Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 11.11.2004, Az.: 5 K 445/00
Berechtigung zum Vorsteuerabzug bei der Anschaffung eines PKW; Höhe der abziehbaren Vorsteuerbeträge bei auch privat genutztem PKW; Schutz des Vertrauens des Unternehmers in die Rechtslage, die im Zeitpunkt seiner Zuordnungsentscheidung bestand; Zuordnung der Fahrten eines Unternehmers zu seiner Arbeitsstätte zu dem privaten Bereich
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 11.11.2004
- Aktenzeichen
- 5 K 445/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 25991
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2004:1111.5K445.00.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 27.04.2006 - AZ: V R 1/05
Rechtsgrundlage
- § 15 Abs. 1 b UStG
Fundstellen
- DStR 2005, X Heft 10 (Kurzinformation)
- DStRE 2005, 407-409 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2005, 490-491 (Volltext mit amtl. LS)
- INF 2005, 170
- UStB 2005, 141 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Zeitpunkt der Lieferung maßgeblich für Höhe des Vorsteuerabzugs; Fahrten zwischen Wohnung und Unternehmen dienen nichtunternehmerischen Zwecken.
Tatbestand
Streitig ist, inwieweit die Anschaffung eines Pkw im Jahr 2000 zum Vorsteuerabzug berechtigt.
Der Kläger ist als Rechtsanwalt selbstständig tätig. In seiner Umsatzsteuervoranmeldung für März 2000 machte der Kläger u.a. Vorsteuern aus dem Kauf eines Pkw geltend. Der Pkw wurde am 24.01.2000 bestellt und am 27.03.2000 ausgeliefert. Am 17.03.2000 erfolgte eine Rechnung gegenüber dem Kläger mit offenem Umsatzsteuerausweis.
Mit Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für März 2000 vom 17.05.2000 ließ der Beklagte unter Hinweis auf § 15 Abs. 1 b Umsatzsteuergesetz (UStG) in der im Jahr 2000 geltenden Fassung lediglich 50 % dieser Vorsteuerbeträge zum Abzug zu.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger hiergegen die vorliegende Klage, die er wie folgt begründet: Ihm stehe der Vorsteuerabzug in voller Höhe zu, da der Pkw nahezu ausschließlich betrieblich genutzt werde. Für Privatfahrzeuge stehe ihm ein anderes Fahrzeug zur Verfügung.
Der Kläger legte mit Schriftsatz vom 31.07.2001 ein - nach eigenen Angaben - "offen gehaltenes" elektronisches Fahrtenbuch für 2000 vor. Demnach ist der Kläger im Jahr 2000 lediglich 292 km privat gefahren; dies sind 1,92 % der laut Fahrtenbuch insgesamt gefahrenen Kilometer. Ferner weist dieses Fahrtenbuch 10.936 betrieblich gefahrene Kilometer auf (71,77 %) und 4.010 km für Fahrten zwischen Wohn- und Arbeitsstätte (26,32 %).
Der Kläger ist der Ansicht, als Anwalt könne von ihm nicht verlangt werden, ein "ordnungsgemäßes" Fahrtenbuch zu führen, da er in diesem Fall gegen seine berufliche Verschwiegenheitsverpflichtung verstoßen würde. Der Kläger macht geltend, er führe getrennt ein Verzeichnis der Namen und Adressen der jeweils aufgesuchten Mandanten, das aus berufs- und verfassungsrechtlichen Gründen nicht vorgelegt werde, bis hierüber eine rechtskräftige bzw. verfassungsgerichtliche Entscheidung vorliege.
Der Kläger trägt ferner vor, minimale Änderungen des Fahrtenbuches, das bei der Einkommensteuerveranlagung vorgelegt worden sei, im Vergleich zu dem in diesem Klageverfahren vorgelegten Fahrtenbuch seien auf Grund eines nochmaligen nachträglichen detaillierten Datenabgleichs mit den handschriftlichen Aufzeichnungen des Klägers vorgenommen worden. Diese minimalen Korrekturen sprächen nicht gegen die Ordnungsmäßigkeit des Fahrtenbuches.
