Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.11.2004, Az.: 9 K 446/01

Inanspruchnahme von Vergünstigungen bei zeitlichem Zusammenfallen von einer Rücklagenbildung und der Aufgabe eines Unternehmens; Auflösung einer Rücklage ex nunc bei Ausbleiben der Anschaffung von Reinvestitionsgütern in einer vorgeschriebenen Zeit; Würdigung von durch begünstigte Veräußerungen und Auflösungen gebildeten Reinvestitionsrücklagen als getrennte Vorfälle bei der Einkommensteuerveranlagung; Möglichkeit einer nachträglichen Rücklagenbildung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
24.11.2004
Aktenzeichen
9 K 446/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 27690
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2004:1124.9K446.01.0A

Fundstellen

  • BBK 2005, 487
  • DB 2007, 25
  • EFG 2005, 593-594 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Einkommensteuer 1997

Amtlicher Leitsatz

Die Vergünstigung der §§ 6c, 6 b EStG kann auch in Anspruch genommen werden, wenn Rücklagenbildung und Aufgabe des Unternehmens zeitlich zusammen fallen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin eine Rücklage nach§§ 6b, 6c Einkommensteuergesetz (EStG) in der Einnahme-Überschuss-Rechnung auf den 30. Juni 1998 berücksichtigen durfte.

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Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen veranlagt. Der Kläger erzielt überwiegend Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit gemäß § 19 EStG, während die Klägerin Eigentümerin eines (im Wesentlichen verpachteten) land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ist und dementsprechend Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft gemäß § 13 EStG erzielte.

3

Teile der zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Flächen lagen im Baugebiet"X". Zum 1. Januar 1997 verkaufte die Klägerin Flächen zur öffentlichen Nutzung an die Gemeinde. Mit notariellen Verträgen, die zwischen September 1997 und März 1998 abgeschlossen wurden, verkaufte sie darüber hinaus insgesamt 7 Bauparzellen an verschiedene Erwerber. Nutzen und Lasten sollten nach den notariellen Kaufverträgen jeweils zum 1. Juni 1998 auf die Erwerber übergehen. Die Kaufpreiszahlungen nahmen die Erwerber ebenfalls im Jahre 1998 vor. Dabei erzielte die Klägerin einen Gewinn von 276.567,00 DM. Die Höhe des Gewinns aus den Bauplatzverkäufen ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

4

Die Klägerin gab am 28. September 1998 die Einkommensteuererklärung für 1997 beim Beklagten (Finanzamt - FA -) ab. Mit der Abgabe der Einkommensteuererklärung erklärte sie die Aufgabe ihres (verpachteten) land- und forstwirtschaftlichen Betriebes zum 30. Juni 1998. Den Gewinn für das Wirtschaftsjahr 1997/1998 ermittelte sie durch Einnahme-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG.

5

Bei der Ermittlung des Gewinns für das Wirtschaftsjahr 1997/1998 berücksichtigte die Klägerin in ihrer Einnahme-Überschuss-Rechnung für das Wirtschaftsjahr 1997/1998 gemäß § 6c Abs. 1 i.V.m. § 6b EStG eine Betriebsausgabe i.H.d. Gewinns aus den Bauplatzverkäufen von 276.564,00 DM. Gleichzeitig ermittelte sie auf Grund der erklärten Betriebsaufgabe einen Aufgabegewinn von 405.887,00 DM. Bei der Ermittlung des Aufgabegewinns berücksichtigte sie gemäß § 6c Abs. 1 Satz 2 eine Betriebseinnahme i.H.v. 276.564,00 DM. Für den einen Freibetrag gemäß § 14a Abs. 3 Nr. 2 EStGübersteigenden Betrag von 255.887,00 DM beantragte sie den ermäßigten Steuersatz gemäß § 34 EStG. Das FA folgte zunächst den erklärten Angaben und erließ entsprechende Steuerbescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO).

