Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.11.2004, Az.: 3 K 355/01
Berechtigung eines Finanzamts zum Erlass eines angefochtenen Erbschaftsteuerbescheides wegen widerstreitender Steuerfestsetzung; Verbindung einer Grundstücksschenkung mit einer Auflage; Folgen einer Verpflichtung in einem notariellen Vertrag zur Auskehrung eines Drittels des Verkaufserlöses aus dem Grundstück an eine Person unverzüglich nach Fälligkeit des Kaufpreises; Hinreichende Bestimmtheit einer Schenkungsvereinbarung; Anspruch des Gläubigers auf Herausgabe des als Ersatz Empfangenen oder auf Abtretung des Ersatzanspruchs im Falle der Unmöglichkeit der Leistung des Schuldners; Ausgleich für einen untergegangenen Rückübertragungsanspruch; Erstattung des Gegenwerts eines Vermögensgegenstandes anstelle eines ansonsten erzielbaren Verkaufserlöses; Ermächtigungsgrundlage der Finanzbehörden für die Erfassung eines unberücksichtigten Sachverhalts in dem richtigen Bescheid im Falle der Aufhebung oder Änderung einer unrichtigen Steuerfestsetzung auf Betreiben des Steuerpflichtigen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 10.11.2004
- Aktenzeichen
- 3 K 355/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 27918
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2004:1110.3K355.01.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - AZ: II B 8/05
Rechtsgrundlagen
- § 174 Abs. 4 AO 1977
- § 525 BGB
- § 275 BGB
- § 285 BGB
- § 3a VermG
- § 10 Abs. 3 ErbStG
Fundstelle
- EFG 2005, 618-620 (Volltext mit amtl. LS)
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Ein zivilrechtlich durch den Tod des Erblassers erloschenes Rechtsverhältnis gilt gemäß § 10 Abs. 3 ErbStG erbschaftssteuerrechtlich als fortbestehend.
- 2.
Der gemäß einer Auflage aus einem Schenkungsvertrag bestehende Anspruch des Erblassers gegenüber seinen Abkömmlingen auf Auskehrung eines Drittels des Erlöses aus einem Entschädigungsanspruch kann zur Erbmasse gehören.
- 3.
Gemäß § 174 Abs. 4 AO kann das zuständige Finanzamt aus einem bestimmten Sachverhalt, der auf Grund irriger Beurteilung bereits in einem Steuerbescheid erfasst worden ist, nachträglich durch Erlass oder Änderung eines anderen Steuerbescheides die richtigen steuerlichen Folgen ziehen, wenn der ursprüngliche Bescheid zu Gunsten des Steuerpflichtigen aufgehoben oder geändert wird.
Tatbestand
Zwischen den Parteien ist streitig, ob nach Änderung des Schenkungsteuerbescheides vom x.x.1995 auf Grund einer außergerichtlichen Einigung in der mündlichen Verhandlung vom x.x.2001 wegen widerstreitender Steuerfestsetzung nach § 174 Abs. 4 Abgabenordnung (AO) der streitige Erbschaftsteuerbescheid vom x.x.2001 erlassen werden durfte.
Am x.x.1992 verstarb die zuletzt in A wohnhaft gewesene Frau B. Nach dem Erbschein des Amtsgerichts vom x.x.1992 wurde sie von ihren Kindern, Frau C und Frau D (Klägerin und Schwester) zu je 1/2 des Nachlasses beerbt.
Durch notariellen Vertrag vom x.x.1991 trat Frau B ihren Anspruch auf Rückerstattung des Eigentums an dem Grundstück G in den neuen Bundesländern zu jeweils 1/2 an die Klägerin und ihre Schwester ab. Dabei wurde in Tz. II 2 folgende Vereinbarung getroffen:
"Frau C und Frau D werden das Grundstück G Blatt xx, sobald die Eigentumsverhältnisse geklärt sind, verkaufen. Sie verpflichten sich hiermit, - als Gesamtschuldner - ein Drittel des Verkaufserlöses - nach Abzug etwaiger Beratungs- und sonstiger Kosten im Zusammenhang mit Grundstückskaufvertrag - an ihre Mutter zu zahlen, und zwar unverzüglich nach Fälligkeit des Kaufpreises."
