Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 04.08.2011, Az.: 16 U 77/11
Umfang der Haftung des Schulträgers für die Beschädigung eines Musikinstruments durch einen Lehrer
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 04.08.2011
- Aktenzeichen
- 16 U 77/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 22708
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2011:0804.16U77.11.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 23.02.2011 - AZ: 6 O 252/09
Rechtsgrundlagen
- § 839 BGB
- Art. 34 GG
- § 113 NSchG
Fundstellen
- MDR 2011, 1170-1171
- SchuR 2012, 132
- VersR 2011, 1521
Amtlicher Leitsatz
Haftung des Landes als Anstellungskörperschaft des den Schaden verursachenden Lehrers. Hier: Verwendung eines privaten Musikinstruments im Unterricht.
In dem Rechtsstreit
U. B., ...,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt ...,
gegen
Land Niedersachsen, vertreten durch das Niedersächsische Kultusministerium, ...,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt ...,
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 28. Juli 2011 durch den Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 23. März 2011 verkündete Urteil des Landgerichts Hannover geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.383,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 11. Juli 2009 sowie weitere 402,82 € zu zahlen.
Der weitergehende Zinsanspruch wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert: 3.883 €.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von dem beklagten Land (im Folgenden: die Beklagte) Schadensersatz wegen der Beschädigung seines Kontrabasses am 8. Oktober 2007 durch den bei der Beklagten angestellten Lehrer der R.K.Realschule in L. Der dem Kläger gehörende Kontrabass wurde von dem Lehrer der Schule im Rahmen des Unterrichts verwendet und unstreitig durch eine Unachtsamkeit des Lehrers beschädigt.
Die Beklagte wie auch der Schulträger haben eine Eintrittspflicht für den entstandenen Schaden jeweils abgelehnt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil verwiesen, durch das die Klage abgewiesen worden ist. Das Landgericht hat sich der von der Beklagten vertretenen Auffassung angeschlossen, dass diese nicht passivlegitimiert sei. Das Instrument des Klägers sei im Rahmen einer Vereinbarung mit der örtlichen Musikschule im Unterricht verwendet worden. Dies gehöre somit zu dem Bereich der Sachausstattung der Schule und sei dem Schulträger (somit der Stadt L., der der Kläger den Streit verkündet hat) zuzuordnen.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Ansprüche weiterverfolgt und die Rechtsauffassung des Landgerichts als unzutreffend angreift. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Senat hat zur Schadenshöhe Beweis erhoben. Dazu wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
II. Die Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg.
1. An der Haftung der Beklagten aus Amtspflichtverletzung nach § 839 BGB, Art. 34 GG dem Grunde nach kann kein ernsthafter Zweifel bestehen.
Die Voraussetzungen der Amtspflichtverletzung sind nach dem auch von der Beklagten nicht bestrittenen Schädigungsvorgang unzweifelhaft erfüllt.
Das Instrument des Klägers wurde im Unterricht durch den Lehrer der Realschule zu Zwecken des Unterrichts verwendet und ist dabei unstreitig durch eine Unachtsamkeit des Lehrers beschädigt worden. Der Lehrer handelte im Rahmen des Unterrichts hoheitlich: für diese Amtspflichtverletzung haftet die Beklagte als Anstellungskörperschaft des Lehrers.
Damit liegt eine fahrlässige Pflichtverletzung des Lehrers vor, die zu einem Schaden des Klägers geführt hat. Das Instrument wurde unstreitig beschädigt. Dies beruhte auf der Unachtsamkeit des Lehrers.
Die von der Beklagten vorgebrachte und im Schriftsatz vom 2. August 2011 nochmals vertiefte Argumentation, der auch das Landgericht gefolgt ist, vermag der Senat nicht zu teilen.
Im Verhältnis des Klägers als geschädigtem Eigentümer des Instruments zur Beklagten als Anstellungskörperschaft des Lehrers kommt es jedenfalls im Rahmen der hier allein zu entscheidenden Amtshaftung aus § 839 BGB nicht darauf an, ob dieses Instrument durch eine Vereinbarung der Realschule mit der örtlichen Musikschule für den Unterricht hatte verwendet werden können. Der Kläger ist auch geschützter ´Dritter´ im Sinne des § 839 BGB. Der Lehrer verwendete den im Eigentum des Klägers stehenden Kontrabass im Unterricht. Ob daneben noch ein "Leihverhältnis" bestand, ist unerheblich. Auch die Regelung in § 113 NSchG vermag an der Haftung der Beklagten für Pflichtverletzungen des bei ihr unstreitig im Anstellungsverhältnis stehenden Lehrers nichts zu ändern. Auf diese Gesichtspunkte sind die Parteien durch die Verfügung des Senats vom 25. Juli eingehend hingewiesen worden. Darauf kann verwiesen werden. Jedenfalls vermag die Regelung in § 113 NSchG nichts an der durch Bundesgesetz in § 839 BGB angeordneten Haftung der Beklagten als Anstellungskörperschaft des Lehrers zu ändern. Ob die Beklagte sich dann im Wege des Rückgriffs bei der Stadt L. als Schulträger schadlos halten kann, ist für den vorliegenden Rechtsstreit unbeachtlich.