6

Im Anschluss an eine Betriebsprüfung änderte das FA die Steuerbescheide dahin gehend, dass der Gewinn aus den Bauplatzverkäufen als laufender Gewinn des Wirtschaftsjahres 1997/1998 erfasst wurde. Eine Übertragung stiller Reserven gemäß § 6c i.V.m. § 6b EStG und Berücksichtigung dieses Betrages im (begünstigten) Aufgabegewinn ließ das FA nicht mehr zu, da zum Zeitpunkt der Übertragung der stillen Reserven zum 30. Juni 1998 eine Reinvestitionsabsicht nicht mehr erkennbar gewesen sei. Gegen den geänderten Steuerbescheid für 1997 legte die Klägerin erfolglos Einspruch ein.

7

Hiergegen richtet sich die Klage.

8

Die Klägerin vertritt weiterhin die Auffassung, dass auf den Gewinn aus den Bauplatzverkäufen § 6c i.V.m. § 6b EStG anzuwenden sei. Für die Bildung einer Rücklage nach § 6 b EStG und somit für die Inanspruchnahme der Vergünstigung nach § 6 c EStG sei eine Reinvestitionsabsicht nicht erforderlich. Daher sei sie - die Klägerin - auch nach Aufgabe des Betriebes zum 30. Juni 1998 zur Inanspruchnahme der Vergünstigung nach § 6 c i.V.m. § 6 b EStG berechtigt gewesen. Mit dem Recht zur Inanspruchnahme der Steuervergünstigung nach § 6 c i.V.m. § 6 b EStG war eine Besteuerung des Veräußerungsgeschäfts als laufender Gewinn nicht mehr zulässig. Vielmehr sei der Überschuss aus den Grundstücksverkäufen als Teil des Aufgabegewinns ermäßigt zu besteuern. Dabei sei es unerheblich, dass auch zum 30. Juni 1998 die Betriebsaufgabe erklärt worden sei. Das zeitliche Zusammentreffen der Inanspruchnahme der Steuervergünstigung nach § 6c i.V.m. § 6b EStG und der Aufgabe des Betriebes sei unschädlich. Sei der Auffassung des FA zu folgen, hätte eine Aufgabeerklärung zum 1. Juli 1998 ausgereicht, um die gewünschte Behandlung als Aufgabegewinn zu erreichen. Dies könne nicht richtig sein.

9

Die Kläger beantragen,

die Steuer unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 11. Juli 2001 undÄnderung des Bescheids vom 28. April 2000 so weit herabzusetzen, als er sich mindert, wenn die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft mit ./. 9.402,00 DM angesetzt werden.

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Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Eine Rücklagenbildung gemäß §§ 6b, 6c EStG in der Gewinnermittlung auf den 30. Juni 1998 sei nicht mehr zulässig. Zwar seien die Voraussetzungen für die Übertragung der stillen Reserven nach § 6c i.V.m. § 6b EStG grundsätzlich erfüllt. Jedoch fehle es zum Zeitpunkt der Rücklagenbildung an einer Reinvestitionsabsicht. Die Bildung einer Rücklage nach §§ 6b, 6c EStG erfolge in der Steuerbilanz und nicht im Laufe eines Wirtschaftsjahres. Durch die Betriebsaufgabeerklärung vom 28. September 1998 zum 30. Juni 1998 habe festgestanden, dass am maßgebenden Stichtag 30. Juni 1998 eine Reinvestition nicht mehr in Wirtschaftsgüter dieses land- und forstwirtschaftlichen Betriebes erfolgen konnte, weil dieser aufgegeben gewesen sei. Die Rücklage hätte daher nicht mehr gebildet werden dürfen, da es an einer Reinvestitionsabsicht gefehlt habe. Durch die Auflösung der gebildeten Rücklage in der Aufgabebilanz sei zweifelfrei dokumentiert worden, dass eine Reinvestition gerade nicht beabsichtigt gewesen sei. Auch fehle es auf Grund dieser Umstände an der objektiven Möglichkeit zurÜbertragung der Rücklage. Da eine Rücklagenbildung nicht zulässig sei, sei der Gewinn aus der Veräußerung der Bauplätze als laufender Gewinn des Wirtschaftsjahres 1997/1998 zu erfassen. Eine Berücksichtigung im Rahmen des begünstigten Veräußerungsgewinns sei unzulässig.

