Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.11.2004, Az.: 6 K 350/02
Teilhabe einer GmbH am Ausgleichsanspruch eines Handelsvertreters nach § 89b Handelsgesetzbuch (HGB); Begriff der Provision im Handelsrecht; Zurechnung einer Handelsvertreterausgleichszahlung; Ausgleichsanspruch als zusätzlicher Vergütungsanspruch des Handelsvertreters für die vor Vertragsende geleisteten und nach Vertragsende fortwirkenden Dienste
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 18.11.2004
- Aktenzeichen
- 6 K 350/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 34979
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2004:1118.6K350.02.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 29.06.2005 - AZ: I B 6/05
Rechtsgrundlagen
- § 84 Abs. 3 HGB
- § 89b HGB
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Zur Frage der Teilhabe einer GmbH am Ausgleichsanspruch eines Handelsvertreters nach § 89b HGB, wenn die GmbH als Untervertreterin tätig wird.
- 2.
Der Begriff der Provision ist im Handelsrecht nicht derartig festgelegt, dass er lediglich Vergütungen aus dauernden oder wiederkehrenden Tätigkeiten bezeichnet. Es lassen sich auch Vergütungen für einmalige Leistungen oder Ansprüche für einen Gesamtzeitraum darunter fassen.
- 3.
Der Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB ist Teil der Vergütung eines Handelsvertreters.
- 4.
Die tatsächliche Ausübung einer Untervertretung kann dazu führen, dass Ausgleichsansprüche nach § 89b HGB in dem Verhältnis an den Untervertreter weiterzuleiten sind, wie auch die laufenden Provisionen aufgeteilt worden sind.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Zurechnung einer Handelsvertreterausgleichszahlung.
Der Kläger ist der Insolvenzverwalter der durch notariellen Gesellschaftsvertrag vom 19. Juli 1990 gegründeten X-GmbH, die sich aufgrund eines Auflösungsbeschlusses der Gesellschafterversammlung mit Wirkung zum 31.12.1997 in Liquidation befindet. Aufgrund eines Eigenantrages wurde durch Beschluss des Amtsgerichts B vom 14.11.2001 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der X-GmbH eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Unternehmensgegenstand der X-GmbH war der Handel mit Artikeln des Y-Verlags. Im Streitjahr 1997 waren an der X-GmbH Herr X zu 70 v.H. und dessen Ehefrau zu 30 v.H. beteiligt. Der beherrschende Gesellschafter war zugleich zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt worden. Gemäß Satzung vom 19. Juli 1990 konnte die Gesellschafterversammlung einen vertretungsberechtigten Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreien. Gemäß § 9 des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages, der ebenfalls am 19. Juli 1990 geschlossen worden war, war der Geschäftsführer vom Selbstkontrahierungsverbot gemäß § 181 BGB befreit. Mit Gesellschafterbeschluss vom 9. Oktober 1996 wurde der Geschäftsführer ausdrücklich von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Ferner änderte die X-GmbH ihre Satzung in der Weise, dass die Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit wurden.
Bereits am 1. August 1990 schloss die X-GmbH vertreten durch ihren Geschäftsführer mit diesem eine als Handelsvertretervertrag bezeichnete Vereinbarung, in der Herr X die X-GmbH mit dem Vertrieb und der Akquisition für das gesamte Vertriebsprogramm des Y-Verlages für den Wiederverkauf gemäß dem jeweils aktuellen Gesamtverzeichnis "Y-Vertrieb", welches Bestandteil des Vertrages sein sollte, betraute. Die X-GmbH war nach dem Vertrag verpflichtet, Herrn X in dem ihm zugewiesen Bezirk Geschäfte mit Dritten zu vermitteln. Zugleich wurde sie zum Abschluss dieser Verträge bevollmächtigt. Der X-GmbH standen aus den Geschäften, die während der Vertragsdauer mit oder ohne Mitwirkung des Handelsvertreters mit Kunden abgeschlossen wurden, die ihren Geschäftssitz im Vertragsgebiet haben, eine im Einzelnen geregelte Provision zu. Die Provision betrug danach 95 % des Entgeltes, das Herrn X gemäß Handelsvertretervertrag mit dem Y-Verlag vom 02.08.1990 zustand zuzüglich einer Kostenpauschale. Die X-GmbH zahlte an Herrn X für den von ihm übernommenen Kundenstamm ein Entgelt i.H.v. netto 21.000 DM. Wegen der Einzelheiten der Vereinbarung wird auf den Handelsvertretervertrag vom 01.08.1990 in der Vertragsakte Bezug genommen.