Im Hinblick auf das Urteil des EuGH vom 29.04.2004 (Rechtssache C-17/01 Sudholz, UR 2004, 315) sei sein Vertrauen auf die Möglichkeit, den vollen Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen zu können, schutzwürdig, da er sein Fahrzeug im Januar 2000 verbindlich bestellt habe, also vor der Entscheidung des Rates der EU vom 28.02.2000, die die Einschränkung des Vorsteuerabzugs ermöglichte. Durch diese Bestellung habe er die für den Vertrauensschutz maßgebliche Investitionsentscheidung getroffen.
Während des Klageverfahrens gab der Kläger am 28.03.2002 eine Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr ab, der der Beklagte zunächst zustimmte. Am 08.07.2002 erließ der Beklagte einenÄnderungsbescheid, der auf § 164 AO gestützt wurde, und in dem wiederum lediglich 50 % der Vorsteuerbeträge aus der Anschaffung des PKW zum Abzug zugelassen wurden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Umsatzsteuerbescheid 2000 vom 8. Juli 2002 dahingehend zu ändern, dass weitere Vorsteuern i.H.v. ... DM zum Abzug zugelassen werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, die Beschränkung des Vorsteuerabzugs auf 50 v.H. nach § 15 Abs. 1 b UStG in der im Streitjahr geltenden Fassung sei zwar nach dem BMF-Schreiben vom 08.06.1999 (BStBl I 1999, 581 Tz. 6) dann nicht anwendbar, wenn das Fahrzeug zu mindestens 95 % unternehmerisch genutzt werde. Dies habe der Kläger jedoch nicht nachgewiesen. Aus der Fassung des § 102 Abs. 1 Nr. 3 b Abgabenordnung (AO) folge, dass der Kläger kein Auskunftsverweigerungsrecht über Name und Anschrift seiner Mandanten habe. Auch verletze der Kläger sein Berufsgeheimnis nicht durch eine allgemein gehaltene Zweckangabe über den Reisezweck im Fahrtenbuch. Dabei könnten Name und Adresse des aufgesuchten Mandanten in einem vom Fahrtenbuch getrennt zu führenden Verzeichnis festgehalten werden. Das vom Kläger vorgelegte Fahrtenbuch werde diesen Anforderungen nicht gerecht, da teilweise der Reisezweck nicht angegeben sei. Ferner ergebe sich eine Unstimmigkeit am 27.11.2000.Gegen die Ordnungsmäßigkeit des Fahrtenbuches spreche auch, dass der Kläger im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung ein elektronisches Fahrtenbuch für das Streitjahr vorgelegt habe, das in mehreren Punkten von dem hier im Klageverfahren eingereichten Fahrtenbuch abweiche. So seien an einigen Tagen zusätzliche Fahrten zwischen der Wohnung und der Kanzlei verzeichnet, an anderen Tagen habe sich die Kilometerzahl geändert; ferner seien die Tachostände an einigen Tagen verändert worden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 03.09.2002 verwiesen.
Der Beklagte ist der Ansicht, § 15 Abs. 1 b UStG sei im Streitfall anwendbar. Aus dem Urteil des EuGH vom 29.04.2004 (Rechtssache C-17/01 Sudholz, UR 2004, 315) sei zu entnehmen, dass diese Vorschrift in allen Fällen anwendbar sei, in denen ein Fahrzeug nach dem 04.03.2000 (Tag der Veröffentlichung der Ratsermächtigung im Amtsblatt der EG) angeschafft worden sei. Dies folge auch aus § 27 Abs. 5 UStG, der die zeitliche Anwendung des § 15 Abs. 1 b UStG regele. Unter "Anschaffung" im Sinne dieser Vorschrift sei die Verschaffung der tatsächlichen Verfügungsmacht und nicht das obligatorische Verpflichtungsgeschäft (Bestellung) zu verstehen. Das streitbefangene Fahrzeug sei nach dem 04.03.2000 angeschafft worden. Dies ergebe sich zum einen aus der Rechnung des Autohauses vom 17.03.2000, in der dieser Tag als Zulassungstag bezeichnet werde, und zum anderen aus dem Fahrtenbuch des Klägers, das am 27.03.2000 eine Fahrt ... zur Abholung des Fahrzeuges ausweise. Eine Entscheidung über die Verwendung und Zuordnung eines Gegenstandes zum Unternehmensvermögen könne erst nach dessen Anschaffung getroffen werden. Vorher sei auch für einen Vertrauensschutz kein Raum.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht lediglich 50 % der Vorsteuerbeträge aus der Anschaffung des Pkw zum Abzug zugelassen.
