. Hätte ein Verein bei der Preisfindung in einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb falsch kalkuliert, so treffe dieses den gesamten Verein und nicht die Mitglieder, die aufgrund schuldrechtlicher Verträge Leistungen des Verein aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb in Anspruch genommen hätten. Ebenso müsse dann aber auch ein entstandener Gewinn dem gesamten Verein und nicht nur den einzelnen Mitgliedern zustehen.

24

Wenn der Klagantrag zur vGA Erfolg habe, sei die von der Außenprüfung gebildete Umsatzsteuerrückstellung zwingend aufzulösen. Eine Rückstellung sei nur dann zulässig, wenn zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung mit einer Inanspruchnahme ernsthaft gerechnet werde. Verneine man die vGA, so sei keine Umsatzsteuerschuld entstanden. Bei erfolgreichem Klagebegehren ergebe sich deshalb folgende Körperschaftsteuer:

19831984
DMDM
zu versteuerndes Einkommen lt. Bescheid509.036,00501.566,00
vGA./. 460.468,80./. 505.013,73
Umsatzsteuerrückstellung+ 56.548,80+ 62.015,69
Gewerbesteuerrückstellung+ 53.446.00+ 58.617.00
zu versteuerndes Einkorrmen158.562,00117.184,00
abgerundet158.560,00117.180,00
Körperschaftsteuer 50 v.H.79.280,0058,590.00

Entscheidungsgründe

25

Die Klage ist begründet. Der Beklagte hat zu Unrecht eine durch das Mitgliedschaftsverhältnis veranlaßte Rückgewähr der Gebühren angenommen.

26

1.

Eine vGA ist bei einem Verein eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung), die durch das Mitgliedschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht. Zwar hat der Bundesfinanzhof (BFH) zunächst die Auffassung vertreten, die Annahme einer vGA im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG setze die Beteiligung des Empfängers an der die Leistung gewährenden Körperschaft im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) voraus. Diese Auffassung hat der BFH Jedoch zwischenzeitlich wieder aufgegeben (BFH-Urteil vom 9. August 1989, I R 4/84, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1990, 237).

27

Für die Frage, ob eine Vermögensminderung durch das Mitgliedschaftsverhältnis veranlaßt ist, ist darauf abzustellen, ob der Verein seinen Mitgliedern einen Vermögensvorteil zuwendet, den er bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtmitglied nicht gewährt hätte (BFH-Urteil vom 13. November 1991, I R 45/90, BStBl II 1992, 429).

28

2.

Bei Abwägung aller im Streitfall vorliegenden Umstände steht nach Auffassung des Senats fest, daß die Rückvergütungen betrieblich veranlaßt sind.

29

a)

Bei der Klägerin handelt es sich um einen rechtsfähigen nicht wirtschaftlichen Verein, dessen wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb eine Berufsvertretung im Sinne des § 4 Nr. 7 und 8 Steuerberatungsgesetz ist. Die Satzungszwecke eines nicht wirtschaftlichen Vereins dürften nicht auf eine unternehmerische Betätigung gerichtet sein, wobei es auf das Streben nach Gewinnerzielung oder eine Gewinnerzielungsabsicht nicht ankommt (vgl. Karsten Schmidt. Gesellschaftsrecht, 3 Aufl., Seite 673).

30

Die Entziehung der Rechtsfähigkeit gemäß § 43 Abs. 2 BGB setzt folglich voraus, daß der nicht wirtschaftliche Verein entgegen seinem Satzungszweck sich in Wahrheit als wirtschaftlicher Verein betätigt (Karsten Schmidt, a.a.O., Seite 729). Dies liegt wegen des zu beachtenden Nebenzweckprivilegs (vgl. hierzu Karsten Schmidt, a.a.O., Seite 676) jedoch nicht bereits dann vor, wenn eine untergeordnete Nebentätigkeit unternehmerisch mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird.

31

b)

Das von der Klägerin angenommene Verbot der Gewinnerzielung läßt sich folglich nicht aus den Normen des Vereinsrechts herleiten. Es folgt aber aus den Beschränkungen der §§ 4, 5 Steuerberatungsgesetz. Personen, die geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen besorgen, sind einem Erlaubniszwang unterstellt. Hiervon ausgenommen sind auf berufsständischer Grundlage gebildete Vereinigungen. Für die steuerliche Hilfeleistung durch solche Vereinigungen geht das Steuerberatungsgesetz davon aus, daß für die Hilfeleistung grundsätzlich andere Erwägungen als Gewinnstreben gelten (vgl. BFH-Urteil vom 14. Mai 1969, VII R 11/66, BStBl II 1969, 713, 715).

32

Zwar kann einer solchen Vereinigung nicht untersagt werden, diejenigen Auslagen und Aufwendungen ersetzt zu verlangen, die ihr in Verfolgung der rechtlichen Betreuung ihrer Mitglieder entstanden sind. Jedoch überschreitet sie die Grenzen des ihr gesetzlich eingeräumten Tätigkeitsbereichs, wenn sie ihre Hilfe und Unterstützung auf der Grundlage eines Gebührensystems leisten würde, daß einer wirtschaftlichen auf Gewinn ausgerichteten Betätigung gleichkäme (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 30. November 1954, I ZR 147/53, BGHZ 15, 315, 322).