Am 02.08.1990 schloss der Gesellschafter-Geschäftsführer, Herr X, einen Handelsvertretervertrag mit dem Y-Verlag, in dem er sich verpflichtete, als Handelsvertreter für den Y-Verlag tätig zu sein. Die X-GmbH vermittelte in der Folgezeit mit dem Y-Verlag entsprechend der vertraglichen Verpflichtung ihres Geschäftsführers Geschäfte mit Dritten. Mit Schreiben vom 10.12.1996 kündigte die X-GmbH ihren Vertrag vom 01.08.1990 gegenüber Herrn X zum 31.12.1997. Zugleich wurde der Handelsvertretervertrag zwischen Herrn X und dem Y-Verlag zum 31.07.1997 beendet. Der Y-Verlag zahlte daraufhin an Herrn X gemäß § 89 b HGB einen Handelsvertreterausgleichsbetrag i.H.v. 467.468,10 DM. Diesen Betrag rechnete Herr X in voller Höhe seinen Einkünften aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer hinzu. In der Gewinnermittlung der GmbH wurde der Betrag dagegen nicht erfaßt. Aufgrund der eingereichten Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 1997 wurde die GmbH zunächst erklärungsgemäß ohne Hinzurechnung des Ausgleichsbetrages mit Bescheiden vom 09.06.1999 veranlagt.
Nachdem der Beklagte aus der Einkommensteuererklärung des Herrn X von der Ausgleichszahlung des Y-Verlags Kenntnis erlangt hatte, änderte er gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO die Bescheide für 1997 über Körperschaftssteuer, Feststellungen nach § 47 Abs. 2 KStG, die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs auf den 31.12.1997 sowie den Gewerbesteuermessbetrag 1997. Der Beklagte berücksichtigte dabei eine verdeckte Gewinnausschüttung i.H.v. 444.095 DM (= 95 v.H. von 467.468 DM) einkommenserhöhend. Zugleich stellte er die Ausschüttungsbelastung her.
Gegen die geänderten Bescheide vom 04.08.1999 legte die X-GmbH Einspruch ein. Sie führte zur Begründung aus, dass nach dem Handelsvertretervertrag vom 01.08.1990 die X-GmbH die Geschäftsbesorgung für den Unternehmer X ausgeführt und lediglich einen Anspruch auf Anteile aus dem laufenden Entgelt gehabt habe, welches der Y-Verlag an den Unternehmer X gezahlt habe. Zwischen der X-GmbH und Herrn X habe kein Handelsvertretervertrag vorgelegen, da die X-GmbH entgegen dem Wesen eines Handelsvertretervertragsverhältnisses Geschäfte mit Dritten nicht an den Unternehmer X sondern direkt an den Y-Verlag als Auftraggeber vermittelt hätte. Der Vertrag zwischen der X-GmbH und Herrn X sei fälschlicherweise als Handelsvertretervertrag bezeichnet worden. Zudem sei Herr X gegenüber dem Y-Verlag zur persönlichen Dienstleistung verpflichtet gewesen. Die X-GmbH sei nach außen auch nicht in Erscheinung getreten, da Herr X als Handelsvertreter aufgetreten sei. Darüber hinaus sei ein Ausgleichsanspruch für die X-GmbH gemäß § 89 b Abs. 1 Satz 1 Ziff. 3 HGB schon deshalb ausgeschlossen, weil die Zahlung eines Ausgleiches unter Berücksichtigung aller Umstände nicht der Billigkeit entspreche. Zugunsten der GmbH habe kein eigenständiges wirtschaftliches Interesse an einem Ausgleichsanspruch bestanden, da Herr X tatsächlich als Handelsvertreter aufgetreten sei und den Kundenstamm geschaffen habe. Die X-GmbH habe auch keinen Anspruch auf 95 % des