Die Klägerin und ihre Schwester legten dem Finanzamt (FA) am x.x.1994 eine Erbschaftsteuererklärung vor. Nach dieser Erklärung setzte sich der Nachlass wie folgt zusammen:
Grundstück in H | 54.800,00 DM |
---|---|
Kapitalforderungen | 24.166,00 DM |
Bargeld | 2.000,00 DM |
insgesamt | 80.966,00 DM |
Schulden der Erblasserin | 195.697,00 DM |
Erbfallkosten (Pauschbetrag) | 10.000,00 DM |
insgesamt | 205.697,00 DM |
Reinwert des Nachlasses mithin ./. | 124.731,00 DM |
Hinsichtlich des Anspruchs der Erblasserin aus Tz. II. 2. des Vertrages vom 15. April 1991 teilte der Vertreter der Erben dem FA mit Schriftsatz vom x.x.1995 Folgendes mit:
"Ein Kaufpreisanspruch, den Frau B nach der Veräußerung des Grundstückes durch ihre Töchter hätte erwerben können, ist nicht entstanden, ganz abgesehen davon, ist durch die vorbezeichnete Vertragsbestimmung keine Verpflichtung der Damen C und D zur Veräußerung des Grundstückes in Zippendorf begründet worden. Ziffer II. 2. stellt daher nur eine allgemein gehaltene Absichtserklärung meiner Mandanten, das Grundstück in G zu irgendeinem Zeitpunkt ihrer Wahl an einen Kaufinteressenten, ebenfalls ihrer Wahl, zu veräußern dar."
Das FA stellte daraufhin den Erwerb von Todes wegen nach der Erblasserin B steuerfrei.
Gemäß Bescheid des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen M vom x.x.1991 (Bl. 57 - 63 der Akte 3 K 200/96) wurde gem. § 3a des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG) die Veräußerung des Grundstücks in G von der Treuhand an die Firma Y GmbH zugelassen. Der vereinbarte Kaufpreis für das Grundstück einschl. des Gebäudes beträgt nach dem Bescheid 4,22 Mio. DM. In dem Bescheid wurde unter II. weiter ausgeführt, dass die Veräußerung des Grundstückes durch die Treuhandanstalt zulässig ist, weil sie investiven Zwecken gem. § 3a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des VermG dient. Der Klägerin und ihrer Schwester wurde jeweils die Hälfte der Entschädigungsleistung von 4,22 Mio. DM (jeweils 2.110.000,00 DM) zugesprochen.
Das FA erließ daraufhin zunächst gegen die Klägerin und ihre Schwester die Schenkungsteuerbescheide vom x.x.1995. Die Entschädigungsleistung von jeweils 2.110.000,00 DM wurde dabei als Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Schenkungsteuer zugrunde gelegt. Gegen die Bescheide wurde nach erfolglosem Einspruchsverfahren von der Klägerin und ihrer Schwester Klage erhoben (3 K 200/96 und 3 K 201/96). In der mündlichen Verhandlung am x.x.2001 wurde sodann vor dem Niedersächsischen Finanzgericht eine außergerichtliche Einigung erzielt. Nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom x.x.2001 (Bl. 72 - 74 der Gerichtsakte 3 K 200/96) sollte bei der Klägerin und ihrer Schwester jeweils - vor Abzug der Freibeträge - eine Bemessungsgrundlage für die Schenkungsteuer von jeweils 1.144.572,00 DM zugrunde gelegt werden. Das Gericht war bei dem Vorschlag zur außergerichtlichen Erledigung der Rechtsansicht, dass auch auf die Mutter ein Drittel des Ersatzanspruches entfalle. Den Wert des Reingewinns ermittelte das FA mit 3.433.716,00 DM. Danach seien somit auf die Klägerin, die Schwester sowie die Mutter jeweils ein Anteil i.H.v. 1.144.572,00 DM entfallen.
In dem Klageverfahren zur Schenkungsteuer hatte die Klägerin zunächst beantragt, den Schenkungsteuerbescheid ersatzlos aufzuheben. Laut Protokoll der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin sodann, nachdem die Bemessungsgrundlage für die Schenkungsteuer auf nunmehr 1.144.572,00 DM zugrunde gelegt wurde, das weitergehende Klagebegehren fallen gelassen. Die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
In der Folgezeit erließ das FA sodann am x.x.2001 für die Klägerin und ihre Schwester geänderte Schenkungsteuerbescheide. Es ging nunmehr von einem steuerpflichtigen Erwerb i.H.v. 1.144.572,00 DM aus und gewährte den persönlichen Freibetrag von 90.000,00 DM.
