Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.11.2004, Az.: 16 V 137/04

Vorliegen von Versendungslieferungen; Karusselgeschäfte; Vorsteuerabzug und Umsatzsteuerkarussell

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
12.11.2004
Aktenzeichen
16 V 137/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 34050
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2004:1112.16V137.04.0A

Fundstellen

  • DStR 2006, X Heft 7 (Kurzinformation)
  • DStRE 2006, 356-360 (Volltext mit amtl. LS)
  • KÖSDI 2006, 15046 (Kurzinformation)

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Innergemeinschaftliche Lieferungen sind unter den Voraussetzungen der §§ 4 Nr. 1b, 6a UStG steuerfrei. Ob es sich um eine Lieferung im Inland oder um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt, ist u.a. vom Ort der Lieferung abhängig.

  2. 2.

    Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt.

  3. 3.

    Ist der Abnehmer eine existierende Firma in Griechenland, ist es im AdV-Verfahren nicht schädlich, wenn der Auftrag über die Lieferung der Mobiltelefone seitens der griechischen Firma nicht vom Geschäftsführer dieses Unternehmens erteilt wurde. Denn als Nachweis, für die griechische Firma handeln zu können, reicht es aus, dass Auftragserteilung und Abwicklung einschl. Abnahme und Bezahlung der Mobiltelefone durch die griechische Firma erfolgte und es hierbei um ein existierendes Unternehmen handelte.

  4. 4.

    Sowohl bei Lieferung der Ware im Verfahren "Shipment on Hold" wie auch gegen Vorkasse liegen Versendungslieferungen i.S. des§ 3 Abs. 6 UStG, d.h. steuerbare Inlandslieferungen vor.

Tatbestand

1

I.

Die Antragstellerin betreibt europaweit den Handel mit Telekommunikationsgeräten. Im Jahr 2001 betrugen die steuerpflichtigen Umsätze...DM und die steuerfreien Lieferungen...DM. In den Streitjahren bestanden Geschäftsbeziehungen u.a. zu dem griechischen Unternehmen D-Limited (D-Ltd.) und dem niederländischen Unternehmen CC (CC). In 2001 lieferte die Antragstellerin Mobiltelefone für ... DM an die D-Ltd. Im Januar 2002 lieferte sie Mobiltelefone an die D-Ltd. für ... EUR und an die CC für ... EUR. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob es sich bei den Lieferungen umsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen handelt.

2

Die D-Ltd. war ein in Griechenland ansässiges Unternehmen. Nach Auskunft der griechischen Steuerbehörden war AA aus Ägypten Vertreter der D-Ltd. Gegenüber dem griechischen Finanzamt gab er als Anschrift...bei Athen ..., an. Die Hausnummer .. soll es dort nicht geben. Die D-Ltd. wurde von den griechischen Behörden als "missing trader" bezeichnet und soll durch Beteiligung an Scheingeschäften mit gefälschten Unterlagen hohe Mehrwertsteuererstattungen von griechischen Finanzämtern erhalten haben. Die D-Ltd. verfügte über Firmengebäude, die im April 2002 verlassen gewesen sein sollen.

3

Die Geschäftsanbahnung zwischen der Antragstellerin und der D-Ltd. erfolgte über einen Dritten durch Weiterleitung einer Mail an einen Exportmitarbeiter der Antragstellerin. Danach erfolgten die Geschäftsabwicklungen auf Seiten der D-Ltd. durch PP. Nach den Feststellungen der griechischen Steuerbehörden trat dieser in Griechenland als Direktor verschiedener Unternehmen auf, die an einem Mehrwertsteuerbetrug im Bereich Mobiltelefone beteiligt waren. Eine Legitimation für die D-Ltd. handeln zu dürfen, legte PP gegenüber der Antragstellerin nicht vor und wurde von dieser auch nicht verlangt.

4

Die D-Ltd. bestellte insgesamt 11-mal Waren bei der Antragstellerin. Die Bestellungen der D-Ltd. wurden schriftlich im Namen der D-Ltd. bestätigt. Für ihren Schriftverkehr benutzte sie einen neutralen Bogen, in dem der Absender eingetragen und der Firmenstempel ohne Angabe einer Telefon- oder Faxnummer hineinfotokopiert bzw. -gestempelt oder auf sonstige Weise eingebracht worden war. Die Auftragsbestätigungen und der weitere Schriftverkehr gingen ohne Angabe eines Absenders und einer absendenden Faxnummer bei der Antragstellerin ein. Die Antragstellerin wickelte den ersten Auftrag mit PP unter einer Faxnummer ab, die der im Debitorenstamm der Antragstellerin verzeichneten Faxnummer entsprach, bei weiteren Lieferungen aber nicht mehr benutzt wurde. Bei der im Debitorenstamm aufgezeichneten Telefonnummer handelte es sich um eine Handynummer von PP, die während der gesamten Dauer der Geschäftstätigkeit benutzt wurde. Eine ab Juli genutzte Faxnummer wurde im Debitorenstamm der Antragstellerin nicht aufgezeichnet.