1.
Im Streitfall war die Regelung des § 15 Abs. 1 b UStG in der im Jahr 2000 geltenden Fassung anzuwenden.
a)
Im Jahr 1999 wurde in das deutsche Umsatzsteuergesetz eine Regelung aufgenommen, nach der Vorsteuerbeträge, die auf die Anschaffung von Fahrzeugen entfallen, die auch für den privaten Bedarf des Unternehmers oder für andere unternehmensfremde Zwecke verwendet werden, nur zu 50 v.H. abziehbar sind (§ 15 Abs. 1 b UStG 1999). Nach § 27 Abs. 3 UStG 1999 war § 15 Abs. 1 b UStG 1999 erstmals auf Fahrzeuge anzuwenden, die nach dem 31.03.1999 angeschafft oder hergestellt wurden.
Diese Regelung wich von den Art. 6 und 17 der Richtlinie 77/388/EWG (6. EG-Richtlinie) ab, die grundsätzlich einen vollen Vorsteuerabzug bei Gegenständen ermöglichen, die für das Unternehmen angeschafft werden. Am 28. Februar 2000 erließ der Rat der EU die Entscheidung 2000/186, mit der die Bundesrepublik Deutschland ermächtigt wurde, abweichend von Art. 17 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie und abweichend von Art. 6 Abs. 2 Buchstabe a der o.g. Richtlinie den Abzug der Mehrwertsteuer auf die Gesamtausgaben für Fahrzeuge, die nicht ausschließlich für betriebliche Zwecke genutzt werden, auf 50 % zu beschränken. Ferner bestimmte der Rat, dass diese Ermächtigung weder für Fahrzeuge gilt, die Umlaufvermögen des Steuerpflichtigen darstellen, noch für solche Fahrzeuge, die höchstens bis zu 5 % für private Zwecke genutzt werden. Nach Art. 3 Abs. 1 der Entscheidung 2000/186 sollte diese Entscheidung (rückwirkend) mit Wirkung ab 1. April 1999 gelten. Die Entscheidung 2000/186 des Rates wurde am 04.03.2000 im Amtsblatt der EG veröffentlicht.
b)
Mit Urteil vom 29.04.2004 (Rechtssache C-17/01 Sudholz, UR 2004, 315) entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass die Entscheidung 2000/186/EG des Rates vom 28. Februar 2000 grundsätzlich wirksam sei. Jedoch sei Art. 3 der Entscheidung ungültig, soweit er die rückwirkende Geltung der Ermächtigung vorsieht. Zur Begründung dieses Urteils führte der EuGH aus, den Unternehmern sei bis zu der Veröffentlichung dieser Ratsentscheidung Vertrauensschutz zu gewähren (Tz. 35 des EuGH-Urteils).