Das FA setzte allerdings mit dem streitigen Bescheid vom x.x.2001 nachträglich gem. § 174 Abs. 4 Abgabenordnung (AO) Erbschaftsteuer in der Erbschaftsteuersache nach Frau B i.H.v. jeweils 65.659,00 DM gegen die Klägerin und ihre Schwester fest. Das FA begründete dieses damit, dass auf Grund des Vortrages der Klägerin irrigerweise angenommen worden sei, dass die Erblasserin keinen Anspruch aus dem Vertrag vom x.x.1991 gegen die Klägerin habe. Der Anspruch der Erblasserin i.H.v. 1.144.572,00 DM sei deshalb folgerichtig bei der Veranlagung zur Schenkungsteuer nicht steuermindernd und in der Erbschaftsteuersache Frau B nicht als Forderung berücksichtigt worden. Im Rahmen der Klage gegen den Schenkungsteuerbescheid habe nach der mündlichen Verhandlung das FA die Folgen seines Irrtums, in dem es nunmehr den Anspruch der Frau B steuermindernd berücksichtigte, korrigiert. Dies berechtige das FA andererseits, diese Forderung bei der Erbschaftsteuerveranlagung dem Erwerb von Todes wegen nach Frau B hinzuzurechnen. Da das FA den fehlerhaften Schenkungsteuerbescheid und den angefochtenen Erbschaftsteuerbescheid gleichzeitig am x.x.2001 geändert habe, sei dies innerhalb der Frist des § 174 Abs. 4 Satz 3 AO geschehen.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage.
Eine Änderung nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO sei ausgeschlossen. Der übrige Nachlass sei von der Klägerin ordnungsgemäß erklärt worden. Von einer irrigen Beurteilung seitens des Finanzamtes hinsichtlich eines bestimmten Sachverhaltes i.S.v. § 174 Abs. 4 Satz 1 AO könne insoweit keine Rede sein. Es sei zu keinem Zeitpunkt zweifelhaft gewesen, dass der übrige Nachlass, also mit Ausnahme der sonstigen Forderung von 1.144.572,00 DM zur Erbschaftsteuer hätte veranlagt werden müssen. Dieser Teil des Nachlasses sei auch nicht Gegenstand der Schenkungsteuerveranlagung gewesen. Das beklagte FA habe deshalb trotz einer vorliegenden Erbschaftsteuererklärung aus irgendwelchen Gründen nicht zur Erbschaftsteuer veranlagt. Die Anwendung des § 174 Abs. 4 AO setze eine widerstreitende Festsetzung voraus, die es allerdings gar nicht gegeben habe, da der Beklagte die Klägerin nicht zur Erbschaftsteuer veranlagt habe, obwohl die Schenkung- und Erbschaftsteuererklärung am gleichen Tag, nämlich am x.x.1994 abgegeben worden seien.
Die erstmalige Erbschaftsteuerveranlagung sei mit Bescheid vom x.x.2001 erfolgt. Dem Erlass des Erbschaftsteuerbescheides stehe deshalb auch der sich aus § 174 Abs. 4 AO ergebende Grundgedanke entgegen. Sinn dieser Bestimmung sei es, den Steuerpflichtigen, der die Änderung eines Steuerbescheides zu seinen Gunsten erwirkt habe, an seinem Rechtsstandpunkt auch insoweit festzuhalten, als dieser für ihn anderweitig zu nachteiligen steuerlichen Konsequenzen führe. Die Klägerin allerdings habe einen völlig anderen Rechtsstandpunkt als das Finanzgericht vertreten. Sie sei davon ausgegangen, dass der Erwerb der Erben schenkungssteuerpflichtig sei, dass allerdings im Rahmen der Schenkungsbesteuerung der Grundbesitzwert eingesetzt werden müsse und nicht der Wert, der sich aus § 16 Abs. 1 des Gesetzes über den Vorrang für Investitionen bei Rückübertragungsansprüchen nach dem Vermögensgesetz (InVorG) ergebenden Zahlungsanspruchs. Daraus ergebe sich, dass das Begehren der Klägerin darauf gerichtet gewesen sei, eine ersatzlose Aufhebung des Schenkungsteuerbescheides vom x.x.1995 zu erreichen. Hätte die Klägerin sich durchgesetzt, wäre der Schenkungsteuerbescheid auch aufgehoben worden, und zwar im Hinblick darauf, dass der Einheitswert des Grundstücks in G die schenkungsteuerrechtlichen Freibeträge der Erben nicht überschritten hätte.