5

Die Antragstellerin hatte am 13.06., 10.07., 27.08.2001 sowie am 29.01. und 04.06.2002 Bestätigungen nach § 18 e UStG beim Bundesamt für Finanzen hinsichtlich der D-Ltd. eingeholt. Das Bundesamt für Finanzen bestätigte jeweils qualifiziert die Gültigkeit der griechischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sowie die Richtigkeit des angegebenen Namens, des Ortes, der Postleitzahl sowie der Straße des griechischen Geschäftssitzes. Im Juni 2001 wurde ein Auftrag der D-Ltd. gegen Vorkasse durch die Firma DS-GmbH per Luftfracht nach Griechenland verbracht. In den Monaten Juli - September 2001 erfolgten weitere Lieferungen an die D-Ltd., die jeweils im Verfahren "shipment on hold" abgewickelt wurden. Die Rechnungen wurden mit einer Ausnahme von der D-Ltd. bezahlt. Die Ausnahme betrifft eine Lieferung, die letztlich an die Firma I erfolgte. Am 25.01.2002 waren im Namen der I per Fax ohne erkennbaren Absender unter Angabe der Umsatzsteuer-Identitätsnummer der I "unwiderruflich" 200 Handys "Nokia 8210" bestellt worden. Die Abwicklung erfolgte über die Faxnummer,über die ab Juli 2001 auch der Geschäftsverkehr mit der D-Ltd. abgewickelt wurde. Die Lieferung erfolgte durch UPS direkt an die I. Eine Freigabebestätigung für diese Lieferung liegt nicht vor. Die Rechnung wurde der D-Ltd. erteilt, obwohl die Bestellung, Zahlung und Lieferung mit der I direkt abgewickelt wurde.

6

Im Januar 2001 führte die Antragstellerin verschiedene Lieferungen im Gesamtwert von... EUR an das in Holland ansässige Unternehmen , ebenfalls im Verfahren "shipment on hold", aus.

7

Nach Auskunft der holländischen Behörden wurde die CC am 01.10.2001 bei der Industrie- und Handelskammer mit einer existenten Adresse eingetragen. Geschäftsführender Teilhaber war NJ, mit einer ebenfalls existierenden Anschrift. Am 19.02.2002 wurde der Industrie- und Handelskammer mitgeteilt, dass die Gesellschaft mit Wirkung vom 31.12.2002 aufgelöst werde. Die Gesellschaft wurde nach einem eingereichten Kaufvertrag an eine in Spanien ansässige Person verkauft, dessen angegebene Adresse sich nicht bestätigt haben soll.

8

Die Geschäftsbeziehung zwischen der Antragstellerin und der CC kamen durch BS zustande. Dieser soll die Geschäfte mit Kenntnis von NJ abgewickelt haben. BS ist Alleingesellschafter der B.V. (B.V.), einem ebenfalls in den Niederlanden existenten Unternehmen. Gegenüber der Antragstellerin gab er an, einen neuen Hauptlieferanten für die CC zu suchen. Die Bestellungen und die Auftragsabwicklungen erfolgten im Namen der CC. Die Zahlungen leistete B, wobei sie jeweils angab, für Rechnungen der CC zu handeln. Die Antragstellerin hatte zeitnah zu den Lieferungen qualifizierte Bestätigungen der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der CC eingeholt. Die Lieferungen wurden über die Firma DS - bzw. in einem Fallüber die Firma K abgewickelt.

9

Nach Feststellungen der niederländischen Behörden soll B.V. im Zeitraum vom 9. November 2001 bis einschließlich 8. Dezember 2001 Handys von der CC gekauft haben. Die ihr in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt ... EUR soll nicht an die Steuerbehörden bezahlt worden sein. Die niederländischen Behörden führen hierzu aus, dass eine eingehende Untersuchung ergeben habe, dass es sich um einen "Mehrwertsteuer-Karussel-Betrug" gehandelt haben soll. Nach Auskunft einer Person X im Juni 2002 habe dieser zusammen mit BS einen Täuschungsversuch gemacht, um einen Mehrwertsteuerbetrug zu begehen. Danach habe CC auf dem Papier...Handys einkaufen und an B.V. liefern lassen. Die Mehrwertsteuer sei in Rechnung gestellt, aber nicht abgeführt worden. B.V. habe die Mehrwertsteuer gleichwohl in Abzug gebracht. NJ habe gewusst, dass etwas nicht stimme, sei aber mit einem Teil des Gewinns still gehalten worden. Wegen der Einzelheiten der Auskunft wird auf das Schreiben der fff, H, Niederlande vom 24.10.2002 an das Bundesamt für Finanzen Bezug genommen.

10

Die Antragstellerin führte die Lieferungen an der D-Ltd. und die CC entweder im Verfahren "shipment on hold" oder gegen Vorkasse aus. Hierbei handelt es sich um zwei organisatorisch in Ablaufplänen festgelegte Gestaltungen, wie sie die Antragstellerin generell bei Auslandsgeschäften innerhalb der europäischen Union anwandte.

11

In beiden Fällen bestellte der Kunde zunächst bei der Antragstellerin die Ware. Diese überprüft die Angaben des Käufers und erstellte eine Auftragsbestätigung für den Kunden, die diesem zugefaxt wurde. Der Kunde bestätigte mit Unterschrift und Firmenstempel die Auftragsbestätigung und faxte diese an die Antragstellerin zurück. Danach überprüfte die Antragstellerin bei jedem Auftragseingang durch qualifizierte Anfrage beim Bundesamt der Finanzen die von den Kunden angegebene Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Die Prüfung wurde grundsätzlich auch bei Nachfolgeaufträgen durchgeführt. Die Bestätigung seitens des Bundesamtes für Finanzen erfolgte zunächst mündlich. Die schriftliche Bestätigung folgte üblicherweise nach einer Dauer von 3 - 4 Tagen.