von dem Y-Verlag an Herrn X als Unternehmer gezahlten Ausgleichsanspruchs. Ein solcher Anspruch lasse sich aus der zwischen Herrn X als Unternehmer und der X-GmbH als Handelsvertretervertrag bezeichneten Vereinbarung nicht herleiten. Danach sollten der GmbH als Provision 95 % des Entgeltes, das Herr X von dem Y-Verlag erhalte, zustehen. Der Begriff des Entgeltes werde in dem Vertrag zwischen Herrn X und dem Y-Verlag nur im Zusammenhang mit laufenden Provisionen gebraucht, so dass die Auslegung der Vereinbarung zwischen Herrn X und der X-GmbH ergebe, dass sich die Provision von 95 % nur auf die laufenden Provisionszahlungen beziehe und ein eventueller Ausgleichsanspruch daran nicht teilnehme.
Im Einspruchsverfahren gab der Beklagte seine Auffassung, dass es sich bei der unterbliebenen anteiligen Weiterleitung des Ausgleichsbetrages um eine verdeckte Gewinnausschüttung handele, auf und rechnete den vom Y-Verlag an Herrn X gezahlten Ausgleichsanspruch zu 95 v.H. dem laufenden Gewinn der GmbH zu. Die Herstellung der Ausschüttungsbelastung wurde entsprechend rückgängig gemacht. Der Beklagte erließ insoweit geänderte Bescheide mit Datum 05.04.2001, erneut geändert durch Bescheide vom 20.09.2001. Im Übrigen wies der Beklagte den Einspruch mit Bescheid vom 07.05.2002 mit der Begründung zurück, dass die X-GmbH gegen Herrn X aus § 6 des Vertrages vom 01.08.1990 einen Anspruch auf 95 v.H. des vom Y-Verlag gemäß § 89 b HGB gezahlten Ausgleichsbetrages habe. Der von den Beteiligten in § 6 Nr. 2 des Vertrages gewählte Begriff des Entgeltes sei dahin auszulegen, dass er die laufenden Provisionen und den Ausgleichsanspruch umfasse. Dafür spreche, dass die X-GmbH bei wirtschaftlicher Betrachtung als Handelsvertreter für den Y-Verlag tätig gewesen sei und sie den Kundenstamm geschaffen habe. Die GmbH habe sämtliche Verpflichtungen des Herrn X aus dessen Vertrag mit dem Y-Verlag übernommen. Gemäß § 6 Nr. 7 des Vertrages habe die GmbH sogar die vom Y-Verlag in Rechnung gestellten Kosten zu tragen gehabt und sie habe den gesamten Kundenstamm von Herrn X gegen eine Zahlung von 21.000 DM entgeltlich übernommen. Dadurch sei sie wirtschaftlich in die Position des Herrn X aus dem Vertrag mit dem Y-Verlag eingetreten. Dem Zweck des Vertrages entspreche es daher, dass der GmbH 95 % der gesamten Vergütungen aus dem Vertrag des Herrn X mit dem Y-Verlag zustünden. Hierzu gehöre auch der Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB, da die GmbH auch den Kundenstamm geschaffen habe.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren verfolgt der Kläger, der Insolvenzverwalter der sich inzwischen in Insolvenz befindlichen X-GmbH, mit der vorliegenden Klage das Begehren weiter, den Gewinn der X-GmbH um den hinzugerechneten Betrag i.H.v. 444.095 DM wieder zu vermindern. Zur Begründung führt der Kläger aus, dass die X-GmbH gegen Herrn X keinen Anspruch auf 95 v.H. des vom Y-Verlag gezahlten Ausgleichsbetrages gemäß § 89 b HGB habe. Ein solcher Anspruch ergebe sich insbesondere nicht aus § 6 des zwischen der X-GmbH und Herrn X geschlossenen Vertrages vom 01.08.1990. Nach § 6 dieses