Der Erbschaftsteuerbescheid vom x.x.2001 spiegele daher nicht den Rechtsstandpunkt der Kläger wieder, sondern die vom Finanzgericht in der mündlichen Verhandlung vom x.x.2001 vertretene Rechtsansicht. Die Änderung des Schenkungsteuerbescheides vom x.x.1995 sei daher auch nicht eine Folge des Rechtsbehelfs oder des Antrags der Klägerin, sondern eine Konsequenz der vom Rechtsstandpunkt der Klägerin abweichenden Rechtsauffassung des Finanzgerichts. Eine Anwendung des § 174 Abs. 4 AO scheitere auch daran, dass der Schenkungsteuerbescheid des Beklagten nicht durch das Gericht aufgehoben oder geändert worden sei. Das Finanzgericht habe vielmehr den Beteiligten einen Vorschlag zur außergerichtlichen Beilegung des Rechtsstreits gemacht, den sie angenommen hätten. Damit habe das Finanzgericht also nicht den Schenkungsteuerbescheid aufgehoben oder geändert. Dies sei vielmehr mit Schenkungsteuerbescheid des Beklagten vom 25.05.2001 geschehen, allerdings nicht auf Antrag der Klägerin, sondern im Rahmen einer einvernehmlichen Regelung.
Damit finde die Vorschrift des § 174 Abs. 4 AO keine Anwendung. Daher sei hinsichtlich der Festsetzung der Erbschaftsteuer Festsetzungsverjährung eingetreten. Die Verjährung der Erbschaftsteuer habe gem. § 170 Abs. 5 Nr. 1 AO am 31.12.1992 begonnen und habe geendet zum 31.12.1996.
Im Übrigen sei ein Anspruch der Erblasserin auf Auszahlung von einem Drittel des Kaufpreises nach Verkauf des Grundstückes durch die Klägerin und ihre Schwester überhaupt nicht entstanden, da eine Grundstücksveräußerung durch die Klägerin und ihre Schwester auf Grund des Investitionsvorrangbescheides vom x.x.1991 unmöglich geworden sei. Die Klägerin sei daher gem. § 275 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) von ihrer Verkaufsverpflichtung befreit worden. Damit habe die Erblasserin gem. § 323 Abs. 1 BGB auch ihren Anspruch auf die partielle Kaufpreisauszahlung verloren. Die Schenkung und Abtretung des Reprivatisierungsanspruchs sei ebenfalls nicht rechtswirksam geworden, da der Reprivatisierungsanspruch auf Grund des Investitionsvorrangbescheides untergegangen sei. Die Erblasserin habe auf Grund des Investitionsvorrangbescheides gem. § 16 Abs. 1 InVorG lediglich einen Anspruch auf Zahlung des Geldbetrages i.H. des Kaufpreises für das Grundstück im Falle der Veräußerung an Dritte erworben. Dieser Anspruch sei erst mit Veräußerung des Grundstückes, und zwar mit notariellem Grundstückskaufvertrag vom 30.06.1992 erfolgt. Dieser Anspruch sei von der Erblasserin nicht an ihre Töchter abgetreten worden. Der Schenkungsvertrag vom 15.04.1991 könne insoweit auch nicht umgedeutet werden. Daher hätten die Klägerinnen den Anspruch aus § 16 Abs. 1 InVorG geerbt. Diese Erbschaft sei allerdings partiell schon Gegenstand der Schenkungsbesteuerung gewesen. Dies schließe es aus, einen Kaufpreisteil von einem Drittel des Gesamtkaufpreises für das Grundstück in Zippendorf nunmehr der Erbschaftsteuer zu unterwerfen.
Die Klägerin beantragt,
den Erbschaftsteuerbescheid aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest.