12

Im Verfahren "shipment on hold" musste der Kunde anschließend eine 10%ige Anzahlung leisten, die auf das Konto der Antragstellerin zu zahlen war. Die Antragstellerin holte danach die Bestätigung des Zahlungseingangs bei ihrer Bank ein und fakturierte die Ware an den Kunden. Danach beauftragte die Antragstellerin einen Spediteur für den Transport. Der Speditionsauftrag wurde durch das Logistikzentrum der Antragstellerin erstellt. Der Spediteur holte die Ware dort ab und lagerte sie im Empfängerland. Die Antragstellerin trug die Kosten der Lagerräume, war für den Versicherungsschutz der Ware in den Räumen des Logistikers verantwortlich und trug das Risiko von Transportschäden. Der Kunde überprüfte die von dem Spediteur eingelagerte Ware. Nach Prüfung und Zustimmung erfolgt die unwiderruflicheÜberweisung des Kaufpreises auf das Konto der Antragstellerin. Der Kunde erhielt nach der Zahlung von der Antragstellerin einen CMR-Frachtbrief und die Ausgangsrechnung gefaxt. Mit den Unterlagen wies sich der Kunde gegenüber dem Spediteur aus. Der Spediteur wurde darüber informiert, dass die Ware freigegeben ist. Die Auslieferung an den Kunden erfolgte erst nach schriftlicher Freigabe durch die Antragstellerin. Diese wurde von der Antragstellerin regelmäßig erteilt, wenn die Zahlung eingegangen war.

13

Im Verfahren gegen Vorkasse bezahlte der Kunde die Ware vollständig durch Überweisung auf das Konto der Antragstellerin. Der von der Antragstellerin beauftragte Spediteur holte nach Zahlungseingang und Freigabe durch die Antragstellerin die Ware im Logistikzentrum ab undübergab sie in dem Empfängerland an den Kunden.

14

Die Antragstellerin hatte die Lieferungen an die D-Ltd. in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen 2001 und ihrer Umsatzsteuererklärung 2001 als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen berücksichtigt. Die Umsatzsteuererklärung 2001 ergab einen Vorsteuerüberhang von ... EUR. Abweichend hiervon setzte der Antragsgegner die Umsatzsteuer mit Bescheid vom 23.12.2002 auf minus ... EUR fest. Dadurch ergab sich für die Antragstellerin ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von ... EUR. Über die dagegen beim Niedersächsischen Finanzgericht mit Zustimmung des Antragsgegners erhobene Sprungklage (Az.: ...) ist noch nicht entschieden.

15

Die zunächst vom Antragsgegner hinsichtlich des Nachzahlungsbetrages Umsatzsteuer 2001 von ... EUR gewährte Aussetzung der Vollziehung wurde mit Bescheid vom 05.03.2004 widerrufen.

16

Der Antragsgegner hatte die von der Antragstellerin in ihrer Umsatzsteuervoranmeldung Januar 2002 erklärten innergemeinschaftlichen Lieferungen gegenüber der D-Ltd. und der CC zunächst anerkannt. Mit Bescheid vom 20.12.2002 änderte der Antragsgegner die vorangegangene Festsetzung zur Umsatzsteuervorauszahlung und setzte die Umsatzsteuer auf minus ... EUR fest. Dadurch ergab sich für die Antragstellerin ein zu zahlender Betrag in Höhe von ... EUR. Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein. Über den Einspruch ist noch nicht entschieden. Mit Bescheid vom 12.06.2003 gewährte der Antragsgegner zunächst Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuervoranmeldung Januar 2002 in Höhe von ... EUR. Die Aussetzung betraf die Umsätze aus den Lieferungen an die D-Ltd. im Januar 2002 und wurde mit Bescheid vom 5. März 2004 widerrufen. Mit Bescheid vom 12.06.2003 lehnte der Antragsgegner hinsichtlich der Umsatzsteuer auf Lieferungen an die CC die von der Antragstellerin beantragte Aussetzung der Vollziehung ab.

17

Mit ihrem bei Gericht gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung macht die Antragstellerin geltend, es handele sich sowohl bei den Lieferungen an die D-Ltd. wie an die CC um steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Bei den Lieferungen der Antragstellerin im Verfahren "shipment on hold" handele es sich um Versendungslieferungen. Auf dieses in der Speditionswirtschaft anerkannte Lieferverfahren würden allgemein die Regelungen über innergemeinschaftliche Lieferungen angewendet. Es liege eine Versendungslieferung vor, für die der Ort nach § 3 Abs. 6 UStG zu bestimmen sei. Sie habe bei der Übergabe der Liefergegenstände an einen Spediteur alles Erforderliche getan, um die Ware an den Abnehmer gelangen zu lassen. Die noch ausstehende Freigabeerklärung diene lediglich als finanzielles Sicherungselement, das wirtschaftlich an die Stelle der Vorauskasse trete. Der Empfänger habe anders als bei dieser die Möglichkeit, die Ware bei dem Spediteur zu prüfen und sodann die Zahlung zu veranlassen. Auch stehe bei Übergabe an den Spediteur bereits fest, welcher Käufer die Ware erhalte. Die Abwicklung der Lieferung erfolge nach einem festen vorhersehbaren Verfahren, nach dem der Käufer auch zur Übernahme der Ware verpflichtet sei. Dem Käufer sei die Aushändigung der Ware sicher, wenn er nicht gegen die vertraglich vereinbarten Zahlungsbedingungen verstoße.

