Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.11.2004, Az.: 6 K 385/95
Einspruchsbescheid als alleiniger Gegenstand eines Klageverfahrens nach der Erledigung einer Hauptsache; Erledigung eines Rechtsstreits über die Steuerfestsetzung in der Hauptsache mit Eintritt einer Zahlungsverjährung; Wirksamkeit eines gegen eine gelösche Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) erlassenen Steuerbescheids; Wirksamkeit eines Einspruchs gegen einen unwirksamen Steuerbescheid; Heilung der Unwirksamkeit eines Steuerbescheids durch den Erlass eines wirksamen Steuerbescheides; Heilung der Unwirksamkeit eines Steuerbescheides mit ex tunc Wirkung; Wirksamkeit eines Einspruchsbescheides mit Heilungswirkung bei Verböserung; Grundsätze des Kompensationsverbots nach § 370 Abs. 4 S. 3 Abgabenordnung (AO); Wirksamkeit eines Steuerbescheids gegen eine gelöschte Gesellschaft ohne Bestellung eines Nachtragsliquidators
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 10.11.2004
- Aktenzeichen
- 6 K 385/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 29727
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2004:1110.6K385.95.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 15.02.2006 - AZ: I B 38/05
Rechtsgrundlagen
- § 370 Abs. 4 S. 3 AO
- § 47 Abs. 2 KStG
Fundstellen
- NWB 2006, 1926 (Kurzinformation)
- NWB direkt 2005, 9
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Einspruchsbescheid als alleiniger Gegenstand des Klageverfahrens nach Erledigung der Hauptsache bezüglich des Ausgangsbescheids und wegen Wirkung der Heilung eines unwirksamen Steuerbescheids
- 2.
Unwirksamkeit eines gegen eine gelöschte GmbH ohne Bestellung eines Nachtragsliquidators erlassenen Steuerbescheids
- 3.
Wirksamkeit eines Einspruchs gegen unwirksamen Steuerbescheid
- 4.
Heilung der Unwirksamkeit des Steuerbescheids durch Erlass eines wirksamen Einspruchsbescheids, jedoch nicht mit Wirkung ex tunc
- 5.
Wirksamkeit eines Einspruchsbescheids mit Heilungswirkung auch bei Verböserung
- 6.
Kompensationsverbot nach § 370 Abs. 4 Satz 3 AO bei Beurteilung des Vorliegens einer Steuerhinterziehung, Austausch von Besteuerungsgrundlagen, Definition und Abgrenzung der Begriffe "aus anderen Gründen" und "Falschbezeichnung"
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Ist im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung der Steueranspruch verjährt, fehlt das Rechtsschutzinteresse an einer streitigen Entscheidung. Das gilt aber nicht, wenn gerade um den Eintritt der Zahlungsverjährung gestritten wird. Beruft sich das Finanzamt auf das Bestehen der Steueransprüche und macht der Steuerpflichtige dagegen Zahlungsverjährung geltend, ist der Steuerpflichtige weiter beschwert und hat ein Rechtsschutzinteresse an der gerichtlichen Klärung.
- 2.
Die Entgegennahme des Steuerbescheids ist eine passive Verfahrenshandlung. Die Handlungsfähigkeit muss im Zeitpunkt der Vornahme der Verfahrenshandlung bestehen. Vor einer oder gegen eine handlungsunfähige Person vorgenommene Verfahrenshandlungen sind unwirksam. Soll nach Löschung einer Körperschaft eine Verfahrenshandlung vorgenommen werden, muss zuvor ein Nachtragsliquidator als gesetzlicher Vertreter bestellt werden.
- 3.
Der in der fehlerhaften Bekanntgabe eines Steuerbescheids liegende Mangel, der die Unwirksamkeit des Bescheids bewirkt, kann durch die fehlerfreie Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geheilt werden mit der Folge, dass der ursprüngliche Verwaltungsakt nur in Gestalt der wirksamen Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf vom Gericht aus seine Rechtsmäßigkeit zu überprüfen ist. Die Heilung scheidet aus, wenn der inhaltlich bestimmte Steuerbescheid gegenüber einem handlungsunfähigen Steuerpflichtigen, d.h. überhaupt nicht bekannt gegeben wurde.
- 4.
Andere Gründe i.S.d. § 370 Abs. 4 S. 3 AO können nur solche sein, die nicht in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den unrichtig angegebenen Besteuerungsgrundlagen stehen. Ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang der Besteuerungsgrundlagen besteht jedenfalls dann, wenn sinnvollerweise eine Besteuerungsgrundlage ohne die andere kaum denkbar ist.
Tatbestand
(gekürzt)
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit eines Einspruchsbescheids, hilfsweise die Einhaltung der Festsetzungsverjährungsfrist und damit zusammenhängend das Vorliegen einer Steuerhinterziehung sowie um die Höhe der nach materiellem Recht festzusetzenden Steuer. Es geht um die steuerliche Beurteilung einer Zahlung an N, von dem ein Teilbetrag in den Familienverband des früheren Gesellschafter-Geschäftsführers der Klägerin, AX, zurückgelangt ist. Die Beteiligten sind unterschiedlicher Auffassung darüber, ob Zinsen als Betriebsausgaben anzuerkennen sind oder ob der fragliche Vorgang zu dem Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) bzw. einer anderen Ausschüttung zu Gunsten von AX oder BX führt.
1.
Die Klägerin betrieb ursprünglich einen Z-Betrieb. Gesellschafter waren die Eheleute AX und BX mit je 10.000,00 DM und ... mit 5.000,00 DM Anteil am Stammkapital. Alleiniger Geschäftsführer war AX.
Seit 1974 arbeitete die Klägerin mit N in einer Arbeitsgemeinschaft zusammen und unterhielt deshalb fortlaufende Geschäftsbeziehungen, aus der 1975 eine Forderung des N gegen die Klägerin resultierte. In den Jahren 1973/74 erwirtschaftete die Klägerin hohe Verluste, die ihrer Auffassung nach aus geschäftsschädigenden Handlungen der V herrührten. Der Geschäftsbetrieb wurde nach Angaben der Klägerin mittels Gesellschafterdarlehen, u.a. von der Mitgesellschafterin und Ehefrau des Gesellschafter-Geschäftsführers BX, aufrecht erhalten.
2.
Im Mai 1974 begann ein Rechtsstreit gegen V vor dem Landgericht .... Die Klägerin begehrte mit am 16. Mai 1974, 24. September 1974 und 30. Januar 1987 bei Gericht eingegangenen Schriftsätzen bezifferten Schadensersatz. Mit Verträgen vom 23. September 1974 trat die Klägerin ihren geltend gemachten Schadensersatzanspruch mehrfach ab, und zwar an BX, an die Fa. ..., an die Fa. ... und an die Bank .... In dem Abtretungsvertrag zwischen der Klägerin und BX heißt es unter Hinweis auf den beim Landgericht anhängigen Schadensersatzprozess u.a., die Entschädigungsforderung werde erst- und vorrangig an BX abgetreten; durch die Abtretung würden alle Ansprüche an Kapital, Zinsen, Provisionen und Kosten jeder Art gesichert, die BX gegen die Klägerin zustünden oder zukünftig zustehen würden. In der Folgezeit wurde der Schadensersatzanspruch mehrfach gepfändet. Der Rechtsstreit wurde im Jahre 1976 zu Gunsten der Klägerin entschieden; das Urteil wurde jedoch nicht rechtskräftig.
Seit etwa 1977 nahm die Klägerin nicht mehr am wirtschaftlichen Verkehr teil. Mit Beschluss vom 22. März 1977 lehnte das Amtsgericht ... den Antrag der Klägerin auf Eröffnung des Konkurses über ihr Vermögen mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Konkursmasse ab. Mit dem seit dem 13. April 1977 rechtskräftigen Beschluss wurde die Klägerin aufgelöst. Seit diesem Zeitpunkt befand sie sich in Liquidation; Liquidator war der frühere Mitgesellschafter und alleinige Geschäftsführer AX. In dieser Eigenschaft führte er für die Klägerin den Rechtsstreit gegen V fort.
Das Landgericht ... sprach der Klägerin mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 10. April 1987 einen Schadensersatzanspruch i.H.v. 606.925,00 DM nebst Zinsen zu; die Zahlung war wegen der vorrangigen Abtretung an BX zu ihren Gunsten auf ein Anderkonto eines Notars zu überweisen. Am 10. August 1987 zahlte V einen Gesamtbetrag von 1.520.529,33 DM auf dieses Konto ein. Entsprechend einer vertraglichen Vereinbarung vom 4. September 1986 verteilte der Notar in Ansehung von Abtretungen und Pfändungen den Betrag auf verschiedene Gläubiger. N erhielt davon per Überweisung vom 13. August 1987 wegen "Abrechnung Kto.: "X" lt. Abrechnung vom 28.08.1975" einen Gesamtbetrag von 770.363,67 DM, bestehend aus "448.793,47 DM zzgl. Zinsen per 10.08.87" = 321.570,20 DM. Ein weiterer Betrag von insgesamt 138.066,33 DM wurde von dem Beklagten (Finanzamt - FA -) nach einer Pfändung und Überweisung zur Tilgung von Umsatzsteuer BX und Einkommensteuer AX und BX, jeweils nebst Säumniszuschlägen, verwendet. Nach später gewonnenen Erkenntnissen des FA gelangte aus dem an N überwiesenen Betrag ein Betrag von 670.363,67 DM in den privaten Vermögensbereich der Familie X zurück (Einzelheiten dazu im Folgenden).
3.
