Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.11.2004, Az.: 9 K 147/00

Inländische Steuerpflichtigkeit der ausländischen Einkünfte eines international tätigen Tennisschiedsrichters; Anforderungen an die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr; Auswirkungen des Bestehens eines Doppelbesteuerungsabkommens auf die Steuerpflichtigkeit der Einkommen; Qualifizierung eines Schiedsrichters als Sportler

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
24.11.2004
Aktenzeichen
9 K 147/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 29393
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2004:1124.9K147.00.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 08.09.2005 - AZ: I B 2/05

Fundstellen

  • DStR 2005, VI Heft 15 (Kurzinformation)
  • DStRE 2005, 498-499 (Volltext mit amtl. LS)
  • EFG 2005, 766-768
  • IWB 2005, 518 (Kurzinformation)
  • KÖSDI 2005, 14667 (Kurzinformation)
  • SpuRt 2005, 214-215 (Volltext mit amtl. LS)

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Ein Tennisschiedsrichter erzielt Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 EStG. Eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ist zu bejahen, da er - nicht wie z.B. ein Bundesligaschiedsrichter - lediglich für einen Sportverband, sondern international tätig ist.

  2. 2.

    Die Einkünfte eines Tennisschiedsrichters aus Belgien, Frankreich, Marokko, Niederlande und Österreich sind aufgrund der bestehenden DBA in Deutschland steuerpflichtig.

  3. 3.

    Ein Schiedsrichter ist kein Sportler i. S. des Art. 17 OECD-MA bzw. der entsprechenden Vorschriften der einzelnen DBA. Sportler sind nur Personen, die Wettkämpfe bestreiten. Schiedsrichter hingegen überwachen und entscheiden nur die Wettkämpfe, bestreiten sie aber nicht selber.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Besteuerung der ausländischen Einkünfte, die der Kläger (Kl.) als international tätiger Tennisschiedsrichter bezogen hat.

2

Der Kl. hat seinen Wohnsitz in Deutschland. Er erzielte aus seiner Schiedsrichtertätigkeit im Streitjahr die folgenden Einkünfte:

LandDM
Deutschland..,..
Belgien..,..
Frankreich..,..
Marokko..,..
Niederlande..,..
Österreich..,.
Indien..,..
Italien..,..
Kroatien..,..
Rumänien..,..
Schweden..,..
Schweiz..,..
Katar..,..
Monte Carlo..,..
Summe:..,..
3

Im Einkommensteuerbescheid 1996 berücksichtigte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) den gesamten Betrag als steuerpflichtige Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit im Sinne von § 18 Einkommensteuergesetz (EStG).

4

Der Einspruch gegen diesen Steuerbescheid blieb erfolglos.

5

Der Kl. begehrt mit seiner Klage die Einkünfte aus Belgien, Frankreich, Marokko, Niederlande und Österreich, insgesamt ..,.. DM, aufgrund der bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) steuerfrei zu belassen und diese Einkünfte lediglich im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. Er trägt vor, das Besteuerungsrecht für die im Ausland erzielten Einkünfte stehe nach § 17 OECD-Musterabkommen 1992 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (OECD-MA) dem Tätigkeitsstaat und nicht dem Wohnsitzstaat zu, denn auch ein Tennisschiedsrichter sei Sportler im Sinne dieser Vorschrift, da er eine dem Sportler vergleichbare Tätigkeit ausübe. Dem zur Folge seien die Einkünfte aus den genannten Ländern aufgrund der jeweils geltenden DBA steuerfrei, sie unterlägen nach der für diese Länder geltenden Freistellungsmethode lediglich dem Progressionsvorbehalt. Die übrigen Einkünfte aus Indien, Italien, Kroatien, Rumänien, Schweden und Schweiz - aufgrund entsprechender DBA mit der so genannten Anrechnungsmethode - so wie aus Katar und Monte Carlo - wegen fehlender DBA - insgesamt ..,.. DM seien zutreffend als steuerpflichtige Einkünfte behandelt worden.

6

Der Kl. beantragt,

die Einkommensteuer 1996 unter Änderung des Bescheids vom .... in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom .... auf ..,.. DM herabzusetzen.

7

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Da der Schiedsrichter kein Sportler im Sinne des OECD-MA sei, läge das Besteuerungsrecht für die gesamten Einkünfte in Deutschland.

9

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO)).

Gründe

10

Die Klage ist unbegründet.

11

Als Tennisschiedsrichter erzielt der Kläger Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 EStG, da er eine selbständige, nachhaltige Betätigung mit der Absicht Gewinn zu erzielen ausübt und sich am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt. Eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ist anzunehmen, da der Kl. nicht wie z.B. ein Bundesligaschiedsrichter lediglich für den Sportverband (vgl. Jansen, Steuerfragen bei Sportlervergütungen und Ablösezahlungen in Finanzrundschau 1995, 461, 463 f.), sondern international tätig ist. Es handelt sich auch nicht um Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit im Sinne von § 18 EStG, da die Schiedsrichtertätigkeit zu keinen in dem § 18 EStG aufgezählten Fallgruppen gehört. Es liegt weder eine freiberufliche Tätigkeit vor, da die Schiedsrichtertätigkeit nicht eine den Katalogberufen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ähnliche Tätigkeit ist, noch eine wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit. Auch eine selbständige Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 2 bzw. 3 EStG liegt nicht vor.