18

Die steuerpflichtigen Versendungslieferungen seien gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 b i.V.m. § 6 a UStG als innergemeinschaftliche Lieferungen umsatzsteuerfrei. Die belegmäßigen Nachweise gemäß § 6 a Abs. 3 UStG, § 17 a, 17 c UStDV lägen vor. Dies gelte auch für die nach § 17 c Abs. 1 Satz 1 UStDV nachzuweisende zutreffende Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers. Diese seien zutreffend aufgezeichnet, weil es sich weder bei der D-Ltd. noch bei der CC um Scheinunternehmen handele. In beiden Fällen seien zivilrechtliche Verträge zwischen der Antragstellerin und den Unternehmen zustande gekommen, die auch erfüllt worden seien. Insofern sei weder nachvollziehbar, was die griechischen und holländischen Steuerbehörden unter einem "missing trader" verstünden noch die Behauptung des Antragsgegners, die Unternehmen hätten nicht selbst gehandelt. Maßgeblich sei, dass von beiden Firmen Lieferungen erbracht worden seien. Soweit die Unternehmen die von ihnen zu zahlende Umsatzsteuer nicht abgeführt haben sollten, begründe diese keine Scheinunternehmerschaft. Soweit die Firmen tatsächlich die Einkäufe nicht für sich, sondern für andere getätigt haben sollten, habe die Antragstellerin davon keine Kenntnis gehabt. Zumindest könne sich die Antragstellerin auf die Vertrauensschutzregelung nach § 6 a Abs. 4 UStG berufen.

19

Die Antragstellerin beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 2001 vom 23.12.2002 in Höhe von .. EUR von der Vollziehung auszusetzen, den Umsatzsteuervoranmeldungsbescheid Januar 2002 in Höhe von ... EUR von der Vollziehung auszusetzen und die Vollziehung in Höhe von ... EUR aufzuheben.

20

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzuweisen.

21

Der Antragsgegner ist der Auffassung, bei den Lieferungen zu den Konditionen "shipment on hold" lägen keine innergemeinschaftlichen Lieferungen vor. Es handele sich vielmehr um ein "innergemeinschaftliches Verbringen" zur eigenen Verfügung nach § 3 Abs. 1 a UStG, das unter den Voraussetzungen der §§ 4 Nr. 1 b i.V.m.§ 6 a Abs. 2 UStG steuerfrei sei, wenn ferner die in§ 17 c Abs. 3 UStDV bestimmten Buchnachweise geführt würden. Dies habe die Antragstellerin nicht getan, da sie weder eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer aus Griechenland bzw. den Niederlanden für ihre Firma noch die Vorgänge dort der Erwerbsbesteuerung unterworfen habe. Damit handele es sich um Lieferungen im Inland, die steuerpflichtig seien.

22

Bei den Lieferungen "shipment on hold" handele es sich nicht um eine Versendungslieferung. Voraussetzung hierfür wäre, dass die Antragstellerin als Lieferer bei Übergabe der Liefergegenstände an den Spediteur alles Erforderliche getan hat, um die Ware an den Abnehmer gelangen zu lassen. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor, da nach den Vermerken auf den Speditionspapieren für eine Auslieferung der Ware im Ausland die schriftliche Freigabe durch die Antragstellerin erforderlich gewesen sei. Damit sei nach Übergabe der Liefergegenstände an den Spediteur noch eine wesentliche Voraussetzung für die Auslieferung der Ware erforderlich gewesen.

23

Da keine Versendungslieferungen vorlägen, sei der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 7 UStG zu bestimmen. Als Ort der Lieferung sei der Ort anzunehmen, wo sich der Gegenstand im Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht befinde. Dies sei bei Erteilung der schriftlichen Freigabe nicht das Inland gewesen. Die Lieferungen zu den Konditionen "shipment on hold" seien daher im Inland nicht steuerbar.

24

Selbst wenn es sich um Versendungslieferungen handeln würde, lägen die Voraussetzungen für steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen nicht vor. Voraussetzung hierfür wäre u.a., dass die Antragstellerin die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers buchmäßig nachgewiesen habe. Sowohl die D-Ltd. wie auch die CC seien jedoch tatsächlich nicht die wirklichen Abnehmer der Lieferungen gewesen, da es sich in beiden Fällen um Scheinunternehmen handele. Es sei bereits zweifelhaft, ob es sich um existente Unternehmen gehandelt habe. Unabhängig davon sei für die D-Ltd. gegenüber der Antragstellerin PP aufgetreten. Eine Legitimation, wonach er für die D-Ltd. habe handeln dürfen, läge nicht vor. Aufgrund der vielfachen Besonderheiten, die sich aus den von der D-Ltd. benutzten Geschäftspapieren, Telefonnummern und Faxnummern ergäben, habe sich der Nachweis einer Legitimation von PP, für die D-Ltd. handeln zu dürfen, für die Antragstellerin geradezu aufgedrängt. Insofern müsse davon ausgegangen werden, dass ihr bekannt gewesen sei, dass nicht die D-Ltd., sondern ein hinter ihr stehender unbekannter Dritter tatsächlicher Empfänger der Lieferungen gewesen sei. Dies werde dadurch bestätigt, dass PP als Direktor griechischer Firmen aufgetreten und in Mehrwertsteuerhinterziehungen verstrickt gewesen sei. Gleiches gelte für die CC. Für diese sei BS aufgetreten, für den eine Legitimation, für die CC handeln zu dürfen, ebenfalls nicht vorliege. BS habe nach den vorliegenden Zeugenaussagen im Einverständnis mit dem Geschäftsführer NJ der CC gehandelt. Zwischen beiden sei von vornherein vereinbart gewesen, die CC lediglich auf dem Papier als Abnehmer der Handys auftreten zu lassen. Tatsächlicher Abnehmer der Handys sei B.V. gewesen. Der geplante Mehrwertsteuerbetrug habe darin gelegen, dass die CC für die Weitergabe der Handys an B.V. die anfallende Umsatzsteuer nicht zahle, B.V. aber gleichwohl den Vorsteuerabzug in Anspruch nehme. Dies sei anschließend auch tatsächlich so durchgeführt worden. Aufgrund der auch bei der CC bestehenden vielfältigen Hinweise bei der Auftragsabwicklung habe die Antragstellerin Kenntnis davon gehabt, dass nicht die CC, sondern B.V. tatsächlicher Abnehmer der Handys gewesen sei. Dies ergebe sich auch aus Unterlagen, die die Steuerfahndung Oldenburg bei der Antragstellerin ausgewertet habe. Danach habe der bei der Antragstellerin verantwortliche VD frühzeitig Kenntnis von diesen Dingen gehabt.