In den Jahren 1987/1988 führte die Klägerin mit dem FA einen Schriftwechsel über Vorauszahlungen zur Einkommensteuer, der u.a. die an BX abgetretene Forderung der Klägerin gegen V und die Verteilung der Schadensersatzsumme betraf. Unter dem 24. November 1987 führte die Klägerin aus, die an BX abgetretene Forderung habe 446.974,09 DM zzgl. 12 % Zinsen betragen. Dieser Betrag sei verteilt worden an das FA i.H.v. 138.066,33 DM, an die ...-Bank ... i.H.v. 150.000,00 DM und der Restbetrag einschließlich Zinsen an N lt. Abtretung vom 22. August 1975. Die Klägerin legte den Abtretungsvertrag vom 23. September 1974 und das Urteil des Landgerichts ... vor. Mit dem an die Körperschaftsteuerstelle des FA gerichteten Schreiben vom 19. Januar 1988 stellte die Klägerin den Erhalt des Schadensersatzes nebst Zinsen und die Verteilung des Gesamtbetrags im Einzelnen dar. Unter Beifügung einer Kopie desÜberweisungsträgers ist u.a. aufgeführt, dass N einen Betrag von 448.793,47 DM und Zinsen von 312.570,20 DM erhalten habe. Ferner ist aufgeführt, dass BX am 23. September 1974 gegen die Klägerin eine Forderung i.H.v. 446.974,09 DM geltend gemacht habe. Entsprechende Angaben machten die Eheleute X in ihrer Einkommensteuersache; sie wandten sich gegen festgesetzte Vorauszahlungen mit dem Vorbringen, BX habe tatsächlich keine Beträge aus der Schadensersatzsumme erhalten, weil diese an verschiedene Gläubiger verteilt worden sei.
4.
Die Klägerin gab am 29. März 1989 Körperschaftsteuererklärungen für 1986 und 1987 ab. In einer Anlage ermittelte sie Verlustvorträge für 1982 bis 1986 wegen geschuldeter Zinsen. Die geschuldeten Zinsen wurden mit insgesamt 373.100,00 DM, davon N 155.000,00 DM, ermittelt. Für 1987 zog die Klägerin von dem Betrag aus Schadensersatz und Zinsen als Betriebsausgaben Zinsen i.H.v. insgesamt 50.400,00 DM, davon N 20.000,00 DM, und Notar- und Bankgebühren von 5.300,00 DM ab. Unter Berücksichtigung von Gewerbesteuerrückstellungen und dem Verlustvortrag von 373.100,00 DM ermittelte sie ein Einkommen von 903.899,33 DM. Für die Ermittlung des verwendbaren Eigenkapitals EK 04 ging die Klägerin zum 31. Dezember 1985 aus von einer "Einlage BX 446.974,00 DM durch Verrechnungskonto 1974. Dazu kommen weitere Beträge (vgl. Einkommensteuererklärung)". Ferner heißt es: "Es handelt sich jeweils um grobe Schätzungen. Der Konkurs der Firma ist 1977 beantragt und mangels Masse abgewiesen worden." Für das EK 04 zog die Klägerin für 1987 von der "Einlage" die Rückzahlung wegen Pfändung und Überweisung wegen Steuerforderungen (Einkommensteuer und Umsatzsteuer für BX) i.H.v. 138.066,00 DM ab.
Der Körperschaftsteuerbescheid für 1987 - mit Feststellung nach § 47 Abs. 2 KStG alter Fassung (a.F.) - vom 12. Juni 1989 beruhte auf den Angaben in der Steuererklärung und führte zu einer Körperschaftsteuer i.H.v. 506.178,00 DM. Der Bescheidüber die Feststellung gem. § 47 KStG a.F. vom selben Tag vollzog die Kürzung der "Einlage" nicht nach und wies unter EK 04 den Betrag von ./. 446.974,00 DM aus. Die an die Klägerin, vertreten durch ihren Liquidator AX, bekannt gegebenen Bescheide wurden bestandskräftig. Die Steuern wurden mangels finanzieller Mittel nicht gezahlt. Die Klägerin hatte darauf hingewiesen, dass das Amtsgericht ... den eigenen Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels einer die Verfahrenskosten deckenden Masse abgelehnt hatte und aus der Schadensersatzforderung gegen V keinerlei Zahlungen an sie selbst erfolgt sei.
Nachdem das FA unter dem 18. Oktober 1989 mitgeteilt hatte, dass gegen die Löschung der Klägerin in steuerlicher Hinsicht keine Bedenken bestünden, wurde diese am 11. Dezember 1989 im Handelsregister gelöscht.
5.
Bereits in früheren Einkommensteuererklärungen hatte BX geltend gemacht, aus privaten Mitteln Aufwendungen der Klägerin gezahlt zu haben, die das FA zunächst aber nicht einkommensmindernd berücksichtigte. Mit ihrem Einspruch und der Klage gegen die Steuerbescheide 1983 und 1984 machten die Eheleute X unter dem 29. März 1988 geltend, sie hätten aus privaten Mitteln Schulden der zahlungsunfähigen Klägerin gezahlt (Bürgschaft) und seien bei Zahlung der Beträge davon ausgegangen, die Gelder von der Klägerin wiederzuerlangen, wenn ein höherer Schadensersatzanspruch durchzusetzen gewesen wäre. Das sei aber nicht der Fall gewesen, sodass sie ihre Rückgriffsansprüche gegen die GmbH nicht hätten realisieren können. Das FA war der Auffassung, dass Verluste erst in 1987 zu berücksichtigen seien; eine Klage wurde zurückgenommen.
Im Rahmen der Festsetzungen von Vorauszahlungen für 1987 machen die Eheleute X - wie oben bereits ausgeführt - geltend, BX habe trotz einer Forderung gegen die Klägerin i.H.v. 446.974,09 DM zzgl. Zinsen keine Zahlungen aus der von V gezahlten Schadensersatzsumme erhalten.
Für die Veranlagung zur Einkommensteuer 1987 (Abgabe der Erklärung 24. November 1989) machten die Eheleute X als Verlust der BX aus der Beteiligung an der Klägerin (Liquidationsverlust) unter Beifügung einer Auflistung geltend, BX habe gegen die Klägerin Ansprüche i.H.v. insgesamt 1.005.924,68 DM. Unter Position 14 der Aufwendungen war unter "N" aufgeführt eine Hauptforderung lt. Anerkenntnis i.H.v. 33.100,18 DM und Zinsen auf die Hauptforderung i.H.v. 66.899,82 DM, insgesamt 100.000,00 DM. Als Ertrag aus der Beteiligung (Schadensersatzzahlung) gaben sie an "Zahlung über N 770.363,67 DM, Zahlung über Finanzamt 138.066,33 DM". Der errechnete Verlust i.H.v. 97.494,68 DM ging in den Steuerbescheid ein. Aus einem Vermerk des Sachbearbeiters des FA ergibt sich, dass auf die Ermittlung des genauen Liquidationsverlusts aus Zweckmäßigkeitsgründen (Steuer 0,00 DM, keine Nutzungsmöglichkeit bei höheren Verlusten) verzichtet worden war.
6.
Im Rahmen der Untersuchung gegen N erlangte die Staatsanwaltschaft ... im Dezember 1990 Kenntnis davon, dass N angegeben hatte, auf Betreiben des AX von den auf ein speziell dafür eingerichtetes Kontoüberwiesenen 770.360,67 DM sogleich einen Betrag von 670.363,67 DM auf ein neu eingerichtetes Konto der Tochter der Eheleute X, CX, überwiesen zu haben. Am 16. Januar 1991 leitete das FA für Fahndung und Strafsachen ... ein Ermittlungsverfahren gegen AX wegen des Verdachts von Steuerstraftaten ein; er wurde verdächtigt, durch unrichtige oder unvollständige Angaben gegenüber den Finanzbehörden neben Einkommensteuer und Gewerbesteuer auch Körperschaftsteuer 1987 hinterzogen zu haben. In einem Vermerk des FA für Fahndung und Strafsachen ... vom 22. Februar 1991 heißt es, der strafrechtliche Vorwurf richte sich in erster Linie dagegen, dass X als Liquidator der Klägerin angegeben habe, an N aufgrund näher benannter Verbindlichkeiten 770.363,67 DM überwiesen zu haben, obwohl N nur 100.000,00 DM erhalten hatte, und deshalb bei der Körperschaftsteuer Zinsen gewinnmindernd berücksichtigt worden seien.
Bis heute ist das Strafverfahren nicht abgeschlossen.
aufgrund der Erkenntnisse aus den gegen N geführten Untersuchungen wurde das FA für Fahndung und Strafsachen ... tätig und klärte den Sachverhalt weiter auf. Es stellte sich heraus, dass nach einer Vereinbarung zwischen N und der Klägerin dessen gesamte Ansprüche mit einer Zahlung von 100.000,00 DM, davon Hauptforderung 32.425,46 DM und 67.574,54 DM Zinsen, abgegolten sein sollten. Deshalb hatte N sogleich nach Erhalt des Betrages von 770.363,67 DM einen Betrag von 670.363,67 DM auf ein am 13. August 1987 von AX auf den Namen seiner Tochter CX bei der ...-Bank eingerichtetes "Abrechnungskonto"überwiesen. Von diesem Betrag überwies AX als Generalbevollmächtigter seiner Tochter einen Betrag auf ein weiteres, ebenfalls von ihm auf den Namen seiner Tochter eingerichtetes "Privatkonto" bei der selben Bank.
7.
Unter dem 30. März 1994 erließ das FA gegen die Klägerin nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderte Steuerbescheide. Dabei erkannte es die an N gezahlten Zinsen i.H.v. 67.574,54 DM allerdings nicht als Betriebsausgaben bzw. Verlustvortrag an. Diese Änderung führte zu einer Steuerschuld von nunmehr 598.483,00 DM. Die Bescheide waren adressiert an "Herrn AX als Liquidator, ...Straße, ...Ort" als Empfangsbevollmächtigter für "Firma AX GmbH i.L., ...Straße, ...Ort".
8.