Die Anwendung des § 174 Abs. 4 AO sei geboten gewesen. Bei der Anwendung dieser Vorschriften müsse das auslösende Ereignis ein Antrag oder Rechtsbehelf des Steuerpflichtigen sein. Dabei müsse ein bestimmter zunächst irrig beurteilter Sachverhalt nicht etwa vom Steuerpflichtigen ausdrücklich zum Gegenstand des letztlich erfolgreichen Antrages oder Rechtsbehelfs gemacht worden sein, die Richtigstellung nur letztlich darauf zurückzuführen sein. Habe der Steuerpflichtige eine für ihn günstige Änderung der Steuerfestsetzung erreicht, müsse er auch die damit unmittelbar zusammenhängenden negativen Auswirkungen hinnehmen.
Nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung des Niedersächsischen Finanzgerichts vom x.x.2001, mit dem der Rechtsstreit in der Schenkungsteuersache beigelegt wurde, entfielen vom Veräußerungserlös ein Drittel an die Erblasserin und jeweils ein Drittel an die Klägerin und ihre Schwester. Diese Regelung sei Sinn und Zweck des Vertrages vom x.x.1991.
Der Anspruch der Erblasserin nach Ziff. II Nr. 2 des notariellen Vertrages vom x.x.1991 auf Auszahlung von einem Drittel des Erlöses aus dem Grundstücksverkauf sei entstanden und auch nicht nachträglich unmöglich geworden.
Die Abtretung des Anspruchs auf Erstattung des Eigentums unter gleichzeitiger Bestimmung, dass ein Drittel des Erlöses aus dem Verkauf des Grundstücks an die Schenkerin gezahlt wird, stelle eine Schenkung unter einer Auflage nach § 525 BGB dar. Zur Zeit des notariellen Vertrages habe der Anspruchs bestanden, mithin sei die Schenkung unter Auflage wirksam vollzogen worden. Erst mit Bescheid vom x.x.1991 der Treuhandanstalt Berlin sei die Veräußerung des Grundstücks zugelassen worden. Mit Bescheid vom x.x.1991 sei der Klägerin und ihrer Schwester eine Entschädigungsanspruch i.H. des Verkaufserlöses (Gesamterlös) aus dem Grundstück durch das Landesamt für offene Vermögensfragen zugesprochen worden. Zwar könne die Befreiung von einer Auflage unmöglich werden infolge nachträglicher Unmöglichkeit gem. § 275 BGB. Die Auflage habe im Streitfall allerdings darin bestanden, ein Drittel des Veräußerungserlöses an die Schenkerin auszuzahlen. Auflage sei die einer Schenkung hinzugefügte Bestimmung, dass der Empfänger zu einer Leistung verpflichtet sein soll, die aus dem Zuwendungsgegenstand zu entnehmen sei. Die Leistung habe deshalb vorliegend nicht darin bestanden, das Grundstück zu veräußern, sondern ein Drittel des Erlöses auszuzahlen. Leistung sei dabei die Zuwendung eines Vorteils. Empfängerin der Leistung sei die Schenkerin (Erblasserin) gewesen, die kein Interesse daran gehabt habe, das Grundstück zurück zu erlangen, sondern lediglich ein Drittel des Erlöses. Damit sei die Leistungsauflage nicht unmöglich geworden.
Die Akten 3 K 200/96 waren beigezogen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Das FA ist berechtigt gewesen, den angefochtenen Erbschaftsteuerbescheid vom gem. § 174 Abs. 4 AO wegen widerstreitender Steuerfestsetzung zu erlassen. Festsetzungsverjährung ist nicht eingetreten. Die Erblasserin hatte auf Grund Ziff. II 2 des Schenkungsvertrages vom x.x.1991 einen Anspruch auf Auskehrung eines Drittels des sich aus § 16 Abs. 1 InVorG ergebenden Ersatzanspruchs.
I.
Nach Ziff. II 2 des notariellen Vertrages vom x.x.1991 waren die Klägerin und ihre Schwester verpflichtet, ein Drittel des Verkaufserlöses aus dem Grundstück G an die Mutter auszukehren, und zwar unverzüglich nach Fälligkeit des Kaufpreises. Diese Vereinbarung war Gegenstand der Grundstücksschenkung seitens der Mutter an die Klägerin und ihre Schwester. Damit war diese Schenkung mit einer Auflage i.S.d. § 525 BGB verbunden.