2. Zum streitigen Zeitwert des Kontrabasses hat der Senat Beweis durch Vernehmung der Zeugin und Sachverständigen K. erhoben. Danach sind die vom Kläger aufgewandten Reparaturkosten in Höhe von 3.837,75 € zu ersetzen, denn die Reparatur war im vorliegenden Fall nicht unwirtschaftlich und damit im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB erforderlich.
In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte die aufgewandten und durch Rechnung belegten Reparaturkosten als solche unstreitig gestellt.
Die als Sachverständige vernommene Geigenbauerin K. hat im Termin die von ihr bereits im Kostenvoranschlag abgegebene Wertschätzung des Instruments im Zeitpunkt der Beschädigung auf 5.000 € eingehend erläutert und nachvollziehbar dargestellt. Sie hat dazu auch von ihr zur Vorbereitung des Termins zusammengestellte Unterlagen zum Erwerb des Instruments durch den Kläger im Jahr 1994 und zur Wertschätzung zur Akte gereicht. Auf diese Unterlagen wird wegen der Einzelheiten verwiesen. Danach war die Reparatur des Kontrabasses im Hinblick auf den Zeitwert erforderlich und angemessen.
Die Wertschätzung beruht nach den überzeugenden Angaben der Sachverständigen, die seit Jahren in C. als Geigenbauerin mit der Spezialisierung auf Kontrabasse tätig ist, vor allem auf den Gesichtspunkten der Herkunft, des Alters, des Erhaltungszustandes und des Klangs des Instruments. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist der Wert im Zeitpunkt des Schadenseintritts mit etwa 5.000 € - auch nach Ansicht des Senats, der der Einschätzung der Sachverständigen in vollem Umfang folgt, anzunehmen.
Die Sachverständige hat dabei insbesondere darauf hingewiesen, dass sie selbst den Klang des Instruments in ihrer Werkstatt überprüft und das Instrument auch von einer Mitarbeiterin hat spielen lassen. Es handele sich um ein etwa 100 Jahre altes Instrument deutscher Herkunft, das sie durch die regelmäßige etwa jährliche Wartung in ihrer Werkstatt sehr gut kenne. Anders als etwa bei Geigen sei das Anbringen von Zetteln über die Herkunft oder den Hersteller nicht derart verbreitet. Dabei müsse aber auch beachtet werden, dass nach ihrer Erfahrung auch häufig gefälschte oder nachgemachte Zettel angebracht werden mit dem Ziel, dadurch einen höheren Wert vorzutäuschen. Auch über den Zeitraum von rund 15 Jahren seit dem Erwerb des Instruments durch den Kläger sei hier kein Wertverlust eingetreten, was u. a. auch auf die regelmäßige Unterhaltung und Wartung des Geräts zurückzuführen sei.
Nach diesen überzeugenden Ausführungen ist auch der Senat davon überzeugt, dass der angegebene Zeitwert von 5.000 € nicht zu beanstanden, die Reparatur zu einem Preis von rund 3.800 € damit erforderlich und angemessen gewesen ist (§ 287 ZPO).
3. Der Kläger hat auch Anspruch auf Ersatz der Fahrtkosten zur Verbringung des Instruments von H. nach C. in Höhe von 45,60 €.
Dieser Transport war zur Reparatur erforderlich und ist von der Beklagten neben den Reparaturkosten zu ersetzen. Der Einwand, eine Verschickung durch die Post sei kostengünstiger, verfängt nicht. Gerade bei einem Transport eines so sperrigen Gegenstandes wie einem Kontrabass, liegt es auf der Hand, dass hier eine persönliche Übergabe zur Reparatur angebracht war. Der Kläger hat zudem dargetan, dass eine Verschickung nicht kostengünstiger gewesen wäre.
4. Die Beklagte schuldet Verzugszinsen aus § 286 BGB in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Juli 2009. Der weitergehende Klageantrag ist unbegründet, denn die Beklagte befand sich erst seit Fristablauf des Schreibens vom 25. Juni 2009 (Bl. 10) in Verzug.
5. Die Beklagte ist als Schadensfolge (dazu BGH NJW 2006, 1065 [BGH 10.01.2006 - VI ZR 43/05]) nach § 249 BGB auch zum Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe weiterer 402,82 € verpflichtet. Der vorliegende Rechtsstreit zeigt mit aller Deutlichkeit, dass der Kläger zur erfolgreichen Durchsetzung seiner Rechte als Geschädigter die Hilfe eines Anwalts in Anspruch nehmen musste. Die Beklagte hat auf das anwaltliche Schreiben ihre Eintrittspflicht für den unstreitig dem Grunde nach entstandenen Schaden (zu Unrecht) abgelehnt.
6. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 713 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.