Die Klägerin, vertreten durch den Prozessbevollmächtigten, legte gegen dieÄnderungsbescheide Einspruch ein. Da AX bei Bekanntgabe der Änderungsbescheide nicht Nachtragsliquidator gewesen sei, seien die Bescheide unwirksam. Sie machte ferner Festsetzungsverjährung geltend. Ferner trug sie vor, der der Familie X zugeflossene Betrag i.H.v. ca. 670.000,00 DM sei in deren Einkommensteuererklärung angegeben worden. Der Betrag habe BX wegen der Klägerin gewährter Darlehen und wegen Zinsansprüchen daraus in erheblicher Höhe zugestanden, weshalb die Schadensersatzforderung gegen V an BX in vollem Umfang abgetreten worden sei. N mache neben den ca. 68.000,00 DM weitere Zinsen geltend. Zudem seien weitere Betriebsausgaben zu Gunsten von BX i.H.v. 129.614,37 DM zu berücksichtigen, die bislang bei der Einkommensteuer 1987 steuermindernd berücksichtigt worden seien.
In dem den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ablehnenden Bescheid vom 14. Oktober 1994 vertrat das FA erstmals die Auffassung, die Globalabtretung der Schadensersatzansprüche nebst Zinsen gegen V an BX vom 23. September 1974 sei sittenwidrig und damit unwirksam, die Folgeabtretungen seien nichtig. Deshalb stelle die Verteilung der Schadensersatzsumme an verschiedene Gläubiger außer dem FA eine Veruntreuung des AX zu Lasten der Klägerin dar. An BX möglicherweise gezahlte Zinsen seien steuerlich nicht als Betriebsausgaben abzuziehen, weil zwischen dieser und der Klägerin kein wie unter Fremden übliches Darlehensverhältnis bestanden habe und abgewickelt worden sei. In der Einkommensteuererklärung 1987 seien keine Zinserträge erklärt worden. Hinsichtlich des Gesamtbetrags abzüglich der an N gezahlten 100.000,00 DM sei die Ausschüttungsbelastung herzustellen. Zugleich erging ein Hinweis auf Verböserung für das Einspruchsverfahren.
Am 21. Juni 1995 ordnete das Amtsgericht ... die Nachtragsliquidation an und bestellte AX zum Nachtragsliquidator; am 5. Juli 1995 erfolge die Eintragung im Handelsregister.
9.
Mit Einspruchsbescheid vom 25. August 1995 entschied das FA über die Einsprüche "gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1987 vom 30.03.1994 und gegen die gesonderten Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen gem. § 47 KStG zum 31.12.1987 vom 30.03.1994". Das FA setzte die Körperschaftsteuer auf 799.040,00 DM herauf, setzte das Einkommen und die Tarifbelastung sowie das verwendbare Eigenkapital neu fest und wies den Einspruch zurück. Es zog für den Sach- und Streitstand im Wesentlichen die inzwischen ergangene Verurteilung des AX durch das (Straf)...gericht ... heran. Für die nunmehrige Festsetzung der Körperschaftsteuer erkannte das FA den rechnerischen Zinsanteil N mit 67.574,00 DM als Betriebsausgaben an, die Verlustabzüge blieben um den erklärten Zinsanteil N gekürzt. Ein Betrag von 1.420.529,00 DM (Schadensersatzsumme abzüglich 100.000,00 DM an N) sah das FA als andere Ausschüttung an und stellte insoweit die Ausschüttungsbelastung her.
Zur Begründung führte das FA an: DerÄnderungsbescheid über Körperschaftsteuer vom 30. März 1994 sei nicht nichtig, weil die Klägerin für die Erfüllung steuerlichen Pflichten auch nach Löschung im Handelsregister als fortbestehend angesehen werde. Zwar liege wegen Fehlens eines Nachtragsliquidators ein Bekanntgabemangel vor, dieser führe aber nicht zur Nichtigkeit des Bescheids. AX habe als früherer Liquidator mit Einlegung des Einspruchs den Anschein erweckt, dass er die Klägerin weiter vertrete. Er habe als Vertreter einen Bevollmächtigten beauftragt und nicht zu erkennen gegeben, dass er die Klägerin nicht vertrete. Eine nachträgliche Genehmigung der fehlerhaften Bekanntgabe sei möglich. Der zwischenzeitlich als Nachtragsliquidator bestellte AX habe seine Vertretungsbefugnis niemals bestritten, sodass ein entsprechender Sachverhalt wohl gegeben sei. Ein nicht zur Nichtigkeit führender Bekanntgabemangel könne durch die ordnungsmäßige Zustellung einer Einspruchsentscheidung geheilt werden, die nun vorgenommen werde. Im Übrigen erfolge eine neue, völlig geänderte Steuerfestsetzung.
Es könne nach dem Vorbringen der Klägerin und der Aktenlage nicht von bestehenden Darlehensansprüchen der BX gegenüber der Klägerin ausgegangen werden, die im Einspruchsverfahren den geltend gemachten Zinsabzug rechtfertigten. Verträge seien nicht vorgelegt worden. Die Abtretungserklärungen seien zivilrechtlich unwirksam. Soweit auf die in der Bilanz zum 31. Dezember 1975 ausgewiesenen Darlehen abgestellt werde, seien die ausgewiesenen Beträge und insbesondere ein Geldfluss nicht belegt. Es bedürfe im Streitfall aber zur Vermeidung von vGA klarer und eindeutiger Vereinbarungen und der tatsächlichen Durchführung dieser Vereinbarungen. Das FA folge insoweit den Ausführungen des (Straf)...gerichts .... Ein etwaiges Darlehensverhältnis sei zudem nicht durchgeführt worden, weil die angebliche Rückzahlung von ca. 670.000,00 DM auf das Konto der CX gelangt sei, die unstreitig keinen Anspruch gehabt habe. Wie sich im Strafverfahren ergeben habe, sei die Zahlung über N nur erfolgt, um einen Teil der Schadensersatzsumme den Finanzbehörden zu entziehen. Erst als das Thema N aufgeklärt worden sei, seien Darlehensansprüche der BX und entsprechende Zinszahlungen geltend gemacht worden. Vor diesem Hintergrund sei auf dem eindeutigen Nachweis von Zinszahlungen an BX zu bestehen. Abgesehen davon seien gewinnmindernde Zinszahlungen als vGA zu behandeln, weil die Beträge im Hinblick auf vorrangige Gläubiger nicht an BX hätten ausgekehrt werden dürfen. Weitere Zinsansprüche an N und Ansprüche der BX seien nicht belegt. Die gesamte Schadensersatzsumme - mit Ausnahme von 100.000,00 DM - habe AX in seinem Sinne verteilt, unter anderem auch an Personen, die ihm und seiner Familie nahe stünden. Deshalb sei dieser Betrag eine andere Ausschüttung im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes.
10.
Die Klägerin hat bereits am 11. Juli 1995 Klage gegen die Steuerbescheide vom 30. März 1994 erhoben; sie begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit, hilfsweise die Aufhebung der Bescheide.
Am 10. November 2004 haben die Beteiligtenübereinstimmend zu Protokoll des Gerichts die Klage gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1987, die Feststellung nach § 47 Abs. 2 KStG a.F. und die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gem. § 47 Abs. 1 KStG a.F. zum 31. Dezember 1987 vom 30. März 1994 für in der Hauptsache erledigt erklärt, denn die Beteiligten gehen nunmehr übereinstimmend von der Unwirksamkeit dieser Bescheide wegen Bekanntgabemangels aus.
Die Klägerin trägt vor: Der Einspruchsbescheid vom 25. August 1995 sei wie der Bescheid vom 30. März 1994 unwirksam. Gegen letztgenannten Bescheid habe wegen Handlungsunfähigkeit der Klägerin nicht wirksam Einspruch eingelegt werden können. Somit sei mit dem Einspruchsbescheid vom 25. August 1995 nichtüber einen wirksamen Einspruch entschieden worden. Als erstmalige Steuer-(Änderungs-)Festsetzung komme der Einspruchsbescheid nicht in Betracht, weil die im Tenor enthaltenen Feststellungen unwirksam seien. Der mit Einspruchsbescheid durch Verböserung vorgenommenen Steuerfestsetzung fehle ein wirksamer Anknüpfungspunkt, nämlich die Steuerfestsetzung vom 30. März 1994.
Abgesehen davon wahre der Einspruchsbescheid die Festsetzungsverjährungsfrist nicht, denn diese sei am 31. Dezember 1993 abgelaufen. Das FA habe unterlassen, rechtzeitig wirksame Unterbrechungshandlungen vorzunehmen.
Eine zehnjährige Festsetzungsverjährungsfrist sei im zu entscheidenden Fall nicht anzunehmen, weil eine Steuerhinterziehung durch AX nicht vorliege. Die strafrechtliche Verurteilung vom ... sei für das Finanzgericht nicht maßgebend. Maßgebend für das Verhalten des AX sei vielmehr die Verurteilung der V zur Auszahlung an BX. Daher habe AX eine Steuerhinterziehung nicht dadurch begehen können, dass er die Schadensersatzsumme verteilt oder die Verteilung durch den Notar veranlasst habe. Wegen des Komplexes N liege eine Steuerhinterziehung nicht vor, weil die ursprünglich als Betriebsausgaben anerkannten "Zinsen N" gegen "Zinsen BX" zu ersetzen seien und daher unzutreffende Angaben in der Körperschaftsteuererklärung keine Auswirkungen auf die Höhe der Steuer hätten. Die Forderungen der BX i.H.v. mindestens 446.974,09 DM, richtig über 1 Mio. DM, seien dem FA seit Januar 1988 bekannt. In der Einkommensteuererklärung der Eheleute X sei der Geldfluss über N korrekt angegeben worden. Auch von daher sei nicht von einer Steuerhinterziehung zu Gunsten der Klägerin auszugehen, denn der "über N" an BX gelangte Betrag sei statt bei der Körperschaftsteuer bei der Einkommensteuer der Eheleute X angegeben und der Besteuerung unterworfen worden.