Gründe

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Die Klage ist begründet.

13

Der angefochtene Steuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Die Klägerin durfte bei der Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 1997/1998 in Höhe des Veräußerungsgewinns eine steuerfreie Rücklage nach §§ 6b, 6c EStG bilden und den Betrag der Rücklage bei ihrer Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschuss-Rechnung als Betriebsausgabe abziehen.

14

Nach § 6b Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 und 2 EStG können Steuerpflichtige, die bestimmte Wirtschaftsgüter veräußern, einen Betrag bis zur Höhe des bei der Veräußerung entstandenen Gewinns im Wirtschaftsjahr der Veräußerung in eine den steuerpflichtigen Gewinn mindernde Rücklage einstellen. Die Rücklage kann auch mit dem Ziel gebildet werden, die sofortige Versteuerung stiller Reserven, die bei der Veräußerung eines Betriebs aufgedeckt werden, zu vermeiden (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 25. Juli 1979 I R 175/76, BFHE 129, 17, BStBl II 1980, 43 und vom 7. März 1996 IV R 34/95, BFHE 180, 305, BStBl II 1996, 568). Von dieser Möglichkeit einer Begünstigung ungeachtet einer"Betriebseinstellung" geht auch der Gesetzgeber in § 34 Abs. 1 Satz 3 (jetzt Satz 4) EStG aus. Bei bilanzierenden Steuerpflichtigen besteht ein Wahlrecht, für nach § 6b EStG begünstigte Veräußerungsgewinne eine steuerfreie Rücklage zu bilden. Der Steuerpflichtige übt das Wahlrecht aus, indem er in seiner Bilanz die Rücklage bildet oder davon absieht. Dabei kommt es stets, also bei der erstmaligen wie bei einer erneuten Wahlrechtsausübung darauf an, ob die Voraussetzungen für die Bildung der Rücklage am Bilanzstichtag des Jahres der Entstehung des Veräußerungsgewinns vorgelegen haben. Am Bilanzstichtag besteht die Möglichkeit, den Veräußerungsgewinn auf begünstigte Reinvestitionen zu übertragen. Da der Bilanzstichtag maßgebend ist, kann die Rücklagenbildung nicht mit der Begründung versagt werden, im Zeitpunkt der Bildung der Rücklage sei die Reinvestitionsfrist abgelaufen und es sei während der Reinvestitionsfrist nicht oder nicht im vollen Betrag der Rücklage zu begünstigten Reinvestitionen gekommen. Darauf, ob am Bilanzstichtag des Veräußerungsjahrs beim Steuerpflichtigen die Absicht bestand, begünstigte Wirtschaftsgüter anzuschaffen oder herzustellen, kommt es nicht an (BFH-Urteile vom 4. Februar 1982 IV R 150/78, BFHE 135, 202, BStBl II 1982, 348; vom 17. September 1987 IV R 8/86, BFHE 151, 139, BStBl II 1988, 55). Somit ist die Bildung der Rücklage nach § 6b EStG nicht davon abhängig, dass später Reinvestitionsgüter angeschafft oder hergestellt werden. Auch muss eine spätere Übertragung der stillen Reserven nicht erfolgen. Werden in der vorgeschriebenen Zeit keine Reinvestitionsgüter angeschafft oder hergestellt und bleibt daher ein Abzug nach § 6b Abs. 3 Satz 2 EStG aus, ist die Rücklage ex nunc aufzulösen. Eine nach § 6b EStG begünstigte Veräußerung und die Auflösung der anlässlich der Veräußerung gebildeten Reinvestitionsrücklage sind zwei getrennte Vorfälle, die je für sich bei den Veranlagungen der entsprechenden Jahre zu würdigen sind (BFH-Urteil vom 11. Juni 1980 I R 253/78, BFHE 130, 528, BStBl II 1980, 577). Die Bildung einer Reinvestitionsrücklage ist daher auch dann zulässig, wenn später die stillen Reserven nicht auf ein Reinvestitionsgut übertragen werden, allerdings mit den sich aus § 6b Abs. 3 Satz 5 und Abs. 6 (jetzt Abs. 7) EStG ergebenden Folgen (BFH-Urteil vom 11. Dezember 1984 IX R 27/82, BFHE 143, 46, BStBl II 1985, 250). Daher setzt die Bildung einer Rücklage nach § 6b EStG nicht voraus, dass der Steuerpflichtige die Absicht erkennen lässt, mit den bei der Veräußerung erlösten Vermögenswerten einen anderen Betrieb weiterzuführen. Der BFH hat unter Hinweis auf das dem Steuerpflichtigen vom Gesetz eingeräumte Wahlrecht, den Gewinn aus der Veräußerung im Zeitraum der Realisierung sofort zu versteuern oder die Versteuerung nach Maßgabe des § 6b EStG durch Rücklagenbildung zeitlich hinauszuschieben, entschieden, dass eine Rücklage auch dann gebildet werden könne, wenn eine konkrete Investitionsabsicht nicht bestehe (BFH-Urteil vom 4. Februar 1982 IV R 150/78, BFHE 135, 202, BStBl II 1982, 348) oder eine solche ganz fehle (Urteil in BFHE 180, 305, BStBl II 1996, 568). Die Bildung einer § 6b-Rücklage setzt also nach der Rechtsprechung des BFH - der sich der Senat anschließt - weder bei fortbestehendem Betrieb (BFH-Urteil in BFHE 185, 451, BStBl II 1999, 272) noch bei einer Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe eine Reinvestitionsabsicht voraus (BFH-Urteile vom 7. März 1996 IV R 34/95, BFHE 180, 305, BStBl II 1996, 568 und vom 5. Juni 1997 III R 218/94, BFH/NV 1997, 754, m.w.N.). Es genügt, dass die spätere Übertragung der Rücklage auf ein begünstigtes Reinvestitionsobjekt am Bilanzstichtag objektiv möglich ist (BFH-Urteil vom 24. März 1998 I R 20/94 BFHE 185, 451, BStBl II 1999, 272). Unerheblich ist auch, dass die Reinvestitionsfrist im Zeitpunkt der Rücklagenbildung bereits abgelaufen war. Die Rücklage kann auch gebildet werden, wenn ihre erfolgsneutrale Auflösung nicht mehr möglich ist (BFH-Urteil vom 24. März 1998 I R 20/94 BFHE 185, 451, BStBl II 1999, 272). Diese Grundsätze sind nach § 6c Abs. 1 entsprechend anzuwenden, wenn ein Steuerpflichtiger seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt. Statt der Bildung einer Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG hat der Steuerpflichtige eine Betriebsausgabe in Abzug zu bringen und im Zeitpunkt der Auflösung eine Betriebseinnahme steuererhöhend zu erfassen.