Vertrages habe der X-GmbH eine Provision zugestanden. Dieser Begriff deute darauf hin, dass es sich um ein Entgelt für laufende Vermittlungstätigkeit handele. Bei der Provision handele es sich um die Hauptleistungspflicht, die der Unternehmer gegenüber seinem Handelsvertreter habe. Daran nehme der Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB nicht teil, da es sich insoweit um einen modifizierten Vergütungsanspruch handele. Außerdem habe Herr X gemäß § 9 des zwischen ihm und dem Y-Verlag abgeschlossenen Vertrages einen Anspruch auf Entgelt, wobei dieser Ausdruck ausschließlich im Zusammenhang mit dem Begriff der Provisionen für laufende Geschäfte gebraucht werde. Auch ein eigener Anspruch der X-GmbH gegen Herrn X gemäß § 89 b HGB stehe der GmbH nicht zu, da es sich bei dem Vertragsverhältnis der X-GmbH und Herrn X nicht um ein Handelsvertretervertragsverhältnis handele. Die X-GmbH sei lediglich Hilfsperson für Herrn X zur Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber dem Y-Verlag gewesen. Auch sei Herr X gegenüber dem Y-Verlag zur persönlichen Dienstleistung verpflichtet gewesen. Außerdem entspräche ein Ausgleichsanspruch der X-GmbH gegenüber Herrn X nicht der Billigkeit im Sinne des § 89 b HGB. Zudem scheitere ein Ausgleichsanspruch der X-GmbH gemäß § 89 b HGB daran, das die X-GmbH den Vertrag mit Herrn X von sich aus gekündigt habe und die Fristen zur Geltendmachung des Anspruches verstrichen seien.
Der Kläger beantragt,
- I.
die mit Bescheid vom 20.09.2001 festgesetzte Körperschaftsteuer 1997, den mit dem selben festgesetzten Solidaritätszuschlag 1997 und die mit dem selben Bescheid getroffene Feststellung nach § 47 II KStG, sowie die mit dem selben Bescheid getroffene gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs auf den 31.12.1997 unter Aufhebung der Einspruchsentwcheidung vom 07.05.2002 bezüglich der Körperschaftsteuer auf 221 DM (112,99 EUR) und bezüglich des Solidaritätszuschlages auf 16,57 DM (8,47 EUR) herabzusetzen, sowie das Einkommen i.S.d. § 47 II Nr. 3 KStG auf minus 6.550 DM (3.348,96 EUR) und den verbleibenden Verlustabzug auf den 31.12.1997 nach § 10 d III EStG i.V.m. § 8 I KStG 28.821 DM (14.735,94 EUR) festzustellen;
- II.
die mit Bescheid vom 20.09.2001 getroffene gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 47 KStG zum 31.12.1997 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 07.05.2002 dahingehend abzuändern, dass der ungemildert belastete Teilbetrag (§ 30 I Nr. 1 KStG) mit 45 % Körpersteuer belastet minus 38 DM (19,43 EUR) entspricht und nicht mit Körperschaftsteuer belastete Teilbeträge (§ 30 I Nr. 3 und II KStG) aus nicht der Körperschaftsteuer unterliegenden Vermögensmehrungen (§ 30 II Nr. 2 KStG) minus 31.299 DM (16.002,92 EUR) beträgt;
- III.
die mit Bescheid vom 20.09.2001 getroffene gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1997 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 07.05.2002 dahingehend abzuändern, dass der vortragsfähige Verlust nach § 10 a GewStG i.H.v. 49.682 DM (25.402 EUR) Gewerbeverlust: aus 1997: 5.118 DM (2.616,79 EUR) festgestellt wird;
- IV.