25

Die Steuerbefreiung komme auch nicht aufgrund der Vertrauensschutzregelung in § 6 a Abs. 4 UStG in Betracht. Die Antragstellerin habe sich weder vergewissert noch nachgewiesen, dass die D-Ltd. und die CC die wirklichen Abnehmer der Lieferungen gewesen seien.

26

Ferner habe die Antragstellerin die nach § 4 Nr. 1 b i.V.m. § 6 a UStG und § 17 c UStDV erforderlichen Buchnachweise nicht erbracht. Danach müsse u.a. eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein, welche Gegenstände geliefert worden seien. Bei kleinvolumiger Ware wie den gelieferten Handys reiche zur Identifizierung der Ware die angegebene Typenbezeichnung, z. B. Nokia 8210, allein nicht aus. Erforderlich sei vielmehr die Aufzeichnung der IMEI-Nummern. Nur so lasse sich aus den Rechnungsangaben die Leistung, über die abgerechnet worden sei, eindeutig und leicht nachprüfbar feststellen. Die Antragstellerin habe entsprechende umsatzsteuerrechtliche Aufzeichnungen nicht geführt, obwohl es ihr aufgrund der technischen Voraussetzungen und der Angaben ihres Lieferanten problemlos möglich gewesen sei, diese Aufzeichnungen zu führen.

27

Weitere Voraussetzung für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung sei u.a., dass die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers buchmäßig nachgewiesen werde. Damit sei die Aufzeichnung der richtigen USt-IdNr. des wirklichen Abnehmers gemeint. Diesen Anforderungen entspräche die Aufzeichnung der USt-IdNr. der CC und der D-Ltd. wegen ihrer Scheinunternehmereigenschaft und dem Umstand, dass sie nicht die wirklichen Abnehmer der Handys gewesen seien, nicht. Die USt-IdNr. der tatsächlichen Abnehmer habe die Antragstellerin nicht aufgezeichnet.

Gründe

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II.

Der Antrag ist begründet. Es bestehen ernstliche Zweifel daran, dass die Lieferungen der Antragstellerin an die D-Ltd. und die CC im Inland steuerpflichtig sind.

29

Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz Finanzgerichtsordnung - FGO - erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

30

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofes - BFH - vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BStBl II 1984, 454 und vom 30. Dezember 1996 I B 61/96, BStBl II 1997, 466). An der Steuerpflicht der von der Antragstellerin an die Unternehmen D-Ltd. und CC erbrachten Lieferungen bestehen ernstliche Zweifel in dem genannten Sinne.

31

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen nur Lieferungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen des Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer. Unter den Voraussetzungen der§§ 4 Nr. 1 b, 6a UStG sind ferner innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei. Ob es sich um eine Lieferung im Inland und um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt, ist u.a. vom Ort der Lieferung abgängig. Der Ort der Lieferung richtet sich vorbehaltlich der§§ 3 c, 3 e und 3 f UStG nach § 3 Abs. 6 - 8 UStG (§ 5 Abs. 5 a UStG). Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt (§ 3 Abs. 6 Satz 1 UStG).

32

Die Antragstellerin hat aufgrund der vorhandenen Unterlagenüber den Handyeinkauf und den vorliegenden Schriftverkehr einschließlich der Beauftragung von Spediteuren glaubhaft dargelegt, dass sie Lieferungen von Handys an die D-Ltd. und die CC getätigt hat. Anhaltspunkte, wonach es sich lediglich um vorgetäuschte Lieferungen gehandelt haben könnte, bestehen nicht und sind von dem Antragsgegner auch nicht glaubhaft gemacht worden.

33

D-Ltd. und CC waren zur Zeit der Lieferungen existente Unternehmen. Die D-Ltd. verfügte über Firmengebäude und war den griechischen Finanzämtern bereits vor den Geschäften mit der Antragstellerin als Unternehmerin, die Geschäfte mit Dritten betreibt, bekannt. Soweit seit April 2002 die Firmengebäude wie von den griechischen Behörden angegeben leer gestanden haben sollten, sagt dies über die Existenz des Unternehmens für den Streitzeitraum nichts aus. CC war nach Auskunft der holländischen Behörden seit 01.10.2001 bei der Industrie- und Handelskammer mit einer existenten Adresse eingetragen. Die Mitteilung an die Industrie- und Handelskammer vom 19.02.2002, dass die Gesellschaft mit Wirkung vom 31.12.2002 aufgelöst werde, bestätigt eher deren Existenz für die Zeit davor und damit für den Streitzeitraum. Ferner bestätigte das Bundesamt für Finanzen für beide Unternehmen jeweils die Richtigkeit des angegebenen Namens, des Ortes, der Postleitzahl sowie der Straße des Geschäftssitzes der Unternehmen.