15

Bei Anwendung dieser Grundsätze konnte die Klägerin eine steuerfreie Rücklage nach §§ 6b, 6c EStG bei ihrer Einnahme-Überschuss-Rechnung auf den 30.06.1998 berücksichtigen. Zwar stand mit der Betriebsaufgabeerklärung und der dabei vorgenommenen Auflösung der Rücklage nach §§ 6c Abs. 1 Satz 2 EStG i.V.m. § 6b Abs. 3 EStG fest, dass eine Übertragung der Rücklage auf Reinvestitionsgüter nicht erfolgen würde. Jedoch ist dies unschädlich, da die Zulässigkeit einer Rücklagenbildung nicht davon abhängt, ob später tatsächlich Reinvestitionsgütern angeschafft oder hergestellt werden, noch ob eine Reinvestitionsabsicht der Klägerin bestanden hat. Allein entscheidend ist, dass zum Bilanzstichtag die Übertragung auf ein Reinvestitionsobjekt objektiv möglich war. Diese objektive Möglichkeit bestand noch zum 30. Juni 1998, weil die Klägerin berechtigt gewesen wäre, die Rücklage trotz Aufgabe des Betriebes auf ein Wirtschaftsgut eines neu zu gründenden Betriebes zu übertragen. Auch hierbei kommt es nicht auf den fehlenden subjektiven Willen der Klägerin, sondern allein auf die objektive Möglichkeit zur Übertragung an.