den mit Bescheid vom 20.09.2001 festgestellten einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag für 1997 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 07.05.2002 dahingehend abzuändern, dass der Gewerbesteuermessbetrag in einer Höhe festgesetzt wird, bei der Berücksichtigung findet, dass der Gewinn aus dem Gewerbebetrieb nicht 306.880 DM (156.905,25 EUR), sondern minus 6.550 DM (3.348,96 EUR) beträgt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte führt zur Begründung aus, dass der X-GmbH gegenüber Herrn X ein Anspruch auf 95 % der vom Y-Verlag nach § 89 b HGB an X gezahlten Ausgleichszahlung zustehe. Die GmbH habe wirtschaftlich sämtliche Pflichten des Herrn X aus dessen Vertrag mit dem Y-Verlag übernommen. Gemäß § 6 des Vertrages zwischen der X-GmbH und Herrn X stehe der GmbH 95 % des Entgeltes zu, das X aufgrund seines Vertrages mit dem Y-Verlag beziehe. Der Begriff des Entgelts umfasse auch den Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB, da der Ausgleichsanspruch dem Handelsvertreter als weiteres Entgelt für die Schaffung und Überlassung des vom Handelsvertreter geschaffenen Kundenstammes gewährt werde. Diesen Kundenstamm habe vorliegend die GmbH aufgebaut. Eine andere Auslegung des Vertrages komme auch deshalb nicht in Betracht, weil die X-GmbH bereits bei Vertragsschluss im Jahr 1999 an Herrn X für den zu übernehmenden Kundenstamm 21.000 DM gezahlt habe. Es stelle eine doppelte Begünstigung des Herrn X dar, wenn die GmbH bei Vertragsschluss für den zu übernehmenden Kundenstamm zu zahlen habe, ohne ihrerseits einen Anspruch auf den vom Y-Verlag zu zahlenden Ausgleichsanspruch zu haben.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Der Beklagte durfte die gegen die X-GmbH erlassenen Steuerbescheide vom 09.06.1999 gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO wegen neuer Tatsachen ändern, da der Umstand, dass der Y-Verlag an Herrn X aufgrund der Auflösung des Handelsvertretervertragsverhältnisses eine Ausgleichzahlung geleistet hatte, dem Beklagten zunächst unbekannt war. Erst aus der Einkommensteuererklärung des Herrn X, die er nach der Veranlagung der X-GmbH eingereicht hatte, war dem Beklagten diese Zahlung bekannt geworden. Der Beklagte hat das zu versteuernde Einkommen der X-GmbH auch zu Recht um 444.095 DM erhöht, da die Forderung der X-GmbH, die im Wirtschaftsjahr 1997 entstanden war, in der Steuerbilanz zum 31.12.1997 gemäß § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 5 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) und § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB zu aktivieren war. Dieser Anspruch stand der X-GmbH im Streitjahr gegenüber Herrn X aus § 6 des Vertrages vom 01.08.1990 zu.
1.
Zwar kommt auch in Betracht, dass der X-GmbH gegenüber Herrn X ein eigener Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB bei Beendigung des Vertragsverhältnisses zustand. Entgegen den Ausführungen des Klägers handelte es sich bei der Vereinbarung zwischen der X-GmbH und X um ein Handelsvertretervertragsverhältnis. Gemäß § 84 Abs. 3 HGB ist die Bestellung eines Untervertreters, der dann nicht die Vermittlung von Rechtsgeschäften mit Dritten für den Handelsvertreter, sondern für den übergeordneten Unternehmer vornimmt, rechtlich möglich. Auf ein solches Verhältnis sind auch die Vorschriften des Handelsvertreterrechts anzuwenden (v. Hoyningen-Huene in Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 1996, § 84 HGB, Rnr. 92). Außerdem können Handelsvertreter auch juristische Personen sein, die als solche stets selbständig im Sinne des § 84 HGB sind (v. Hoyningen-Huene, a.a.O., Rnr. 21). Die Frage nach einem eigenen Ausgleichsanspruch kann hier letztlich jedoch offen bleiben.
2.