34

Die Verträge über die Lieferungen der Handys wurden von der Antragstellerin mit D-Ltd. bzw. CC abgeschlossen. Auftraggeber zur Lieferung der Handys sind jeweils die D-Ltd. und die CC gewesen. Zwar waren der für die D-Ltd. den Auftrag erteilende PP und der für die CC handelnde BS nicht Geschäftsführer dieser Unternehmen. Als Nachweis, für die D-Ltd. handeln zu können, ist für das Aussetzungsverfahren jedoch ausreichend, dass Auftragserteilung und Auftragsabwicklung einschließlich Abnahme und Bezahlung der Handys durch die D-Ltd. erfolgte und es sich hierbei um ein existierendes Unternehmen handelte. Eine Erklärung, warum die D-Ltd. die Handys sonst ohne jeden Hinweis, dass sie aus den Geschäften nicht verpflichtet sei, hätte abnehmen und bezahlen sollen, ist seitens des Antragsgegners nicht dargelegt worden. Insofern kann dahin gestellt bleiben, ob die vom Antragsgegner geltend gemachten Bedenken gegen die bei der Auftragsabwicklung verwandten Geschäftsbriefe und die Kommunikationüber die genutzten Telefon- und Faxnummern berechtigt sind oder ob dies nicht im üblichen Rahmen einer Praxis der freien Wirtschaft lag. Dass die Geschäftsanbahnung über einen Dritten durch Weiterleitung einer mail zustande gekommen sein soll, ist ferner ebenso unerheblich wie der Umstand, dass es die vom offiziellen Vertreter der D-Ltd. AA angegebene Hausnummer seiner Anschrift nicht geben soll. Ferner ist hinsichtlich der CC im Aussetzungsverfahren glaubhaft gemacht, dass BS für diese handeln durfte. Insofern gilt gleiches wie im Fall der D-Ltd. Bei der CC handelte es sich ebenfalls um ein im Zeitpunkt der Lieferungen existierendes Unternehmen. Widerspruch gegen Auftragserteilung und Auftragsabwicklung wurde seitens der CC nicht erhoben. Gegen die zivilrechtlich durch Auftragserteilung und Auftragsannahme eingegangene Verpflichtung der CC spricht im Rahmen der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht, dass die Bezahlung durch B.V. erfolgte. Soweit seitens der CC die Handys an die B.V. weiter geliefert worden sein sollten und die CC die Steuerschulden nicht gezahlt hat, begründet dies nicht eine fehlende Unternehmereigenschaft. Im Gegenteil bestätigt die Weiterlieferung der Handys an die B.V. gerade deren Unternehmereigenschaft, da Unternehmer ist, wer Lieferungen und sonstige Leistungen gegen Entgelt erbringt (vgl. Klenk, in: Sölch/Ringleb, USt,§ 2 Rdn. 7 m.w.N.). Ferner führt der Antragsgegner selbst aus, dass der Geschäftsführer der CC Kenntnis von der Auftragsabwicklung durch BS hatte. Auch der Hinweis des Antragsgegners, die D-Ltd. und CC bzw. die für sie handelnden PP und BS seien an Mehrwertsteuerbetrugsfällen beteiligt gewesen, begründet nicht die fehlende Existenz der Unternehmen. Gleiches gilt für den Fall, dass die Unternehmen Umsatzsteuer nicht abgeführt haben sollten. Damit kann dahingestellt bleiben, ob diese Behauptungen zutreffend sind und ob es sich um so genannte "missing trader" handelt und was genau damit gemeint sein soll.

35

Danach ist der Leistungsaustausch zwischen den Unternehmern erfolgt, die auch zivilrechtlich Verpflichtete waren. Eine von den vertraglichen Vereinbarungen abweichende Bestimmung der Person des leistenden Unternehmers kommt umsatzsteuerrechtlich nach dem Beschluss des BFH vom 17.10.2003 (Az.: V B 111/02, BFH/NV 2004, 235) nur in Betracht, wenn das Rechtsgeschäft zwischen dem Leistungsempfänger und dem Strohmann nur zum Schein abgeschlossen worden ist und der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass der Strohmann keine eigene, ggf. auch durch Subunternehmer auszuführende Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäftübernehmen und dementsprechend auch keine eigenen Leistungen versteuern will. Hierfür liegen Anhaltspunkte - wie dargelegt - nicht vor.

36

Sowohl bei Lieferung der Waren im Verfahren "shipment on hold" wie auch gegen Vorkasse liegen Versendungslieferungen i.S.d. § 3 Abs. 6 UStG und damit steuerbare Inlandslieferungen der Antragstellerin vor.

37

Bei den Lieferungen zu den Konditionen "shipment on hold" handelt es sich um Versendungslieferungen, für die der Ort der Lieferung nach§ 3 Abs. 6 UStG zu bestimmen ist und nicht um ein Verbringen i.S.d. § 3 Abs. 1 a UStG, für das sich der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 7 bestimmt. Im Fall der Lieferungen der Antragstellerin an die D-Ltd. und die CC lag der Ort der Lieferung im Inland.

38

Eine Lieferung wird dadurch ausgeführt, dass der Lieferer den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 UStG - Verschaffung der Verfügungsmacht -). Wird der Gegenstand der Lieferung an den Abnehmer versendet, so gilt die Lieferung mit der Übergabe des Gegenstandes an den Spediteur als ausgeführt. Diese Regelung lehnt sich an die bürgerlich-rechtliche Gestaltung an, wonach mit der Übergabe der verkauften Sache an den Spediteur die Gefahr des Untergangs der Ware auf den Käufer übergeht. Das UStG bedient sich demnach bei der Versendungslieferung einer Fiktion. Denn der Abnehmer erhält die tatsächliche Verfügungsmacht am gelieferten Gegenstand erst mit dessen Aushändigung durch den Spediteur. Bei der Fiktion geht das Gesetz offenbar auch von der Vorstellung aus, dass der Spediteur aufgrund des Speditionsvertrages verpflichtet ist, dem Abnehmer, an den der Gegenstand der Lieferung versendet wird, den Gegenstand auszuhändigen. Die Verpflichtung des Spediteurs gewährleistet zwangsläufig, dass dem Abnehmer die Verfügungsmacht an der Ware auch tatsächlich verschafft wird. Diese Verpflichtung ergibt sich aus den anlässlich der Versendung ausgestellten Papieren und Urkunden. Gleichzeitig wird derjenige, an den das Gut abgeliefert werden soll, zum Empfang des Gutes dem Spediteur gegenüber legitimiert. Bei Bezeichnung des Abnehmers in den Speditionspapieren ist dem gesetzlichen Tatbestand der Lieferung "an den Abnehmer" entsprochen, d. h., diesem wird aufgrund der im Zusammenhang mit der Versendung ausgestellten Urkunde die Verfügungsmacht an den Gegenstand verschafft (vgl. BFH, Urteil vom 10.11.1966, V 73/64, BFHE 87, 162, BStBl III 1967, 101).