Diese Vereinbarung ist hinreichend bestimmt, insbesondere ist für ihre Gültigkeit nicht erforderlich eine Vereinbarung über Veräußerungszeitpunkt des Grundstücks sowie über die Höhe des Kaufpreises. Dies ließ sich insbesondere auch bei Abfassung der Schenkungsvereinbarung nicht regeln, da ein Erlös zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht festgestanden hat. Der entscheidende Wille der vertragsschließenden Parteien hat darin bestanden, dass sowohl die Klägerin und ihre Schwester als auch die Mutter als Übertragende an dem Verkaufserlös zu je einem Drittel beteiligt waren. Der Bestimmung in Ziff. II 2. ist unmissverständlich zu entnehmen, dass der Mutter ein Drittel des Verkaufserlöses an dem Grundstück zustehen sollte. Damit war die Schenkung mit einer Auflage verbunden, die gem. § 525 BGB hinreichend konkretisiert war. Gegenstand der Auflage war damit die Beteiligung an dem Verkaufserlös i.H.v. einem Drittel.
Diese Leistung ist der Klägerin und ihrer Schwester auch nicht unmöglich geworden i.S.d. § 275 BGB.
Bei gehöriger Würdigung des Vertrages kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Zahlung von einem Drittel des Erlöses lediglich in dem Fall erfolgen sollte, wenn ein Verkauf seitens der Klägerin und ihrer Schwester erfolgt. Der Vertrag ist vielmehr dahin auszulegen, dass die Mutter in jedem Fall an einem Drittel des Erlöses beteiligt sein sollte. Es kann deshalb nicht darauf ankommen, ob hier eine Veräußerung unmittelbar durch die Klägerin und ihre Schwester erfolgt ist, oder aber, wie im Streitfall die Veräußerung durch die Treuhandanstalt gem. § 3a VermG stattgefunden hat.
Selbst allerdings, wenn hier, wie von der Klägerin vorgetragen, die Erfüllung gem. § 275 BGB unmöglich geworden sein sollte, würde hier die Vorschrift des § 285 BGB greifen. Erlangt der Schuldner infolge des Umstandes, auf Grund dessen er die Leistung nach § 275 Abs. 1 - 3 BGB nicht zu erbringen braucht, für den geschuldeten Gegenstand einen Ersatz oder einen Ersatzanspruch, so kann der Gläubiger Herausgabe des als Ersatz Empfangenen oder Abtretung des Ersatzanspruchs verlangen. Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen vor.
Als Ausgleich für den Rückübertragungsanspruch, der infolge der Verfügung über das Eigentum nicht mehr geltend gemacht werden kann, weist § 3 Abs. 4 Satz 3 VermG dem Berechtigten das von dem Verfügungsberechtigten hierbei rechtsgeschäftlich Erzielte sogar zu (BGH-Urteil vom 25. Juli 2003 V ZR 387/02, WM 2004, 390). Zwar tritt dabei der Anspruch an die Stelle des durch die wirksame Veräußerung erloschenen öffentlich-rechtlichen Restitutionsanspruchs. Die Zuweisung des von dem Verfügungsberechtigten rechtsgeschäftlich erzielten Surrogats stellt indessen einen Ausgleich für die privat-rechtliche Stellung als Eigentümer dar, die der Berechtigte ohne das Rechtsgeschäft erlangt hätte; sie nimmt daher an der privatrechtlichen Natur des sonst erlangten Rechtes teil (Beschluss des BGH v. 8. Mai 2002 V ZB 32/01, BGHZ 151, 24).
Die Klägerin und ihre Schwester haben daher auf Grund der Veräußerung des Grundstückes durch die Treuhandanstalt an die Firma Y GmbH gem. § 3a Abs. 5 VermG i.V.m. § 16 InVorG einen Anspruch auf Erstattung des Gegenwertes des Vermögensgegenstandes erlangt. Er ist somit das Surrogat für die Erzielung eines möglichen Verkaufserlöses.
Es greift deshalb im Streitfall die Regelung des § 285 BGB, sodass der Anspruch auf Erstattung des Gegenwerts des Vermögensgegenstandes anstelle eines ansonsten erzielbaren Verkaufserlöses getreten ist.