Im Übrigen lägen die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht vor. Das FA habe bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer die Einkommensteuererklärung beiziehen müssen, auf die ausdrücklich verwiesen worden sei. Dort seien richtige Angaben gemacht worden. Außerdem würden neue Tatsachen nicht zu einer höheren Steuer führen. Die Klägerin sei nicht gehindert, statt der an N gezahlten Zinsen nunmehr an BX gezahlte Zinsen geltend zu machen. Der Austausch der Besteuerungsgrundlagen sei rechtmäßig. Die von BX an die Klägerin gegebenen Darlehen seien nachgewiesen; auf diese Darlehen stelle auch das Urteil des Landgerichts ... ab. Eine vGA wegen Zinszahlungen könne nicht angenommen werden. Auch wenn man hinsichtlich der Zinsen N von einer unrichtigen Angabe in der Steuererklärung ausgehe, sei insgesamt keine höhere Steuer festzusetzen, denn bei derÄnderungsbefugnis nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO seien frühere Fehler in der Steuerfestsetzung - hier Zahlungen an BX - über § 177 AO zu korrigieren. Die Klägerin legt Unterlagen vor, die die Darlehn belegen sollen.
Eine vGA bzw. eine andere Ausschüttung durch Verteilung der Schadensersatzsumme an verschiedene Gläubiger liege schon deshalb nicht vor, weil die Begleichung von Schulden aus dem Gesellschaftsvermögen keinen Einfluss auf die Höhe des Einkommens der Gesellschaft habe. Auf keinen Fall sei die vGA bzw. andere Ausschüttung so hoch, dass es wegen der Herstellung der Ausschüttungsbelastung zu einer höheren als der ursprünglich mit 506.178,00 DM bestandskräftig festgesetzten Steuer kommen könne.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass der Einspruchsbescheid vom 25. August 1995 unwirksam ist,
hilfsweise,
diesen Bescheid aufzuheben.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es verweist auf die Begründung des Einspruchsbescheids und trägt ergänzend vor, erst im Verfahren vor dem (Straf)...gericht ... sei der wahre Sachverhalt zum Komplex N und zum Komplex Verteilung der Schadensersatzsumme aufgedeckt worden. Erst am 15. März 1994 seien die Ermittlungshandlungen der Steuerfahndung abgeschlossen gewesen. Soweit das FA vor Ergehen des (Straf-)Urteils vom ... seinen Bescheiden und sonstigen Maßnahmen einen anderen Sachverhalt zu Grunde gelegt habe, müsse es sich daran nicht festhalten lassen.
Der Einspruchsbescheid vom 25. August 1995 sei als Erstbescheid wirksam. Dieser setze eine höhere Steuer fest. Die reguläre Festsetzungsverjährungsfrist sei mit der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen und Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen AX am 16. Januar 1991 unterbrochen worden. Zunächst hätten sich die Ermittlungen nur auf den Komplex N bezogen, kurze Zeit später aber auch auf den Komplex Verteilung der Schadensersatzsumme, sodass hinsichtlich beider Streitpunkte die Verjährung unterbrochen worden sei. Wegen Vorliegens einer Steuerhinterziehung betrage die Festsetzungsverjährungsfrist überdies zehn Jahre und sei bei Erlass des streitigen Einspruchsbescheids nicht abgelaufen gewesen. Für die Annahme der Steuerhinterziehung sei die unrichtige Angabe in der Steuererklärung entscheidend, wonach N ca. 770.000,00 DM, darin als Betriebsausgabe anzuerkennende Zinsen, erhalten habe. Ein weiterer Grund für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung sei in den Angaben unter anderem im Schreiben vom 19. Januar 1988 zu sehen. Dort sei die Verteilung der Schadensersatzsumme aufgeführt und unzutreffend ausgeführt, N habe eine bevorrechtigte Forderung von ca. 770.000,00 DM gehabt. Dadurch sei dem FA die Möglichkeit genommen gewesen, den Sachverhalt "Schadensersatzzahlung V" umfassend und zutreffend zu würdigen. Die richtige Angabe über die Verteilung des Betrags hätte das FA in den Stand versetzt, die Untreue und dem folgend die andere Ausschüttung im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes zu erkennen. Schließlich sei die ursprünglich festgesetzte Steuer i.H.v. 506.178,00 DM in der Form der Verhinderung der Vollstreckung hinterzogen, denn durch die ständigen unrichtigen Auskünfte über die Vermögenslage der Klägerin habe das FA die Vollstreckung nicht hinreichend betreiben können.
Zahlungen an BX seien in keiner Weise steuerlich zu berücksichtigen. Es werde bestritten, dass esüberhaupt Darlehensverträge zwischen BX und der Klägerin gegeben und, falls es sie gegeben habe, diese Vereinbarungen tatsächlich durchgeführt worden seien. Deshalb sei, wie im Einspruchsbescheid geschehen, von einer anderen Ausschüttung in der dort genannten Höhe auszugehen
Entscheidungsgründe
(gekürzt)
A.
Nachdem die Beteiligten das Klageverfahren insoweit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, als es die Bescheide vom 30. März 1994 betraf, ist unabhängig von dem tatsächlichen Eintritt der Erledigung die Rechtshängigkeit beendet. Die Klage richtet sich nicht mehr gegen die Bescheide vom 30. März 1994. Gegenstand der Klage ist allein noch der Einspruchsbescheid vom 25. August 1995.
B.
Die Klage kann mit dem in der mündlichen Verhandlung am 10. November 2004 gestellten Hauptantrag keinen Erfolg haben.
I.
Die Klage ist zulässig.
1.
Die nach Löschung im Handelsregister nicht mehr existierende Klägerin wird für Zwecke der Besteuerung als fortbestehend betrachtet und ist gem. § 57 Nr. 2 FGO Beteiligte. Sie wird gem. § 58 Abs. 2 FGO von ihrem nach der Löschung bestellten Nachtragsliquidator AX vertreten (vgl. BFH-Beschluss vom 12. Januar 1995 VIII B 43/94, BFH/NV 1995, 759; BFH-Urteil vom 27. April 2000 I R 65/98, BFHE 191, 494, BStBl II 2000, 500, jeweils mit weiteren Nachweisen).
2.
Das Rechtsschutzinteresse an einer streitigen Entscheidung besteht weiterhin. Das Gericht hat mit Urteil vom selben Tage im Verfahren 6 K 547/98 (Anm.: ebenfalls veröffentlicht) entschieden, dass am 31. Dezember 1994 hinsichtlich der hier streitigen Körperschaftsteuer 1987 für einen Betrag i.H.v. 506.178,00 DM Zahlungsverjährung eingetreten ist. Mit Eintritt der Zahlungsverjährung erlöschen zwar gem. § 232 AO die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis; ein Rechtsstreit über die Steuerfestsetzung erledigt sich in der Hauptsache (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 26. April 1990 V R 90/87, BFHE 160, 348, BStBl II 1990, 802; BFH-Beschluss vom 25. März 1993 V B 73/92, BFH/NV 1994, 437; BFH-Urteil vom 19. November 2003 VII R 5/02, BFH/NV 2004, 1057). Ist im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung der Steueranspruch verjährt, fehlt daher das Rechtsschutzinteresse an einer streitigen Entscheidung. Das gilt aber nicht, wenn gerade - wie im Verfahren 6 K 547/98 - um den Eintritt der Zahlungsverjährung gestritten wird. Beruft sich das FA auf das Bestehen der Steueransprüche und macht der Steuerpflichtige dagegen Zahlungsverjährung geltend, ist der Steuerpflichtige weiter beschwert und hat ein Rechtsschutzinteresse an der gerichtlichen Klärung der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung (vgl. BFH-Urteil vom 24. April 1996 II R 37/93, BFH/NV 1996, 865 m.w.N.; siehe auch Pahlke/Koenig Abgabenordnung § 232 Rz. 3). Abgesehen davon betrifft die Zahlungsverjährung nur einen Teilbetrag der hier streitigen Steuer.
3.
Die Klage ist als Feststellungsklage gem. § 41 Abs. 1, 2. Alternative FGO zulässig, denn der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit bzw. Unwirksamkeit des Einspruchsbescheids vom 25. August 1995 ist aus Sicht der Klägerin als Folge der von den Beteiligten angenommenen Unwirksamkeit des Bescheids vom 30. März 1994 und nach diesbezüglicher Hauptsacheerledigungserklärung konsequent. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit, denn - wie noch auszuführen sein wird - der Einspruchsbescheid entfaltet Rechtswirkungen, die die Klägerin durch die Feststellung der Unwirksamkeit zu beseitigen sucht. Die Klage ist ohne Abschluss eines Vorverfahrens und ohne Einhaltung einer Klagefrist zulässig.
II.
Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag nicht begründet. Der Einspruchsbescheid vom 25. August 1995 ist nicht unwirksam.
1.
Der Einspruchsbescheid vom 25. August 1995 ist wirksam, weil die Klägerin im Zeitpunkt des Erlasses durch den Nachtragsliquidator AX vertreten war und der Bescheid ordnungsgemäß an den Bevollmächtigten bekannt gegeben wurde.
2.
Das Gericht folgt nicht der Auffassung der Klägerin, der Einspruchsbescheid sei unwirksam, weil sie gegen den unwirksamen Bescheid vom 30. März 1994 nicht wirksam Einspruch eingelegt habe und der Einspruchsbescheid, der über einen nicht eingelegten Einspruch befinde, aus diesem Grund ins Leere gehe, zudem bei einer Verböserung keinen wirksamen Anknüpfungspunkt habe und deshalb keine Rechtswirkungen entfalte. Die Auffassung der Klägerin ist nicht mit der Rechtsprechung des BFH, der sich das Gericht anschließt, vereinbar.
a)
Der Änderungsbescheid vom 30. März 1994 ist - wovon auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen - unwirksam. Das Gericht ist allerdings nicht an diese Beurteilung durch die Beteiligten und die Erklärung des Klageverfahrens insoweit für in der Hauptsache erledigt gebunden, sondern trifft insoweit eine eigene Entscheidung.
aa)
Mit ihrer Löschung im Handelsregister am 11. Dezember 1989 bestand die Klägerin nicht mehr; damit erlosch auch eine gesetzliche Vertretung. Eine gewillkürte Vertretung durch einen Bevollmächtigten bestand unstreitig zu diesem Zeitpunkt nicht mehr.