c)
Für die Frage, ob im Sinne des o.g. EuGH-Urteils vom 29.04.2004 (Rechtssache C-17/01 Sudholz, UR 2004, 315) das Vertrauen eines Unternehmers auf die Möglichkeit, den vollen Vorsteuerabzug aus der Anschaffung eines PKW geltend zu machen, schutzwürdig ist, ist nach Auffassung des erkennenden Senates nicht der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem der Unternehmer den Pkw bestellt hat und damit rechtsverbindliche Dispositionen getroffen hat, sondern der Zeitpunkt, zu dem der Unternehmer von seinem Wahlrecht Gebrauch machte, den Pkw ganz oder teilweise dem Unternehmensvermögen zuzuordnen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH hat der Unternehmer ein Wahlrecht, ob er einen Gegenstand, der sowohl für das Unternehmen als auch privat genutzt wird, ganz oder teilweise dem Unternehmen zuordnet oder ob er ihn ganz dem Privatvermögen zuordnet (vgl. zum Überblicküber diese Rechtsprechung etwa Heidner in Bunjes/Geist,§ 15 UStG Rn. 108 ff.). In dem Urteil vom 29.04.2004 (Rechtssache C-17/01 Sudholz, UR 2004, 315) knüpfte der EuGH den aus der 6. EG-Richtlinie hergeleiteten Vertrauensschutz des Unternehmers nicht an wirtschaftliche Dispositionen, sondern an diese Zuordnungsentscheidung an. Dies folgt nach Auffassung des erkennenden Senates aus der Begründung dieses Vertrauensschutzes durch den EuGH, die folgenden Wortlaut hat:
"Zum berechtigten Vertrauen der Betroffenen ... ist darauf hinzuweisen, dass, wenn sich der Steuerpflichtige dafür entscheidet, dass ein Gut, das sowohl für unternehmerische als auch für private Zwecke verwendet wird, als Gegenstand des Unternehmens behandelt wird, die beim Erwerb dieses Gegenstands geschuldete Vorsteuer grundsätzlich vollständig und sofort abziehbar ist ... Da keine Bestimmung es den Mitgliedstaaten erlaubt, das Recht auf Vorsteuerabzug einzuschränken, muss dieses somit für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden können ... Solange eine vom Rat nach Art. 27 der 6. Richtlinie genehmigte abweichende nationale Maßnahme nicht erlassen war, durften die Betroffenen ... zu Recht davon ausgehen, dass sie die gesamte Steuer auf den Kauf ihres Pkw abziehen konnten" (Tz. 37 - 38 des EuGH-Urteils;).
Demnach wird bei der Entscheidung über eine vollständige oder teilweise Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmensvermögens das Vertrauen des Unternehmers auf die im Zeitpunkt dieser Zuordnungsentscheidung geltende Rechtslage geschützt.
Dagegen ist das Vertrauen eines Unternehmers darauf, dass ein Vorsteuerabzug im Zeitpunkt der Lieferung eines Gegenstandes noch in gleicher Weise möglich ist wie bei dessen rechtsverbindlicher Bestellung nicht schutzwürdig. Da die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs und die Zuordnung zu dem Unternehmensvermögen erst dann erfolgen kann, wenn sowohl eine Lieferung des Gegenstandes erfolgt ist als auch eine Rechnung hierüber ausgestellt wurde (vgl. EuGH-Urteil vom 29.04.2004 Rechtssache C-152/02 Terra Baubedarf, UR 2004, 323), ist es aus europarechtlichen Gründen nicht zu beanstanden, wenn sich die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug in dem Zeitraum zwischen der Bestellung und der Lieferung eines Gegenstandes ändern.
d)
Nach diesen Maßstäben ist § 15 Abs. 1 b UStG in der im Jahr 2000 geltenden Fassung im Streitfall anzuwenden, da der Kläger den streitbefangenen Pkw erst nach der Veröffentlichung der Ratsentscheidung 2000/186 seinem Unternehmensvermögen zugeordnet hat. Der Kläger konnte sein Zuordnungswahlrecht erst am 27.03.2000 ausüben, da er an diesem Tag den Pkw bei der Firma ... abholte. Zu diesem Zeitpunkt war die Entscheidung 2000/186 des Rates bereits getroffen und auch im Amtsblatt der EG veröffentlicht. Damit konnte der Kläger bei seiner Zuordnungsentscheidung nicht mehr in berechtigter Weise darauf vertrauen, nach Maßgabe des zuvor geltenden deutschen Umsatzsteuerrechtes den vollen Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Pkw in Anspruch nehmen zu können.
2.
Der streitbefangene Pkw des Klägers fällt auch in den sachlichen Anwendungsbereich des § 15 Abs. 1 b UStG 1999.
Nach der ausdrücklichen Entscheidung des Rates 2000/186 der EG gilt die Beschränkung des Vorsteuerabzugs nicht für solche Fahrzeuge, die höchstens bis zu 5 % für private Zwecke genutzt werden. Dies entspricht der bereits zuvor von der deutschen Finanzverwaltung vollzogenen Verwaltungspraxis (vgl. BMF-Schreiben vom 8.6.1999, BStBl 1999 I, 581 Tz. 5).