Berechtigte i.S.d. § 16 InVerG sind nach dem Bescheid der Treuhandanstalt vom x.x.1991 die Klägerin und ihre Schwester, nicht hingegen auch ihre Mutter, Frau B. Damit waren, wie sich allerdings auch aus dem Schenkungsvertrag vom x.x.1991 ergibt, Inhaber des Reprivatisierungsanspruches ausschließlich die Klägerin und ihre Schwester. Sie waren deshalb auch allein Anspruchsberechtigte gegenüber der Treuhandanstalt. Zutreffend ist deshalb der Entschädigungsanspruch lediglich ihnen gegenüber festgesetzt worden. Die Schenkerin und Erblasserin, Frau B, hingegen hatte lediglich einen internen Anspruch auf Auskehrung eines Erlöses i.H.v. einem Drittel. Eine Anspruchsberechtigung gegenüber der Treuhandanstalt bestand auf Grund des notariellen Vertrages vom x.x.1991 nicht.
Da mithin die Erblasserin gegenüber ihren Töchtern einen Anspruch auf Auskehrung eines Drittels des Erlöses aus dem Entschädigungsanspruch hatte, gehört dieser Anspruch zur Erbmasse.
Die Rechtsansicht des Finanzgerichts in Sachen 3 K 200/96, die zur außergerichtlichen Erledigung in der Schenkungsteuersache führte, ist deshalb zutreffend. Der Anspruch der Mutter der Klägerin beträgt somit 1.144.500,72 DM. Er ist deshalb in dieser Höhe auch der Berechnung der Erbschaftsteuer zugrunde zu legen.
Dadurch, dass mit dem Tod der Mutter durch den Erbfall Forderung und Schuld sich in der Person der Klägerin und ihrer Schwester vereint haben, ergeben sich gemäß § 10 Abs. 3 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) keine Auswirkungen. Für diesen Fall der Konfusion bestimmt § 10 Abs. 3 ErbStG ausdrücklich, dass das zivilrechtlich durch den Tod erloschene Rechtsverhältnis erbschaftsteuerrechtlich als fortbestehend gilt. Durch diese Vorschrift nämlich wird nicht nur der Fortbestand der Gläubigerstellung, sondern auch der Fortbestand der Schuldnerstellung fingiert, sodass dem zivilrechtlich eintretenden Wegfall von Forderung und Schuld bei der Berechnung der Erbschaftsteuer keine Bedeutung zukommt (BFH-Urteil vom 07.10.1998 II R 64/96, BStBl II 1999, 25; Urteil des Finanzgerichts München vom 29.05.1995 4 K 2553/91, UVR 1996, 114).
II.
Das FA ist zudem berechtigt gewesen, den angefochten Erbschaftsteuerbescheid gem. § 174 Abs. 4 AO wegen widerstreitender Steuerfestsetzung zu erlassen. Nach dieser Vorschrift kann das FA aus einem bestimmten Sachverhalt, der bereits auf Grund irriger Beurteilung in einem Steuerbescheid erfasst worden ist, nachträglich durch Erlass oder Änderung eines (anderen) Steuerbescheides die richtigen steuerlichen Folgen ziehen, wenn der ursprüngliche Bescheid zu Gunsten des Steuerpflichtigen aufgehoben oder geändert wird. Die Vorschrift des § 174 Abs. 4 AO regelt dabei den Fall, dass eine Finanzbehörde aus einem bestimmten Sachverhalt die steuerrechtlichen Folgerungen ziehen will, diese Folgerungen aber dann auf Grund eines Irrtums über die Rechtslage oder Sachlage nicht im richtigen Bescheid erfasst. Wird auf Grund eines Rechtsbehelfs des Steuerpflichtigen ein Bescheid zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert, so eröffnet § 174 Abs. 4 AO nunmehr der Finanzbehörde die Möglichkeit, aus dem Sachverhalt, den sie zunächst unzutreffend behandelt hat, nachträglich die richtigen steuerlichen Folgen zu ziehen. Die Vorschrift bietet den Finanzbehörden im Falle der Aufhebung oder Änderung einer unrichtigen Steuerfestsetzung auf Betreiben des Steuerpflichtigen eine Ermächtigungsgrundlage dahingehend, den nunmehr unberücksichtigten Sachverhalt in dem richtigen Bescheid zu erfassen; der Steuerpflichtige soll folglich im Falle seines Obsiegens in einem gewissen Rechtsstandpunkt an seiner Auffassung festgehalten werden, soweit derselbe Sachverhalt zu beurteilen ist (BFH-Beschluss v. 10. Juli 2003 I B 150/02, BFH/NV 2003, 1535). Derjenige, der erfolgreich für seine Rechtsansicht gestritten hat, muss dabei auch die damit verbundenen Nachteile hinnehmen (BFH-Beschl. v. 27. Juli 2001 XI B 85/00, BFH/NV 2001, 1534).