33

Demzufolge mußte die Klägerin befürchten, aufgrund der in den Streitjahren erzielten erheblichen Überschüsse möglicherweise ihre Befugnis zur Hilfe in Steuersachen zu verlieren. Die teilweise Rückvergütung der Buchführungsgebühren stellen sich damit als Maßnahme zur Erhaltung der Beratungsbefugnis dar, in deren Bereich sich die Klägerin ausschließlich auf schuldrechtlicher Grundlage ihren Mitgliedern zuwendet.

34

aa)

Der Kreis der Bezugsberechtigten und die Anspruchsvoraussetzungen für die Rückgewähr der Gebühren sprechen - entgegen der Ansicht des Beklagten - zudem eindeutig für eine vertragsbezogene Entgeltsminderung.

35

Voraussetzung für eine Erstattung war, daß der einzelne Betrieb vor dem 1. Juli 1983 tatsächlich Kostenabschläge gezahlt hatte, mit seinen Zahlungen nicht im Rückstand war und der Buchführungsauftrag weiter bestand. Sowohl die Verknüpfung der Rückgewähr mit der tatsächlichen Leistung von Abschlägen zeigt, daß die ordnungsgemäße Vorleistung aufgrund des Buchführungsauftrages und damit des einzelnen Schuldverhältnisses maßgeblicher Grund für die Rückvergütung war. Die Voraussetzung ordentlicher Vertragserfüllung für eine Rückgewähr spiegelt sich auch darin wieder, daß ein Anspruch nur entstand, wenn der Auftraggeber mit seinen Zahlungen nicht in Rückstand war. Beide Voraussetzungen beinhalten letztlich auch die wirtschaftlich vernünftige Erwägung nur diejenigen Auftraggeber zu begünstigen, die ihre Vertragspflichten ihrerseits vollständig erfüllt haben. Wirtschaftliche Aspekte finden im mitgliedschaftlichen Verhältnis zwischen Verein und Vereinsmitglied jedoch keine Beachtung.

36

bb)

Aus der Forderung der Klägerin nach Fortbestand des Buchführungsauftrages für einen Rückvergütungsanspruch läßt sich schließlich eindeutig folgern, daß es der Klägerin darauf ankam, nicht einzelnen ausgewählten Mitgliedern etwas zuzuwenden, sondern diejenigen Vertragspartner zu begünstigen, die sich bisher vertragsgemäß verhalten haben und weiterhin die Leistungen der Klägerin auf schuldrechtlicher Grundlage in Anspruch nehmen. Dabei differenzierte die Klägerin nicht zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern. Soweit Nichtmitglieder die Anspruchsvoraussetzungen für die Rückzahlung der Gebühren erfüllt haben, kamen auch diese in den Genuß der Gebührenminderungen. Die Rückvergütungen waren folglich nicht durch das Mitgliedschaftsverhältnis, sondern durch die schuldrechtlichen Beziehungen im Rahmen des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes veranlaßt.

37

3.

Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die Umsatzsteuerrückstellung nicht bereits wegen der Verneinung einer VGA aufzulösen.

38

Rückstellungen für Steuern nach § 249 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB) sind zu bilden, soweit die Steuern und Abgaben bis zum Ende des Geschäftsjahres wirtschaftlich oder rechtlich entstanden sind. Gemäß § 17 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) hat der Unternehmer, der den Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag entsprechend zu berichtigen, wenn sich die Bemessungsgrundlage für den steuerpflichtigen Umsatz geändert hat. Die Berichtigung ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist.

39

Nach § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG ist die Berichtigung somit bereits im Besteuerungszeitraum der geänderten Vereinbarung über das Entgelt und nicht erst im Besteuerungszeitraum ihrer Erfüllung vorzunehmen.

40

Im Streitfall sind die Beschlußfassungen endgültig jeweils ein Jahr nach dem jeweiligen Streitjahr gefaßt worden, so daß frühestens zu diesem Zeitpunkt eine Umsatzsteuerliche Entgeltminderung in Betracht kommt. Für 1983 hat die Klägerin bereits aus diesem Grund die von dem Beklagten durch die geänderten Umsatzsteuerbescheide nach Außenprüfung nachgeforderten Umsatzsteuern zu passivieren. Denn die erfolgte Entgeltsminderung ist vom Beklagten für den Veranlagungszeitraum 1983 zu Recht rückgängig gemacht worden.

41

Für 1984 ist eine Rückstellung ebenfalls richtiger Weise gebildet worden. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist durch die Verneinung einer VGA nicht darüber entschieden worden, ob eine Entgeltsminderung im Sinne des § 17 Abs. 1 UStG vorliegt. Die beiden Rechtsfragen können unterschiedlich beantwortet werden, da jeweils unterschiedliche Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen. Aus diesem Grund resultiert aus der von der Klägerin bereits für 1983 und 1984 vorgenommenen und durch den Beklagten korrigierten Umsatzsteuerminderung eine in den Streitjahren entstandene Umsatzsteuerforderung, deren Nichtbestehen erst mit Rechtskraft eines für die Streitjahre stattgebenden Urteils des anhängigen Rechtsstreits (Az. V 231/92) wegen Umsatzsteuer 1983 und 1984 feststeht. Demzufolge ist die Auflösung der Umsatzsteuerrückstellung nicht geboten.

42

4.

a)

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozeßordnung.

43

bb)

Die Revisionszulassung erfolgt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.