Das Fahrzeug des Klägers wurde jedoch zu mehr als 5 % für private Zwecke genutzt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das von dem Kläger vorgelegte Fahrtenbuch, das einen Anteil von lediglich 1,91 % "privat gefahrener Kilometer" ausweist, als ordnungsgemäß anzuerkennen ist. Auch wenn dies der Fall ist, fällt der Pkw gleichwohl in den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 1 b UStG 1999, da der Kläger auch Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durchführte, die nach seinem Fahrtenbuch 26,61 % der insgesamt durchgeführten Fahrten ausmachten. Diese Fahrten sind - entgegen den BMF-Schreiben vom 29.05.2000 (BStBl 2000 I, 819, Tz. 22) und vom 27.08.2004 (BStBl I 2004, 864 Ziff. 3) - nicht der unternehmerischen Nutzung zuzuordnen, sondern der privaten Nutzung des PKW. Insoweit ist bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 15 Abs. 1 b UStG 1999 umsatzsteuerlich eine andere Wertung geboten als sie im Ertragsteuerrecht vorgenommen wird, wo derartige Fahrten nach § 4 Abs. 5 Nr. 6 Einkommensteuergesetz (EStG) dem Grunde nach als Betriebsausgaben angesehen werden, deren steuerliche Abzugsfähigkeit lediglich der Höhe nach begrenzt ist. Dies folgt nach Auffassung des erkennenden Senats aus einer entsprechenden Anwendung des EuGH-Urteils vom 16.10.1997 (Rechtssache C-258/95 Fillibeck, UR 1998, 61).
Nach diesem Urteil ist die unentgeltliche Beförderung von Arbeitnehmern von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück durch den Arbeitgeber i.S.d. Art. 6 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie grundsätzlich dem privaten Bedarf der Arbeitnehmer und damit unternehmensfremden Zwecke zuzurechnen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn besondere Umstände im Hinblick auf die Erfordernisse des Unternehmens es gebieten, dass die Beförderung der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber übernommen wird, z.B. weil die Arbeitsstätte des Arbeitnehmers weder mit privaten noch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen ist oder es sich um eine wechselnde Arbeitsstätte handelt (EuGH-Urteil vom 16.10.1997 Rs. C-258/95 Fillibeck, UR 1998, 61 Tz. 26 ff.).
Entsprechendes gilt nach Auffassung des Senats auch für die Fahrten, die Unternehmer von ihrer Wohnung zu ihrer Arbeitsstätte durchführen. Auch derartige Fahrten dienen (umsatzsteuerrechtlich) in der Regel nicht unternehmerischen Zwecken, sondern privaten Zwecken des Unternehmers. Art. 6 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie regelt nicht nur die Erbringung unentgeltlicher Dienstleistungen eines Steuerpflichtigen für sein Personal, also u.a. die Beförderung der Arbeitnehmer zur Arbeitsstätte (Art. 6 Abs. 2 b der 6. EG-Richtlinie), sondern auch die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen wie z.B. die private Nutzung eines PKW (Art. 6 Abs. 2 a der 6. EG-Richtlinie). Die Abgrenzung, inwiefern Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte i.S.d. Art. 6 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie unternehmerischen Zwecken dienen, kann nach Auffassung des erkennenden Senats bei Fahrten von Unternehmern mit deren eigenen PKW (Art. 6 Abs. 2 a der 6. EG-Richtlinie) nicht nach anderen Kriterien erfolgen als bei dem Transport von Arbeitnehmern (Art. 6 Abs. 2 b der 6. EG-Richtlinie; ebenso Wagner in Sölch/Ringleb, § 15 UStG Rn. 563; Klenk in Sölch/Ringleb, § 3 UStG Rn. 614).
Anhaltspunkte für besondere Umstände im Hinblick auf die Erfordernisse des Unternehmens, die dazu führen könnten, dass der Transport von Arbeitnehmern und - in entsprechender Anwendung dieser Rechtsgrundsätze - auch die Fahrt des Klägers zu seiner Arbeitsstätte ausnahmsweise den unternehmerischen Zwecken zuzurechnen wären, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Vielmehr handelt es sich bei der Tätigkeit in einer Rechtsanwaltskanzlei um eine Arbeit, bei der es üblicherweise Sache des Arbeitnehmers ist, in eigener Verantwortung den Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte zurückzulegen.
3.
Die Revision wurde gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.
4.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.