12

Die streitigen Einkünfte aus Belgien, Frankreich, Marokko Niederlande und Österreich in Höhe von insgesamt ..,.. DM sind aufgrund der bestehenden DBA in Deutschland steuerpflichtig, Art. 7 Abs. 1 S. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Regelung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 11. April 1967 (DBA Belgien), Art. 4 Abs. 1 S. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und Grundsteuern vom 21. Juli 1959 in der Fassung des Revisionsprotokolls vom 9. Juni 1969, des Zusatzabkommens vom 28. September 1989 (DBA Frankreich), Art. 7 Abs. 1 S. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Marokko zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 7. Juni 1972 (DBA Marokko), Art. 5 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete vom 16. Juni 1959, geändert durch Zusatzabkommen vom 21. Mai 1991 (DBA Niederlande) und Art. 4 Abs. 1 S. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 4. Oktober 1954 in der Fassung des Änderungsabkommens vom 8. Juli 1992 (DBA Österreich).

13

Maßgebend für die Frage, ob die Einkünfte, die der Kläger aus seiner Schiedsrichtertätigkeit in den verschiedenen Ländern erzielt hat, in Deutschland besteuert werden, sind die jeweils geltenden Doppelbesteuerungsabkommen, denen regelmäßig das OECD-MA zugrunde liegt. Diese internationalen Regelungen gehen gemäß § 2 Abgabenordnung (AO) dem deutschen Steuerrecht vor.

14

Die oben genannten Vorschriften der einzelnen DBAs sind alle an den Art 7 OECD-MA angelehnt, der in Abs. 1 S.1 regelt, dass Einkünfte, die eine im Vertragsstaat ansässige Person aus einem Unternehmen bezieht, nur in diesem Staat - im Wohnsitzstaat, demnach in Deutschland - zu besteuern sind, es sei denn, dass die Person im anderen Vertragsstaat eine Betriebsstätte hat. Nach Art. 5 Abs. 1 OECD-MA ist eine Betriebstätte eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Über eine solche Betriebsstätte außerhalb Deutschlands verfügt der Kl. nicht.

15

Die Einkünfte eines Schiedsrichters werden auch nicht nach Art. 17 DBA Belgien, Art.12 Abs. 2 DBA Frankreich, Art. 17 Abs. 1 DBA Marokko, Art. 9 Abs. 2 DBA Niederlande und Art. 8 Abs. 2 DBA Österreich im Tätigkeitsstaat besteuert. Diese Regelungen entsprechen im Wesentlichen dem Art. 17 OECD-MA, lex specialis zu Art. 14 (Selbständige Tätigkeit) und Art. 15 (Nichtselbständige Tätigkeit).

16

Diese Sonderregelung betrifft grundsätzlich nicht nur nach nationalem Recht Selbständige im Sinne des § 18 EStG. Vielmehr sind alle Sportler erfasst, die nicht abhängig tätig sind, auch die gemäß § 15 EStG gewerblich tätigen - im Gegensatz zu den nicht auf eigene Rechnung auftretenden und damit abhängig tätigen. Dies ergibt sich aus dem Zweck der Regelung, dem Tätigkeitsstaat des nicht abhängig tätigen Sportlers ein Besteuerungsrecht einzuräumen (vgl. Malinski in Debatin/Wassermeyer DBA Belgien Art. 17 Rz. 5, Kramer in Debatin/Wassermeyer DBA Frankreich Art. 12 Rz. 29, Kramer in Debatin/Wassermeyer DBA Marokko Art. 17 Rz. 1, Schauhoff in Debatin/Wassermeyer DBA Niederlande Art. 9 Rz. 50).

17

Etwas anderes gilt nur für die Regelungen des DBA Österreich. Ein Tennisschiedsrichter, der gewerbliche Einkünfte gemäß § 15 EStG erzielt, wird von der Vorschrift des Art. 8 Abs. 2 DBA Österreich nicht erfasst.