Jedenfalls hatte die X-GmbH im Streitjahr gegen Herrn X einen Anspruch auf Zahlung eines Betrages i.H.v. 95 v.H. des vom Y-Verlag gemäß § 89 b HGB an X gezahlten Betrages von 467.468,10 DM aus § 6 des Vertrages vom 01.08.1990.
Zwar ist in § 6 Nr. 2 des zwischen der X-GmbH und Herrn X am 01.08.1990 geschlossenen Vertrages nicht ausdrücklich geregelt, dass die Provisionen der X-GmbH auch 95 v.H. des Ausgleichsanspruches aus § 89 b HGB des Herrn X gegenüber dem Y-Verlag umfassen.
Die Auslegung der zwischen der X-GmbH und Herrn X geschlossenen Vereinbarung gemäß §§ 133, 157 BGB ergibt jedoch nach dem Sinn und Zweck dieses Vertrages, dass auch der Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB von dem Begriff des Entgelts in § 6 Nr. 2 des Vertrages vom 01.08.1990 erfasst ist.
a)
In § 6 Nr. 2 dieses Vertrages ist geregelt, dass der X-GmbH eine Provision zustehen soll. Der Begriff der Provision deutet zwar darauf hin, dass eine Vergütung der laufenden Vermittlungstätigkeit geregelt werden soll. Allerdings ist der Begriff der Provision in § 6 Nr. 2 des zwischen der X-GmbH und Herrn X geschlossenen Vertrages dahingehend definiert, dass es sich um 95 % des Entgeltes handelt, das Herrn X aufgrund des mit dem Y-Verlag geschlossenen Handelsvertretervertrages zusteht. Der Begriff der Provision ist im Handelsrecht nicht derartig festgelegt, dass er lediglich Vergütungen aus dauernden oder wiederkehrenden Tätigkeiten bezeichnet, sondern es lassen sich auch Vergütungen für einmalige Leistungen oder Ansprüche für einen Gesamtzeitraum darunter fassen. § 6 Nr. 2 des Vertrages vom 01.08.1990 bezieht sich insoweit auch nicht ausschließlich auf die Provisionsregelung in § 8 des zwischen Herrn X und dem Y-Verlag geschlossenen Vertrages, sondern verwendet allgemein den Begriff des Entgeltes. Zu diesem zählt letztlich auch der Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB. Der Ausgleichsanspruch ist Teil der Vergütung eines Handelsvertreters. Er ist Gegenleistung für die durch die laufende Provision noch nicht vollständig abgegoltene Leistung des Handelsvertreters, nämlich für den Kundenstamm, den der Handelsvertreter geschaffen hat und den der Unternehmer nach Beendigung des Handelsvertretervertrages nun allein nutzen kann (vgl. Hopt, HGB, 30. Auflage 2000, § 89 b Rnr. 2; Karsten Schmidt, Handelsrecht, 5. Auflage, Seite 741). Zudem zählt nach ständiger Rechtsprechung des BFH der Ausgleichsanspruch als zusätzlicher Vergütungsanspruch des Handelsvertreters für die vor Vertragsende geleisteten und nach Vertragsende fortwirkenden Dienste einkommensteuerrechtlich zum laufenden Gewinn (BFH-Urteil vom 25. Juli 1990, X R 111/88, BStBl II, 1991, Seite 218, 219 m.w.N.).