Gleichwohl wird eine Körperschaft wie die Klägerin für steuerliche Zwecke als fortbestehend betrachtet, wenn - wie im zu entscheidenden Fall - noch steuerliche Pflichten zu erfüllen sind. Sie ist allerdings ohne eine Vertretung durch ein vertretungsberechtigtes Organ handlungsunfähig und kann keine aktiven und passiven Verfahrenshandlungen vornehmen. Die Entgegennahme eines Steuerbescheids ist eine passive Verfahrenshandlung (ganz herrschende Meinung; vgl. Pahlke/Koenig Abgabenordnung § 79 Rz. 44 unter Hinweis auf BFH-Urteil vom 16. April 1997 XI R 61/94, BFHE 183, 13, BStBl II 1997, 595). Soll nach Löschung einer Körperschaft eine Verfahrenshandlung vorgenommen werden, muss zuvor ein Nachtragsliquidator als gesetzlicher Vertreter bestellt werden (BFH-Beschluss vom 18. Februar 1993 X B 165/92, BFH/NV 1994, 214; BFH-Beschluss vom 12. Januar 1995 VIII B 43/94, BFH/NV 1995, 759, jeweils mit weiteren Nachweisen). Die Handlungsfähigkeit muss im Zeitpunkt der Vornahme der Verfahrenshandlung bestehen. Von einer oder gegen eine handlungsunfähige Person vorgenommene Verfahrenshandlungen sind unwirksam.
Der Bescheid vom 30. März 1994 war an die Klägerin, vertreten durch ihren Liquidator AX, gerichtet. Dieser war seinerzeit noch nicht als Nachtragsliquidator bestellt worden. Er konnte den Bescheid für die Klägerin nicht mit Rechtswirkungen entgegen nehmen. Mangels Bekanntgabe ist der Bescheid unwirksam.
bb)
Die Unwirksamkeit ist nicht deshalb unbeachtlich oder geheilt, weil AX möglicherweise dem FA gegenüber als Nachtragsliquidator aufgetreten ist oder das FA von seiner Bestellung ausging. Die Handlungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen bzw. hier die Bestellung eines Nachtragsliquidators für eine gelöschte Körperschaft ist von Amts wegen zu prüfen. Für die Rechtsfolge der Unwirksamkeit ist die Kenntnis des FA von der Handlungsunfähigkeit des Steuerpflichtigen nicht maßgebend.
cc)
Eine mögliche Heilung des Bekanntgabemangels durch Genehmigung des Nachtragsliquidators (vgl. dazu BFH-Urteil vom 18. Oktober 1988 VII R 123/85, BFHE 154, 446, BStBl II 1989, 76) kommt hier nicht in Betracht, denn AX hat weder ausdrücklich noch konkludent die Bekanntgabe des Bescheids genehmigt. Er hat vielmehr stets auf die Unwirksamkeit des Bescheids mangels Bestellung eines Nachtragsliquidators hingewiesen.
dd)
Eine Heilung der Unwirksamkeit ist nicht durch den Erlass des Einspruchsbescheids vom 25. August 1995 eingetreten. Zwar war AX seit dem 21. Juni 1995 als Nachtragsliquidator bestellt und der Einspruchsbescheid war wegen ordnungsgemäßer Bekanntgabe an die Klägerin, vertreten durch AX, bzw. an den inzwischen bestellten Bevollmächtigten wirksam. Eine Heilung auf den Zeitpunkt des Erlasses des unwirksamen Bescheids vom 30. März 1994 mit der Folge, dass dieser nunmehr als wirksam zu betrachten ist, ist aber ausgeschlossen.
Der BFH hat wiederholt entschieden, dass der in der fehlerhaften Bekanntgabe eines Steuerbescheids liegende Mangel, der die Unwirksamkeit des Bescheids bewirke, durch fehlerfreie Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geheilt werden könne mit der Folge, dass der ursprüngliche - unwirksame - Verwaltungsakt nur in der Gestalt der - wirksamen - Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf vom Gericht auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen sei; das gelte allerdings nicht, wenn der Einspruch als unzulässig verworfen werde (ständige Rechtsprechung; grundlegend BFH-Urteil vom 14. November 1990 II R 255/85, BFHE 162, 380, BStBl II 1991, 49; BFH-Urteil vom 25. Januar 1994 VIII R 45/92, BFHE 173, 213, BStBl II 1994, 603; BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 120/85, BFH/NV 1992, 73; offen gelassen BFH-Urteil vom 11. Dezember 1985 I R 352/83, BFH/NV 1986, 644, jeweils mit weiteren Nachweisen). In den Entscheidungen des BFH lagen die Bekanntgabemängel zumeist darin, dass der Steuerbescheid nur einem von mehreren Inhaltsadressaten oder einer anderen Person als dem materiell-rechtlichen richtigen Inhaltsadressaten bekannt gegeben und daher unwirksam war. Der BFH sah die ordnungsgemäße Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung als Heilung des Bekanntgabemangels an (so grundlegend BFH-Urteil vom 14. November 1990 II R 255/85, BFHE 162, 380, BStBl II 1991, 49). Das Urteil vom 26. März 1991 VIII R 210/95, BFH/NV 1992, 73 verneint dagegen eine Heilung, wenn erst durch die Einspruchsentscheidung der die Nichtigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes begründende Inhaltsmangel wie die mangelnde Bestimmtheit eines Steuerbescheids beseitigt werden soll. Mit letzterer Fallkonstellation ist der zu entscheidende Fall nicht vergleichbar. Hier geht es darum, dass der inhaltlich bestimmte Steuerbescheid gegenüber einem handlungsunfähigen Steuerpflichtigen, d.h. überhaupt nicht bekannt gegeben wurde. Der Bescheid vom 30. März 1994 ist als Nichtakt zu betrachten. Das Gericht kann an dieser Stelle indes offen lassen, ob hier die die Wirksamkeit begründende fehlende Bekanntgabe des Bescheids vom 30. März 1994 im Sinne der Rechtsprechung des BFH überhaupt geheilt werden kann mit der Folge, dass der Bescheid ex tunc Wirksamkeit entfaltet. Der BFH geht nämlich davon aus, dass in den Fällen der Heilung der Einspruchsbescheid die erstmalige Steuerfestsetzung darstellt (ausdrücklich BFH-Urteil vom 14. November 1990 II R 255/85, BFHE 162, 380, BStBl II 1991, 49). Das gilt auch dann, wenn mit dem Einspruchsbescheid eine Steuer gegenüber dem unwirksamen Bescheid anderweitig festgesetzt wird, er etwa den unwirksamen Bescheid gem. § 129 AO berichtigt (so BFH-Urteil vom 11. Dezember 1985 I R 352/83, BFH/NV 1986, 644). Eine Heilung kann daher nur ex nunc eintreten. Die Kommentarliteratur folgt dieser Rechtsprechung. Eine Heilung ex tunc ist auch deshalb abzulehnen, weil mit einer solchen Rückwirkung Fristen wie z.B. die Festsetzungsverjährungsfrist unterlaufen werden könnten.
b)
Die Klägerin hat gegen den unwirksamen Bescheid vom 30. März 1994 wirksam Einspruch eingelegt. Will sich der Steuerpflichtige gegen einen seiner Meinung nach unwirksamen Steuerbescheid wenden, sind sein Einspruch und der Einspruchsbescheid nicht deshalb unwirksam, weil sich später die Unwirksamkeit des Ausgangsbescheids bestätigt. Die Rechtsprechung des BFH betrifft gerade die Fälle, in denen im Klageverfahren um die Unwirksamkeit des Ausgangsbescheids gestritten wird. Es ist zudem allgemein anerkannt, dass sich ein Steuerpflichtiger gegen den seiner Meinung nach nichtigen oder sonst unwirksamen Verwaltungsakt wehren kann und sein Einspruch bzw. seine Klage bei erkannter Unwirksamkeit in der Sache entschieden werden muss; die Finanzbehörde bzw. das Gericht darf den Einspruch nicht mangels Rechtsschutzinteresses als unzulässig zurück- bzw. abweisen; § 125 Abs. 5 AO, §§ 40, 41 Abs. 2 Satz 2 FGO enthalten Bestimmungen zur Beseitigung eines von einem unwirksamen Verwaltungsakt ausgehenden Rechtsscheins (vgl. dazu z.B. Pahlke/Koenig Abgabenordnung § 125 Rz. 42 ff. mit weiteren Nachweisen).