Dabei sind unter "bestimmtem Sachverhalt" steuerrechtlich bedeutsame, abgrenzbare Lebensvorgänge zu verstehen. Dieser Lebenssachverhalt allerdings muss dabei nicht vom Steuerpflichtigen zum Gegenstand seines Rechtsbehelfs oder Antrages gemacht worden sein (BFH-Beschl. v. 22. Dezember 1988 V B 148/87, BFH/NV 1990, 341). Dem Gesetz nämlich lässt sich nicht entnehmen, dass der bestimmte Lebenssachverhalt vom Steuerpflichtigen zum Gegenstand seines Rechtsbehelfes oder seines Antrages gemacht worden sein müsste.
Im Streitfall liegen danach die Voraussetzungen für eine Erbschaftsteuerfestsetzung nach § 174 Abs. 4 AO vor.
Erbschaftsteuer und Schenkungssteuer knüpfen grundsätzlich an die bürgerlich-rechtliche Gestaltungsform an (BFH-Urteil v. 7. Dezember 1988 II R 150/85, BStBl II 1989, 237). Sie umfassen dabei denselben Sachverhalt. Sowohl Erbschaftsteuer als auch Schenkungssteuer nämlich können die Rechtsfolgen aus dem Vertrag vom 15. April 1991 besteuern. Damit handelt es sich um denselben Lebenssachverhalt.
Im Streitfall kommt es nach der Rechtsprechung des BFH nicht darauf an, ob hier auf Betreiben der Klägerin gerade die in der Schenkungsteuersache in der mündlichen Verhandlung vom x.x.2001 konkret erfolgte Änderung angestrebt war.
Entscheidend ist vielmehr, dass sich die Klägerin gegen die Besteuerungsgrundlagen gewendet hat, die der Festsetzung der Schenkungsteuer zugrunde gelegen haben. Damit hat sie sich gegen den Schenkungsteuerbescheid gewendet und versucht eine Aufhebung oder zumindestÄnderung zu erreichen. Dass sie zunächst in dem Schenkungsteuerverfahren eine andere Rechtsansicht vertreten hat, vermag hieran nichts zu ändern. Allein entscheidend ist, dass auf Grund ihres Rechtsbehelfs gegen den Schenkungsteuerbescheid nach der mündlichen Verhandlung vom x.x.2001 eine für sie günstige Änderung des Schenkungsteuerbescheides erfolgt ist. Somit ist eine Änderung des Schenkungsteuerbescheides auf Grund eines Rechtsbehelfes der Klägerin erfolgt. Die Änderung ist dabei auf Grund der vom Finanzgericht geäußerten Rechtsansicht durch außergerichtliche Erledigung in der mündlichen Verhandlung vom x.x.2001 erfolgt. Damit liegen die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 Satz 2 AO vor. Der Steuerbescheid ist auf Grund einer mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht geändert worden. Es spielt dabei für die Anwendbarkeit des § 174 Abs. 4 Satz 2 AO keine Rolle, ob dabei eine Änderung auf Grund eines Urteils erreicht worden ist oder aber auf Grund eines Einigungsvorschlages in der mündlichen Verhandlung. Allein entscheidend ist, dass eine Änderung während des Gerichtsverfahrens erfolgt ist.
Danach liegen die Voraussetzungen für den Erlass eines Steuerbescheides wegen widerstreitender Steuerfestsetzung gem. § 174 Abs. 4 AO vor.
Da das FA sowohl die Änderung des Schenkungsteuerbescheides als auch den Erlass des Erbschaftsteuerbescheides am x.x.2001 verfügt hat, war gem. § 174 Abs. 4 Satz 3 AO der Ablauf der Festsetzungsfrist unbeachtlich.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 135 FGO abzuweisen.