b)
Für eine derartige Auslegung spricht im Übrigen auch der weitere Zweck des Vertrages und die Interessenlage der Beteiligten. Die X-GmbH hatte nach den vertraglichen Vereinbarungen mit Herrn X im Ergebnis die diesem gegenüber dem Y-Verlag obliegenden Leistungen aus dem Handelsvertretervertragsverhältnis zu erbringen. Damit hatte Herr X der X-GmbH seine gesamten Verpflichtungen aus dem Vertrag mit dem Y-Verlag übertragen. Gemäß § 6 Nr. 7 des Vertrages hatte die X-GmbH die vom Y-Verlag in Rechnung gestellten Kosten zu tragen, und sie vermittelte Geschäfte mit Dritten hinsichtlich des gesamten Vertriebsprogramms des Y-Verlages. Dem steht nicht entgegen, dass gemäß §§ 1 und 3 des Vertrages vom 01.08.1990 die X-GmbH Herrn X gegenüber Geschäfte mit Dritten zu vermitteln hatte. Denn wirtschaftlich hatte die X-GmbH damit nicht die Vermittlung von Rechtsgeschäften für Herrn X, sondern für den Y-Verlag übernommen (vgl. hierzu v. Hoyningen-Huene, a.a.O., Rnr. 92). Die tatsächliche Ausübung der Untervertretung durch die X-GmbH, diese wiederum vertreten durch ihren Gesellschafter-Geschäftsführer X, bedeutet unter verständiger Auslegung des § 6 Nr. 2 des Vertrages vom 01.08.1990, dass Ausgleichsansprüche nach § 89 b HGB in dem Verhältnis an die als Untervertreter tätige GmbH weiterzuleiten sind, wie auch die laufenden Provisionen aufgeteilt worden sind (so auch Westphal in BB 1999, S. 2517, 2521).
c)
Gestützt wird diese Auslegung auch dadurch, dass Herr X gemäß § 7 des Vertrages vom 01.08.1990 von der X-GmbH für den übernommenen Kundenstamm eine Zahlung i.H.v. 21.000 DM erhalten hatte. Wie bereits dargestellt, gewährt der Anspruch aus § 89 b HGB einen Ausgleich für den vom Handelsvertreter geschaffenen Kundenstamm. Die entgeltliche Übernahme des Kundenstammes war für die X-GmbH wirtschaftlich daher nur sinnvoll und wäre unter fremden Dritten entsprechend vereinbart worden, wenn die GmbH bei Beendigung des Vertrages mit dem Y-Verlag auch einen entsprechenden Anteil am Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB erhalten sollte.
3.
Die Forderung der X-GmbH war in der Steuerbilanz zum 31.12.1997 zu aktivieren, da die Forderung im Wirtschaftsjahr 1997 entstanden war (§§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB i.V.m. 5 Abs. 1 EStG und 8 Abs. 1 KStG). Mit der Beendigung des Handelsvertretervertrages zwischen Herrn X und dem Y-Verlag im Wirtschaftsjahr 1997 erlangte dieser einen Ausgleichsanspruch i.H.v. 467.468,10 DM. Mit dem Entstehen dieses Ausgleichsanspruches entstand zugleich die anteilige Provisionsforderung i.H.v. 95 v.H. dieses Betrages zugunsten der X-GmbH.
Insoweit lag im Streitjahr 1997 noch keine verdeckte Gewinnausschüttung i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG zugunsten des Gesellschafter-Geschäftsführers X vor, da zu diesem Zeitpunkt bei der GmbH noch keine Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung vorlag. Es ist nicht ersichtlich, dass die X-GmbH im Streitjahr bereits wirksam auf die ihr zustehende Forderung verzichtet hatte. Eine Forderung einer Kapitalgesellschaft gegen ihren Gesellschafter kann aber solange, wie sie nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung in der Steuerbilanz in voller Höhe zu aktivieren ist, nicht Gegenstand einer verdeckten Gewinnausschüttung i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG sein. Wird eine entsprechende Forderung tatsächlich nicht aktiviert, so ist die Steuerbilanz als solche zu berichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 13. November 1996, I R 126/95, DStR 1997, Seite 918, 919). Dem steht nicht entgegen, dass die Forderung in der Bilanz der GmbH für das Streitjahr bislang nicht ausgewiesen war. Dieser Umstand deutet nicht auf den Verzicht der Forderung zugunsten des Gesellschafter-Geschäftsführers und das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung hin, da gerade das Bestehen der Forderung zugunsten der GmbH streitig war und eine Aktivierung der Forderung bei der GmbH nach der Rechtsauffassung des Klägers nicht vorzunehmen gewesen wäre.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.