Zwar war die Klägerin bei Einlegung des Einspruchs durch den Bevollmächtigten am 8. April 1994 noch nicht gesetzlich vertreten und war damit handlungsunfähig. Sie konnte deshalb auch keinen Bevollmächtigten bestellen. Der Einspruch wurde aber nach Bestellung des Nachtragsliquidators am 21. Juni 1995 aufrecht erhalten. Mit Schriftsatz vom 23. Juni 1995 forderte der Bevollmächtigte das FA ausdrücklich "im Auftrag des Nachtragsliquidators, Herrn AX" auf, die Nichtigkeit u.a. des streitigen Bescheides festzustellen. Es ist nach diesem Schriftsatz und nach dem gesamten Verhalten des AX und seines Bevollmächtigten davon auszugehen, dass der Nachtragsliquidator den Bevollmächtigten zur Vertretung der Klägerin bestellt und den Einspruch genehmigt hat.
c)
Der Einspruchsbescheid ist auch nicht im Hinblick auf seinen Inhalt unwirksam. Er enthält gegenüber dem Bescheid vom 30. März 1994 eine Verböserung, indem er die Steuer von 598.483,00 DM auf 799.040,00 DM heraufsetzt. Der Klägerin ist zwar darin zuzustimmen, dass die Verböserung keine wirksame betragsmäßige Anknüpfung hat. Der Einspruchsbescheid betrifft aber nicht allein den Teil der Steuer, in deren Umfang die Verböserung ausgesprochen, die Steuer also höher festgesetzt wird. Die Finanzbehörde prüft vielmehr gem. § 367 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO die Sache in vollem Umfang und darf den angegriffenen Steuerbescheid auch zum Nachteil des Steuerpflichtigen ändern. Damit behandelt der Einspruchsbescheid den gesamten Steueranspruch vollumfänglich. Im zu entscheidenden Fall werden die Besteuerungsgrundlagen im Einzelnen nachvollziehbar dargestellt, die Steuer wird betragsmäßig festgesetzt. Gegen die inhaltliche Bestimmtheit bestehen keine Bedenken.
Das Gericht sieht den Einspruchsbescheid vom 25. August 1995 als nach dem ursprünglichen Bescheid vom 12. Juni 1989 erstmalige Steuer-(Änderungs-)Festsetzung an. Es folgt damit der oben dargestellten Rechtsprechung des BFH, nach der ein wirksamer Einspruchsbescheid gegenüber dem angegriffenen unwirksamen Bescheid eine erstmalige Steuerfestsetzung darstellt. Die oben offen gelassene Frage, ob überhaupt eine Heilung des zur Unwirksamkeit führenden Mangels eintreten kann, wird nunmehr bejaht. Der hierzu entscheidende Fall ist denen der BFH-Rechtsprechung vergleichbar, in denen ein Steuerbescheid nicht an den richtigen oder nicht an alle Inhaltsadressaten bekannt gegeben wurde (BFH-Urteil vom 14. November 1990 II R 255/85, BFHE 162, 380, BStBl II 1991, 49: Bekanntgabe an Testamentsvollstrecker statt an Steuerschuldner; BFH-Urteil vom 11. Dezember 1985 I R 352/83, BFH/NV 1986, 644: Bekanntgabe eines Einkommensteuerbescheids nur an einen Ehegatten, offen gelassen). Im Fall der Klägerin ist der streitige Bescheid an eine handlungsunfähige Person gerichtet und ihrem früheren Liquidator bekannt gegeben worden. AX war somit über den Inhalt des Steuerbescheids informiert und konnte sich - wie geschehen - mit dem Inhalt sachlich auseinander setzen. Anders als in dem dem BFH-Urteil vom 26. März 1991 VIII R 210/85, BFH/NV 1992, 73 zu Grunde liegenden Fall wird hier nicht mit der Einspruchsentscheidung erstmals eine inhaltliche Bestimmtheit hergestellt. Daher erscheint im zu entscheidenden Fall die Annahme der Heilung in Gestalt einer erstmaligen (Änderungs-)Festsetzung sachgerecht.
3.
Andere Gründe für eine Unwirksamkeit des Einspruchsbescheids sind weder von den Beteiligten vorgetragen noch sonst ersichtlich.
C.
Die Klage hat mit ihrem Hilfsantrag Erfolg.
I.
Die Klage ist zulässig.
1.
Mit ihrem Klageschriftsatz hat die Klägerin hilfsweise beantragt, die Steuerbescheide vom 30. März 1994 aufzuheben. Nach Erlass des Einspruchsbescheids vom 25. August 1995 wird die am 11. Juli 1995 erhobene Untätigkeitsklage als normales Klageverfahren fortgeführt. Soweit die Klägerin ursprünglich begehrt hat, die Bescheide vom 30. März 1994 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 25. August 1995 aufzuheben, bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage. Zum einen ist es zulässig, gegen für unwirksam gehaltene Bescheide statt einer Nichtigkeitsfeststellungsklage die Anfechtungsklage zu erheben. Zum anderen ist gem. § 44 Abs. 2 FGO Gegenstand der Anfechtungsklage nach einem Vorverfahren der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Einspruchsentscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat.
2.
Nachdem die Klage insoweit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, als dies die Aufhebung der Steuerbescheide vom 30. März 1994 betrifft, begehrt die Klägerin nur noch die Aufhebung des Einspruchsbescheids vom 25. August 1995. Entfällt der ursprüngliche Steuerbescheid etwa wegen seiner Aufhebung als Gegenstand der Klage, führt regelmäßig die nunmehr allein auf Aufhebung der Einspruchsentscheidung gerichtete Klage zur Abweisung durch Prozessurteil. Nur ausnahmsweise bildet in Anfechtungssachen die Rechtsbehelfsentscheidung den alleinigen Verfahrensgegenstand für eine entsprechende Sachentscheidung. Dies ist der Fall, wenn die Rechtsbehelfsentscheidung eine selbstständige Beschwer enthält, die ein berechtigtes Interesse des Betroffenen an der alleinigen Aufhebung der Rechtsbehelfsentscheidung begründet (allgemeine Meinung und ständige Rechtsprechung, vgl. Gräber, FGO, § 44 Rdz. 36 mit weiteren Nachweisen).
Im zu entscheidenden Fall enthält der Einspruchsbescheid vom 25. August 1995 eine selbstständige Beschwer für die Klägerin, denn - wie oben ausgeführt - stellt die Einspruchsentscheidung die erstmalig wirksame Steuer-(Änderungs-)Festsetzung nach der ursprünglichen Festsetzung der Körperschaftsteuer 1987 vom 12. Juni 1989 dar. Dasselbe gilt für die Feststellung gem. § 47 KStG a.F. und der Feststellung gem. § 47 Abs. 2 KStG a.F. Letztgenannte Feststellung ist zwar nicht ausdrücklich in den Tenor der Einspruchsentscheidung aufgenommen worden, hierzu ist aber in den Gründen ausdrücklich in der Sache entschieden.
3.
Auch wenn die Einspruchsentscheidung hier als erstmalige geänderte Steuerfestsetzung anzusehen ist, ist in solchen Fällen die (nochmalige) Durchführung eines Einspruchsverfahrens gem. § 44 FGO entbehrlich (BFH-Urteil vom 14. November 1990 II R 255/85, BFHE 162, 380, BStBl II 1991, 49).
4.
Weitere Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage sind von den Beteiligten nicht vorgetragen worden; sie sind auch nicht anderweitig ersichtlich. Im Übrigen wird auf die Ausführungen unter B I 1, 2 verwiesen.
II.
Die Klage ist begründet. Der Einspruchsbescheid vom 25. August 1995 ist rechtswidrig und die verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
1.
Gegen die formelle Rechtmäßigkeit des wirksamen Einspruchsbescheids bestehen keine Bedenken.
2.
Die Festsetzungsverjährungsfrist ist gewahrt. Zwar war bei Erlass der Einspruchsentscheidung die reguläre Festsetzungsverjährungsfrist bereits abgelaufen (a). Da AX zu Gunsten der Klägerin aber eine Steuerhinterziehung begangen hat, greift die zehnjährige Verjährungsfrist (b).
a)
Die Klägerin gab am 29. März 1989 die Steuererklärungen für das Streitjahr 1987 ab. Die reguläre Festsetzungsverjährungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO begann am 1. Januar 1990 zu laufen und endete am 31. Dezember 1993. Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 5 AO trat nicht ein. Zwar begann das FA für Fahndung und Strafsachen ... im Jahre 1991 mit Ermittlungen gegen AX im Rahmen des am 16. Januar 1991 eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen. Auch richteten sich diese Ermittlungen gegen AX in seiner Eigenschaft als ehemaliger Geschäftsführer bzw. Liquidator der Klägerin, denn es wurde ausdrücklich auch wegen Körperschaftsteuer 1987 ermittelt. Diese Verfahrenshandlungen waren aber unwirksam, weil die Klägerin, gegen die die Rechtsfolge der Ablaufhemmung eintreten würde, seinerzeit nicht handlungsfähig war. Durch Ermittlungsverfahren der Steuerfahndung gegenüber Handlungsunfähigen tritt eine Verjährungshemmung nicht ein (BFH-Urteil vom 16. April 1997 XI R 61/94, BFHE 183, 13, BStBl II 1997, 595).
b)
Die Einspruchsentscheidung vom 25. August 1995 ist innerhalb der zehnjährigen Festsetzungsverjährungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO ergangen; diese Frist lief am 31. Dezember 1999 ab. Im zu entscheidenden Fall beträgt die Festsetzungsfrist zehn Jahre, weil AX zu Gunsten der Klägerin Steuern hinterzogen hat. Das Gericht braucht sich nicht mit dem Vorliegen anderer Straftatbestände wie etwa der Untreue zu Lasten der Klägerin oder ihrer Gläubiger durch Abtretung der gesamten Schadensersatzforderung an BX oder Verteilung der Schadensersatzsumme an diverse Gläubiger zu befassen, weil andere Straftatbestände als die Steuerhinterziehung nicht zu einer 10-jährigen Verjährungsfrist führen.
aa)
Gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO begeht eine Steuerhinterziehung, wer den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht und dadurch Steuern verkürzt. Nach § 370 Abs. 4 Satz 1 AO sind Steuern namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht oder nicht in voller Höhe festgesetzt werden. Eine Steuerhinterziehung kann auch durch unrichtige oder unvollständige Angaben im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens begangen werden (Franzen/Gast/Joecks Steuerstrafrecht, § 370 Rz. 226 ff. mit weiteren Nachweisen).