39

Im vorliegenden Verfahren "shipment on hold" waren sowohl die D-Ltd. wie die CC nach den vertraglichen Vereinbarungen sowie den Speditionspapieren berechtigt, die Waren in Empfang zu nehmen. Sie standen danach als Abnehmer der Waren fest. Den Lieferungen im Sinne von Versendungslieferungen steht nicht entgegen, dass die Aushändigung der Waren im Verfahren "shipment on hold" an die Bedingung einer schriftlichen Freigabe durch die Antragstellerin gebunden war.

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Der als Verschaffung der Verfügungsmacht umschriebene Leistungsbegriff ist zwar nicht bereits dann erfüllt, wenn lediglich das Recht übertragen wird, über einen Gegenstand zu verfügen. Vielmehr ist erforderlich, dass dem Leistungsempfänger Substanz, Wert und Ertrag des Gegenstandes zugewendet werden. Dementsprechend liegt eine Lieferung vor, wenn die wirtschaftliche Substanz eines Gegenstandes unbedingt vom Leistenden auf den Leistungsempfänger übergeht und dies von den Beteiligten endgültig gewollt ist (vgl. BFH, Urteil vom 20.07.1978, V R 2/75, BFHE 126, 84, BStBl II 1978, 684, unter 1 a der Urteilsgründe). Bei Vertragsschluss und bei Beauftragung des Spediteurs durch die Antragstellerin stand für die Vertragsbeteiligten fest, dass die Waren auf die Leistungsempfänger, die Firmen D-Ltd. und CC, endgültigübergehen sollten.

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Die Aushändigung der Ware durch den Spediteur war jedoch von einer von der Antragstellerin noch zu erteilenden Freigabe abhängig. Hierbei handelt es sich um eine Bedingung, die zunächst nicht dem Gedanken der Versendungslieferung entspricht, wonach der Leistende bei Beginn der Versendung alles getan haben muss, um den Leistungsempfänger zu befähigen, im eigenen Namen über den Gegenstand zu verfügen. Selbst wenn der Abnehmer die Ware untersucht und den vollen Kaufpreis gezahlt hätte, hätte es zur Übergabe der Ware noch der formellen Freigabe durch die Antragstellerin bedurft.

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Der Senat ist im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung jedoch der Auffassung, dass die erforderliche Freigabeerklärung durch die Antragstellerin rechtlich einer Versendungslieferung nicht entgegensteht. Zwar hätte für die Antragstellerin die Möglichkeit bestanden, eine Freigabe auch bei Zahlung des Kaufpreises nicht zu erteilen und damit die Aushändigung der Ware an den Abnehmer zu verhindern. Mit Vorlage der Erklärungen verschiedener Spediteure hat die Antragstellerin jedoch hinreichend dargelegt, dass es sich bei dem genannte Verfahren um einen Handelsbrauch zur Kaufpreissicherung handelt, sodass es sich bei einer Verweigerung der Freigabe aus anderen Gründen lediglich um eine theoretische Möglichkeit handelt. Dementsprechend wurde die Freigabe von der Antragstellerin auch nach Darstellung des Antragsgegners regelmäßig erteilt, wenn die Zahlung eingegangen war. Die schriftliche Freigabeerklärung vor Ort steht der fiktiven Bestimmung des Ortes der Lieferung bei Beginn der Versendung nicht entgegen. Maßgeblich und ausreichend ist vielmehr die Bestimmung eines endgültigen Abnehmers und die Schaffung der Voraussetzungen, dass der Leistende im Falle der Kaufpreiszahlung zur Freigabe verpflichtet ist. Auf der anderen Seite ist dem Käufer die Aushändigung der Ware sicher, wenn er nicht gegen die vertraglich vereinbarten Zahlungsbedingungen verstößt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Antragstellerin neben die Kondition "shipment on hold" ausdrücklich "Auslieferung nur nach schriftlicher Freigabe der NT plus AG!" vermerkt hat. Denn damit hat sie lediglich das Verfahren "shipment on hold" bekräftigt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin damit neben dem finanziellen Sicherungsaspekt weitere Bedingungen für die Freigabe schaffen wollte. Die Voraussetzungen für eine Versendungslieferung liegen damit vor. Für diese Ansicht spricht auch, dass die Bestimmung eines endgültigen Abnehmers auch Abgrenzungskriterium gegenüber der von dem Antragsgegner angenommenen Verbringungsleistung nach§ 3 Abs. 1 a UStG ist.

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Im Fall der Lieferungen gegen Vorkasse liegen ebenfalls Versendungslieferungen vor, da dem Spediteur die Ware nach vollständiger Bezahlung zur Versendung übergeben und diese im Empfängerland ohne weitere Erfordernisse dem Abnehmer ausgehändigt wurde.