18

Eine einkunftsübergreifende Regelung für alle selbständigen sportlichen Tätigkeiten enthält Art. 8 Abs. 2 DBA Österreich nicht. Der Wortlaut dieser Vorschrift ist ausdrücklich auf die "freiberuflich" ausgeübten Tätigkeiten beschränkt, insoweit unterscheidet er sich deutlich von dem des OECD-MA. Der Begriff "Einkünfte aus selbständiger Arbeit" ist zwar im DBA Österreich selbst nicht definiert. Er lehnt sich jedoch eng an die Wortwahl des deutschen Rechts an, das in § 18 EStG denselben Terminus verwendet. Zudem bestimmt Art. 8 Abs. 2 DBA Österreich, dass zu den Einkünften aus Selbständiger Arbeit insbesondere die Einkünfte aus freien Berufen gehören; diese Zuordnung stimmt ebenfalls mit derjenigen des deutschen Rechts (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) überein. Schließlich ergibt sich aus dem Schlussprotokoll zum Abkommen (Nr. 20 zu Art. 8), dass auch bei der Bestimmung der einzelnen "freien Berufe" die Abkommensparteien weitgehend von einer Parallele zum deutschen Recht (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) ausgegangen sind. Vor diesem Hintergrund ist es sachgerecht, bei der Auslegung des abkommensrechtlichen Begriffs auf die Kategorien des § 18 EStG zurückzugreifen (Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11. Oktober 2000, I R 44-51/99 BStBl II 2002, 271, BFHE 193, 343).

19

Unabhängig von der Sonderregelung in dem DBA Österreich ist der Schiedsrichter aber auch kein Sportler im Sinne des Art. 17 OECD-MA, bzw. der entsprechenden Vorschriften der einzelnen DBA's. Der Begriff des Sportlers ist in den DBAs nicht definiert. Nach dem allgemeinen Verständnis ist Sportler, wer eine körperliche oder geistige Tätigkeit ausübt, die um ihrer selbst willen, meist unter Anerkennung bestimmter Regeln und in eigens dafür bestimmten Organisationsformen, betrieben wird. (Stockmann in Vogel/Lehner DBA Art. 17 Rz. 31). Sport beinhaltet immer eine äußerlich beobachtbare Anstrengung oder (Kunst)bewegung, die einem persönlichen Können zurechnenbar ist (Leistung) und gezielt gesteigert werden kann (Training) (vgl. "Sport" in Meyers Enzyklopädisches Lexikon). Da die Regelung des Art. 17 OECD-MA sowohl für Sportler wie auch für Künstler Anwendung findet, sind diese beiden Begriffe in systematisch vergleichbarer Weise auszulegen. Unter dem Begriff Sportler fällt nur eine unmittelbar oder mittelbar über die Medien öffentlich auftretende natürliche Person. Das sind typischerweise Sportler, die Wettkämpfe bestreiten (vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer DBA Art. 17 Rz. 26).

20

Der Schiedsrichter ist ein Spielleiter bei verschiedenen Sportarten, der als Unparteiischer darauf zu achten hat, dass die Regeln eingehalten werden, er hat das alleinige Entscheidungsrecht und trifft Tatsachenentscheidungen. Der Schiedsrichter spricht Ermahnungen, Verwarnungen und Disqualifizierungen aus. Er muss eine durch Prüfung erworbene und von der betroffenen Sportbehörde ausgestellte Lizenz besitzen (vgl. "Schiedsrichter" in Meyers Enzyklopädisches Lexikon).

21

Ein Schiedsrichter überwacht lediglich die Einhaltung der Regeln, denen sich ein Sportler unterwirft, er entscheidet in Wettkämpfen, bestreitet sie aber nicht selber. Seine Leistungsfähigkeit bestimmt sich vornehmlich nach der durch Prüfung erworbenen Lizenz und nicht - wie bei einem Sportler - nach einer durch regelmäßiges Training steigerbaren Leistung.

22

Auch wenn der Begriff des Sportlers in Art. 17 OECD-MA weit auszulegen ist (vgl. Wassermeyer in Debatin /Wassermeyer DBA Art. 17 Rz. 26), so setzt dies jedoch immer die sportliche Betätigung des einzelnen, in der Regel die Teilnahme an einem Wettkampf voraus. Die Ansicht, dass auch der Schiedsrichter eine sportliche Betätigung ausüben könne (vgl. Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer DBA (Stand September 2000) Art 17 MA Rz. 27), findet sich in den aktuellen Kommentierungen nicht wieder. Nach der Definition des Sports reicht es für einen Sportler nicht aus, dass er eigene sportliche Leistungen erbringt, erforderlich ist regelmäßig die aktive Teilnahme an einem Wettkampf, in dem der Sportler gegen andere Sportler antritt.

23

Dass das FA die Einkünfte des Kl. als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit (§ 18 EStG) und nicht als Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit (§ 15 EStG) behandelt hat, ist im Ergebnis unerheblich, da die Höhe der erzielten Einkünfte gleich bleibt. Einkünfte nach § 15 bzw. § 18 EStG sind jeweils gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG der Gewinn. Diesen hat der Kl. zurecht nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, da sich aufgrund der Höhe der Einkünfte, insgesamt ..,.. DM, gemäß §§ 140, 141 Abgabenordnung (AO) keine Pflicht ergibt, den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich, §§ 4 Abs. 1, 5 EStG, zu ermitteln.

24

Die Kostenentscheidung erfolgt nach § 135 Abs. 1 FGO.

25

Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.