16

Entgegen der Auffassung des FA ist eine Übertragung der Rücklage auf ein Reinvestitionsobjekt trotz der Aufgabeerklärung auf den 30. Juni 1998 objektiv weiterhin möglich gewesen. Dabei ist zwischen der Erstellung der Einnahme-Überschuss-Rechnung und der Aufgabebilanz zu unterscheiden. Zu dem Zeitpunkt, zu dem die Einnahme-Überschuss-Rechnung zu erstellen war, konnte die Klägerin noch wählen, ob sie die Rücklage im Rahmen der begünstigten Betriebsaufgabe auflöst oder von der Möglichkeit Gebrauch macht, die Rücklage über den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe hinaus fort zu führen. Erst mit der Erstellung der Aufgabebilanz hat sie ihr Wahlrecht ausgeübt. Zwischen der Erstellung der Einnahme-Überschuss-Rechnung und der Aufgabebilanz liegt bildlich gesprochen eine juristische Sekunde, sodass eine klare Trennung beider Vorgänge angezeigt ist. Somit lagen zu dem Zeitpunkt, zu dem die Einnahme-Überschuss-Rechnung zu erstellen war, die Voraussetzungen zur Bildung einer Rücklage nach §§ 6b, 6c EStG vor. Dem steht auch der fehlende subjektive Wille der Klägerin zur Übertragung der Rücklage auf ein Reinvestitionsobjekt nicht im Wege, weil es auf das Vorliegen einer (subjektiven) Reinvestitionsabsicht gerade nicht ankommt. Daher ist es unschädlich, dass der Aufgabezeitpunkt mit dem Ende des Wirtschaftsjahres 1997/1998 zeitlich zusammen fällt.

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Der Senat hat sich bei dieser rechtlichen Würdigung auch davon leiten lassen, dass nach ständiger Rechtsprechung des BFH eine Rücklagenbildung noch möglich ist, auch wenn zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung oder Bilanzberichtigung schon feststeht, dass wegen einer zwischenzeitlich erfolgten Betriebsaufgabe eine Reinvestition nicht erfolgen konnte (BFH-Urteil vom 12. Dezember 2000 VIII R 10/99, BFHE 194, 135, BStBl. II 2001, 282). Es kann nach Auffassung des Senats keinen Unterschied machen, ob der Betrieb noch eine Sekunde oder mehrere Monate fortgeführt wurde. Allein entscheidend ist, dass die Klägerin bei Erstellung der Aufgabebilanz noch die objektive Möglichkeit auf Fortführung der Rücklage besessen hatte. Der Umstand, dass der Steuerpflichtige tatsächlich kein Reinvestitionsobjekt mehr angeschafft hat, ist für die Zulässigkeit der Rücklagenbildung schließlich unerheblich (BFH-Urteil vom 11. Dezember 1984 IX R 27/82, BFHE 143, 46, BStBl II 1985, 250). Die anderweitige Auffassung des FA würde zu dem nicht vertretbaren Ergebnis führen, dass die Klägerin die Rücklage hätte bilden können, wenn sie die Betriebsaufgabe z.B. erst auf den 10. Juli 1998 erklärt hätte, weil dann am 30. Juni 1998 unzweifelhaft noch die objektive Möglichkeit zur Rücklagenübertragung bestanden hätte. Dem Senat ist kein sachlicher Grund ersichtlich, der eine solche Differenzierung rechtfertigen würde.

18

Da die übrigen Voraussetzungen des § 6c i.V.m. § 6b EStG (unstreitig) vorliegen, konnte die Klägerin die bei der Veräußerung aufgedeckten stillen Reserven nach §§ 6b, 6c EStG übertragen und den Gewinnzuschlag in die Ermittlung des begünstigten Veräußerungsgewinns nach § 14 EStG einbeziehen. Daher handelt es sich nicht um einen laufenden Gewinn des Wirtschaftsjahres 1997/1998.

19

Die Berechnung der Steuern wird nach § 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) dem FA übertragen.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

21

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.