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Danach hat die Antragstellerin innergemeinschaftliche Lieferungen ausgeführt. Ein innergemeinschaftliches Verbringen liegt nicht vor. Darauf, dass die Antragstellerin in Griechenland bzw. in den Niederlanden keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer hat, kommt es daher nicht an.

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Die steuerbaren Versendungslieferungen der Antragstellerin sind gemäß § 4 Nr. 1 b i.V.m. § 6 a,§ 17 a ff. UStDV als innergemeinschaftliche Lieferungen umsatzsteuerfrei. Nach § 4 Nr. 1 d UStG i.V.m. § 6 a UStG sind u. a. Lieferungen steuerfrei, bei denen ein Unternehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet, wenn der Abnehmer Unternehmer ist und den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmern erworben hat (innergemeinschaftliche Lieferungen). Nach § 6 a Abs. 3 UStG muss der Unternehmer diese Voraussetzungen nachweisen. Der Nachweis ist durch die in § 17 a Abs. 4 UStDV aufgeführten Belege zu führen. Nach§ 17 c UStDV muss der Unternehmer sämtliche Voraussetzungen der Steuerbefreiung zu dem durch den so genannten Buchnachweis belegen. Der Umfang des Buchnachweises ergibt sich aus § 17 c Abs. 2 UStDV. Für das Verfahren der Aussetzung der Vollziehung sind die geforderten Nachweise glaubhaft zu machen.

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Die Antragstellerin hat die Belegnachweise der Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet erbracht.

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Im Fall der Lieferungen an D-Ltd. liegen Speditionsaufträge und Rechnungen der Spedition DS-GmbH (...) sowie Rechnungen der OA (...) vor. DS-GmbH hat die erforderlichen Ausfuhrbescheinigungen für Umsatzsteuerzwecke erteilt. In einem Fall wurde die Firma K beauftragt. Hier liegt ein Versendungsauftrag und eine Rechnung von K, eine Ausfuhrbescheinigung für umsatzsteuerliche Zwecke und eine Rechnung der L vor.

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Soweit eine Lieferung an die D-Ltd. von dieser an die Inter weitergeleitet wurde, ist, jedenfalls im Aussetzungsverfahren, ebenfalls von einer Lieferung an die D-Ltd. auszugehen, da die Lieferung nach Darstellung der Antragstellerin lediglich an die Inter umgeleitet worden sein soll. Als Aussetzungsgrund ist insofern ausreichend, dass eine vollständige Sachaufklärung dem Hauptverfahren vorbehalten bleiben muss.

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Im Fall der Lieferungen an die CC liegen ebenfalls Speditionsaufträge und Rechnungen der DS-GmbH sowie Rechnungen des Frachtführers und Ausfuhrbescheinigungen des Frachtführers vor. Damit ist der Nachweis der Ausfuhr entsprechend § 17 a Abs. 4 UStDV glaubhaft gemacht.

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Die Antragstellerin hat ferner hinsichtlich der Lieferungen an die D-Ltd. und die CC die erforderlichen Buchnachweise gemäß § 17 c UStDV erbracht. Nach § 17 c Abs. 1 Satz 1 UStDV gehört zum Buchnachweis u. a. der buchmäßige Nachweis der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers. Dieser ist nur dann erbracht, wenn die wahre Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des tatsächlichen Unternehmers aufgezeichnet worden ist, der Abnehmer der Ware war. Die Antragstellerin hat durch die mit Unterlagen belegten Darlegungen zu den Vertragsabschlüssen und zur Vertragsabwicklung glaubhaft gemacht, dass tatsächliche Abnehmer der Handys D-Ltd. und CC waren. Mit der Aufzeichnung der diesen Unternehmen zugeordneten zutreffenden Umsatzsteuer-Identifikationsnummern hat die Antragstellerin den für innergemeinschaftliche Lieferungen erforderlichen Nachweis buchmäßig erbracht. Anhaltspunkte, dass die Geschäfte im Rahmen von Strohmannverhältnissen abgeschlossen und abgewickelt wurden, liegen, wie dargelegt, nicht vor. Selbst dann, wenn ein solches bestanden haben sollte, hätte die Antragstellerin die buchmäßigen Nachweise erbracht, da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Antragstellerin davon Kenntnis gehabt hätte.

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Der Nachweis einer steuerfreien Lieferung scheitert auch nicht an fehlenden Aufzeichnungen der IMEI-Nummern in den Rechnungen der Antragstellerin.

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Gegenstand der Kaufverträge zwischen der Antragstellerin und der D-Ltd. bzw. der CC war ein bestimmtes Kontingent an Handys bestimmter Herstellerfirmen. Zwischen der Antragstellerin und den Leistungsempfängern ist damit eine bestimmte Gattungsschuld nach § 279 BGB a.F. vereinbart gewesen. Jedenfalls liegen Anhaltspunkte dafür, dass D-Ltd. oder CC bestimmte Handys mit einem bestimmten Strichcode bestellt und es sich damit um eine Stückschuld gehandelt hätte, nicht vor. Wenn die Antragstellerin aber nur zur Lieferung im Rahmen einer Gattungsschuld verpflichtet war, traf sie auch keine Verpflichtung, konkrete Aufzeichnungen in den Rechnungen unter Angabe des Strichcodes zu führen.

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Die Antragstellerin hat danach glaubhaft gemacht, dass sie steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen an die Unternehmern D-Ltd. und CC erbracht hat. Da sie die dafür erforderlichen Buchnachweise ebenfalls glaubhaft gemacht hat, ist die Versteuerung der Umsätze in den angefochtenen Umsatzsteuerbescheiden rechtlich zweifelhaft.

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Gründe für die Anordnung einer Sicherheitsleistung liegen nicht vor.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.