(wird ausgeführt)
bb)
Die unrichtige bzw. unvollständige Angabe über die Höhe und die Zusammensetzung des an N überwiesenen Geldbetrags bezog sich auf eine steuerlich erhebliche Tatsache, nämlich auf die als Betriebsausgabe angesehenen Zinsen, die im Wege des Verlustvortrags bzw. als laufende Betriebsausgabe einkommens- und damit steuermindernd in die Veranlagungen eingegangen sind.
cc)
Durch die unrichtige bzw. unvollständige Angabe und dem folgend die steuermindernde Berücksichtigung von Zinsen ist die Steuer verkürzt worden. Die Klägerin geht fehl in der Annahme, eine Verkürzung der Steuer liege deshalb nicht vor, weil bei zutreffenden Angaben in der Steuererklärung Zinsen oder andere Betriebsausgaben zu Gunsten von BX anstatt zu Gunsten von N als Betriebsausgaben hätten berücksichtigt werden müssen oder - wenn die Schadensersatzsumme ganz oder zum Teil zu Unrecht an BX ausgezahlt worden sei - eine vGA anzunehmen und die Ausschüttungsbelastung herzustellen sei und deshalb materiell-rechtlich bei zutreffenden Angaben keine andere Steuer festgesetzt bzw. anderweitige Feststellungen hätten getroffen werden können. Für die Annahme einer Steuerhinterziehung ist ohne Bedeutung, dass möglicherweise BX statt N gegen die Klägerin einen Anspruch auf Zinsen oder auf Erstattung anderer Betriebsausgaben in Höhe der zu viel berücksichtigten Zinsen oder mehr gehabt hat.
Die Frage, ob und in welcher Höhe Steuer verkürzt ist, beantwortet sich nach dem Vergleich der tatsächlich festgesetzten und der materiell-rechtlich zutreffenden Steuer. Hat der Steuerpflichtige eine Steuererklärung abgegeben, liegt eine Steuerverkürzung vor, wenn der Steueranspruch auf der Grundlage der Erklärung hinter der nach dem Gesetz geschuldeten Steuer zurückbleibt (OLG Karlsruhe-Beschluss vom 6. März 1985 3 Ws 80/84, StRK AO § 370 R. 74 mit weiteren Nachweisen; vgl. Franzen/Gast/Joecks Steuerstrafrecht § 370 Rz. 63). Von daher könnte der Steuerpflichtige nachträglich zum Beispiel vom Grundsatz her gewinnmindernd zu berücksichtigende Betriebsausgaben geltend machen, um die unrichtig angegebenen und nicht zu berücksichtigenden Betriebsausgaben auszugleichen. Gem.§ 370 Abs. 4 Satz 3 AO sind die Voraussetzungen des Absatzes 4 Satz 1 (Annahme der Steuerverkürzung bei nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitiger Festsetzung der Steuer) jedoch auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt werden können (sog. Kompensationsverbot oder Vorteilsausgleichsverbot). Die Vorschrift schließt eine Berücksichtigung nachträglich geltend gemachter steuermindernder Tatsachen aus; steuermindernde Tatbestände außerhalb der Steuererklärung bleiben unberücksichtigt.
Etwas anderes kann allerdings gelten, wenn - wie die Klägerin meint - im zu entscheidenden Fall gar nicht nachträglich Betriebsausgaben zu Gunsten BX geltend gemacht werden, sondern es sich in der Steuererklärung um eine Falschbezeichnung des Gläubigers der Zinsen bzw. anderen Betriebsausgaben gehandelt hätte. Unter Falschbezeichnung wird im Allgemeinen eine bewusst oder irrtümlich unzutreffende Bezeichnung eines Lebenssachverhalts verstanden. So kann eine Falschbezeichnung anzunehmen sein, wenn der Steuerpflichtige als Gläubiger eines konkret bezeichneten Darlehns irrtümlich A statt richtig B angegeben hat. Hier ist der Lebenssachverhalt, das konkrete Darlehn, nicht verändert. Der Anwendungsbereich des § 370 Abs. 4 Satz 3 AO wäre nicht berührt, weil keine "anderen Gründe" vorliegen.
Im zu entscheidenden Fall ist aber nicht von einer Falschbezeichnung auszugehen. Es wird nämlich der Lebenssachverhalt, auf den sich die geltend gemachten Betriebsausgaben beziehen, ausgetauscht. Ursprünglich war angeblich N Gläubiger eines Darlehns, für das mehr als 175.000,00 DM Zinsen gezahlt worden sein sollen. N hatte tatsächlich aus einer Geschäftsverbindung mit der Klägerin Ansprüche auf Zinsen, nur in geringerer Höhe. Die BX geschuldeten Beträge waren in der Körperschaftsteuererklärung bzw. in dem zwischen den Beteiligten in diesem Zusammenhang geführte Schriftverkehr zunächst nicht angegeben, erst nach Ermittlung im Komplex N weist die Klägerin auf Darlehnsverträge und Zinsansprüche der BX hin. Damit wird ein völlig anderer Sachverhalt dargestellt; er steht mit dem Komplex N in keinem tatsächlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang. Er unterliegt einer eigenständigen rechtlichen Wertung durch das FA und das Gericht und mag unter Beachtung tatsächlicher und rechtlicher Besonderheiten des Einzelfalles zu einer anderen Beurteilung führen als der Komplex N. Allein der Zahlungsfluss des in Rede stehenden Geldbetrags an BX "über N" rechtfertigt nicht, hier eine bloße Falschbezeichnung des Gläubigers und Zahlungsempfängers anzunehmen.
Von daher liegt der Klage eine andere Fallkonstellation zu Grunde als dem von der Klägerin für ihre Auffassung herangezogenen Beschluss des OLG Karlsruhe vom 6. März 1985 3 Ws 80/84, StRK § 370 AO R. 74. Dort hatte der Betroffene in der Steuererklärung den Empfänger einer tatsächlich geleisteten Zahlung falsch angegeben, später aber den wahren wirtschaftlichen Empfänger und den wahren Zahlungsgrund genannt. Das OLG führt dazu aus: "Nach wie vor unterliegen allein die in den Steuererklärungen aufgeführten und von der Sp-KG an die B-AG tatsächlich geleisteten Zahlungen der steuerlichen Beurteilung. Lediglich der Zahlungsgrund wird ausgetauscht und zusätzlich zu dem ursprünglich genannten Empfänger diejenige Person bezeichnet, die in den Genuss des in der Betriebsausgabe enthaltenen wirtschaftlichen Werts gelangt ist. Allein der Austausch des Betriebsausgabengrundes und die durch die Nennung des wirtschaftlichen Empfängers erfolgte Ergänzung der ursprünglichen Angaben des Steuerpflichtigen vermögen aber den in den Steuererklärungen aufgeführten und tatsächlich vollzogenen, also nicht lediglich fingierten Geschäftsvorfall, nicht als einen 'anderen' und deshalb nach § 392 Abs. 3 RAO nicht zu berücksichtigen Geschäftsvorfall zu qualifizieren. Wie die Wirtschaftsstrafkammer ... dargelegt hat, handelt es sich vielmehr um ein und denselben, lediglich teilweise unrichtig dargestellten Vorgang". Das OLG führt weiter aus, das Kompensationsverbot solle verhindern, dass der gesamte Steuerfall im Strafverfahren neu aufgerollt und der Steueranspruch in alle Richtungen auf seine Berechtigung überprüft werden müsse. Das sei aber nicht der Fall, wenn eine konkrete Zahlung nach Nennung des wirklichen Zahlungsgrunds und des wahren Empfängers nunmehr auf die Anerkennung als Betriebsausgabe zu untersuchen sei. Aus diesen Ausführungen des OLG wird der Unterschied zum hier zu entscheidenden Fall deutlich. Die Klägerin hat ihre Angaben zu den streitigen Zinsen nicht nur ergänzt, sondern einen wesentlich anderen Vorgang dargestellt. Das Gericht müsste allein für die Frage des Vorliegens einer Steuerhinterziehung den Komplex BX in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend prüfen.
In der Rechtsprechung befasst sich in erster Linie der Bundesgerichtshof (BGH) mit dem Kompensationsverbot des § 370 Abs. 4 Satz 3 AO in Steuerstrafverfahren und hat dazu Fallbeispiele für die Bejahung und Verneinung der Anwendung der Norm gebildet. Es war in den Entscheidungen zu beurteilen, ob nachträglich geltend gemachte Steuervergünstigungen wie zum Beispiel die Vorsteuer im Verhältnis zur hinterzogenen Umsatzsteuer, Betriebsausgaben im Verhältnis zu den mit ihnen zusammenhängenden nicht erklärten Betriebseinnahmen oder Parteispenden statt Betriebsausgaben nachträglich berücksichtigt werden konnten. Die Literatur greift diese Entscheidungen des BGH auf und diskutiert Sinn und Zweck der Vorschrift und ihre Anwendung auf andere Fallkonstellationen (vgl. Nachweise bei Franzen/Gast/Joecks Steuerstrafrecht § 370 Rz. 69 ff.; Hübschmann/Hepp/Spitaler Abgabenordnung § 370 Rz. 184 ff.; Beermann Steuerliches Verfahrensrecht § 370 Rz. 112 f.; Kohlmann Steuerstrafrecht § 370 Rz. 159 ff.). Das Gericht ist mit dem BGH zu der Auffassung gelangt, dass - soweit für die hier zu treffende Entscheidung interessierend - "andere Gründe" nur solche sein können, die nicht in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den unrichtig angegebenen Besteuerungsgrundlagen stehen (so auch Franzen/Gast/Joecks Steuerstrafrecht § 370 Rz. 74; Hübschmann/Hepp/Spitaler Abgabenordnung § 370 Rz. 186; Kohlmann Steuerstrafrecht § 370 Rz. 160.3). Der BFH verweist auf die Rechtsprechung des BGH (vgl. BFH-Urteil vom 12. Oktober 1993 VII R 44/93, BFHE 172, 401, BStBl. II 1994, 438; BFH-Beschluss vom 17. Februar 1999 IV B 66/98, BFH/NV 1999, 1188).
In unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen steuererhöhende und steuerermäßigende Besteuerungsgrundlagen jedenfalls dann, wenn sinnvollerweise eine Besteuerungsgrundlage ohne die andere kaum denkbar ist, wie zum Beispiel bei einem Handelsgewerbe Betriebseinnahmen für veräußerte Ware in aller Regel Betriebsausgaben für erworbene Ware bedingen. In diesem Fall hat das FA nachträglich Betriebsausgaben zu berücksichtigen. In seinem Urteil vom 22. November 1985 2 StR 64/85, BGHSt 33 383, wistra 1986, 199, auf das sich die Klägerin bezieht, spricht der BGH von der "Identität der Besteuerungsgrundlagen". Im zu entscheidenden Fall steht der Komplex N in keinem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Komplex BX. Wie bereits ausgeführt sind die jeweils geltend gemachten Zinsen bzw. anderen Betriebsausgaben vom Lebenssachverhalt her keine identischen Besteuerungsgrundlagen.
dd)
Der Täter muss die Tathandlung der Steuerhinterziehung mit Vorsatz oder bedingtem Vorsatz begangen haben. Im Streitfall ist der Vorsatz der Steuerhinterziehung zu bejahen. In dem Schreiben vom 19. Januar 1988 und in der Steuererklärung 1987 sind bewusst unrichtige Angaben gemacht worden. Das wird im Kern von der Klägerin auch eingeräumt. Sofern die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausführt, der Prozessbevollmächtigte sei bei Erstellung der Steuererklärung, aufgrund des ihm vorliegenden Schriftverkehrs von Zinsforderungen des N i.H.v. ca. 300.000,00 DM ausgegangen und habe dann die Zinsverpflichtung für die Jahre 1982 bis 1987 ermittelt, lässt dies einen Vorsatz nicht entfallen. AX hat den richtigen Sachverhalt gekannt und gleichwohl die anzutreffende Steuererklärung für die Klägerin unterschrieben. Damit hat er zum Ausdruck gebracht, dass er mit der von seinem Prozessbevollmächtigten erstellten Steuererklärung einverstanden ist. Die Erklärung muss er sich inhaltlich zurechnen lassen.
3.
Die Voraussetzungen für die Änderung des ursprünglichen Steuerbescheids vom 12. Juni 1989 lagen vor, allerdings nicht in dem vom FA vorgenommenen Umfang.
a)
Gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide zuändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Nachträglich, d.h. nach Erlass der Steuerbescheide für 1987 vom 12. Juni 1989, sind die näheren Umstände und die Höhe der an N gezahlten Zinsen bekannt geworden. Nicht neu bekannt geworden sind dagegen der Abtretungsvertrag zu Gunsten von BX aus 1974, dieÜberweisung der gesamten Schadensersatzsumme durch V auf ein Notaranderkonto zu Gunsten der BX, die Verteilung der Schadensersatzsumme an die übrigen Gläubiger außer N sowie das Bestehen von Forderungen einschließlich Zinsansprüchen der BX gegen die Klägerin (zu Letzterem siehe unter 4.). Die Voraussetzungen für eine punktuelleÄnderung zu Ungunsten der Klägerin durch Verminderung der als Betriebsausgaben anzuerkennenden an N gezahlten Zinsen liegen daher vor. Nicht berücksichtigt werden kann - wie das FA wohl geltend macht -, dass die Verteilung der gesamten Schadensersatzsumme an verschiedene Gläubiger erst in dem Zeitpunkt in ihrer vollen Bedeutung, nämlich als fingierte Verteilung an die der Familie X nahe stehende Personen, bekannt geworden ist, als der wirkliche Hintergrund der Zahlung an bzw. über N im Ermittlungsverfahren aufgedeckt worden ist. Die Verteilung an die übrigen Gläubiger war bekannt, das FA hat nur eine neue rechtliche Würdigung der Vorgänge vorgenommen. Deshalb kommt im Rahmen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO eine Änderung in Gestalt der Annahme einer vGA bzw. einer anderen Ausschüttung in annähernd voller Höhe der Schadensersatzsumme nicht in Betracht.
b)
Eine Änderung der Steuerbescheide zu Gunsten der Klägerin gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO wegen nachträglich anzuerkennender Betriebsausgaben kommt nicht in Betracht. Zum einen trifft die Klägerin ein grobes Verschulden daran, dass sie die an BX gezahlten Zinsen nicht in der Steuererklärung angegeben hat. Zum anderen stehen diese Ausgaben nicht mit den wegen des Komplexes N ursprünglich anerkannten Betriebsausgaben im unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang (siehe dazu unter 2. b) cc).
4.
Nach § 177 Abs. 1 AO sind allerdings, soweit dieÄnderung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO reicht, zu Gunsten und zu Ungunsten des Steuerpflichtigen solche materiellen Fehler zu berichtigen, die nicht Anlass der Aufhebung oder Änderung sind. Im Umfang der Änderung wegen der Nichtberücksichtigung der an N gezahlten Zinsen sind nunmehr an BX gezahlte Zinsen als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Nach Abs. 3 der Vorschrift sind materielle Fehler solche, die zu einer Steuer führen, die von der kraft Gesetzes entstandenen Steuer abweicht.
Unter Gesamtbetrachtung des Akteninhalts und des Vorbringens der Klägerin geht das Gericht davon aus, dass BX gegen die Klägerin Ansprüche aus Darlehen und damit Zinsansprüche in erheblicher Höhe hatte. Damit sind ihr zu Recht aus der Schadensersatzsumme 670.363,67 DM zugeflossen. Dieser Betrag deckt die Zinsansprüche ab. Die Zinsen hätten bei der Klägerin als Betriebsausgaben in 1987 bzw. als Verlustvortrag aus 1982 bis 1986 zu einer niedrigeren Steuer geführt.
Die Klägerin hat in ihrer Steuersache und die Eheleute X haben in ihrer Einkommensteuersache stets angegeben, BX habe aus eigenen Mitteln während des Prozesses gegen V Aufwendungen der Klägerin getragen, weswegen ihr ein Erstattungsanspruch und ein Anspruch auf Zinsen zustehe. Wegen der Anerkennung dieser Ansprüche ist für 1984 und 1985 ein Klageverfahren vor dem Finanzgericht mit dem Ziel der Berücksichtigung der Verluste aus der Beteiligung an der Klägerin bei der Einkommensteuer geführt worden. Die Forderung, die der Abtretung vom 23. September 1974 zu Grunde lag, wurde wiederholt mit 446.974,09 DM angegeben. Die Körperschaftsteuererklärungen für 1986 und 1987 weisen auf eine "Einlage" der BX in dieser Höhe hin. In ihrer Einkommensteuererklärung für 1987 haben die Eheleute X Gesamtaufwendungen für die Klägerin in Höhe von 1.005.924,68 DM geltend gemacht, die zu einem anerkannten Verlust aus der Beteiligung i.H.v. 97.494,68 DM führten. Das FA hat die Angaben bei den Veranlagungen niemals angezweifelt und etwa die Vorlage von Verträgen, Zahlungsbelegen u.Ä. verlangt. Es ist daher offenbar selbst vom Bestehen der fraglichen Ansprüche ausgegangen. Dass es die Angaben mangels steuerlicher Auswirkungen nicht im Einzelnen geprüft hat, steht dem nicht entgegen. Das FA bestreitet das Bestehen von Darlehnsverträgen und damit von Ansprüchen der BX erst nach Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen ....
Das Landgericht ... geht in seinem Urteil vom 10. April 1987 von einer wirksamen Abtretung der Schadensersatzforderung der Klägerin gegen V an BX und damit von Ansprüchen von BX gegen die Klägerin aus.
Die Klägerin hat dem Gericht Unterlagen vorgelegt, die das Bestehen der fraglichen Ansprüche belegen sollen.
(wird ausgeführt)
In Anbetracht der Höhe der anzunehmenden Darlehnsansprüche, eines üblichen Zinssatzes und der Zeitdauer der Darlehnsgewährung geht das Gericht von Zinsansprüchen von mindestens 175.000,00 DM (155.000,00 DM und 20.000,00 DM) aus, nämlich mindestens in Höhe der in den Steuererklärungen der Klägerin für 1986 und 1987 "zu Gunsten N" angegebenen und einkommensmindernd berücksichtigten Zinsen. Auf die Höhe im Einzelnen und auf das Bestehen etwaiger anderer Erstattungsansprüche braucht das Gericht deshalb nicht einzugehen.
Da insgesamt materiell-rechtlich keine höhere Steuer geschuldet wird oder anderweitige Feststellungen hätten getroffen werden müssen als mit den ursprünglichen Bescheiden vom 12. Juni 1989 festgesetzt bzw. getroffen, ist die Änderung durch Einspruchsbescheid vom 25. August 1995 rechtswidrig.
D.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 138 Abs. 3, § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Soweit die Beteiligtenübereinstimmend das Klageverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, fallen nach billigem Ermessen die Kosten des Verfahrens insoweit dem FA zur Last, denn das FA hat durch Anerkennung der Unwirksamkeit der Bescheide vom 30. März 1994 dem Begehren der Klägerin abgeholfen. Soweit über das Begehren der Klägerin streitig entschieden ist, ist sie zwar hinsichtlich ihres Hauptantrags unterlegen und obsiegt nur mit dem Hilfsantrag. Da die Klägerin jedoch letztlich mit ihrem Begehren, den Einspruchsbescheid vom 25. August 1995 aufzuheben, obsiegt hat und der mit dem Hauptantrag begehrten Unwirksamkeits- bzw. Nichtigkeitserklärung daneben nur eine geringe eigene Bedeutung zukommt, werden die Kosten des Rechtsstreits auch insoweit gem. § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO dem FA auferlegt. Die Entscheidungüber die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.